OGH 3Ob185/18d

OGH3Ob185/18d24.10.2018

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr.

 Hoch als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Roch und Dr. Rassi und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun‑Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. H*****, vertreten durch Aigner Rechtsanwalts-GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei B***** PLC, *****, Zweigniederlassung B***** PLC, *****, vertreten durch Wolf Theiss Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Wien, wegen 34.459,06 EUR sA und Rechnungslegung, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 6. Dezember 2016, GZ 2 R 147/16a‑20, womit der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 18. Juli 2016, GZ 49 Cg 55/12y‑13, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0030OB00185.18D.1024.000

 

Spruch:

I. Das unterbrochene Revisionsrekursverfahren wird fortgesetzt.

II. Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Die Zurückweisung der Klage wird bestätigt, soweit die klagende Partei Rechnungslegung begehrt und ihr Zahlungsbegehren auf vertragliche Ansprüche stützt.

Im Übrigen werden die Entscheidungen der Vorinstanzen dahin abgeändert, dass die von der Beklagten erhobene Einrede der mangelnden internationalen Zuständigkeit verworfen wird.

Die Kosten des Zwischenstreits über die internationale Zuständigkeit werden gegeneinander aufgehoben.

 

Begründung:

zu I.:

Das Revisionsrekursverfahren zu 3 Ob 28/17i wurde am 10. Mai 2017 bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union über den vom Obersten Gerichtshof an diesem Tag gestellten Antrag auf

Vorabentscheidung nach Art 267 AEUV unterbrochen. Nachdem der EuGH mit Urteil vom 12. September 2018, C‑304/17, über diesen Antrag entschieden hat, ist das Revisionsrekursverfahren von Amts wegen fortzusetzen.

zu II.:

Die Beklagte ist eine Bank mit Sitz in London und einer Zweigniederlassung in Frankfurt. Sie ist Emittentin der Schuldverschreibung „X***** Zertifikat“, die institutionelle Investoren zeichneten und ihrerseits am Sekundärmarkt unter anderem an Verbraucher in Österreich weiterverkauften.

Der Rückzahlungsbetrag und damit der Wert des Zertifikats richtet sich nach einem Index, der aus einem Portfolio von mehreren Zielfonds gebildet wird, sodass der Wert des Zertifikats unmittelbar mit diesem Portfolio verknüpft ist. Dieses Portfolio sollte von der X***** GmbH errichtet und verwaltet werden. Die Emission der Zertifikate erfolgte auf Grundlage eines (deutschen) Basisprospekts vom 22. September 2005 und eines Konditionenblatts vom 20. Dezember 2005 samt Anhängen. Der Basisprospekt wurde bei der österreichischen Kontrollbank notifiziert. Das öffentliche Angebot zur Zeichnung lief von 20. Dezember 2005 bis 24. Februar 2006, die Emission erfolgte am 31. März 2006. Die abwickelnde Clearingstelle dieses Erwerbs war eine AG mit Sitz in Frankfurt am Main. Dort ist auch die Globalurkunde des Zertifikats hinterlegt.

H*****, der Trading Manager und Fonds Advisor der X***** GmbH, nutzte seinen maßgeblichen Einfluss auf diese, um durch die Investitionsentscheidungen seinem groß angelegten Schneeball-Betrugssystem neues Kapital zuzuführen. Die Gelder sind großteils verloren, die Zertifikate sind wertlos.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten nach Klageausdehnung einerseits die Zahlung von 34.459,06 EUR sA Zug um Zug gegen Übergabe ihrer näher bezeichneten Wertpapieranteile, hilfsweise die Feststellung der Haftung der Beklagten für den Schaden, der ihr aus ihren am 8. November 2006 und am 4. August 2007 getätigten Investitionen in dieses Wertpapier entstanden und noch nicht bezifferbar sei oder künftig entstehen werde, und andererseits Rechnungslegung.

Die Beklagte habe sich laut Konditionenblatt zur Einrichtung und Aufrechterhaltung eines liquiden Sekundärmarkts verpflichtet, eine Verkaufsorder der Klägerin jedoch vertragswidrig nicht eingelöst. Neben diesem Erfüllungsanspruch stehe der Klägerin auch ein Schadenersatzanspruch zu, weil die Beklagte jedenfalls in schwerwiegender Weise gegen Schutz- und Sorgfaltspflichten aus dem Vertragsverhältnis verstoßen habe. Darüber hinaus hafte sie auch deliktisch, insbesondere aus dem Titel der Prospekthaftung, weil sie (im Einzelnen dargelegte) maßgebliche Risiken und Informationen, die sich aus der besonderen Konstruktion der Anleihe und der Investition in die von H***** lancierten Fonds ergeben hätten, verschwiegen habe und die Prospektangaben in hohem Maß irreführend seien. Da der Klägerin die Ermittlung der Höhe ihres mittlerweile fällig gewordenen Rückzahlungsanspruchs nicht möglich sei, habe sie Anspruch auf Rechnungslegung.

