OGH 5Ob100/18v

OGH5Ob100/18v3.10.2018

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin Dr. K* P*, vertreten durch die Dr. Witt & Partner Rechtsanwalt KG in Wien, gegen den Antragsgegner Dr. G* L*, vertreten durch Dr. Michael Mäntler, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 6 MRG iVm § 9 MRG, über den ordentlichen Revisionsrekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 14. Februar 2018, GZ 39 R 288/17t‑18, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 10. August 2017, GZ 44 Msch 17/16b‑14, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E123297

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner und die Antragstellerin haben die Kosten ihrer Rechtsmittelschriften jeweils selbst zu tragen.

 

Begründung:

Der Antragsgegner ist Eigentümer und Vermieter der Wohnung Top 8 im Haus * Wien, *, die Antragstellerin ist Mieterin dieser Wohnung.

Die Wohnung weist eine Nutzfläche von etwa 200 m² auf; davon entfallen 5,42 m² auf ein Bad. Dieses Bad ist als Durchgangszimmer konzipiert und nur über die Küche zu erreichen; an dieses knüpft der von der Antragstellerin als Schlafzimmer genutzte Raum an. Die Wohnung verfügt über eine separate Toilette. Im Jahr 2015 ließ die Antragstellerin einen bisher keinem bestimmten Verwendungszweck zugeordneten Raum im Ausmaß von 24,19 m² unterteilen und ein zweites Bad/WC einbauen.

Die Antragstellerin stellte den – auf § 9 MRG gestützten Antrag – auf Ersetzung der Zustimmung des Antragsgegners zur Errichtung dieses zweiten Badezimmers.

Das Erstgericht wies den Antrag ab. Ungewöhnliche Umgestaltungen wie etwa der Einbau eines zweiten Badezimmers seien nicht als privilegierte Arbeit im Sinn des § 9 Abs 2 MRG zu qualifizieren. Die Errichtung eines zweiten Badezimmers entspreche auch nicht der Übung des Verkehrs. Da die Voraussetzungen der Übung des Verkehrs und des wichtigen Interesses des Mieters an der Änderung kumulativ vorliegen müssten, sei das wichtige Interesse der Antragstellerin nicht mehr zu prüfen und der Antrag abzuweisen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragstellerin Folge. Es hob den Sachbeschluss des Erstgerichts auf und wies die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Die Schaffung eines zweiten Badezimmers sei nicht zu den privilegierten Arbeiten im Sinn des § 9 Abs 2 MRG zu zählen, zumal das Gesetz darin nur von einer „Umgestaltung“ von sanitären Anlagen spreche. Für die zu ersetzende Zustimmung der Vermieterin müssten daher sämtliche in § 9 Abs 1 MRG normierten Voraussetzungen erfüllt sein. Dass die Voraussetzungen des § 9 Abs 1 Z 1, Z 3 bis Z 7 MRG gegeben seien, stelle der Antragsgegner nicht mehr in Frage. Zu prüfen sei daher, ob die Veränderung der Übung des Verkehrs entspreche und einem wichtigen Interesse der Antragstellerin diene (§ 9 Abs 1 Z 2 MRG). Das Erstgericht lege seiner Entscheidung die oberstgerichtliche Judikatur zugrunde, wonach ein zweites Badezimmer selbst in Großwohnungen nicht der Übung des Verkehrs entspreche (5 Ob 33/93; 5 Ob 273/00h). Seit diesen Entscheidungen habe sich der Anspruch auf den Wohnkomfort insbesondere auch in Bezug auf die Ausstattung mit sanitären Anlagen geändert; heute würden auch kleinere Wohnungen mit einer zweiten Bade- oder Duschgelegenheit ausgestattet werden. Der Einbau eines zweiten Badezimmers in einer Großwohnung entspreche daher nicht ausschließlich dem Luxusbedürfnis eines Mieters und sei daher nicht schon deshalb nicht verkehrsüblich. Auch der Umstand, dass die Bauordnung für Wien ab einer bestimmten Wohnungsgröße kein zweites Badezimmer vorschreibe, lasse nicht den Schluss zu, dass ein solches am Wohnungsmarkt nicht üblich wäre. Das Rekursgericht schließe sich daher der in Teilen der Lehre vertretenen Rechtsansicht an, dass die Errichtung eines zweiten Badezimmers in einer etwa 200 m² großen Wohnung als verkehrsüblich anzusehen sei und die Umstände des Einzelfalls näher zu prüfen seien. Da das Erstgericht aufgrund seiner vom Rekursgericht nicht geteilten Rechtsansicht zur kumulativ zur Übung des Verkehrs geforderten Voraussetzung des wichtigen Interesses der Antragstellerin keine Feststellungen getroffen habe, sei die angefochtene Entscheidung aufzuheben. Im fortgesetzten Verfahren seien die von der Antragstellerin zur Behauptung ihres wichtigen Interesses vorgebrachten Umstände und die von der Antragstellerin erklärte Bereitschaft zur Wiederherstellung iSd § 9 Abs 3 MRG zu prüfen.

