OGH 5Ob148/18b

OGH5Ob148/18b6.11.2018

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragsteller 1. Dr. M*, 2. C*, beide *, beide vertreten durch Dr. Hannes K. Müller, Rechtsanwalt in Graz, gegen die Antragsgegnerin E*gesellschaft mbH, *, vertreten durch Konrad Rechtsanwälte GmbH in Graz, wegen §§ 13, 14 WGG iVm § 22 Abs 1 Z 6 WGG über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 25. Mai 2018, GZ 7 R 26/18x‑15, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Graz‑Ost vom 22. Dezember 2017, GZ 213 Msch 16/16a‑11, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E123490

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Dem Rekursgericht wird die Entscheidung über den Feststellungsantrag der Antragsteller auch betreffend den Zeitraum ab März 2015 in Ergänzung seines im Übrigen mangels Anfechtung in Rechtskraft erwachsenen Sachbeschlusses aufgetragen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens bleibt dem Rekursgericht vorbehalten.

 

Begründung:

Die Antragsteller begehrten in ihrem am 23. 2. 2015 bei der Schlichtungsstelle der Stadt Graz eingebrachten Antrag – ohne weitere zeitliche Einschränkung auf bestimmte Zinstermine – die Feststellung, dass die von der Antragsgegnerin mit Wirksamkeit vom 1. 9. 2014 vorgenommene Erhöhung des Entgelts unzulässig sei. Die Nichtberücksichtigung eines ursprünglich gewährten „Zuschusses GWU“ habe zu einer unzulässigen Verteuerung des Entgelts um monatlich 114,79 EUR netto geführt, außerdem habe die Antragsgegnerin entgegen dem Vertrag auch „Eigenmittel, Zinsen und Grundkosten“ von 164,75 EUR netto monatlich vorgeschrieben. Eine Umfinanzierung im Sinn des § 17b WGG habe die Antragsgegnerin nicht nachgewiesen.

Die Schlichtungsstelle gab dem Antrag mit Entscheidung vom 5. 8. 2016 statt. Eine Einschränkung auf bestimmte Zinsperioden erfolgte nicht.

Nach Anrufung des Gerichts wies das Erstgericht den Antrag ab, es werde zwischen den Streitteilen festgestellt, dass die von der Antragsgegnerin mit Wirksamkeit 1. 9. 2014 vorgenommene Erhöhung des Entgelts von 670,91 EUR laut letzter Vorschreibung vom 17. 6. 2014 mit Wirksamkeit ab 1. 7. 2014 auf 984,56 EUR, sohin um 313,65 EUR unzulässig sei. Es ging davon aus, die Umschuldung bzw der Einsatz der Eigenmittel sei aufgrund einer autonomen Entscheidung der Bauvereinigung erfolgt, sie habe daher von ihrem in § 17b WGG vorgesehenen Recht Gebrauch gemacht. Das dort normierte Verbot der Erhöhung der den Mieter betreffenden Beträge sei dadurch aber nicht verletzt worden, weil der nach Umfinanzierung nunmehr festgesetzte Betrag rund 100 EUR unter dem im Vertrag vereinbarten Entgelt liege.

Das Rekursgericht änderte den erstinstanzlichen Sachbeschluss über Rekurs der Antragsteller dahin ab, dass die Antragsgegnerin ihnen gegenüber durch die Verrechnung eines Entgelts („ENW 3010206“ und „Eigenmittel Grundkosten“) von 738,13 EUR plus Umsatzsteuer pro Monat für die Nutzung der Wohnung *, von 09/2014 bis einschließlich 02/2015 das gesetzliche zulässige Nutzungsentgelt um 279,54 EUR plus Umsatzsteuer pro Monat überschritten habe. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 10.000 EUR übersteige und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu.

