OGH 6Ob685/87

OGH6Ob685/876.9.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef S***, zuletzt Angestellter, Wien 2., Böcklinstraße 90/10, vertreten durch Dr. Erwin Englert, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei B*** DER K*** DES B***

FÜR H***, G*** UND I*** Gesellschaft m.b.H., Wien 2., Große Mohrengasse 5, vertreten durch Dr. Winfried Obitsch, Rechtsanwalt in Wien, wegen 5,735.544,98 S samt Nebenforderungen und Feststellung (Teilstreitwert 500.000 S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 19.Juni 1987, GZ 4 R 101/87-35, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 27.März 1987, GZ 14 Cg 65/86-30, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht stattgegeben.

Der Kläger ist schuldig, der beklagten Partei die mit 36.941,14 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten an Barauslagen 8.400 S und an Umsatzsteuer 2.594,65 S) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die beklagte Partei ist eine Gesellschaft m.b.H. Ihr einziger Gesellschafter ist der Bund. Der Kläger schloß durch Annahme eines ihm durch den Vorsitzenden des Aufsichtsrates der Gesellschaft unterbreiteten Anbotes vom 12.Januar 1973 mittels Gegenbriefes vom 18. Januar 1973 einen Dienstvertrag. Nach diesem Vertrag sollte dem Kläger die hauptberuflich auszuübende Geschäftsführung der Gesellschaft obliegen. In diesem Sinne wurde er zum einzelzeichnungsberechtigten Geschäftsführer bestellt. Dazu lautete der zweite Vertragspunkt wörtlich:

"Die Bestellung zum Geschäftsführer erfolgt auf 5 Jahre; sie kann nur aus wichtigen Gründen widerrufen werden. Das Dienstverhältnis, das vom 1.November 1972 bis zum 31.Oktober 1977

währt, ist beiderseits unkündbar.

Die Bestimmungen der §§ 25 - 32 des Angestelltengesetzes über die vorzeitige Auflösung werden hiedurch nicht berührt." Der

7. Vertragspunkt hatte folgenden Wortlaut:

"Endet das Dienstverhältnis durch Aufkündigung durch die Gesellschaft oder zufolge des Verschuldens der Gesellschaft durch den Geschäftsführer, so steht diesem eine Abfertigung in der Höhe von 12 Monatsgehältern zu." Im 9.Vertragspunkt wurde unter anderem festgelegt:

"Für den Fall der Verlängerung dieses Vertrages über den 31.Oktober 1977 hinaus, geht das Dienstverhältnis automatisch in ein unbefristetes mit einjähriger Kündigungsfrist jeweils per Jahresende über." Im Herbst 1976 schlossen die Streitteile im Sinne der vom Kläger am 25.Oktober und vom Vorsitzenden des Aufsichtsrates der beklagten Partei am 26.November 1976 unterfertigten Vertragsurkunde einen Pensionsvertrag. Dessen Punkt VII mit der Überschrift "Allgemeine Voraussetzungen" lautet:

"Der Anfall der nach diesem Vertrag gebührenden Pension setzt voraus:

a) die Auflösung des Dienstverhältnisses, b) das Fehlen eines Tatbestandes im Zeitpunkt der Auflösung des Dienstverhältnisses, der die..." (beklagte Partei) "...zur vorzeitigen Auflösung des Dienstverhältnisses gemäß § 27 Ang.Ges.