Zur internationalen Zuständigkeit des angerufenen Gerichts stützte sich die Klägerin zunächst auf die Gerichtsstände der Art 15 und hilfsweise Art 5 Nr 3 EuGVVO alt und in der Folge auch auf Art 5 Nr 1 EuGVVO alt.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete die internationale Unzuständigkeit des Erstgerichts ein.

Das Erstgericht erklärte sich für international unzuständig und wies die Klage zurück. Die Klägerin könne die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts weder auf Art 15 Abs 1 noch auf Art 5 Nr 1 lit a EuGVVO stützen, weil eine über die aus dem bloßen Halten der Anleihe resultierende vertragliche Beziehung hinausgehende freiwillige Verpflichtung der Beklagten gegenüber der Klägerin aus dem gesamten Akteninhalt nicht erkennbar sei. Aus diesem Grund sei das Erstgericht für vertragliche Ansprüche jedenfalls nicht international zuständig. Die Klägerin behaupte hilfsweise auch deliktische Ansprüche iSd Art 5 Nr 3 EuGVVO alt, zu denen auch Prospekthaftungsansprüche zählten. Sie habe allerdings nicht vorgebracht, dass sich der Schaden unmittelbar auf einem ihr zuzuordnenden Bankkonto bei einer Bank in Wien verwirklicht hätte. Im Gegenteil ergebe sich aus ihrem Vorbringen und den von ihr vorgelegten Urkunden, dass sie ihre Zertifikate über in Graz bzw Salzburg geführte Depots erworben habe. Der Schaden sei somit in Graz und Salzburg eingetreten.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Klägerin nicht Folge. Auf den vom Erstgericht verneinten Verbrauchergerichtsstand nach Art 15 EuGVVO alt komme die Rekurswerberin zu Recht nicht mehr zurück. Entgegen der Ansicht des Erstgerichts scheide der Gerichtsstand des Art 5 Nr 1 lit a EuGVVO alt nicht von vornherein aus. Der Oberste Gerichtshof habe nämlich bereits in mehreren Entscheidungen (8 Ob 67/15h; 6 Ob 122/15g; 8 Ob 125/15p; 4 Ob 163/15x) klargestellt, dass der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in der (in einem Verfahren eines anderen Anlegers gegen die hier Beklagte ergangenen) Vorabentscheidung vom 28. Jänner 2015, C‑375/13, Kolassa, das Vorliegen einer freiwillig eingegangenen rechtlichen Verpflichtung der Beklagten – und damit auch die Anwendbarkeit des Gerichtsstands des Art 5 Nr 1 lit a EuGVVO alt – nur deshalb verneint habe, weil sich für ihn aus der knappen Sachverhaltsdarstellung des vorlegenden Gerichts eine solche nicht ergeben habe; tatsächlich handle es sich beim Zahlungsversprechen aus einer Inhaberschuldverschreibung um eine freiwillige rechtliche Verpflichtung des Schuldners und damit um einen vertraglichen Anspruch iSd Art 5 Nr 1 EuGVVO alt.

Es komme nicht darauf an, ob, wie von der Beklagten behauptet, der Ort des Clearingsystems in Deutschland als Erfüllungsort vereinbart worden sei, weil sich in Frankfurt sowohl die Zweigniederlassung der Beklagten als auch der Sitz der die Emission abwickelnden Clearingstelle befinde. Sowohl nach der von der Beklagten behaupteten Rechtswahl als auch nach Art 4 EVÜ gelange man zur Anwendbarkeit deutschen Rechts, weil die Beklagte als Emittentin die charakteristische Leistung, nämlich die Rückzahlung der Schuldverschreibung, erbringe. Bis zur Umsetzung der Zahlungsverzugsrichtlinie seien Geldschulden nach deutschem wie auch nach österreichischem Recht qualifizierte Schickschulden gewesen, Erfüllungsort sei also der Wohnsitz oder die Niederlassung des Schuldners gewesen. Während sich die Rechtslage in Österreich mit Inkrafttreten des Zahlungsverzugsgesetzes (BGBl I Nr 50/2013) dahin geändert habe, dass Geldschulden nun Bringschulden seien, sodass der Erfüllungsort am Wohnsitz oder der Niederlassung des Empfängers liege, sei die Zahlungsverzugsrichtlinie in Deutschland nicht in dieser Form umgesetzt worden. Der Schuldner habe nach § 270 Abs 1 BGB Geld zwar im Zweifel auf seine Gefahr und auf seine Kosten dem Gläubiger an dessen Wohnsitz zu übermitteln, § 270 Abs 4 BGB stelle allerdings klar, dass die Vorschriften über den Leistungsort unberührt blieben. Der Leistungsort nach § 269 BGB, der mangels besonderer Vereinbarung oder Bestimmbarkeit aus den Umständen, wie der Natur des Schuldverhältnisses, am (Wohn‑)Sitz des Schuldners liege, sei daher unabhängig davon, ob man die Geldschuld nach deutschem Recht als Schick- oder als Bringschuld ansehe, maßgeblich für den Gerichtsstand bei Geldschulden. Nach deutschem Recht sei also die aus der Inhaberschuldverschreibung resultierende Rückzahlungspflicht der Emittentin gegenüber der klagenden Anleihegläubigerin, die eine Geldschuld darstelle, ebenso wie das daraus abgeleitete Rechnungslegungsbegehren jedenfalls am Sitz der Schuldnerin, hier also in Frankfurt, zu erfüllen.

