VwGH 2000/05/0108

VwGH2000/05/01086.3.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde des Günter A. Peis in Innsbruck, vertreten durch Dr. Bernd A. Oberhofer und Dr. Herbert Fink, Rechtsanwälte in Innsbruck, Schöpfstraße 6b, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 18. April 2000, Zl. III 4033-32/00, betreffend amtliche Abmeldung, zu Recht erkannt:

Normen

MeldeG 1991 §15 Abs1;
MeldeG 1991 §15 Abs2;
MeldeG 1991 §4 Abs1;
MeldeG 1991 §7 Abs1;
MeldeG 1991 §15 Abs1;
MeldeG 1991 §15 Abs2;
MeldeG 1991 §4 Abs1;
MeldeG 1991 §7 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben der Bundespolizeidirektion Innsbruck, Meldeamt, vom 24. September 1999 wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, auf Grund einer Erhebung sei bekannt geworden, dass er seine Unterkunft in Innsbruck, Richard-Wagner-Straße 10, aufgegeben habe. Gemäß § 15 Abs. 1 des Meldegesetzes beabsichtige die Meldebehörde, den Beschwerdeführer von der genannten Anschrift abzumelden. Gleichzeitig werde ihm die Möglichkeit gegeben, zu dieser beabsichtigten Maßnahme binnen zwei Wochen Stellung zu nehmen.

Mit Schreiben vom 10. Oktober 1999 teilte der Beschwerdeführer der Behörde mit, er habe seinen ordentlichen Wohnsitz in der Richard-Wagner-Straße 10 bis zum heutigen Tage nicht freiwillig aufgegeben, sondern habe wegen bekannter lebensgefährlicher Bedrohungen durch M.A.H. (der Sohn der Wohnungsinhaberin) zu seiner eigenen Sicherheit bis zum Abschluss des anhängigen Verfahrens in verschiedenen Pensionen Zuflucht nehmen müssen. Auf Grund der Verbannung aus seinem bisherigen Wohnsitz durch den eigentlichen kriminellen Betreiber dieser Aktion bestehe nach Klärung von Strafanzeigen an die Innsbrucker Staatsanwaltschaft durchaus die Möglichkeit, dass er in sein seit Jahrzehnten benütztes Wohn- und Arbeitsdomizil bei seiner Lebensgefährtin wieder zurückkehre. Mit Schreiben vom 20. Oktober 1999 teilte die Wohnungsinhaberin der Behörde mit, ihr ehemaliger Lebensgefährte, der Beschwerdeführer, habe mit 21. Juni 1999 endgültig und gänzlich die bis zu diesem Zeitpunkt gemeinsam bewohnte Wohnung verlassen. Seit seinem Auszug seien sämtliche in seinem Eigentum stehende Fahrnisse aus der Wohnung entfernt worden. Der Beschwerdeführer habe weder mit ihr noch mit einer anderen Miteigentümerin des Objektes jemals ein Mietverhältnis vereinbart und auch nie Mietzahlungen geleistet. Seit dem Auszug des Beschwerdeführers seien die Wohnungsschlösser ausgetauscht worden und der Beschwerdeführer habe keine Möglichkeiten des Zutrittes zum Objekt mehr. Rein zivilrechtlich betrachtet, bestehe nach Auskunft ihres Rechtsfreundes keine Veranlassung, im Klage- bzw. Gerichtswege feststellen zu lassen, dass der Beschwerdeführer keinerlei Rechte mehr am Objekt habe, zumal, wie bereits ausgeführt, keinerlei Mietverhältnis begründet worden sei. Für ein allfälliges vom Beschwerdeführer durchzuführendes Besitzstörungsverfahren seien sämtliche ihm zur Verfügung stehenden Fristen abgelaufen, sodass der Beschwerdeführer ihr gegenüber keinerlei Rechtsansprüche aus der ehemaligen Lebensgemeinschaft geltend machen könne. Abschließend forderte sie die Behörde auf, umgehend für die Abmeldung des Beschwerdeführers an der genannten Adresse zu sorgen.