berechtigen würde. Längere Dienstverhinderung infolge Krankheit oder Unglücksfall gilt hiebei nicht als ein dem Dienstnehmer schädlicher Tatbestand." Nach dem Ablauf der ersten fünfjährigen Funktionsperiode verlängerten die Streitteile das Dienstvertragsverhältnis um weitere fünf Jahre bis 31.Oktober 1982. Nach Ablauf der zweiten fünfjährigen Funktionsperiode erfolgte abermals eine Verlängerung des Dienstverhältnisses um weitere fünf Jahre bis 31.Oktober 1987. Der zweite Vertragspunkt entsprach in seinen beiden ersten Absätzen den entsprechenden Regelungen des ersten Anstellungsvertrages in dessen Punkt 2. Als Entgelt war ein 14 mal im Jahr auszuzahlender Bruttobetrag von 61.788 S zuzüglich eines Überstundenpauschales im Ausmaß von 30 Stunden monatlich vereinbart, wobei die Bezüge im gleichen Verhältnis wie näher bezeichnete kollektivvertragliche Bezüge steigen sollten. Außerdem sollten dem Geschäftsführer vom Aufsichtsrat beschlossene Sonderzahlungen für die Angestellten der Gesellschaft im gleichen Ausmaß wie diesen zustehen. Der Geschäftsführer sollte überdies einmal im Jahr eine Bilanzremuneration in der jeweils von der Generalversammlung festgesetzten Höhe, mindestens jedoch einen Monatsbezug erhalten. Die auf seine Bezüge entfallenden Steuern hatte der Geschäftsführer aus eigenem zu tragen; die Sozialversicherungsbeiträge waren nach dem gesetzlichen Schlüssel zwischen der Gesellschaft und dem Geschäftsführer aufzuteilen. Der Pensionsvertrag des Jahres 1976 sollte auch für den Dienstvertrag für die dritte Funktionsperiode gelten. Im Falle einer vorzeitigen Vertragsauflösung (zB wegen Berufsunfähigkeit) oder einer Nichtverlängerung sollte eine Pensionierung im Sinne des Pensionsvertrages erfolgen; im Falle einer Endigung des befristeten Geschäftsführerverhältnisses vor dem 60.Lebensjahr des Geschäftsführers sollte die Pensionierung nicht erfolgen müssen, sondern das Dienstverhältnis in ein solches auf unbestimmte Zeit bei einjähriger Kündigungsfrist jeweils zum Ende eines Kalenderjahres umgewandelt werden können.

Der Aufsichtsrat der Gesellschaft hat in seiner Sitzung vom 18. Oktober 1976 (an der auch der Kläger als Geschäftsführer teilgenommen hatte) beschlossen, (anstelle einer Kilometergeldverrechnung) die laufenden Aufwendungen des von einem Geschäftsführer verwendeten Personenkraftwagens nach einem Schlüssel zu verrechnen, nach dem 80 % der Betriebs- und Instandhaltungskosten zu Lasten der Gesellschaft gingen und 20 % als Privatanteil zu Lasten des Gesellschafters verblieben. In seiner Sitzung vom 3. Dezember 1980 beschloß der Aufsichtsrat jedoch (nachdem in der Aufsichtsratssitzung vom 7.Oktober 1980 der Kläger in Ansehung der Kraftfahrzeugspesenvergütung über das vorläufige Ergebnis einer Lohnsteuerprüfung berichtet und abermals auf die Zweckmäßigkeit der Verwendung von Dienstkraftwagen hingewiesen hatte), daß ab 1.Jänner 1981 Geschäftsführer für Dienstreisen anstatt der bisherigen Regelung das amtliche Kilometergeld erhalten sollten. Der Kläger bezahlte hierauf Kraftfahrzeugversicherungsprämien, die erst im Februar 1981 fällig geworden wären, bereits am 23.Dezember 1980, verrechnete diese Prämien im Gesamtbetrag von 19.436,90 S als Kraftfahrzeugaufwendungen für Dezember 1980 und ließ sich 80 % dieses Betrages am 7.Januar 1981 von der Kasse der Gesellschaft anweisen.

Wegen dieser vorzeitigen Prämienzahlung zum Nachteil der Gesellschaft wurde der Beklagte mit dem strafgerichtlichen Erkenntnis vom 22.Mai 1985 des Vergehens der Untreue nach § 153 Abs1 und 2 StGB schuldig erkannt. Dieses verurteilende Erkenntnis wurde mit berufungsgerichtlichem Urteil vom 9.September 1985 bestätigt.

Der Rechnungshof nahm im Jahre 1983 eine Gebarungsprüfung der Gesellschaft vor. Dabei stellte er als Unzukömmlichkeit in der monatlichen Abrechnung des Kraftfahrzeug-Kostenersatzes für Dezember 1980, als dem letzten Monat, für den die anteilige Kostentragungsregelung gelten sollte, unter anderem fest, daß der Kläger die erst im Februar 1981 fälligen Versicherungsprämien vorzeitig bezahlt habe, um sie mit ihrer 4/5-Quote noch der Gesellschaft anlasten zu können.

