Normen
MeldeG 1991 §1 idF 2001/I/028;
MeldeG 1991 §15 Abs1;
MeldeG 1991 §15 Abs2;
MeldeG 1991 §3 Abs1;
MeldeG 1991 §4 Abs1;
MeldeG 1991 §1 idF 2001/I/028;
MeldeG 1991 §15 Abs1;
MeldeG 1991 §15 Abs2;
MeldeG 1991 §3 Abs1;
MeldeG 1991 §4 Abs1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde "die Berichtigung des Melderegisters durch Eintragung der Abmeldung von Herrn (Beschwerdeführer) von der Adresse in Wien 2, Ausstellungsstraße (…), gemäß § 15 Abs. 1 und Abs. 2 des Meldegesetzes 1991 von Amts wegen verfügt".
In der Begründung dieses Bescheides wird ausgeführt, seit August 1999 sei auf Grund noch offener Geldstrafen nach dem Verwaltungsstrafgesetz vergeblich versucht worden, den Beschwerdeführer an seiner Wohnadresse zu erreichen. Für den Zeitraum vom 29. November 1999 bis 31. März 2000 sei der Beschwerdeführer beim zuständigen Postamt 1020 als ortsabwesend gemeldet gewesen. Über Anfrage im April 2000 habe das zuständige Postamt 1020 mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer neuerlich bis 30. Juni 2000 ortsabwesend sei. In einem an die Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Leopoldstadt, gerichteten Schreiben vom 29. Juni 2000 habe der Beschwerdeführer mitgeteilt, an seiner Meldeadresse wohnhaft zu sein und dort seinen ordentlichen und einzigen Wohnsitz zu haben; unrichtig sei, dass er dort keine Unterkunft mehr nehme. Er sei jedoch immer wieder ortsabwesend. Eine Erhebung der Behörde im Jänner 2001 habe ergeben, dass der Beschwerdeführer bereits sei Wochen nicht mehr gesehen worden sei. Eine Verständigung, die eine Woche vorher hinterlegt worden sei, sei unberührt geblieben. Die Ehegattin des Beschwerdeführers habe am 26. Jänner 2001 zu Protokoll gegeben, dass der Beschwerdeführer berufsbedingt öfter im Ausland und daher nicht ständig an seiner Meldeadresse erreichbar sei. Sie lebe mit dem Beschwerdeführer in Scheidung und seit rund vier Jahren von ihm getrennt. Sie habe ihn vor mehr als einem Jahr persönlich in der Wohnung angetroffen; dort befänden sich nach wie vor persönliche Gegenstände und Kleidungsstücke des Beschwerdeführers. Ihr gegenüber habe der Beschwerdeführer angegeben, "ausschließlich diesen Wohnsitz zu benutzen". Der Beschwerdeführer sei von der belangten Behörde aufgefordert worden, seine Ortsabwesenheit in der Zeit vom 29. November 1999 bis 31. März 2000, 19. April 2000 bis 30. Juni 2000 sowie Dezember 2000 bis 10. Jänner 2001 nachvollziehbar zu belegen. Der Beschwerdeführer habe die Anfrage dahingehend beantwortet, dass er selbständig sei und in den betreffenden Zeiträumen berufsbedingt überwiegend in Deutschland geweilt habe. Eine Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahmen sei am 2. August 2001 beim Zustellpostamt hinterlegt, vom Beschwerdeführer jedoch nicht behoben worden. Mit Schreiben vom 4. September 2001 habe der Beschwerdeführer mitgeteilt, dass es ihm durch urlaubsbedingte Abwesenheit nicht möglich gewesen sei, dieses Schreiben innerhalb der Hinterlegungsfrist vom Postamt abzuholen. Im Rahmen einer "Hauserhebung" (Bericht des Erhebungsbeamten vom 22. Oktober 2001) sei die Auskunft erteilt worden, dass der Beschwerdeführer "relativ unregelmäßig, etwa alle paar Wochen" gesehen worden sei, an seiner Wohnadresse selten aufhältig sei, meistens nachts oder in den Abendstunden die Wohnung betrete und sich der Aufenthalt "relativ kurz" gestalte. Der Beschwerdeführer sei immer mit einem Mercedes mit deutschem Kennzeichen unterwegs. In seiner abschließenden, in München geschriebenen Stellungnahme vom 10. Dezember 2001 habe der Beschwerdeführer ausgeführt, dass er bis Mitte Jänner ortsabwesend sei; seit Jahren sei amtsbekannt und aktenkundig, dass er sehr viel im In- und Ausland unterwegs sei. Sein "weltweiter" Hauptwohnsitz befinde sich jedoch in der Ausstellungsstraße. Wenn er sich nicht in Wien befinde, habe er gemäß dem Meldegesetz der jeweiligen Länder oder Staaten eine "Zweitmeldung".
