European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0140OS00137.18F.0129.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit hier von Bedeutung – Raimund R***** des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
Danach hat er von 1. September 2014 bis April 2016 in R***** als Bürgermeister der gleichnamigen Gemeinde, mithin als Beamter, mit dem Vorsatz, dadurch den Staat an dessen Recht auf Richtigkeit des Melderegisters zu schädigen, seine Befugnis, im Namen „der für das Meldewesen im übertragenen Wirkungsbereich zuständigen Gemeinde R***** als deren Organ“ (richtig: im Namen des Bundes als dessen Organ [vgl Art 10 Abs 1 Z 7 und Art 119 Abs 1 B‑VG]) in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbraucht, indem er es entgegen der ihn nach § 13 Abs 1 und § 15 Abs 1 MeldeG treffenden Pflicht, für die Richtigkeit des Melderegisters zu sorgen, unterließ, die Streichung der unrichtigen Eintragung eines Wohnsitzes von Karin A*****, Gerhard A*****, Johannes R***** und Manuela Ri***** in der genannten Gemeinde zu veranlassen.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 9 lit a und 11 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht im Recht.
Der Mängelrüge zuwider hat das Erstgericht die Feststellungen zur subjektiven Tatseite nicht unvollständig (Z 5 zweiter Fall) begründet.
Mit der Verantwortung des Angeklagten haben sich die Tatrichter ohnehin auseinandergesetzt (US 11 und 14). Zu einer weitergehenden Erörterung waren sie schon deshalb nicht verhalten, weil sie seine Angaben mit Bezug auf die – hier allein angesprochene – Wissentlichkeit des Befugnismissbrauchs mängelfrei als nicht glaubhaft beurteilten (RIS‑Justiz RS0098642).
Die weiteren zu diesem Nichtigkeitsgrund als unerörtert ins Treffen geführten Zeugenaussagen waren durchwegs nicht erheblich (vgl RIS‑Justiz RS0118316):
Das Erstgericht legte dem Beschwerdeführer (deutlich genug) zur Last, die gebotenen Schritte zur Berichtigung des Melderegisters (durch Weisung) nicht veranlasst zu haben (US 6 und 17). Die Aussage des Zeugen Alois O*****, das Meldewesen sei hauptsächlich sein Aufgabenbereich als Amtsleiter gewesen (ON 78 S 41), ist daher für die Feststellung entscheidender Tatsachen ohne Bedeutung. Gleiches gilt für seine Angaben dazu, ob er mit dem Beschwerdeführer über das Bestehen eines Wohnsitzes der im Urteilstenor genannten vier Personen in der Gemeinde R***** sowie über Entscheidungen des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich (über die Streichung dieser Personen aus dem Wählerverzeichnis der Gemeinde mangels eines dortigen ordentlichen Wohnsitzes im Sinn des § 18 Abs 6 niederösterreichische Gemeinderatswahlordnung 1994 [kurz: nö GRWO]) und allfällige Konsequenzen aus diesen gesprochen habe. Im Übrigen sind Einschätzungen dieses Zeugen über den Kenntnisstand des Beschwerdeführers kein erörterungsbedürftiges Beweisergebnis (RIS‑Justiz RS0097545 [T14]). Zudem stützten die Tatrichter die Feststellungen zur Wissentlichkeit des Beschwerdeführers auch auf dessen eigene Verantwortung, die genannten Entscheidungen seien ihm zur Kenntnis gelangt (US 14), die Erörterung der Thematik in der Gemeindewahlbehörde (US 12) und auf seine persönlichen Wahrnehmungen zur tatsächlichen Wohnsituation der genannten Personen in der Gemeinde R***** (US 6, 11 f und 13).