Dazu komme, dass die Klägerin die Zertifikate nicht unmittelbar von der Beklagten (im Rahmen der Emission) erworben habe, sondern derivativ. Das zwischen ihr und einem Kommissionär abgeschlossene Geschäft könne deshalb nichts an der Frage des Erfüllungsorts hinsichtlich der zwischen ihr und der Beklagten bestehenden anleiherechtlichen Verpflichtung ändern. Der Erfüllungsort nach Art 5 Nr 1 EuGVVO alt liege also außerhalb Österreichs, sodass er die Zuständigkeit des Erstgerichts nicht begründen könne.

Da der Klägerin der Gerichtsstand des Erfüllungsorts – nicht nur für die unmittelbaren vertraglichen Ansprüche, sondern auch für jene aufgrund der Nichterfüllung einer vertraglichen Verpflichtung, also insbesondere Schadenersatz- und Rückerstattungsansprüche, und zwar auch dann, wenn sie erst aus dem Gesetz folgten, sowie für Nebenansprüche wie jenen auf Rechnungslegung – zur Verfügung stehe, könne sie sich insoweit nicht auf Art 5 Nr 3 EuGVVO alt stützen. Dieser Gerichtsstand sei nämlich dann nicht anwendbar, wenn die Pflichten, aus deren Verletzung der deliktische Schadenersatzanspruch abgeleitet werde, – wie es hier der Fall sei – in einem so engen Zusammenhang mit dem Vertrag stünden, dass das vertragliche Element im Vordergrund stehe und auch den Charakter des deliktischen Rechtsverhältnisses entscheidend präge. Dies gelte insbesondere für die behauptete Prospekthaftung nach den §§ 6 und 11 KMG.

Die Beklagte habe die internationale Zuständigkeit des Erstgerichts insbesondere für alle vertraglichen Ansprüche substanziiert bestritten und auch dargelegt, weshalb der Erfüllungsort iSd Art 5 Nr 1 EuGVVO alt nicht in Österreich liege. Der – mit Klageausdehnung geltend gemachte – Anspruch auf Rechnungslegung nach Eintritt der Fälligkeit der Anleihe sei ein Nebenanspruch zum auf Zahlung gerichteten Erfüllungsanspruch. Daher beziehe sich die substanziierte Bestreitung der mangelnden internationalen Zuständigkeit durch die Beklagte auch auf ihn. Da die Beklagte ihren Rechtsstandpunkt auch in der Rekursbeantwortung beibehielt, sei ein allfälliger Verfahrensmangel, der darin gelegen sein könnte, dass der Beklagten keine Gelegenheit gegeben worden sei, sich zur Klageänderung zu äußern und sich hinsichtlich des Rechnungslegungsanspruchs der Jurisdiktion des angerufenen Gerichts zu unterwerfen, im Ergebnis nicht von Bedeutung. Eine Überweisung an ein Gericht eines anderen Mitgliedstaats komme nicht in Betracht; daher begründe es auch keine Mangelhaftigkeit des Verfahrens, dass das Erstgericht der Klägerin keine Gelegenheit zur Stellung eines Überweisungsantrags nach § 261 Abs 6 ZPO eingeräumt habe.

Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs angesichts der Vielzahl gleich oder ähnlich gelagerter Fälle im Hinblick auf die Wahrung der Rechtseinheit und Rechtssicherheit zu.

In ihrem Revisionsrekurs macht die Klägerin zusammengefasst geltend, der Erfüllungsort hinsichtlich der vertraglichen Ansprüche liege in Wahrheit in Österreich. Von ihren vertraglichen Ansprüchen sei der ebenfalls geltend gemachte Anspruch auf Schadenersatz aus dem Titel der Prospekthaftung gemäß KMG strikt zu trennen. Dieser sei weder auf die Erfüllung des Anleihevertrags gerichtet, noch ein Sekundäranspruch, der aus der Verletzung einer vertraglichen Pflicht resultiere, sondern ein deliktischer Anspruch.

Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und teilweise berechtigt.