Ausgehend von diesen Feststellungen folgerte die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid, der Beschwerdeführer sei anlässlich mehrerer Hauserhebungen niemals an der Wohnadresse angetroffen worden; während des gesamten Verfahrens habe der Beschwerdeführer keinen Nachweis dafür erbracht, dass er tatsächlich aus beruflichen Gründen über lange Zeiträume (mehrere Monate hindurch) berufsbedingt ortsabwesend sei. Mit seinen bloßen Behauptungen bleibe der Beschwerdeführer jegliche Erklärung dafür schuldig, warum er, wenn er tatsächlich noch seine Wohnung in der Ausstellungsstraße im Sinne des Meldegesetzes als Unterkunft nutze, trotz umfangreicher Erhebungen über einen bereits sehr langen Zeitraum niemals an seiner Wohnadresse angetroffen habe werden können und auch die Hausparteien ihn nur selten und unregelmäßig sehen. Die belangte Behörde gelange daher zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführer seine Wohnung offensichtlich nur sporadisch und für jeweils kurzfristige Zeit benutze. Es müsse daher davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer seine Wohnung für Wohnbedürfnisse nicht mehr benütze und von einer Unterkunftnahme keinesfalls gesprochen werden könne.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Folgende Bestimmungen des Meldegesetzes 1991 - MeldeG, BGBl. Nr.1992/9, in der hier anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 2001/28, sind im Beschwerdefall maßgeblich:
"Begriffsbestimmungen
§ 1. (1) Unterkünfte sind Räume, die zum Wohnen oder Schlafen benutzt werden.
...
(4) Wohnungen sind Unterkünfte, soweit es sich nicht um Beherbergungsbetriebe handelt. Fahrzeuge und Zelte gelten dann als Wohnung, wenn sie im Gebiet derselben Gemeinde länger als drei Tage als Unterkunft dienen.
(5) Meldedaten sind sämtliche auf dem Meldezettel (§ 9), dem Gästeblatt (§ 10) oder der Hauptwohnsitzbestätigung (§ 19a) festgehaltenen personenbezogenen Daten sowie die Melderegisterzahl (ZMR-Zahl), nicht jedoch die Unterschriften.
...
(6) Ein Wohnsitz eines Menschen ist an einer Unterkunft begründet, an der er sich in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hat, dort bis auf weiteres einen Anknüpfungspunkt von Lebensbeziehungen zu haben.
...
(8) Für den Mittelpunkt der Lebensbeziehungen eines Menschen sind insbesondere folgende Kriterien maßgeblich: Aufenthaltsdauer, Lage des Arbeitsplatzes oder der Ausbildungsstätte, Ausgangspunkt des Weges zum Arbeitsplatz oder zur Ausbildungsstätte, Wohnsitz der übrigen, insbesondere der minderjährigen Familienangehörigen und der Ort, an dem sie ihrer Erwerbstätigkeit nachgehen, ausgebildet werden oder die Schule oder den Kindergarten besuchen, Funktionen in öffentlichen und privaten Körperschaften.