Das Rekursgericht erklärte den Revisionsrekurs gemäß § 64 Abs 1 AußStrG iVm § 62 Abs 1 AußStrG für zulässig, weil sein Aufhebungsbeschluss zur Frage, ob der Einbau eines zweiten Badezimmers in einer erheblich großen Wohnung als verkehrsüblich angesehen werden könne, von der bisherigen oberstgerichtlichen Rechtsprechung abweiche.

Gegen diese Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der ordentliche Revisionsrekurs des Antragsgegners. Als Revisionsrekursgrund macht er die unrichtige rechtliche Beurteilung geltend und beantragt, die Entscheidung des Rekursgerichts dahin abzuändern, dass der Antrag der Antragstellerin abgewiesen werde. Hilfsweise stellt er einen Zurückverweisungsantrag.

Die Antragstellerin beantragte in ihrer Beantwortung des Revisionsrekurses, diesem nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist – entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts (§ 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 71 Abs 1 AußStrG) – nicht zulässig.

1. Voraussetzung für die Genehmigung einer vom Mieter geplanten Veränderung ist unter anderem, dass diese Veränderung der Übung des Verkehrs entspricht und einem wichtigen Interesse des Hauptmieters dient (§ 9 Abs 1 Z 2 MRG). Die Behauptungs- und Beweislast dafür, dass beide Voraussetzungen kumulativ vorhanden sind, trifft den Mieter (RIS-Justiz RS0069551 [T2]; RS0069662 [T1]; RS0069695 [T5]; RS0069725 [T1]). Nur bei den nach § 9 Abs 2 MG Z 1 bis 5 MRG privilegierten Arbeiten wird das Vorliegen dieser Voraussetzungen unwiderlegbar vermutet.

2. Zu den im § 9 Abs 2 MRG taxativ aufgezählten privilegierten Veränderungen zählen auch die Errichtung und die der Haushaltsführung dienende Umgestaltung von Wasserleitungs-, Lichtleitungs-, Gasleitungs- oder Beheizungsanlagen (einschließlich der Errichtung von zentralen Wärmeversorgungsanlagen) sowie von sanitären Anlagen (§ 9 Abs 2 Z 1 MRG). Die Vorinstanzen vertraten übereinstimmend die Auffassung, die Schaffung eines zweiten Badezimmers in einer Großwohnung falle nicht unter den Privilegierungstatbestand des § 9 Abs 2 Z 1 MRG. Diese auf der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (5 Ob 33/93 = RIS-Justiz RS0069743; 5 Ob 273/00h = RIS-Justiz RS0114400) beruhende, im Schrifttum (A. Vonkilch in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht³ § 9 MRG Rz 45; Beer/Vospernik in Illedits/Reich-Rohrwig, Wohnrecht Kurzkommentar², § 9 MRG Rz 23; Pletzer in GeKO Wohnrecht I § 9 MRG Rz 90) kritisierte Beurteilung ist im Revisionsrekursverfahren nicht strittig (vgl RIS-Justiz RS0102059 [T18]). Ausgehend davon hat die Antragstellerin zu behaupten und zu beweisen, dass die von ihr durchgeführten Maßnahmen kumulativ sowohl der Übung des Verkehrs entsprechen als auch ihrem wichtigen Interesse dienen.

3. Bezüglich der Übung des Verkehrs ist auf objektive Umstände abzustellen (RIS-Justiz RS0069695 [T1]). Diese objektiven Umstände sind vom dafür behauptungs- und beweispflichtigen Mieter durch konkrete Tatsachen darzulegen, wenn sich die Verkehrsüblichkeit nicht aus der allgemeinen Lebenserfahrung ergibt (5 Ob 57/14i; 5 Ob 167/10k). Gegenstand der Prüfung einer Duldungspflicht des Vermieters kann dabei immer nur die im konkreten Einzelfall beabsichtigte Änderung in ihrer geplanten Ausgestaltung sein (RIS-Justiz RS0069695 [T6]; RS0113606 [T1]). Bei der Beurteilung der Verkehrsüblichkeit im Sinne des § 9 Abs 1 Z 2 MRG kommt es dabei nicht auf die Verkehrsüblichkeit der vom Mieter mit seinem Veränderungsbegehren angestrebten Ausstattung des Mietgegenstands im Allgemeinen an, sondern darauf, ob die konkret beabsichtigte Änderung in ihrer geplanten Ausgestaltung als solche verkehrsüblich ist (5 Ob 167/10k; vgl RIS-Justiz RS0126244).