Vorauszuschicken ist, dass hier, wie die Vorinstanzen richtig erkannt haben, angesichts der Einbringung der Klage im November 2012 noch die EuGVVO alt (im Folgenden: EuGVVO) anwendbar ist (Art 66 Abs 1 EuGVVO neu).

1. Zur internationalen Zuständigkeit für die vertraglichen Ansprüche der Klägerin (einschließlich ihres Rechnungslegungsbegehrens):

1.1. Der von der Klägerin in erster Instanz primär herangezogene Gerichtsstand des Art 15 EuGVVO ist (auch) in dritter Instanz kein Thema mehr. Es ist deshalb hinsichtlich der vertraglichen Ansprüche (und des vertraglichen Nebenanspruchs auf Rechnungslegung) nur auf Art 5 Nr 1 EuGVVO einzugehen.

1.2. In diesem Zusammenhang macht die Klägerin geltend, dass es primär auf den vereinbarten Erfüllungsort ankomme. Nach den Anleihebedingungen werde die Emittentin (Beklagte) mit der Zahlung „an das Clearingsystem oder an dessen Order“ von ihrer Verpflichtung frei. Diese Vereinbarung sei insofern unklar, als drei verschiedene juristische Personen als Clearingsysteme angeführt seien, weshalb für den Investor ex ante nicht ersichtlich sei, über welches dieser Clearingsysteme die Order erfolge. Aus diesem Grund scheide das Clearingsystem selbst schon mangels Vorhersehbarkeit als Erfüllungsort der Anleihe aus. Anderes gelte hingegen für die Formulierung „an dessen Order“: Die Rechte aus der Anleihe würden ausschließlich von der Depotbank des Investors wahrgenommen, die in dessen Stellvertretung auftrete. Die Zahlungen aus der Anleihe seien deshalb faktisch stets an die Depotbank erfolgt. Deren Sitz sei der einzige Ort, der aus dem Blickwinkel der Parteien sinnvoller und vorhersehbarer Erfüllungsort sein könne. Die Zahlung am Sitz des Gläubigers sei daher das, was redliche Parteien vereinbaren würden. Da der Anleger den Betrag auf seinem (österreichischen) Depotkonto gutgeschrieben erhalte, liege der Erfüllungsort ohne Zweifel im Inland.

1.3. Nach dem hier anzuwendenden Art 5 Nr 1 lit a EuGVVO kommt es für den Gerichtsstand des Erfüllungsorts auf den rechtlichen Erfüllungsort für die verletzte Vertragsleistung an, der nach dem auf den Vertrag anzuwendenden Sachrecht (lex causae) zu ermitteln ist. Eine wirksame Erfüllungsortvereinbarung ginge – wie schon nach dem EuGVÜ – dem rechtlichen Erfüllungsort allerdings vor. Das Rekursgericht hat den rechtlichen Erfüllungsort für die verletzte Vertragsleistung nach deutschem Recht ermittelt und diesen als in Deutschland gelegen erachtet. Die Klägerin beruft sich mit ihren Ausführungen weder auf einen tatsächlich vereinbarten Erfüllungsort noch tritt sie der Beurteilung des Rekursgerichts zum Regelungsgehalt der §§ 269 und 270 BGB entgegen. Ihre Argumentation, dass redliche Parteien für Zahlungen aus der Anleihe auf den Ort des Depotkontos abstellen würden, ist nicht geeignet, einen vereinbarten Erfüllungsort zu begründen.

1.4. Die – im Folgenden noch zu behandelnde – internationale Zuständigkeit des Erstgerichts nach Art 5 Nr 3 EuGVVO bezieht sich ausschließlich auf deliktische Ansprüche; eine Annexzuständigkeit für vertragliche Ansprüche besteht – entgegen der überwiegenden Lehre – nach der Rechtsprechung des EuGH nicht (Simotta in Fasching/Konecny 2 V/1 Art 5 EuGVVO Rz 84 f mwN). Es ist deshalb das Gericht, das nach Art 5 Nr 3 EuGVVO über eine Klage unter einem auf deliktischer Grundlage beruhenden Gesichtspunkt zu entscheiden hat, nicht auch dafür zuständig, über diese Klage unter anderen, nichtdeliktischen Gesichtspunkten zu entscheiden (EuGH Rs 189/87, Kalfelis; Rs C‑98/06, Freeport plc). Der EuGH räumt in diesem Zusammenhang zwar ein, dass es Nachteile mit sich bringt, wenn über die einzelnen Aspekte eines Rechtsstreits von verschiedenen Gerichten entschieden wird, verweist jedoch darauf, dass der Kläger ohnehin stets die Möglichkeit hat, seine Klage unter sämtlichen Gesichtspunkten vor das Gericht des Wohnsitzes des Beklagten zu bringen (EuGH Rs 189/87, Kalfelis Rn 20).