(9) Obdachlos ist, wer nirgends Unterkunft genommen hat. Meldepflicht und Ausnahmen von der Meldepflicht
§ 2. (1) Wer in einer Wohnung oder in einem Beherbergungsbetrieb Unterkunft nimmt oder eine solche Unterkunft aufgibt, ist zu melden.
...
Unterkunft in Wohnungen; Anmeldung
§ 3. (1) Wer in einer Wohnung Unterkunft nimmt, ist innerhalb von drei Tagen danach bei der Meldebehörde anzumelden.
...
Unterkunft in Wohnungen; Abmeldung
§ 4. (1) Wer seine Unterkunft in einer Wohnung aufgibt, ist innerhalb von drei Tagen davor oder danach bei der Meldebehörde abzumelden.
...
Änderung von Meldedaten
§ 11. (1) Eine Ab- und gleichzeitige Neuanmeldung (Ummeldung) hat bei der Änderung eines Namens oder der Staatsangehörigkeit eines bei der Meldebehörde angemeldeten Menschen innerhalb von drei Monaten nach dem Eintritt der Änderung zu erfolgen.
(2) Eine Ummeldung innerhalb eines Monates hat zu erfolgen, wenn ohne Zusammenhang mit einem Reklamationsverfahren (§ 17) der Hauptwohnsitz zu einer Unterkunft hinverlegt oder von einer Unterkunft wegverlegt worden ist. Bei der Ummeldung zum neuen Hauptwohnsitz hat der Meldepflichtige die erfolgte Ummeldung beim bisherigen Hauptwohnsitz nachzuweisen.
(3) Die Änderung sonstiger Meldedaten kann von der Meldebehörde formlos vorgenommen werden; dem Betroffenen ist eine Ausfertigung der geänderten Meldedaten zuzuleiten.
Berichtigung des Melderegisters
§ 15. (1) Erhält die Meldebehörde vom Tod eines angemeldeten Menschen oder davon Kenntnis, dass eine Meldung entgegen den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes vorgenommen oder unterlassen wurde, so hat sie die An- oder Abmeldung, in den Fällen des § 11 Abs. 1 auch die Ummeldung von Amts wegen vorzunehmen. Im Übrigen hat sie das Melderegister, soweit es unrichtige oder unvollständige Meldedaten enthält, zu berichtigen. Die Berichtigung der Wohnsitzqualität einer Unterkunft (§ 1 Abs. 6 oder 7) ist nur nach einem Verfahren gemäß § 15 Abs. 7 oder nach einem Reklamationsverfahren (§ 17) zulässig; sie hat unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Weisung oder den Bescheid zu erfolgen.
(2) Von einer beabsichtigten An-, Ab- oder Ummeldung von Amts wegen hat die Meldebehörde den Meldepflichtigen zu verständigen und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Erhebt der Meldepflichtige gegen eine solche Maßnahme Einwendungen, so ist die An-, Ab- oder Ummeldung, falls die Einwendungen nicht berücksichtigt werden, mit Bescheid vorzunehmen.
...
(7) Ist ein Mensch mehr als einmal mit Hauptwohnsitz gemeldet, so hat er seinen Hauptwohnsitz an jener Unterkunft, an der er sich zuletzt mit Hauptwohnsitz angemeldet hat. An den anderen Unterkünften ist er durch den Sicherheitsdirektor, sofern die betroffenen Gemeinden nicht im selben Bundesland liegen, durch den Bundesminister für Inneres von Amts wegen umzumelden; Abs. 2 gilt mit der Maßgabe, dass die Weisung an die betroffene Meldebehörde, ihr Melderegister zu berichtigen, zugleich mit der Verständigung des Betroffenen zu ergehen hat. Gegen den Bescheid des Sicherheitsdirektors ist eine Berufung nicht zulässig.
..."