Diesen Sachverhalt teilte der Rechnungshof neben anderen Beobachtungen am 20.Juni 1983 der Staatsanwaltschaft mit. Die Gesellschaft unterrichtete das Bundesministerium für Finanzen als das zuständige Organ des Alleineigentümers von dieser Anzeigenerhebung. Das Ministerium holte eine Stellungnahme der Finanzprokuratur ein. Diese erfolgte am 23.Juni 1983. Der Aufsichtsrat der Gesellschaft befaßte sich in seinen am 6., 11. und 14. Juli 1983 abgehaltenen Sitzungen mit den der Staatsanwaltschaft angezeigten Bemängelungen des Rechnungshofes über einzelne Verhaltensweisen der Geschäftsführer. (Dabei wurde der Kläger in den Sitzungen vom 11. und 14.Juli 1983 durch den Aufsichtsrat zu den einzelnen Punkten der Strafanzeige eingehend befragt; hierauf stellte der Aufsichtsrat seinen schriftlichen Bericht an das Bundesministerium für Finanzen über das Ergebnis seiner Prüfung noch am 14.Juli fertig, nachdem der Kläger zum Fragenkomplex der Prämienzahlung eine mit 13.Juli 1983 datierte Stellungnahme abgegeben hatte.) Das Bundesministerium für Finanzen holte eine neuerliche Stellungnahme der Finanzprokuratur ein. Diese erfolgte am 22. Juli 1983. Der Alleingesellschafter beschloß in der außerordentlichen Generalversammlung vom 25.Juli 1983 (nachdem in der am 21.Juli 1983 abgehaltenen ordentlichen Generalversammlung den Geschäftsführern für das Geschäftsjahr 1982 die Entlastung nicht erteilt worden war) die Entlassung und Abberufung des Klägers sowie des weiteren Geschäftsführers.

Der Vorsitzende des Aufsichtsrates sprach diese Entlassung gegenüber dem Kläger am 26.Juli 1983 aus.

Für die dem Geschäftsjahr 1982 vorangegangenen Jahre war den Geschäftsführern von der Generalversammlung aufgrund der Prüfung durch die Abschlußprüfer jeweils die Entlastung erteilt worden. Die Umstände, die in der Folge zur strafgerichtlichen Verurteilung des Klägers geführt haben, waren keinem Mitglied des Aufsichtsrates und auch keinem Verwaltungsorgan des Alleingesellschafters vor der Rechnungshofnachschau bekannt gewesen.

Der Kläger erachtet seine Entlassung als nicht gerechtfertigt. Mit der am 24.Oktober 1983 angebrachten Klage begehrte er die Bezahlung der ihm bei einem Fortbestand seines Dienstvertrages für die Zeit ab August 1983 zustehenden Bezüge. Dieses Zahlungsbegehren dehnte er im Verlaufe des erstinstanzlichen Verfahrens mehrfach aus; zuletzt in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 25. März 1987 um die Beträge bis einschließlich Dezember 1986; das ausgedehnte Zahlungsbegehren war letztlich auf einen Betrag von 5,735.544,98 S samt stufenweise berechneten Zinsen gerichtet. Mit diesem Leistungsbegehren verband der Kläger das Begehren auf Feststellung des aufrechten Bestandes des zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Anstellungsvertrages sowie des Pensionsvertrages, welches er mit 500.000 S bewertete. Der Kläger machte geltend, die Gründe seiner am 26.Juli 1983 ausgesprochenen Entlassung seien ihm erstmals durch die im anhängigen Rechtsstreit erstattete Klagebeantwortung bekanntgegeben worden. Die Belastung der Gesellschaft mit dem 4/5-Anteil an den erst im Jahre 1981 fällig gewordenen Versicherungsprämien stelle bloß eine entschuldbare Fehlleistung dar, sei in der Aufsichtsratssitzung vom 9.Juni 1983 von der Gesellschaft selbst als "kein gravierender Umstand" gewertet worden, der Kläger habe der Gesellschaft den ihr zu Unrecht angelasteten Teil der Versicherungsprämien bereits am 19.Juli 1983 zurückbezahlt. Die Entlassung wegen eines Fehlverhaltens zum Jahreswechsel 1980/1981 sei Ende Juli 1983 verwirkt gewesen, weil der zum Entlassungsgrund erhobene Sachverhalt der beklagten Partei bereits durch Jahre bekannt gewesen sei, ohne daß dienstrechtliche Maßnahmen getroffen worden wären.

