OGH 9ObA54/18h

OGH9ObA54/18h28.6.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Dehn und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. 

Stefula sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Ingomar Stupar (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Thomas Kallab (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei J***** G*****, vertreten durch Mag. Jürgen Dorner, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei F***** GmbH, *****, vertreten durch Brauneis Klauser Prändl Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 97.576,41 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 27. März 2018, GZ 10 Ra 99/17b‑21, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:009OBA00054.18H.0628.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1.1. Die Gründe für eine vorzeitige Beendigung eines Dienstverhältnisses müssen bei sonstigem Verlust des bestehenden Auflösungsrechts

unverzüglich nach ihrem Bekanntwerden geltend gemacht werden (9 ObA 79/15f [mwH in Punkt 1.] = DRdA 2016/30 [Glowacka] = ZAS 2016/42 [Friedrich]

).

Bekannt geworden ist der Entlassungsgrund dem Dienstgeber, sobald ihm die für die Beurteilung des Vorliegens eines Entlassungsgrundes wesentlichen

Einzelheiten zur Kenntnis gelangt sind, wobei der Dienstgeber verpflichtet ist, die zur Feststellung des Sachverhalts erforderlichen und ihm zumutbaren Erhebungen ohne Verzögerung durchzuführen (

RIS‑Justiz

RS0029348 [T4]). Der Kenntniserlangung durch den Arbeitgeber ist die Kenntnisnahme durch seinen Stellvertreter oder durch einen ganz oder teilweise mit Personalagenden befassten leitenden Angestellten gleichzuhalten (vgl RIS‑Justiz RS0029321 [T4]).

1.2. Der Grundsatz, dass die

Entlassung unverzüglich auszusprechen ist, beruht auf dem Gedanken, dass ein Arbeitgeber, der eine Verfehlung seines Arbeitnehmers nicht sofort mit der

Entlassung beantwortet, dessen Weiterbeschäftigung nicht als unzumutbar ansieht und auf die Ausübung des

Entlassungsrechts im konkreten Fall verzichtet (RIS‑Justiz RS0029249 [T2]). Anerkanntermaßen ist es dem Arbeitgeber zuzubilligen, vor der Entlassung dem Dienstnehmer Gelegenheit zu geben, sich zu den erhobenen Vorwürfen zu äußern, sei es schriftlich in einer Stellungnahme, sei es mündlich in einem Gespräch, und so die Entlassung allenfalls noch abzuwenden, sodass in der Eröffnung einer solchen Äußerungsmöglichkeit keine konkludente Verzichtserklärung zu erblicken ist (vgl 4 Ob 71/75 = ZAS 1978/7 [Winkler]; 4 Ob 8/78 = RIS‑Justiz

RS0029297 [T1]; 4 Ob 78/79 = DRdA 1981/14 [Fenyves] = ZAS 1981/14 [Schrank]; 6 Ob 685/87; 9 ObA 333/00m; 9 ObA 121/03i; 9 ObA 99/05g; 9 ObA 66/15v [in Punkt 4.]; Kuderna, Entlassungsrecht2, 15).

1.3. Die Beurteilung, ob eine Entlassung rechtzeitig oder verspätet vorgenommen wurde, kann nur nach den konkreten Umständen des Einzelfalls erfolgen. Dieser Frage kommt daher – von Fällen krasser Fehlbeurteilung durch die zweite Instanz abgesehen – erhebliche Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nicht zu (RIS‑Justiz RS0031571 [T9]).

2. Hier erfuhr der Personalchef des beklagten Großhandelsunternehmens am Donnerstag, dass der als Regionalleiter in der Region ***** beschäftigte Kläger Retourware in eine Filiale in ***** brachte und –  obgleich eine Anweisung an alle Mitarbeiter die Aushändigung von Bargutschriften an Mitarbeiter verbot und der Kläger wegen Verstoßes dagegen bereits einmal im Vorjahr schriftlich verwarnt worden war  – Filialmitarbeiter anwies, ihm eine Bargutschrift auszuhändigen. Noch am selben Tag suchte der Personalchef die Filiale auf, versuchte das retournierte Material zum Käufer zurückzuverfolgen und ermittelte auch noch am folgenden Tag (Freitag) im SAP-EDV-System Vorfälle, die nach ähnlichem Muster wie der Vorfall am Mittwoch abgelaufen sein dürften. Als der Personalchef den Kläger hierauf zur Mittagszeit in die Zentrale bitten wollte erklärte dieser telefonisch, bereits im Wochenende in ***** zu sein, woraufhin er am Montag zu Dienstbeginn um 7:00 Uhr in die Zentrale bestellt wurde. Bei dem am Montag geführten Gespräch sprach der Personalchef im Anschluss an die Verantwortung des Klägers die Entlassung aus. Wenn die Vorinstanzen die Entlassung als rechtzeitig qualifizierten, so hält sich dies im Rahmen der höchstgerichtlichen Rechtsprechung.

Insgesamt vermag die Revision keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO darzustellen.

Stichworte