4.1. Ob die Voraussetzungen für die Duldungspflicht des Vermieters gemäß § 9 Abs 1 Z 2 iVm § 9 Abs 2 MRG gegeben sind, hängt damit von den besonderen Umständen des Einzelfalls ab, die in ihrer Gesamtheit zu beurteilen sind; dabei ist dem Rechtsanwender ein gewisser Ermessensspielraum eingeräumt. Diese Beurteilung wirft daher in der Regel keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf (RIS-Justiz RS0113606; RS0069695 [T4]; vgl auch RS0043718 [T2, T8, T9]). Nur in Fällen einer die Rechtssicherheit in Frage stellenden Fehlbeurteilung hat der Oberste Gerichtshof korrigierend einzugreifen.

4.2. Eine solche im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung des Rekursgerichts liegt hier nicht vor. Dieses hat den Einbau eines zweiten Badezimmers in eine bisher (nur) mit einem 5,42 m² großen, als Durchgangszimmer zwischen Küche und Schlafzimmer konzipierten Badezimmer ausgestattete Großwohnung deshalb als verkehrsüblich angesehen, weil nach der allgemeinen Lebenserfahrung erst durch diese Maßnahme die sanitären Anlagen dieser Wohnung der heutigen Wohnkultur und den Ansprüchen, die Mieter an den Wohnkomfort stellen, entsprächen. Diese Beurteilung des vorliegenden Einzelfalls ist keinesfalls unvertretbar (vgl Beer/Vospernik aaO § 9 MRG Rz 23; Pletzer aaO § 9 MRG Rz 90 [Erstere auch, Zweitere nur aus dem Blickwinkel der Erfordernisse der Haushaltsführung iSd § 9 Abs 2 Z 1 MRG]).

4.3. Entgegen der Ansicht des Rekursgerichts steht dessen Entscheidung in keinem Widerspruch zur Rechtssprechung des Obersten Gerichtshofs. Zu 5 Ob 33/93 verneinte der Oberste Gerichtshof die Privilegierung des Einbaus eines zweiten Badezimmers in eine Großwohnung nach § 9 Abs 2 Z 1 MRG. Der vom Antragsteller behauptete Duldungsanspruch habe somit den Nachweis des Vorliegens der Voraussetzungen des § 9 Abs 1 Z 2 MRG zur Voraussetzung, nämlich, dass die beabsichtigte Veränderung sowohl der Übung des Verkehrs entspreche, als auch seinem wichtigen Interesse diene. Da der Antragsteller das Vorliegen eines gegenwärtigen, die beantragten Maßnahmen bereits jetzt rechtfertigenden wichtigen Interesses nicht dargetan habe, fehle eine der beiden im § 9 Abs 1 Z 2 MRG für den Duldungsanspruch des Mieters unabdingbar geforderten Voraussetzungen. Damit stand schon fest, dass die Duldungspflicht der Antragsgegner keinesfalls gegeben war. Die Frage, ob diese Maßnahme als der Übung des Verkehrs entsprechend beurteilt werden könnte, konnte daher offen bleiben.In 5 Ob 273/00h sprach der Oberste Gerichtshof unter Berufung auf 5 Ob 33/93 erneut aus, dass die Schaffung eines zweiten Badezimmers unter keinen der Privilegierungstatbestände des § 9 Abs 2 Z 1 MRG falle. Da ein zweites Badezimmer selbst bei Großwohnungen nicht zum Standard gehöre, habe das Rekursgericht auf Basis einer vertretbaren Rechtsansicht argumentiert, wenn es dem Beseitigungsbegehren der Antragsteller schon allein wegen der mangelnden Verkehrsüblichkeit der von der Antragsgegnerin vorgenommenen Umbauten stattgegeben habe. Diese Qualifikation der Rechtsansicht des die Verkehrsüblichkeit verneinenden Rekursgerichts als vertretbar bezog sich auf die im konkreten Einzelfall beabsichtigte Änderung und ist eine Folge des dem Rekursgericht eingeräumten Beurteilungsspielraums. Eine allgemein gültige Aussage ist daher daraus nicht abzuleiten. Dass der Einbau eines zweiten Badezimmers in einer Großwohnung generell nicht als verkehrsüblich angesehen werden könne, ist also auch dem Zurückweisungsbeschluss 5 Ob 273/00h nicht zu entnehmen.

5. Der Revisionsrekurs war somit mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG zurückzuweisen.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG. Im Zwischenstreit über die mangels erheblicher Rechtsfrage verneinte Zulässigkeit des Rechtsmittels gegen einen Aufhebungsbeschluss des Rekursgerichts entspricht es der Billigkeit, die Kostenentscheidung nicht erst der Endentscheidung vorzubehalten (vgl RIS-Justiz RS0123222 [T2, T4, T8]; RS0035976 [T2]). Die Antragstellerin hat auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses nicht hingewiesen. Sie hat daher die Kosten für ihre – in diesem Sinn nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung dienende – Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen (vgl RIS-Justiz RS0112296; RS0035962; RS0035979). Gleiches gilt freilich für den Antragsgegner und die Kosten seines unzulässigen Revisionsrekurses.

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