Die Antragsgegnerin habe entgegen § 17b WGG einen aus der Umfinanzierung resultierenden (monatlichen) Betrag von 279,54 EUR netto verrechnet und dadurch das gesetzlich zulässige Nutzungsentgelt überschritten. Zu überprüfen sei aber nur der Zeitraum, der Gegenstand des Schlichtungsstellenverfahrens gewesen sei. Der Antrag auf Überprüfung der Angemessenheit des vereinbarten Entgelts im Sinn des § 22 Abs 1 Z 6 WGG sei nur als bis einschließlich Februar 2015 (dem Datum der Antragstellung an die Schlichtungsstelle) als erhoben anzusehen, der Überprüfungsantrag sei im Rahmen des Schlichtungsstellenverfahrens nicht auf Perioden ab März 2015 ausgedehnt worden.

Gegen die nicht vollständige Erledigung ihres Feststellungs‑ und Rekursantrags in Bezug auf den Zeitraum ab März 2015 wendet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsteller mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass die dort genannte Überschreitung des gesetzlich zulässigen Nutzungsentgelts ab 09/2014 ohne zeitliche Beschränkung ausgesprochen werde.

Die Antragsgegnerin hat in der ihr freigestellten Revisionsrekursbeantwortung beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil die Auslegung des Sachantrags durch das Rekursgericht hier im Einzelfall korrekturbedürftig ist. Er ist auch berechtigt.

1. Vorauszuschicken ist, dass die Entscheidung des Rekursgerichts insoweit in Rechtskraft erwachsen ist, als sie von einer Überschreitung des gesetzlich zulässigen Nutzungsentgelts in den Monaten September 2014 bis einschließlich Februar 2015 ausgeht. Diesbezüglich ist die rechtliche Beurteilung des Rekursgerichts daher nicht zu überprüfen. Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist lediglich die Frage, ob sich der Sachantrag der Antragsteller auch auf Vorschreibungen ab März 2015 bezog.

2. In ihrem Revisionsrekurs verweisen die Antragsteller darauf, sie hätten in ihrem Antrag an die Schlichtungsstelle keinen konkreten Prüfungszeitraum genannt und den dort gestellten Antrag im Verfahren erster Instanz vollinhaltlich aufrecht erhalten. Ihr Rekursantrag habe primär darauf abgezielt, die erstinstanzliche Entscheidung aufzuheben und dem erstinstanzlichen Antrag zur Gänze stattzugeben. Eine zeitliche Einschränkung der begehrten Feststellung der Unzulässigkeit der Entgelterhöhung mit Wirksamkeit ab 1. 9. 2014 sei ihrem Begehren nicht zu entnehmen gewesen, weshalb das Rekursgericht ihren Sachantrag nicht vollständig erledigt habe. Diesen Ausführungen ist im Wesentlichen zu folgen:

3.1. Wegen der Vergleichbarkeit von Anträgen nach § 22 Abs 1 Z 6 WGG mit Anträgen nach § 37 Abs 1 Z 8 MRG kann auf die Judikatur zur letztgenannten Gesetzesbestimmung zurückgegriffen werden (RIS‑Justiz RS0116029).

