OGH 4Ob189/18z

OGH4Ob189/18z20.12.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.‑Prof. Dr. Brenn, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der Klägerin Dr. A***** W*****, vertreten durch DSC Doralt Seist Csoklich Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die Beklagte W***** GmbH, *****, vertreten durch Saxinger, Chalupsky & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wels, wegen Feststellung (Streitwert 310.000 EUR), über die außerordentliche Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 9. Juli 2018, GZ 14 R 90/18f‑21, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0040OB00189.18Z.1220.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die Klägerin ist Eigentümerin (früher Miteigentümerin) einer Liegenschaft, die Beklagte hat ein darauf gelegenes Grundstück zum Betrieb eines Warenhauses gepachtet. Im Zuge der Zwangsversteigerung des seinerzeitigen Liegenschaftsanteils der Schwester der Klägerin vereinbarten die Klägerin und ihre Mutter als weitere Miteigentümerin mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten am 7. 5. 1997, dass diese bei der Versteigerung nicht mietbiete, damit die Klägerin oder ihre Mutter den Liegenschaftsanteil erwerben können. Als Gegenleistung sollte das damals befristete Pachtverhältnis in ein unbefristetes mit einem Kündigungsverzicht der Verpächter bis 31. 12. 2046 abgeändert werden. Die Klägerin erhielt sodann in der Versteigerung den Zuschlag und erwarb in der Folge auch den Anteil ihrer Mutter. In Erfüllung der Vereinbarung vom 7. 5. 1997 schloss sie am 29. 12. 1997 mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten einen Zusatzpachtvertrag, mit dem das bestehende befristete Pachtverhältnis in ein solches auf unbestimmte Zeit mit einem Kündigungsverzicht seitens der Klägerin bis zum 31. 12. 2046 umgewandelt und der Pächterin ein Vorkaufsrecht auf die Pachtgrundstücke bis zum 31. 12. 2046 eingeräumt wurde. Die Beklagte übernahm aufgrund eines Spaltungsvertrags den Betrieb der Pächterin. Trotz Gesamtrechtsnachfolge schloss die Klägerin mit der Beklagten im Sommer 2010 eine Vereinbarung, wonach die bisher im Grundbuch eingetragenen Bestandrechte und das Vorkaufsrecht auf die Beklagte einverleibt werden.

Nunmehr begehrt die Klägerin die Feststellung, dass der Zusatzpachtvertrag vom 7. 5. 1997 und vom 29. 12. 1997 nichtig sei, in eventu die Nichtigerklärung desselben, wobei sie das Hauptbegehren (Feststellung) auf eine Nichtigkeit aufgrund der Bestimmungen des Hofkanzleidekrets JGS 1838/277 und das Eventualbegehren (Rechtsgestaltung) auf den Wuchertatbestand stützte.

Das Erstgericht stellte die Nichtigkeit der Vereinbarung vom 7. 5. 1997 aufgrund des Hofkanzleidekrets JGS 1838/277 fest, hinsichtlich der Vereinbarung vom 29. 12. 1997 wies es das Haupt- und Eventualbegehren ab, da die Nichtigkeit des Vorvertrags nicht auf den Hauptvertrag durchschlage.

Das Berufungsgericht wies das gesamte Klagebegehren ab und erklärte die ordentliche Revision jeweils für nicht zulässig. Die Bieterabsprache vom 7. 5. 1997 sei zwar nichtig, diese sei aber nicht Gegenstand des Klagebegehrens. Am 7. 5. 1997 sei mangels zeitlicher Determinierung weder ein Zusatzpachtvertrag noch ein (wirksamer) Vorvertrag abgeschlossen worden, sodass das Klagebegehren, soweit es die Nichtigkeit bzw Nichtigerklärung eines „Zusatzpachtvertrags vom 7. 5. 1997“ zum Gegenstand habe, scheitern müsse. Die Nichtigkeit der Bieterabsprache schlage nicht auf den rund ein halbes Jahr später abgeschlossenen Zusatzpachtvertrag durch. Eine Anfechtung wegen Wuchers scheitere schon daran, dass die Klägerin am 29. 12. 1997 weder in einer Zwangslage, noch in einer Gemütsaufregung gehandelt habe.

Mit ihrer außerordentlichen Revision beantragt die Klägerin, ihrer Klage stattzugeben, in eventu die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist in Ermangelung von erheblichen Rechtsfragen iSv § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

1. Gemäß § 502 Abs 5 Z 2 ZPO gelten dessen Absätze 2 und 3 nicht für die unter § 49 Abs 2 Z 5 JN fallenden Streitigkeiten, wenn dabei über eine Kündigung, über eine Räumung oder über das Bestehen oder Nichtbestehen des Vertrags entschieden wird. Es liegt somit ein Fall des § 502 Abs 5 Z 2 ZPO vor, bei dem sich eine Bewertung erübrigt (Kodek in Rechberger 4 § 500 ZPO Rz 8). Den Ausführungen der Revision zur notwendigen Bewertung ist daher nicht zu folgen.