Die beklagte Partei, die zwei weitere durch die Rechnungshofeinschau hervorgekommene Umstände zur Stützung der Entlassung herangezogen hatte, beschränkte sich nach der rechtskräftig gewordenen strafgerichtlichen Verurteilung des Klägers auf den dieser Verurteilung zugrunde gelegten Vorfall der vorzeitigen Prämienverrechnung, ohne die übrigen Umstände fallen zu lassen. Die beklagte Partei erblickte in dem der strafgerichtlichen Verurteilung zugrundeliegenden Sachverhalt einen schwerwiegenden Vertrauensbruch und erachtete den Ausspruch der Entlassung im Hinblick darauf, daß die ungerechtfertigte Prämienverrechnung erst durch die Rechnungshofeinschau aufgedeckt worden sei, und mit Rücksicht auf die besonderen Strukturen des Meinungsbildungsprozesses bei der beklagten Gesellschaft m.b.H. als unverzüglich erfolgt. Das Prozeßgericht erster Instanz wies auch im zweiten Rechtsgang - nach einem berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschluß - das Klagebegehren wie schon im ersten Rechtsgang in beiden Punkten ab. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Dazu sprach In rechtlicher Beurteilung hatte das Prozeßgericht erster Instanz gefolgert:

Die strafgerichtlich geahndete Vorgangsweise des Klägers im Zusammenhang mit der Prämienverrechnung habe die beklagte Partei im Sinne des § 27 Z 1 AngG zur vorzeitigen Lösung des Dienstverhältnisses berechtigt, weil nach dem Bekanntwerden des ungetreuen Verhaltens des Klägers dessen Weiterbeschäftigung als Geschäftsführer der klagenden Partei nicht zumutbar gewesen wäre. Daß dieser triftige Grund im Zeitpunkt des Ausspruches der Entlassung vorgelegen sei, reiche zur Wirksamkeit der Vertragsauflösung hin, unerheblich sei, ob die Entlassungsgründe bereits beim Ausspruch der Entlassung genannt worden seien. Die beklagte Partei habe unter Berücksichtigung ihrer internen organisatorischen Strukturen das Gebot unverzüglichen Ausspruches der Entlassung nach dem Bekanntwerden des Entlassungsgrundes nicht verletzt. Die Wirksamkeit der am 26.Juli 1983 ausgesprochenen Entlassung stehe sowohl dem Begehren auf Feststellung des aufrechten Bestandes des Dienstvertragsverhältnisses als auch dem auf Feststellung des aufrechten Bestandes des Pensionsvertrages entgegen.

Auch das Berufungsgericht wertete die strafgerichtlich geahndete Verhaltensweise des Klägers als schwerwiegenden Vertrauensbruch, der ungeachtet des Umstandes, daß der Vorfall bei seinem Bekanntwerden bereits zweieinhalb Jahre zurückgelegen sei, eine Fortsetzung des Dienstverhältnisses für die beklagte Partei unzumutbar gemacht habe. Die Verfehlung des Klägers sei als vorsätzlicher Angriff auf die Vermögenssphäre seines Dienstgebers nicht als ein bloß geringfügiges Fehlverhalten zu werten. Die vom Kläger behaupteten besonderen Verdienste um die beklagte Partei seien deshalb unerheblich. Der im Verhältnis zum Einkommen des Klägers verhältnismäßig geringe (und wiedergutgemachte) Vermögensschaden ändere nichts am Gewicht der Treuwidrigkeit des Klägers und der damit objektiv begründeten Unzumutbarkeit für die beklagte Partei, den Kläger in leitender Funktion (als einen ihrer Geschäftsführer) weiter zu beschäftigen. Die Meinungsäußerung enzelner Aufsichtsratsmitglieder darüber sei unerheblich, maßgeblich sei ausschließlich der Beschluß des zuständigen Gesellschaftsorganes. Die beklagte Partei habe erst durch die Strafanzeige vom 20.Juni 1983 konkrete Kenntnis von dem zum Entlassungsgrund erhobenen Sachverhalt erhalten, nicht zuletzt mit Rücksicht auf die - im Strafverfahren widerlegte - Verantwortung des Klägers Nachforschungen gepflogen und interne Überlegungen angestellt, bis sie die Entlassung am 26.Juli 1983 ausgesprochen habe. Darin liege kein schuldhaftes Zögern, das zum Verlust des Entlassungsanspruches hätte führen können. Auch in der Annahme der Schadensgutmachung liege kein schlüssiger Verzicht der klagenden Partei auf ihren Vertragsauflösungsanspruch, weil der Kläger nicht damit habe rechnen dürfen, daß die Angelegenheit damit endgültig bereinigt sein sollte.