Dieses Schreiben wurde dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht, der sich dazu mit "dringender Fax-Mitteilung" vom 4. November 1999 äußerte und hervorhob, es sei unwahr, dass er erst am 21. Juni 1999 die gemeinsam bewohnte Wohnung verlassen hätte, richtig sei vielmehr, dass er schon zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt durch die geschilderte Gewalttätigkeit der Erbengemeinschaft H. brutal und rücksichtslos auf die Straße gesetzt worden sei, und zwar ohne seine zurückgelassenen, persönlich dringend benötigten Dinge mitnehmen zu dürfen. Unwahr sei, dass er seine Fahrnisse aus der Wohnung entfernt habe. Mittlerweile werde der Beschwerdeführer in ganz Innsbruck und Umgebung wegen der Unzustellbarkeit von Postsendungen mit dem Vermerk "nach unbekannt verzogen" sowie der unerlaubten Abmeldung seines Telefon- und Faxanschlusses in den Verdacht eines zahlungsunfähigen Zechprellers und offenbar polizeilich gesuchten Gauners und Betrügers gerückt. Er fordere deshalb die Behörde auf, unverzüglich diese rufschädigenden und existenzvernichtenden verbrecherischen Aktionen durch eine entsprechende Verfügung zu unterbinden.

Mit Bescheid vom 1. Dezember 1999 hat die Bundespolizeidirektion Innsbruck gemäß § 4 Abs. 1 in Verbindung mit § 15 Abs. 1 und 2 des Meldegesetzes 1991 den Beschwerdeführer mit Eintritt der Rechtskraft von der Anschrift in Innsbruck, Richard-Wagner-Straße 10, von Amts wegen abgemeldet. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer sei seit dem 30. August 1984 an der genannten Adresse polizeilich gemeldet, seit 9. April 1998 mit Hauptwohnsitz. Laut seinen eigenen Angaben habe der Beschwerdeführer im Frühjahr 1999 die bis dorthin von ihm und seiner Unterkunftgeberin E.H. gemeinsam bewohnte Wohnung verlassen müssen. In den folgenden Monaten habe er wiederholt im Meldeamt vorgesprochen und dabei kundgetan, dass er die Abmeldung nicht vornehme. Gegen die mit Schriftsatz vom 24. September 1999 eingeleitete Abmeldung von Amts wegen habe der Beschwerdeführer rechtzeitig schriftlich Stellung bezogen und in der Folge habe die frühere Unterkunftgeberin das dem Beschwerdeführer bekannte Schreiben vom 20. Oktober 1999 an die Behörde gerichtet. Seit der weiteren schriftlichen Äußerung des Beschwerdeführers vom 4. November 1999 könne das Parteiengehör als abgeschlossen betrachtet werden. Die frühere Unterkunftgeberin habe ausgeführt, warum sie die Unterkunftnahme des Beschwerdeführers als beendet betrachte und ein Wiederbeziehen der Unterkunft durch den Beschwerdeführer nicht wünsche. Die Pflicht zur An- und Abmeldung bei der Behörde bestehe unabhängig vom Grund der Aufgabe der Wohnung bzw. der Unterkunftnahme. Somit seien auch offensichtlich nicht freiwillig ausgezogene Personen abzumelden. Allein der Umstand, dass dem Beschwerdeführer gehörige Sachen allenfalls noch in der Wohnung seien, könne nicht dazu führen, dass der Beschwerdeführer nicht bzw. nie abgemeldet werden könne. Da der Beschwerdeführer die Abmeldung nicht selbst durchführe, habe die Abmeldung von Amts wegen zu erfolgen.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde mit Bescheid vom 18. April 2000 als unbegründet abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Der Beschwerdeführer erstattete eine Replik zur Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 4 Abs. 1 des Meldegesetzes 1991, BGBl. Nr. 9/1992, ist derjenige, der seine Unterkunft in einer Wohnung aufgibt, verpflichtet, sich innerhalb von drei Tagen davor oder danach bei der Meldebehörde abzumelden. Gemäß § 7 Abs. 1 leg. cit. trifft die Meldepflicht den Unterkunftnehmer. Gemäß § 15 Abs. 1 leg. cit. hat die Meldebehörde, wenn sie vom Tod eines angemeldeten Menschen oder davon Kenntnis erhält, dass eine Meldung entgegen den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes vorgenommen oder unterlassen wurde, die An- oder Abmeldung von Amts wegen vorzunehmen. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung hat die Meldebehörde von einer beabsichtigten An-, Ab- oder Ummeldung von Amts wegen den Meldepflichtigen zu verständigen und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Erhebt der Meldepflichtige gegen eine solche Maßnahme Einwendungen, so ist die An-, Ab- oder Ummeldung, falls die Einwendungen nicht berücksichtigt werden, mit Bescheid vorzunehmen.