3.2. Nach ständiger Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0070562; 5 Ob 145/02p) sind an die Bestimmtheit eines Begehrens in einem außerstreitigen Verfahren nach § 37 Abs 1 Z 8 und 12 MRG keine allzu strengen Anforderungen zu stellen. Vielmehr sind innerhalb der dreijährigen Frist des § 16 Abs 8 MRG gestellte Mietzinsüberprüfungsanträge nicht kleinlich nach ihrem Wortlaut, sondern so auszulegen, dass nach Möglichkeit – im Rahmen des äußersten Wort‑ und Bedeutungssinns des Begehrens – eine Überprüfung der gesetzlichen Zulässigkeit des vereinbarten (bzw begehrten) Hauptmietzinses in sachlich notwendigem Umfang gewährleistet werden kann (RIS‑Justiz RS0116684; 5 Ob 32/02w). Der Antragsteller hat die Möglichkeit, die Feststellung der zulässigen Höhe des Hauptmietzinses pro futuro oder aber zu bestimmten Zinsterminen zu begehren, er kann sich aber auch mit der bloßen Feststellung, dass der Hauptmietzins nach § 16 Abs 1 MRG (Angemessenheit) oder nach § 16 Abs 2 MRG (Kategorie) zu bilden ist begnügen (RIS‑Justiz RS0102514). Jedenfalls muss die Unwirksamkeit der Mietzinsvereinbarung geltend gemacht werden, um die Hemmungswirkung des § 27 Abs 3 MRG zu erreichen, diesem Erfordernis wird durch eine Geltendmachung der Mietzinsüberschreitung nur zu bestimmten Zinsterminen nicht entsprochen, weil hier die Unwirksamkeit der Mietzinsvereinbarung nur Vorfrage ist (RIS‑Justiz RS0115309).

3.3. In der Entscheidung 5 Ob 32/02b (vgl auch 5 Ob 145/02p) stellte der Fachsenat klar, dass das Begehren auf Feststellung der Überschreitung des zulässigen Mietzinses durch Vorschreibung (Vereinbarung) eines bestimmten Hauptmietzinses, wenn dieses Begehren nicht auf bestimmte Monate eingeschränkt wurde, das Begehren auf Feststellung der gesetzlichen (Un‑)Zulässigkeit des vereinbarten oder begehrten Hauptmietzinses beinhaltet. Der verfahrenseinleitende Antrag festzustellen, dass durch Vorschreibung eines bestimmten Hauptmietzinses das gesetzlich zulässige Zinsausmaß überschritten wurde, lässt sich – weil er nicht auf bestimmte Zinstermine eingeschränkt wurde – nicht einfach zum Nachteil des Antragstellers als Begehren auf Feststellung der Überschreitung nur zu bestimmten Zinsterminen reduzieren.

3.4. Auch in der vom Rekursgericht genannten (Zurückweisungs‑)Entscheidung 5 Ob 226/13s wich der Fachsenat von diesen Grundsätzen nicht ab. Diese Entscheidung ist überdies nicht einschlägig, weil die – für künftige Mietzinsüberprüfungsverfahren bindende – Feststellung der Teilunwirksamkeit der Mietzinsvereinbarung ohne jegliche zeitliche Beschränkung dort ohnedies bereits selbständig in Rechtskraft erwachsen war, sodass die Gefahr des Eintritts der Präklusion nach § 16 Abs 8 MRG – im Gegensatz zu 5 Ob 32/02w – nicht bestand.