Der Kläger ficht das bestätigende Berufungsurteil aus den Revisionsgründen nach § 503 Abs1 Z 2 und 4 ZPO mit einem Abänderungsantrag im Sinne seines Klagebegehrens sowie einem hilfsweise gestellten Aufhebungsantrag an.

Die beklagte Partei strebt die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung an.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der gerügte wesentliche Mangel des Berufungsverfahrens liegt nicht vor, weil die Erkennbarkeit der unrechtmäßigen Prämienverrechnung für den von der Beklagten bestellten Abschlußprüfer nicht streitentscheidend ist. Dies ist bei der Behandlung der Rechtsrüge noch auszuführen.

Auch die Rechtsrüge ist nicht stichhältig.

Der Revisionswerber vertritt weiterhin die Auffassung, daß sein strafgerichtlich geahndetes Fehlverhalten dienstrechtlich bloß als eine entschuldbare, geringfügige Verfehlung zu werten sei, der objektiv das Gewicht eines Entlassungsgrundes abgehe, weil der der Gesellschaft vertragswidrig angelastete Prämienanteil von rund 15.500 S nur "sehr gering" gewesen und auf entsprechende Aufforderung sofort zurückgezahlt worden sei, das Fehlverhalten im Verhältnis zu einer mehr als zehnjährigen positiven Arbeit des Klägers beurteilt werden müsse und von einzelnen Aufsichtsratsmitgliedern auch als bloß von untergeordneter Bedeutung angesehen worden sei.

Der Kläger war einzelvertretungsbefugter Geschäftsführer der Beklagten. Er genoß damit eine besondere Vertrauensstellung. Diese fand in den ihm dienstvertraglich zugestandenen Rechten, nicht zuletzt in seinen finanziellen Ansprüchen, eine erkennbare - und nach der im Rechnungshofbericht geäußerten Ansicht sogar übermäßig hohe - Berücksichtigung. Das ihm von der Beklagten als Dienstgeberin entgegengebrachte Vertrauen hat der Kläger - entgegen seiner Verantwortung im Strafverfahren und seinem Prozeßstandpunkt im anhängigen Rechtsstreit - vorsätzlich in einer auf kleinlichen Gewinn gerichteten Absicht mißbraucht. Diese dienstliche Untreue um eigenen Vorteils willen wiegt unabhängig von der absoluten Höhe der beabsichtigten und tatsächlich bewirkten Schädigung und unabhängig vom Verhältnis dieses Betrages zum Monats- oder Jahresbezug des Klägers wegen der in der strafgerichtlich geahndeten Verhaltensweise zum Ausdruck gekommenen Neigung - ohne daß auf die weiteren als Entlassungsgründe geltend gemachten Sachverhalte eingegangen werden müßte - objektiv als schwer vertrauenserschütternd. Die Schadensgutmachung nach erfolgter Strafanzeige und während der von der beklagten Partei für sich in Anspruch genommenen Frist zur Sachverhaltsbeurteilung und Entscheidung über dienstrechtliche Folgerungen vermochte an der Untergrabung des erforderlichen Vertrauensverhältnisses einer im Kreditwesen tätigen Dienstnehmerin gegenüber ihrem einzelvertretungsbefugten Geschäftsführer nichts mehr zu ändern. Die vom Kläger eingewendete positive Arbeit für die Gesellschaft durch mehr als zehn Jahre als pflichtgemäßes, diensttreues und erfolgreiches Wirken für den Dienstnehmer mag in Grenz- und Zweifelsfällen von Pflichtwidrigkeiten, insbesondere fahrlässigen Pflichtverletzungen und vor allem schuldunabhängigen Entlassungsgründen ein Kriterium für die Wertung als Entlassungsgrund darstellen, ist aber nicht geeignet, das Gewicht einer vorsätzlichen dienstlichen Untreue der festgestellten Art zu mildern. Die Meinungsäußerung einzelner Angehöriger eines mehrgliedrigen zur Entscheidung berufenen Gesellschaftsorganes über Gewicht und Bedeutung eines dem Geschäftsführer angelasteten Fehlverhaltens sind unerheblich, entscheidend ist ausschließlich die Willenskundgebung des zuständigen Gesellschaftsorganes. Der Rechtsmittelwerber ist nach wie vor der Ansicht, seiner strafgerichtlich geahndeten dienstlichen Untreue mangle die Eignung zum Entlassungsgrund, weil sein Fehlverhalten als Teil seines (positiven) dienstlichen Gesamtverhaltens gewertet werden müßte. Zu diesem Einwand ist lediglich die bereits zum ersten Standpunkt des Revisionswerbers ausgeführte Darlegung zu wiederholen, daß auch ein sonst untadeliges Gesamtverhalten des Klägers seiner strafgerichtlich geahndeten dienstlichen Untreue wegen des darin gelegenen Vertrauensbruches die Eignung als Entlassungsgrund nicht zu nehmen vermöchte. Weder die in der Revision zitierte Kommentarmeinung von Dungl (Handbuch5, 466) noch die dort zitierte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 3.März 1964, Arb.7.909 oder die in der Revision zitierte zweitinstanzliche Entscheidung Arb.6.940 stehen mit der hier vertretenen Ansicht im Gegensatz. Der Kläger hält auch im Revisionsverfahren seinen Standpunkt aufrecht, daß allein wegen des objektiven Zeitablaufes zwischen seinem im Dezember 1980 gesetzten Fehlverhalten und der im Juli 1983 ausgesprochenen Entlassung dem zum Entlassungsgrund erhobenen Sachverhalt - unabhängig von einer tatsächlich erfolgten Kenntnisnahme durch die beklagte Partei oder einer bestandenen Kenntnismöglichkeit durch sie - die Eignung zur sofortigen Vertragsauflösung verlorengegangen sei.