Unerheblich waren auch die Aussagen der Zeugen Gerhard und Karin A***** über ihre – vom Erstgericht zudem ohnehin festgestellte (US 6 und 11 f) – beruflich und gesellschaftlich bedingte Anwesenheit in der Gemeinde R*****, Zeitpunkt und Gründe für die Anmeldung eines Wohnsitzes in dieser Gemeinde (US 6), ihre Einschätzung vom Kenntnisstand des Beschwerdeführers betreffend die Vermietung ihres Hauses und die dortige, tatsächliche Wohnsituation, das Stattfinden von Gesprächen mit dem Beschwerdeführer über eine Hauptwohnsitzmeldung der Mieter dieses Hauses und die (nach den Depositionen gar nicht in Anspruch genommene) Möglichkeit einer Übernachtung dieser Zeugen in dem von ihnen vermieteten Haus.
Ohne Bedeutung für die Feststellung entscheidender Tatsachen und damit ebenso wenig erörterungsbedürftig waren auch Aussagen der Zeugen Johannes und Manuela Ri***** sowie Hermann und Katrin K*****, die sich nach dem Beschwerdevorbringen zusammengefasst bloß dazu äußerten, dass es eine Wohnmöglichkeit auf der Betriebsliegenschaft gegeben habe, die Anmeldung ihres Wohnsitzes in der Gemeinde R***** ohne Mitwirkung des Beschwerdeführers erfolgt sei (vgl dazu US 4) und sieben Personen mit (gemeldetem) Wohnsitz auf dieser Betriebsliegenschaft auch nach ihrem Ausscheiden aus dem Unternehmen nicht abgemeldet worden seien, sowie ihre Reaktion auf die Streichung aus dem Wählerverzeichnis dieser Gemeinde schilderten.
Die Kritik, die Konstatierungen zur subjektiven Tatseite seien offenbar unzureichend begründet (Z 5 vierter Fall), bezieht sich bloß auf einzelne Formulierungen in den Entscheidungsgründen und nicht – wie geboten – auf deren Gesamtheit (RIS‑Justiz RS0119370). Die Ableitung dieser Feststellungen „aus dem äußeren Geschehen“ (US 14) ist im Übrigen unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden und bei – wie hier – leugnenden Angeklagten methodisch meist auch nicht zu ersetzen (RIS‑Justiz RS0116882). Mit der Berufung auf den Zweifelsgrundsatz (§ 14 zweiter Teilsatz StPO) wird kein Begründungsmangel dargetan (RIS‑Justiz RS0117445).
Der Einwand der Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) behauptet die unrichtige Wiedergabe des Inhalts von Beweismitteln großteils gar nicht, sondern kritisiert bloß unzulässig die von den Tatrichtern aus diesen gezogenen Schlüsse (RIS‑Justiz RS0099431). Dies betrifft insbesondere das Vorbringen zum Protokoll über die Sitzung der Gemeindewahlbehörde vom 25. November 2014. Im Übrigen konstatierten die Tatrichter gar nicht, dass in dieser Sitzung „Streichungen aus dem Meldeverzeichnis“ vorgenommen worden seien, sondern dass dies „anlässlich der Sitzung“ erfolgt sei (US 3). Da die Rüge sogar ausdrücklich festhält, das Erstgericht habe keine „Feststellungen zum Inhalt des“ Gerhard A***** betreffenden Erkenntnisses des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich getroffen, scheitert sie aus demselben Grund. Der weiteren Kritik zuwider hat das Erstgericht die Erwägungen dieses Landesverwaltungsgerichts in anderen Entscheidungen (zu Karin A*****, Johannes Ri***** und Manuela Ri*****) richtig wiedergegeben. Wenn auch Gegenstand dieser Entscheidungen die Frage des Bestehens eines ordentlichen Wohnsitzes im Sinn des § 18 Abs 6 nö GRWO war, wird in den Gründen zu zwei Entscheidungen jeweils darauf hingewiesen, dass „eine tatsächliche Wohnsitzbegründung des Betroffenen in R***** im gesamten Verfahren zu keiner Zeit auch nur ansatzweise behauptet wurde“ und eine „bloße berufsbedingte Anwesenheit auf einer Liegenschaft keinen Wohnsitz begründet“ (ON 12 S 76 und [inhaltsgleich] ON 3 S 37).