Die belangte Behörde hat mit dem angefochtenen Bescheid die Berichtigung des Melderegisters deshalb vorgenommen, weil sie auf Grund des Ergebnisses des von Amts wegen durchgeführten Ermittlungsverfahrens eine Unterkunftnahme des Beschwerdeführers in der gemeldeten Wohnung verneint hat.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 30. September 1991, SlgNFNr. 13500/1991, noch im Geltungsbereich des MeldeG 1972 ausgeführt, dass eine Unterkunftnahme dann vorliegt, wenn von einer Unterkunft (Wohnung) ein widmungsgemäßer Gebrauch gemacht wird. Dies wird bei der Unterkunft in einer Wohnung zumeist dann der Fall sein, wenn eine Person diese tatsächlich zum Wohnen oder Schlafen benützt. Eine Unterkunftnahme wird daher überall dort anzunehmen sein, wo Räume von einer oder mehreren Personen zur Befriedigung eines, wenn auch nur vorübergehenden, Wohnbedürfnisses tatsächlich benützt werden. Zu den Wohnbedürfnissen muss man aber nicht bloß das Nächtigen, sondern auch das "Sichdarinaufhalten", seine Sachen zu verwahren und hievon grundsätzlich andere auszuschließen, zählen. Hingegen setzt die Unterkunftnahme nicht voraus, dass in den jeweiligen Räumen sämtliche Wohnbedürfnisse ständig bzw. ununterbrochen befriedigt werden.
An dieser Rechtsprechung hat in der Folge der Verwaltungsgerichtshof auch im Geltungsbereich des hier anzuwendenden MeldeG 1991 festgehalten und in seinem Erkenntnis vom 3. September 1996, Zl. 95/08/0283, weiter ausgeführt, dass der Annahme der Unterkunftnahme nicht entgegensteht, wenn die betreffende Person aus besonderen Gründen, wie etwa einer auswärtigen Arbeitsverrichtung, wobei an deren Ort eine Unterkunft besteht, nur am Wochenende in die Wohnung zurückkehrt. Es ist für die Frage, ob eine Unterkunftnahme vorliegt, also nicht erforderlich ist, dass die Unterkunft nehmende Person in den als Wohnung dienenden Räumen ihr Wohnbedürfnis ständig bzw. ununterbrochen befriedigt.
Die Meldevorschriften stellen sowohl betreffend das Nehmen als auch die Aufgabe einer Unterkunft auf ein tatsächliches Naheverhältnis bzw. dessen Wegfall des Meldepflichtigen zur Unterkunft ab (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Jänner 1993, Zl. 92/01/0557). Eine Aufgabe der Unterkunft kann daher grundsätzlich nur angenommen werden, wenn aus den äußeren Umständen - etwa durch Entfernung der persönlichen Gegenstände des täglichen Gebrauches aus der Wohnung - hervorgekommen ist, dass eine Person ihre Beziehung zu der Unterkunft gänzlich gelöst hat (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 29. September 2000, Zl. 98/02/0449, und vom 6. März 2001, Zl. 2000/05/0108).
Im Beschwerdefall steht fest, dass sich an der gemeldeten Unterkunft weiterhin persönliche Gegenstände und Kleidungsstücke des Beschwerdeführers befinden und diese Wohnung - wenn auch unregelmäßig - weiterhin vom Beschwerdeführer bestimmungsgemäß benutzt wird. Insbesondere auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Beschwerdeführer im Inland an keinem anderen Ort Unterkunft genommen hat, kann auf Grund der im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen nicht eine Aufgabe des tatsächlichen Naheverhältnisses zur gemeldeten Unterkunft angenommen werden.
Da die belangte Behörde dies verkannt hat und ohne Grund von einer Aufgabe der Beziehungen des Beschwerdeführers zur gemeldeten Unterkunft ausgegangen ist, belastete sie mit der vorgenommenen Berichtigung des Melderegisters den angefochtenen Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 23. September 2002
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)