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens, insbesondere des Schreibens der Unterkunftgeberin E.H. vom 20. Oktober 1999 und der darauf erfolgten Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 4. November 1999, durfte die Behörde mit Recht davon ausgehen, dass der Beschwerdeführer jedenfalls vor dem 21. Juni 1999 die gemeinsam bewohnte Wohnung verlassen hat. Auf Grund des Umstandes, dass die Schlösser zur Wohnung geändert und die ehemalige Unterkunftgeberin der Polizeidirektion gegenüber ihre Absicht bekundet hatte, die Wohngemeinschaft mit dem Beschwerdeführer nicht mehr fortsetzen zu wollen, konnte die Behörde in unbedenklicher Weise davon ausgehen, dass der Beschwerdeführer die Beziehung zur Unterkunft aufgegeben habe. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seinem Erkenntnis vom 27. April 1984, Zl. 82/01/0019, zum diesbezüglichen gleich lautenden Begriff der Aufgabe der Unterkunft nach dem Meldegesetz 1972 ausgeführt, dass hinsichtlich der Frage der Unterkunftaufgabe nicht der Rechtstitel, der der Unterkunftaufgabe zu Grunde liegt, sondern die bloße Herstellung eines faktischen Zustandes maßgebend sei. Demnach würde die Aufgabe der Unterkunft mit dem Zeitpunkt gleichzusetzen sein, in dem die faktische Beziehung zwischen der Person und der Unterkunft, wenn auch nur vorübergehend, gänzlich gelöst wird.

Der Beschwerdefall gibt keine Veranlassung, von dieser Rechtsansicht abzurücken, zumal Vorbehalte rechtlicher Natur, die der eine Unterkunft Aufgebende weiterhin verfolgen will, am meldegesetzlichen Tatbestand der Unterkunftaufgabe nichts ändern können (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 2. Februar 1983, Zlen. 82/01/0209, 0301).

In der Beschwerde wird ausgeführt, zu den Wohnbedürfnissen zählten nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes nicht bloß das Nächtigen, sondern auch, seine Sachen zu verwahren und hievon grundsätzlich andere auszuschließen. Hingegen setze die Unterkunftnahme nicht voraus, dass in den jeweiligen Räumen sämtliche Wohnbedürfnisse ständig bzw. ununterbrochen befriedigt würden, dazu verweist die Beschwerde auf das hg. Erkenntnis vom 16. Februar 1983, Zlen. 82/01/0096, 0097.

Auch in dem zuletzt genannten Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass die Aufgabe einer Unterkunft mit dem Zeitpunkt erfolgt, in dem die Beziehung zwischen der Person und der Unterkunft, wenn auch nur vorübergehend, gänzlich gelöst werde.

Da aber die bloße Herstellung des faktischen Zustandes maßgebend ist, ist es im Hinblick auf die Unterkunftaufgabe im Sinne des Meldegesetzes unerheblich, ob der Unterkunftnehmer zwar die Absicht hätte, die Unterkunft wieder anzunehmen, wenn er seine Absicht auf Grund des Verhaltens des Unterkunftgebers nicht verwirklichen kann.

Dass die Unterkunftgeberin und ehemalige Lebensgefährtin des Beschwerdeführers mehrfach signalisiert habe, ihre Beziehung zum Beschwerdeführer fortsetzen zu wollen, was ausdrücklich unter Rückkehr des Beschwerdeführers in seinen Hauptwohnsitz geschehen solle, findet im vorgelegten Verwaltungsakt keinen Niederschlag.

Die diesbezügliche Verfahrensrüge ist unbegründet: zwar trifft es zu, dass die Behörde den entscheidungsrelevanten Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln und die entsprechenden Feststellungen zu treffen hat. Auf Grund der Erklärung der ehemaligen Unterkunftgeberin, dass der Beschwerdeführer die Wohnung verlassen und keine Möglichkeit zur Rückkehr mehr habe, sowie der Bestätigung seitens des Beschwerdeführers, dass er die Wohnung tatsächlich, und zwar bereits vor dem Juni 1999 verlassen hat, war die Behörde nicht gehalten, weitere Ermittlungen durchzuführen. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt, nämlich das faktische Verlassen der bisherigen Unterkunft und die Unmöglichkeit der Rückkehr, war hinreichend geklärt, auf die Gründe, die dazu geführt haben, kommt es in melderechtlicher Hinsicht nicht an. Dem Beschwerdeführer war auch Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt worden, von dieser Möglichkeit hat er Gebrauch gemacht.

Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Mit der Erledigung der Beschwerde ist der Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, gegenstandslos geworden. Wien, am 6. März 2001

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