Die Tatsachenrüge (Z 5a) weckt mit dem Verweis auf den – ohnehin ausführlich erörterten (vgl RIS‑Justiz RS0099674) – Inhalt der Entscheidungen des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen.
Gleiches gilt für das Vorbringen, das auf die auch von der Mängelrüge ins Treffen geführten – in der Antwort auf diese bereits als unerheblich beurteilten – Aussagen der Zeugen O*****, Karin A*****, Gerhard A***** und Johannes Ri***** sowie des Angeklagten verweist.
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) verfehlt, soweit sie die – zudem (wie die Rüge selbst einräumt) teilweise gar nicht auf den Urteilssachverhalt bezogenen – rechtlichen Erwägungen des Erstgerichts kritisiert, den vom Gesetz vorgegebenen Bezugspunkt (RIS‑Justiz RS0100877 [T8 und T11]).
Die Tatrichter stellten fest, Gerhard und Karin A***** sowie Johannes und Manuela Ri***** hätten (mit Wissen des Beschwerdeführers) im Tatzeitraum gar keine Unterkunft und damit (nach § 1 Abs 6 MeldeG) keinen Wohnsitz in der Gemeinde R***** gehabt (US 4, 6 und 7; vgl Gartner/Keplinger , MeldeG 7 § 1 Anm 1 f und 18; Thanner/Vogl , Polizeirecht I, 75 f, 78 und 80; zur ständigen Rechtsprechung des VwGH vgl etwa 2002/05/0834). Weshalb davon ausgehend weitere Feststellungen zum Inhalt der Entscheidungen des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich zu treffen gewesen wären (dessen Entscheidungsgegenstand im Übrigen die Prüfung eines ordentlichen Wohnsitzes nach § 18 Abs 6 nö GRWO war), erklärt das weitere Vorbringen nicht.
Nach dem Urteilssachverhalt liegt dem Beschwerdeführer zur Last, es als Bürgermeister der Gemeinde R***** (und damit zuständige Meldebehörde [§ 13 Abs 1 MeldeG]) unterlassen zu haben, trotz Kenntnis vom Nichtvorhandensein eines Wohnsitzes der zuvor genannten vier Personen in dieser Gemeinde für die Berichtigung des Melderegisters (§ 15 Abs 1 MeldeG) zu sorgen (US 6 und 8). Der weitere Einwand sagt nicht, warum das Unterlassen der solcherart gebotenen Weisung (vgl § 37 Abs 1 nö Gemeindeordnung [zur Weisungsbefugnis des Bürgermeisters]) an die mit der Führung des Melderegisters befassten Gemeindebediensteten den Tatbestand des Missbrauchs der Amtsgewalt nicht begründe (vgl 17 Os 14/16m; RIS-Justiz RS0129855).
Die Kritik, es fehlten Feststellungen (insbesondere zur subjektiven Tatseite), orientiert sich nicht am Urteilssachverhalt (RIS‑Justiz RS0099810; vgl US 8). Welche weiteren Konstatierungen erforderlich gewesen wären, legt der Beschwerdeführer nicht im Einzelnen dar (RIS-Justiz RS0099620). Ebenso wenig erklärt er, weshalb der festgestellte Vorsatz, „den Bund an seinem Recht auf Richtigkeit des Melderegisters“ zu schädigen, als Grundlage des Schuldspruchs nicht ausreiche (vgl 17 Os 29/14i; 17 Os 30/13k, EvBl 2014/84, 569).
Die Sanktionsrüge (Z 11) wendet sich gegen die Nichtgewährung bedingter Strafnachsicht und enthält damit bloß ein Berufungsvorbringen. Das Fehlen einer diesbezüglichen Begründung stellt keine Nichtigkeit dar (RIS‑Justiz RS0099865 [insb T2]).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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