2.1. Das auf den vorliegenden Sachverhalt noch anzuwendende Hofkanzleidekret JGS Nr 277/1838 (Art II Z 1 und Art III Abs 1 des BGBl I 59/2000; vgl Angst in Angst/Oberhammer, EO3 § 177a Rz 1) lautet:

„Verträge, wodurch jemand bei einer von was immer für einer Behörde veranstalteten öffentlichen Versteigerung als Mitbieter nicht zu erscheinen, oder nur bis zu einem bestimmten Preis, oder sonst nur nach einem gegebenen Maßstab, oder gar nicht mitzubieten verspricht, sind ungültig, und auf die für die Erfüllung dieses Versprechens zugesicherten Beträge, Geschenke oder andere Vorteile findet kein Klagerecht statt. Hinsichtlich desjenigen, was dafür wirklich bezahlt, oder übergeben worden ist, hat die Anordnung des § 1174 ABGB ihre Anwendung zu finden. Auch kann die Gültigkeit der Versteigerung aus dem Grunde einer solchen unerlaubten Verabredung nicht angefochten werden.“

Das genannte Hofkanzleidekret (vgl nunmehr die Regelung in § 177a EO) versagt als Folge der Ungültigkeit solcher Vereinbarungen nicht nur demjenigen, der sich vereinbarungsgemäß verhielt, das Klagerecht auf die zugesicherte Leistung, sondern ordnet an, dass hinsichtlich dessen, was dafür (für das vereinbarte Verhalten bei der Versteigerung) wirklich bezahlt oder übergeben worden ist, das Kondiktionsverbot des § 1174 ABGB Anwendung zu finden hat (5 Ob 590/90).

2.2. Gemäß § 1174 Abs 1 ABGB kann das, was wissentlich zur Bewirkung einer unmöglichen oder unerlaubten Handlung gegeben wurde, nicht wieder zurückgefordert werden.

Der nach herrschender Meinung eng auszulegende Rückforderungsausschluss des § 1174 Abs 1 ABGB setzt voraus, dass das Geleistete nach Absicht beider Parteien belohnendes Entgelt für eine unerlaubte Tätigkeit sein soll (3 Ob 244/09t; 7 Ob 135/03h).

3.1. Im vorliegenden Fall ist der Abschluss der Zusatzvereinbarung zum Pachtvertrag – und damit die Verlängerung desselben – das Entgelt der Klägerin für die unerlaubte Handlung der Beklagten, weshalb der Klägerin– im Einklang mit der zitierten Rechtsprechung – eine Berufung auf die Nichtigkeit des Zusatzpachtvertrags vom 29. 12. 1997 verwehrt ist.

3.2. Der vorliegende Fall ist nicht mit der von der Revisionswerberin zitierten Entscheidung 2 Ob 542/94 vergleichbar, weil dort argumentiert wurde, dass die dort klagende Partei nicht etwas „zurück“forderte, was sie der beklagten Partei „gegeben“ habe, sie begehrte lediglich das, was bereits im vorangehenden Pachtvertrag vereinbart worden war und worauf sie nicht rechtswirksam verzichtete (Wertsicherung). Im vorliegenden Fall sollte die Beklagte aber eine zusätzliche, nicht bereits vereinbarte, Leistung von der Klägerin erhalten.

3.3. Soweit sich die Klägerin in der Revision auf ihre mangelnde Wissentlichkeit bezieht, ist ihr das Verhalten ihres anwaltlichen Vertreters beim Abschluss der nichtigen Vereinbarung jedenfalls zuzurechnen (vgl RIS‑Justiz RS0009172 [T7, T14]; 4 Ob 45/12i); dass dieser von der Nichtigkeit nichts wusste, hat die Klägerin nicht behauptet.

Ihre Auffassung, § 1174 Abs 1 Satz 1 ABGB beziehe sich nur auf Geld oder körperliche Sachen, findet im Wortlaut der Bestimmung („Was jemand … gegeben hat ...“) keine Deckung. Im Übrigen ist die Argumentation der Klägerin darauf ausgerichtet, dass sie durch den Zusatzvertrag massiv wirtschaftlich benachteiligt ist, womit sie selbst eine geldwerte Leistung behauptet.

3.4. Zum Einwand des Wuchers ist auf die Ausführungen des Berufungsgerichts zu verweisen, wonach sich aus den erstgerichtlichen Feststellungen weder eine Gemütsaufregung, noch eine Zwangslage ableiten lasse. Ob die Voraussetzungen des § 879 Abs 2 Z 4 ABGB vorliegen, ist eine Frage des Einzelfalls (RIS‑Justiz RS0016861 [T1]; vgl zuletzt 7 Ob 50/18f), die vom Berufungsgericht vertretbar gelöst wurde.

4. Zusammenfassend ist das Berufungsgericht von den Grundsätzen der Rechtsprechung zu den Folgen unzulässiger Bieterabsprachen im Sinne des Hofkanzleidekrets JGS Nr 277/1838 nicht abgewichen, wenn es den Feststellungs- und Rechtsgestaltungsanspruch der Klägerin verneint hat; die Berufung auf die Nichtigkeit des in Erfüllung der Bieterabsprache vom 7. 5. 1997 abgeschlossenen Zusatzpachtvertrags vom 29. 12. 1997 scheitert am Rückforderungsausschluss des § 1174 ABGB.

Stichworte