3.5. Der hier zu beurteilende Fall ist mit dem der Entscheidung 5 Ob 32/02w zugrunde liegenden Sachverhalt vergleichbar. Die Auslegung des Mietzinsüberprüfungsantrags hat im sachlich notwendigen Umfang zu erfolgen, dies unter Berücksichtigung, dass § 16 Abs 8 MRG den Mieter von jeder weiteren Überprüfungsmöglichkeit nach Ablauf von drei Jahren ausschließt. Die Antragsteller haben vor der Schlichtungsstelle ihren Überprüfungsantrag nicht auf bestimmte Zinsperioden beschränkt, sondern unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass sie einerseits die Erhöhung des ihnen vorgeschriebenen Nutzungsentgelts durch den Entfall des zuvor gewährten „Zuschusses GWU“ und andererseits Verrechnung von Eigenmittel, Zinsen und Grundkosten ab dem 1. 9. 2014 zum Gegenstand ihres Verfahrens machen wollen. Dass sich ihr Feststellungsantrag nur auf den Zeitraum bis zur Anrufung der Schlichtungsstelle beziehen hätte sollen, ist weder aus dem Antragswortlaut noch ihrem sonstigen Vorbringen zu entnehmen, auch die Schlichtungsstelle hat ihren Antrag nicht in diesem Sinn verstanden. Gegenstand ihres – somit auch in die Zukunft weisenden – Sachantrags bereits vor der Schlichtungsstelle war daher die grundsätzliche (Un‑)Zulässigkeit der Vorschreibungen, die derartige Positionen enthielten. Die Überprüfung von deren Höhe und Zusammensetzung sollte Gegenstand des Verfahrens sein (vgl RIS‑Justiz RS0118030). Einer formellen Ausdehnung des Begehrens vor der Schlichtungsstelle auf Zinsperioden nach deren Anrufung im Februar 2015 bedurfte es hier daher nicht, zumal sich der allgemein gehaltene Feststellungsantrag der Antragsteller – im Gegensatz zu der vom Rekursgericht vorgenommenen Präzisierung – nur insoweit auf bestimmte Zinsperioden bezog, als er auf Vorschreibungen ab 1. 9. 2014 abstellte. Im Übrigen wurde noch am 23. 6. 2016 vor der Schlichtungsstelle über den Feststellungsantrag verhandelt, sodass davon auszugehen ist, dass auch Vorschreibungen nach Februar 2015 (die sich allerdings nur zum Teil dem vorgelegten Kontoauszug entnehmen lassen) dort Gegenstand waren, selbst wenn es zu formellem Vorbringen hiezu oder einer „Ausdehnung“ nicht gekommen war (vgl MietSlg 43.353). Folgerichtig gab die Schlichtungsstelle mit Entscheidung vom 5. 8. 2016 dem Feststellungsantrag ohne jede zeitliche Beschränkung statt. Auch das Erstgericht entschied darüber – wenn auch abweisend –, ohne sich auf bestimmte Zinstermine zu beschränken. Entgegen der Auffassung des Rekursgerichts war somit dieser nicht auf bestimmte Perioden beschränkte Feststellungsanspruch Gegenstand des Verfahrens sowohl vor der Schlichtungsstelle als auch dem Erstgericht.

3.6. Das Rekursgericht hat den Sachantrag der Antragsteller nicht vollständig erledigt, weil es dessen Umfang unrichtig auslegte. Die Nichterledigung eines Teilbegehrens durch das Rechtsmittelgericht, das in Abänderung der abweislichen Erstentscheidung dem Begehren an und für sich stattgeben will, begründet nicht Nichtigkeit, sondern eine Mangelhaftigkeit des Rechtsmittelverfahrens (vgl RIS‑Justiz RS0042128). Eine Ergänzung des Sachbeschlusses zweiter Instanz durch den Obersten Gerichtshof selbst kommt allerdings nicht in Betracht, weil es für die Beurteilung des zu Unrecht nicht überprüften Anspruchsteils an einer ausreichenden Tatsachengrundlage mangelt:

3.7. Die Antragsteller haben ihren Feststellungsantrag auf die Erhöhung des vorgeschriebenen Entgelts in einem ganz bestimmten Ausmaß gestützt, und zwar auf den Wegfall des Zuschusses „GWU“ einerseits und die Vorschreibung von „Eigenmitteln, Zinsen, Grundkosten“ andererseits. Ob überhaupt und gegebenenfalls in welcher Höhe die Antragsgegnerin nach Februar 2015 die erwähnten Nutzungsentgeltsbestandteile vorgeschrieben oder weggelassen hat, wurde bislang nicht erörtert und lässt sich aus den Feststellungen nicht ableiten. Insoweit fehlt es daher an einer ausreichenden Tatsachengrundlage. Dem Rekursgericht war daher die Ergänzung seiner Entscheidung im Umfang des von ihm noch nicht erledigten Teils des Sachantrags aufzutragen.

4. Da die erforderlichen Billigkeitserwägungen nach § 37 Abs 3 Z 17 MRG iVm § 22 Abs 4 WGG erst aufgrund der Sachentscheidung angestellt werden können, war die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens dem Rekursgericht vorzubehalten.

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