European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0140OS00004.19Y.0305.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Aus ihrem Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch III./ und in diesem zugrunde liegenden Wahrspruch zur dritten Hauptfrage sowie im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Klagenfurt als Geschworenengericht verwiesen.
Mit ihrer Berufung wird die Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Ihr fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Brigitte W***** des Vergehens der staatsfeindlichen Verbindung nach § 246 Abs 3 erster Fall StGB (I./), der Verbrechen der Erpressung nach §§ 15, 144 Abs 1 StGB (II./), des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 302 Abs 1 StGB (III./) und der Vergehen der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB (V./) schuldig erkannt.
Danach hat sie in K*****
I./ vom 26. August 2016 bis zum 6. März 2017 dadurch, dass sie sich durch Unterfertigung einer Befreiungsbestätigung und einer Beitrittserklärung zur verfassungsgebenden Versammlung des Staates Kärnten, durch Unterfertigung der „Lebenderklärung“ sowie durch Bezahlung einer Beitrittsgebühr in der Höhe von 50 Euro und durch Beantragung einer „Authentitätskarte“ der staatsfeindlichen Verbindung „Staatenbund Österreich/Staat Kärnten“ als Mitglied anschloss, an einer Verbindung, deren wenn auch nicht ausschließlicher Zweck es ist, auf gesetzwidrige Weise die Unabhängigkeit, die in der Verfassung festgelegte Staatsform oder eine verfassungsmäßige Einrichtung der Republik Österreich oder eines ihrer Bundesländer zu erschüttern, sonst teilgenommen;
II./ mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Genötigten unrechtmäßig zu bereichern, am 28. September 2017 Gabriele N***** (1./) und am 30. Oktober 2017 Mag. Karin K***** (2./), jeweils Rechtspflegerinnen des Bezirksgerichts K*****, durch gefährliche Drohung mit einer Verletzung am Vermögen, nämlich durch die Ankündigung, für den Fall der Nichtbefolgung ihrer Forderungen „(Entehrung)“ eine Geldforderung von bis 125.000 US-Dollar und „für den Fall der Verweigerung, des Ignorierens oder des fehlenden Ausgleichs von Forderungen aller Art den zehnfachen Betrag der ursprünglichen Forderung“ geltend zu machen und bei weiterem Verzug eine Eintragung in ein öffentliches Schuldenregister („UCC3, Washington D.C. und Schufa“) zu erwirken, zur Überweisung von jeweils 500 US-Dollar zu nötigen versucht;
III./ Beamte zu bestimmen versucht, ihre Befugnis, im Namen des Bundes als deren Organe in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, zu missbrauchen, wobei sie deren vorsätzlichen Fehlgebrauch der Befugnis für gewiss hielt, und zwar:
1./ am 14. Oktober 2017 den Finanzbeamten Dietmar B***** zur Einstellung aller gegen sie geführten Verfahren und zur Löschung aller Registrierungen hinsichtlich ihrer Person, indem sie in einem an ihn gerichteten Schreiben androhte, für den Fall der Nichtbefolgung ihres „Angebotes“ gemäß den ihrem Schreiben angeschlossenen „Allgemeinen Geschäfts- und Handelsbedingungen“ Schadenersatzbeträge und Pfandrechte geltend zu machen, welche mittels Eintragung in ein öffentliches Schuldenregister durchgesetzt würden, wobei sie mit dem Vorsatz handelte, dadurch den Staat an seinem „Recht auf den Verfahrensvorschriften entsprechende Bearbeitung und Erledigung dieser Abgabeverfahren“ zu schädigen;
2./ am 28. Juli 2017 die Mitarbeiterinnen des Arbeitsmarktservice K***** Regina O***** und Doris P***** zur Zuerkennung der Notstandshilfe und Übermittlung einer entsprechenden Bestätigung binnen 72 Stunden, indem sie in einem an diese gerichteten Schreiben androhte, für den Fall der Nichterledigung ihres Antrags gemäß den bereits im Vorfeld zugegangenen „Allgemeinen Geschäfts- und Handelsbedingungen“ Schadenersatzbeträge und Pfandrechte geltend zu machen, welche mittels Eintragung in ein öffentliches Schuldenregister oder mittels Einbringung einer Klage vor einem internationalen Gericht durchgesetzt würden, wobei sie mit dem Vorsatz handelte, dadurch den Staat an seinem „Recht auf Einhaltung der Vorschriften der Notstandshilfeverordnung im konkreten Bearbeitungsfall zu schädigen“;
V./ durch die zu III./1./ und 2./ beschriebenen Verhaltensweisen die dort genannten Personen durch gefährliche Drohung mit einer Verletzung am Vermögen zu den angeführten Handlungen zu nötigen versucht.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus § 345 Abs 1 Z 5, 8 und 10a StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten schlägt fehl.
Der Verfahrensrüge (Z 5) zuwider wurden durch die Abweisung des Antrags auf Vernehmung einer Reihe von Zeugen zum Beweisthema, „welcher Bedeutungsinhalt seitens dieser Zeugen den Eingaben der Angeklagten beigemessen wurde, ob diese als Rechtsmittel oder Rechtsmittel der Aufforderungen qualifiziert wurden, dies unter anderem im Hinblick darauf, dass mehrere Eingaben der Angeklagten zum Beispiel des Obersten Gerichtes oder des Oberlandesgerichtes Graz in Haftbeschwerden umgedeutet wurden und die Angeklagte selbst angegeben hat, gegen die Exekutionsbewilligung ein Rechtsmittel einlegen zu wollen“ (ON 106 S 14), Verteidigungsrechte der Angeklagten schon deshalb nicht verletzt, weil bloße Einschätzungen kein Gegenstand des Zeugenbeweises sind (RIS-Justiz RS0097540) und das Beweisbegehren im Übrigen (arg „welcher Bedeutungsinhalt“) auf unzulässige Erkundung gerichtet war (RIS-Justiz RS0118123).