1.5.1. Für die Klägerin ist auch daraus nichts zu gewinnen, dass das Erstgericht die Klage zurückgewiesen hat, ohne der Beklagten zuvor den Schriftsatz vom 12. Juli 2016 (ON 12), mit dem die Klägerin ihr Begehren um das Rechnungslegungsbegehren ausdehnte, zuzustellen.

1.5.2. Nach Art 24 EuGVVO wird das Gericht eines Mitgliedstaats, das nicht bereits nach anderen Vorschriften dieser Verordnung zuständig ist, – von hier nicht in Betracht kommenden Fällen abgesehen – dadurch zuständig, dass sich der Beklagte auf das Verfahren einlässt, ohne die internationale Unzuständigkeit dieses Gerichts zu rügen. Aus dieser Vorschrift wird abgeleitet, dass das österreichische Gericht eine nach Art 24 EuGVVO heilbare Unzuständigkeit nicht bei der Klageprüfung in limine litis von Amts wegen aufgreifen und die Klage nicht a limine wegen mangelnder internationaler Zuständigkeit zurückweisen darf (RIS‑Justiz RS0111247 [T3]), weil nach der Wertung der EuGVVO die Möglichkeit der Heilung der Unzuständigkeit durch Einlassung des Beklagten dem obrigkeitlichen Interesse an der Einhaltung der objektiven Zuständigkeitsordnung vorgeht (RIS‑Justiz RS0111247 [T8]).

1.5.3. Wird für eine Klage der Gerichtsstand des Erfüllungsorts in Anspruch genommen, so erfasst die Einrede der mangelnden internationalen Zuständigkeit grundsätzlich alle im Verfahren geltend gemachten vertraglichen Ansprüche (im Sinn einer freiwillig eingegangenen Verpflichtung), die mit dem Klagsanspruch in sachlichem Zusammenhang stehen. Dies gilt jedenfalls für eine Ausdehnung des Klagebegehrens und ebenso – wie hier – für eine Ausdehnung bzw Ergänzung des Klagebegehrens um ein Rechnungslegungsbegehren (vgl Staudinger in Rauscher , EuZPR/EuIPR [2011] Art 24 Brüssel I‑VO Rz 10).

Zudem ist im konkreten Fall eine rügelose Einlassung der Beklagten auch schon deshalb nicht anzunehmen, weil sie sowohl in ihrer Rekurs- als auch in ihrer Revisionsrekursbeantwortung auf ihrem Standpunkt beharrt, dass das Erstgericht für die (gesamte, also auch die ausgedehnte) Klage international unzuständig sei.

1.6. Die Vorinstanzen haben daher die internationale Zuständigkeit des Erstgerichts für die mit der Klage geltend gemachten vertraglichen Ansprüche zu Recht verneint.

2. Zur internationalen Zuständigkeit für die deliktischen Ansprüche der Klägerin, insbesondere Prospekthaftung :

2.1. Der Begriff der „unerlaubten Handlung“ iSd Art 5 Nr 3 EuGVVO ist nach der Rechtsprechung des EuGH autonom auszulegen; es ist also nicht entscheidend, ob der geltend gemachte Anspruch nach österreichischem Recht deliktischer Natur ist, sondern ob der Anspruch von Art 5 Nr 3 in seiner Auslegung durch den EuGH erfasst wird. In diesem Zusammenhang ist darauf abzustellen, ob die Pflichten, aus deren Verletzung der deliktische Schadenersatzanspruch hergeleitet wird, in einem so engen Zusammenhang mit einem Vertrag stehen, dass dieses vertragliche Element ganz im Vordergrund steht und auch den Charakter des deliktischen Rechtsverhältnisses ganz entscheidend prägt; in solchen Fällen ist Art 5 Nr 3 unanwendbar (EuGH Rs 189/87, Kalfelis ;

RIS‑Justiz

RS0109078;

RS0109739 [T3]) . Art 5 Nr 3 EuGVVO bezieht sich daher (grundsätzlich) auf alle Klagen, mit denen eine Schadenshaftung des Beklagten geltend gemacht wird, die nicht an einen „Vertrag“ iSd Art 5 Nr 1 EuGVVO anknüpft (RIS‑Justiz

RS0109739).

2.2. Wie der EuGH in der in einem Parallelverfahren eines Anlegers gegen die auch hier Beklagte ergangenen Vorabentscheidung vom 28. Jänner 2015,Rs C‑375/13, Kolassa, dargelegt hat, gilt für Haftungsklagen gegen einen Emittenten aus Prospekthaftung und wegen sonstiger gesetzlicher Informationspflichten von Emittenten der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung, sofern sie nicht von der Wendung „wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden“, erfasst werden.

2.3. Entgegen der Ansicht des Rekursgerichts sind diese Ausführungen des EuGH nicht etwa so zu verstehen, dass der Klägerin deshalb, weil sie sich neben der Prospekthaftung auch auf vertragliche Ansprüche stützt, die Berufung auf Art 5 Nr 3 EuGVVO von vornherein verwehrt wäre. In der Entscheidung vom 13. März 2014, Rs C‑548/12, Brogsitter, hat der EuGH nämlich klargestellt, dass das Vorliegen einer vertraglichen Beziehung zwischen den Streitteilen nicht zwingend zur Folge hat, dass die Klage einen „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ iSd Art 5 Nr 1 lit a EuGVVO betrifft. Dies ist vielmehr nur dann zu bejahen, wenn das vorgeworfene Verhalten als Verstoß gegen die vertraglichen Verpflichtungen angesehen werden kann, wie sie sich anhand des Vertragsgegenstands ermitteln lassen; was grundsätzlich der Fall ist, wenn eine Auslegung des Vertrags zwischen den Parteien unerlässlich erscheint, um zu klären, ob das dem Beklagten vom Kläger vorgeworfene Verhalten rechtmäßig oder vielmehr widerrechtlich ist (Rn 22 ff).

2.4. Bei der Beurteilung, ob es sich bei der Prospekthaftung um einen vertraglichen oder einen deliktischen Anspruch handelt, ist deshalb darauf abzustellen, ob die Informationspflichten, deren Verletzung im Rahmen des Prospekthaftungsanspruchs geltend gemacht wird, aufgrund ihres Zusammenhangs mit einem Vertrag als vertragliche anzusehen sind (vgl Jault-Seseke/Weller in Simons/Hausmann, Brüssel I‑Verordnung [2012], Art 5 Nr 1 Rz 15). Wird der Schadenersatzanspruch hingegen auf einen Verstoß gegen Rechtsvorschriften gestützt, richtet sich die Zuständigkeit nach Art 5 Nr 3 EuGVVO (Simotta in Fasching/Konecny 2 V/1 Art 5 EuGVVO Rz 70 mwN).

2.5. Im Hinblick darauf, dass sich die Prospekthaftung des Emittenten nach § 11 Abs 1 KMG auf unrichtige bzw unvollständige Prospektangaben bezieht, also gerade kein unmittelbarer Zusammenhang mit dem Vertrag besteht, ist die Prospekthaftung als deliktischer Anspruch iSd Art 5 Nr 3 EuGVVO zu qualifizieren (vgl Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht9 [2011] Art 5 Rz 74 mwN; Simotta in Fasching/Konecny 2 V/1 Art 5 EuGVVO Rz 275; in diesem Sinn auch Czernich in Czernich/Kodek/Mayr, Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht4 Art 7 EuGVVO 2012 Rz 111).

2.6. In der (zu Art 5 Nr 3 EuGVÜ ergangenen) Entscheidung vom 10. Juni 2004, Rs C‑168/02, Kronhofer , hat der EuGH ausgesprochen, dass die Wendung „Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist“ nicht so weit ausgelegt werden kann, dass sie jeden Ort erfasst, an dem die nachteiligen Folgen eines Umstands spürbar werden können, der bereits einen – tatsächlich an einem anderen Ort entstandenen – Schaden verursacht hat, sodass sie sich nicht schon deshalb auf den Ort des Klägerwohnsitzes – als Ort des Mittelpunkts seines Vermögens – bezieht, weil dem Kläger nach seinem Vorbringen durch Verlust von Vermögensbestandteilen in einem anderen Vertragsstaat ein finanzieller Schaden entstanden ist.

2.7. Daraus hat der Oberste Gerichtshof zu 3 Ob 14/12y (und in der Folge zu 6 Ob 122/15g [P 5.2.]) den Schluss gezogen, dass der Ort des schädigenden Ereignisses grundsätzlich dort anzusiedeln ist, wo sich das Anlagekonto befindet, also an dem Ort, an dem sich das angelegte Geld befindet, nicht aber an jenem, wo das Konto des Anlegers geführt wird, von dem aus die Anlage getätigt wurde.

2.8. Demgegenüber hat der EuGH in seinem bereits erwähnten Urteil Kolassa (in Rn 55) zur örtlichen Zuständigkeit Folgendes ausgeführt:

Die Gerichte am Wohnsitz des Klägers sind in Anknüpfung an die Verwirklichung des Schadenserfolgs für eine solche Klage insbesondere dann zuständig, wenn sich der besagte Schaden unmittelbar auf einem Bankkonto des Klägers bei einer Bank im Zuständigkeitsbereich dieser Gerichte verwirklicht.“

2.9. Der Oberste Gerichtshof hat angesichts der nach dieser Entscheidung verbleibenden Unklarheiten dem EuGH mit Beschluss vom 10. Mai 2017, 3 Ob 28/17i, gemäß Art 267 AEUV (ergänzend) folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

„Ist nach Art 5 Nr 3 der Verordnung (EG) Nr 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen für außervertragliche Ansprüche wegen Prospekthaftung dann, wenn