Das dazu im Rechtsmittel zur Antragsfundierung nachgetragene Vorbringen stellt eine unbeachtliche Neuerung dar (vgl RIS-Justiz RS0099117).
Die Instruktionsrüge (Z 8) entzieht sich mit der pauschalen Kritik, wonach das Verhältnis der Fragen zueinander „nicht ausreichend klar dargestellt“ gewesen sei, und „die Art der Fragestellung und die dazu gehörige Rechtsberatung“ gegen die Vorschriften der StPO verstoßen würden, einer sachbezogenen Erwiderung (RIS‑Justiz RS0119549).
Der Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs 1 Z 10a StPO greift seinem Wesen nach erst dann, wenn aktenkundige Beweisergebnisse vorliegen, die nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen – wie sie die Berufung wegen Schuld des Einzelrichterverfahrens einräumt – wird dadurch nicht eröffnet (RIS-Justiz RS0119583).
Diesen Anfechtungsrahmen verfehlt die Beschwerde, indem sie die der Angeklagten angelasteten Nötigungshandlungen unter Hinweis auf die „Gesamtschau des Sachverhalts“ in Abrede stellt. Gleiches gilt für das pauschale Vorbringen, die Annahme einer im Sinn des § 246 Abs 3 StGB verpönten Mitgliedschaft sei im Hinblick auf in der Hauptverhandlung vorgelegte (aber nicht näher bezeichnete) Beweise und der glaubhaften leugnenden Verantwortung des Angeklagten verfehlt.
Der Einwand, die Eigenschaft der vorliegenden Vereinigung als staatsfeindliche Verbindung sei noch nicht rechtskräftig festgestellt worden, ist unverständlich. Soweit die Beschwerdeführerin (nach Art einer Aufklärungsrüge) das Unterbleiben von diesbezüglichen „eigenen Erhebungen“ des Schwurgerichtshofs moniert, gibt sie nicht bekannt, wodurch sie an zielgerichteter Antragstellung in der Hauptverhandlung gehindert war (RIS-Justiz RS0115823).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 344, 285d Abs 1 StPO).
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof davon (§§ 344, 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO), dass dem Schuldspruch wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 302 Abs 1 StGB (III./1./ und 2./)– worauf die Generalprokuratur zutreffend hinweist – Nichtigkeit aus Z 12 des § 345 Abs 1 StPO (weil zum Schuldspruch wegen § 105 Abs 1 StGB [V./] eine weitere idealkonkurrierende strafbare Handlung angenommen wurde; vgl RIS-Justiz RS0099947; Hinterhofer/Oshidari , Strafverfahren Rz 9.194) anhaftet.
Nach den dem Schuldspruch III./ zugrunde liegenden Tatsachenannahmen (vgl RIS-Justiz RS0101089) bezog sich der Schädigungsvorsatz der Angeklagten jeweils bloß auf die Verletzung von Verfahrensvorschriften (vgl III./1./: verfahrenskonforme Bearbeitung und Erledigung von Abgabeverfahren; III./2./: Einhaltung der Vorschriften der Notstandshilfeverordnung).
Der wissentliche Verstoß gegen eine Verfahrensvorschrift begründet (nicht anders als bei materiell‑rechtlichen Bestimmungen) dann Missbrauch der Amtsgewalt, wenn der begleitende Schädigungsvorsatz nicht– wie hier im Wahrspruch festgestellt – nur auf ordnungsgemäße Führung des Verfahrens, sondern auf die Vereitelung des von dieser Vorschrift verfolgten (Schutz-)Zwecks gerichtet ist (vgl RIS-Justiz RS0096270 [insb T14 bis T16, T19, T23]; Nordmeyer , Jahrbuch Wirtschaftsstrafrecht und Organverantwortlichkeit 2014, 81 [86]). Dass sich die subjektive Ausrichtung der Angeklagten etwa darauf bezog, den Staat an seinem Recht auf Steuereinhebung (17 Os 15/14f; 17 Os 35/15y) oder auf Gewährung von Notstandshilfe nur bei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen (17 Os 15/14f) zu schädigen, hat das Geschworenengericht solcherart nicht konstatiert.
Urteilskassation bei nichtöffentlicher Beratung (§§ 344, 285e StPO) wie im Spruch ersichtlich ist die Folge, worauf die Angeklagte mit ihrer Berufung zu verweisen war.
Bleibt der Vollständigkeit halber anzumerken, dass die den Geschworenen zur (dem von der Angeklagten unbeanstandet gebliebenen Schuldspruch V./ zugrunde liegenden) vierten Hauptfrage erteilte Instruktion, diese nur für den Fall der Bejahung der dritten Hauptfrage (Schuldspruch III./) zu beantworten, unrichtig war, weil mehrere (hier: wegen der Annahme echter Idealkonkurrenz gestellte; vgl RIS-Justiz RS0100794) Hauptfragen nicht von der Bejahung oder Verneinung der jeweils anderen Hauptfrage abhängig sind. Ein amtswegig aufzugreifender Rechtsfehler (§§ 344, 290 Abs 1 StPO) liegt insoweit jedoch nicht vor.
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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