‑ der Anleger seine durch den mangelhaften Prospekt verursachte Anlageentscheidung an seinem Wohnsitz getroffen hat

‑ und er aufgrund dieser Entscheidung den Kaufpreis für das am Sekundärmarkt erworbene Wertpapier von seinem Konto bei einer österreichischen Bank auf ein Verrechnungskonto bei einer anderen österreichischen Bank überwiesen hat, von wo der Kaufpreis in der Folge im Auftrag des Klägers an den Verkäufer überwiesen wurde,

(a) jenes Gericht zuständig, in dessen Zuständigkeitsbereich der Anleger seinen Wohnsitz hat,

(b) jenes Gericht zuständig, in dessen Zuständigkeitsbereich der Sitz / die kontoführende Filiale jener Bank liegt, bei der der Kläger sein Bankkonto hat, von dem er den investierten Betrag auf das Verrechnungskonto überwiesen hat,

(c) jenes Gericht zuständig, in dessen Zuständigkeitsbereich der Sitz / die kontoführende Filiale der Bank liegt, bei der sich das Verrechnungskonto befindet,

(d) nach Wahl des Klägers eines dieser Gerichte zuständig,

(e) keines dieser Gerichte zuständig?“

2.10. Der EuGH hat diese Frage in seinem Urteil vom 12. September 2018, C‑304/17, wie folgt beantwortet:

„Art 5 Nr 3 der Verordnung (EG) Nr 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens, in der ein Anleger eine Klage auf Haftung aus unerlaubter Handlung gegen eine Bank, die ein Zertifikat ausgegeben hat, in das er investiert hat, wegen des Prospekts zu diesem Zertifikat erhoben hat, die Gerichte des Wohnsitzes dieses Anlegers als Gerichte des Orts, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, im Sinne dieser Bestimmung für die Entscheidung über diese Klage zuständig sind, wenn sich der behauptete Schaden, der in einem finanziellen Verlust besteht, unmittelbar auf einem Bankkonto dieses Anlegers bei einer Bank im Zuständigkeitsbereich dieser Gerichte verwirklicht hat und die anderen spezifischen Gegebenheiten dieser Situation ebenfalls zur Zuweisung der Zuständigkeit an diese Gerichte beitragen.“

2.11. Im Vorabentscheidungsersuchen zu 3 Ob 28/17i hat der Oberste Gerichtshof zur Vermeidung von Missverständnissen ausdrücklich zwischen dem Verrechnungskonto – als einem „speziellen“, für die konkrete Anlage spezifizierten Konto – und dem „normalen“ Bankkonto (Gehalts- oder sonstigen Konto, von dem der Anleger den Kaufpreis für die Wertpapiere auf das Verrechnungskonto überwiesen hat) differenziert (Punkt 7.). In diesem Sinn ist deshalb auch der vom EuGH verwendete Begriff „Bankkonto“ zu verstehen.

Der EuGH greift diese Differenzierung jedoch nicht auf, sondern stellt darauf ab, dass die Gerichte des Wohnsitzes des Anlegers als Gerichte des Orts, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, iSd Art 5 Nr 3 EuGVVO dann für die Entscheidung zuständig sind, wenn bestimmte zusätzliche Voraussetzungen vorliegen. Diese Voraussetzungen lassen sich dahin zusammenfassen, dass die in besonderer anlage- und schadenstypischer Weise mit dem Geschäftsvorgang oder Schadensfall verknüpften schädigenden Vermögensdispositionen sich im Zuständigkeitsbereich inländischer Gerichte ereigneten und sonstige spezifische Gegebenheiten der Situation vorliegen, die nicht zum (Wohn‑)Sitz des Beklagten, sondern in den Zuständigkeitsbereich inländischer Gerichte weisen. Er verweist ausdrücklich darauf, dass die spezifischen Gegebenheiten des Ausgangsverfahrens „insgesamt zur Zuweisung der Zuständigkeit an die österreichischen Gerichte beitragen“ (Rn 31). Der EuGH erwähnt diesbezüglich den Wohnsitz der Anlegerin in Österreich sowie den Umstand, dass alle Zahlungen für den Investitionsvorgang von österreichischen Bankkonten – von ihrem persönlichen Bankkonto und den speziell der Durchführung dieses Vorgangs gewidmeten Verrechnungskonten – aus durchgeführt wurden (Rn 32). Im Übrigen habe die Anlegerin die Zertifikate auf dem österreichischen Sekundärmarkt erworben, die Angaben, die ihr zu diesen Zertifikaten übermittelt wurden, seien die Prospektangaben, wie sie der Österreichischen Kontrollbank notifiziert wurden, und die ihr Vermögen endgültig belastende Verpflichtung, die Anlage zu tätigen, sei auf der Grundlage dieser Angaben in Österreich eingegangen worden (Rn 33). Unter diesen Umständen stehe die Zuweisung der Zuständigkeit an „die österreichischen Gerichte“ im Einklang mit den in den ErwGr 11 und 12 der EuGVVO angeführten Zielen der Vorhersehbarkeit der in dieser Verordnung vorgesehenen Zuständigkeitsregeln, der Nähe der durch diese Regeln bezeichneten Gerichte zu dem Rechtsstreit sowie der geordneten Rechtspflege (Rn 34).

2.12. Daraus ist abzuleiten, dass die Gerichte am Wohnsitz der Anlegerin – im vorliegenden Fall also das sachlich zuständige Erstgericht – für die (auf deliktische Ansprüche gestützte) Klage der in Wien wohnenden Klägerin dann zuständig sind, wenn – wie hier – die Anlegerin ihre anlage- und schadenstypisch beteiligten Konten bei Banken in Österreich (hier das allgemeine Bankkonto ersichtlich in Wien und die Wertpapierdepots samt Verrechnungskonten in Graz und Salzburg) hatte und die auch sonst vorliegenden Umstände (Erwerb in Österreich; Prospektangaben bei der Österreichischen Kontrollbank notifiziert; Eingehen dieser Verpflichtung aufgrund dieser Angaben in Österreich) zur Zuweisung der Zuständigkeit an österreichische Gerichte (statt an die Gerichte am [Wohn-]Sitz der Beklagten) beitragen (vgl zu Art 7 EuGVVO neu Leible in Rauscher, EuZPR/EuIPR I4 [2016] Art 7 Brüssel 1a‑VO Rn 125).

2.13. Dies steht auch mit der allgemeinen Zielsetzung der EuGVVO in Einklang, die Ausnahme vom regelmäßig anzunehmenden Beklagtengerichtsstand nach Art 2 Abs 1 EuGVVO (Art 4 Abs 1 EuGVVO neu) nur aufgrund der engen Verbindung zwischen Gericht und Rechtsstreit oder im Interesse einer geordneten Rechtspflege zuzulassen und zu verhindern, dass die Gegenpartei vor einem Gericht eines Mitgliedstaats verklagt werden kann, mit dem sie vernünftigerweise nicht rechnen konnte (vgl oben Pkt 2.2.). Ein Abstellen auf den Ort des Sitzes der jeweiligen Banken, bei denen der Anleger Konten hält, würde diesen Voraussetzungen nicht genügen und ist aus dem Urteil C‑304/17 auch nicht abzuleiten. Die Unwägbarkeiten, die sich daraus ergeben, dass eine Anlegerin – wie hier – Konten bei Banken auch außerhalb ihres Wohnsitzes unterhalten mag, sind für den Prozessgegner kaum vorhersehbar und könnten überdies zu Situationen führen, in denen er je nach Zufälligkeiten beim Erwerb vor verschiedenen inländischen Gerichten zur Verantwortung gezogen würde, die zudem auch nicht mit dem (Wohn-)Sitzgericht der Anlegerin ident sein müssten. Dagegen ist bei Bezugnahme auf den (Wohn-)Sitz des Anlegers für einen Emittenten, der Finanzprodukte auch außerhalb seines eigenen Heimatstaats vermarktet, unschwer vorherzusehen, dass der Anleger, der einen Schaden erlitten zu haben behauptet, das sachlich und örtlich zuständige Gericht seines (Wohn‑)Sitzes anruft, wenn auch sonst Umstände vorliegen, die auf die Zuständigkeit anderer Gerichte als der des (Wohn‑)Sitzes des Beklagten hinweisen (vgl C‑304/17 Rn 35, unter Hinweis auf C‑375/13, Kolassa).

2.14. Das Erstgericht ist daher (nur) für die aus Delikt abgeleiteten Ansprüche der Klägerin nach Art 5 Nr 3 EuGVVO international zuständig.

3. Was die geltend gemachten vertraglichen Ansprüche betrifft, ist daher die Klagszurückweisung zu Recht erfolgt. Hinsichtlich der deliktischen Ansprüche waren die Entscheidungen der Vorinstanzen jedoch wie aus dem Spruch ersichtlich abzuändern; das Erstgericht wird das gesetzmäßige Verfahren über diese Ansprüche zu führen haben.

4. Zur Frage der internationalen Zuständigkeit liegt ein Zwischenstreit vor (vgl 6 Ob 133/08i = RIS‑Justiz RS0109078 [T15]). Angesichts des Umstands, dass beide Parteien jeweils in Ansehung eines der beiden tragenden Rechtsgründe als unterlegen anzusehen sind, ist die Kostenaufhebung nach § 43 Abs 1 erster Fall ZPO für das erstinstanzliche Verfahren ab der Einschränkung auf die Zuständigkeitsfrage (mit Beschluss des Erstgerichts vom 15. Jänner 2013) und – nach §§ 50, 43 Abs 1 erster FallZPO – für das gesamte Rechtsmittelverfahren sachgerecht.

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