Dem Revisionswerber ist zuzugeben, daß das bloße Verstreichen der Zeit zwischen der Erfüllung des Entlassungstatbestandes und dem Ausspruch der Entlassung unabhängig von einer dem Dienstgeber zurechenbaren Kenntnis des Sachverhaltes Einfluß auf die Beurteilung der Zumutbarkeit einer Weiterbeschäftigung und damit auf ein wesentliches Element des Entlassungsanspruches haben kann (vgl. zB die berufungsgerichtlichen Erwägungen in der vom Revisionswerber zitierten Entscheidung Arb.3.877; Kuderna Entlassungsrecht, 28;

Dungl, Handbuch5, 468; Schwarz/Löschnigg Arbeitsrecht2, 353;

Floretta in Floretta/Spielbüchler/Strasser Arbeitsrecht3 I, 303). Der Kläger hat sich einer strafbaren dienstlichen Untreue schuldig gemacht. Er mag gehofft haben, daß diese nie, zumindest nicht in der strafgerichtlichen Verjährungszeit, aufgedeckt werden würde. Darin ist er aber in keiner Weise schutzwürdig. Er mußte damit rechnen, daß seine dienstliche Untreue strafgerichtlich geahndet werde, wie das in der Folge tatsächlich auch geschah. Nach der Art der Pflichtverletzung blieb für die beklagte Partei auch nach Verlauf einer etwa zweieinhalbjährigen Zeitspanne die Unzumutbarkeit einer Weiterbeschäftigung des Klägers als ihres Geschäftsführers aufrecht. Der Revisionswerber will die ihm als Geschäftsführer für die Verwaltungsjahre 1980 und 1981 erteilte Entlassung als Verzicht auf den Entlassungsanspruch gewertet wissen.

Die dem Kläger erteilte Entlastung beruhte auf dem Bericht des Abschlußprüfers. Dieser hatte offensichtlich die Hintergründe der vorzeitigen Prämienzahlung durch den Kläger nicht erkannt, weil der Kläger seine Vorgangsweise durch den Anschein einer routinemäßigen Prämienvorschreibung seitens des Versicherers zu verschleiern gesucht hatte, welche Darstellung er noch nach Aufdeckung des Vorfalls glauben zu machen suchte. Diese Verschleierung benimmt der Entlastung jede Verzichtswirkung in Ansehung der Untreuehandlung des Klägers (vgl Reich-Rohrwig GmbH-Recht, 325).

Der Revisionswerber erblickt auch in der von ihm befolgten Aufforderung zur Rückerstattung der der Gesellschaft zu Unrecht angelasteten Prämienanteile einen Verzicht auf den Entlassungsanspruch.

Der Kläger hat nach der Erstattung der Strafanzeige und während der Prüfung des angezeigten Sachverhaltes durch den Aufsichtsrat den von dessen Vorsitzenden erteilten Rat befolgt und die der Gesellschaft zu Unrecht verrechneten Prämienanteile rückerstattet. Den Ratschlag zur Schadensgutmachung durfte der Kläger nach den gegebenen Umständen nur als Empfehlung zur Setzung eines Sachverhaltes werten, der nicht nur strafrechtlich als Milderungsgrund, sondern auch dienstrechtlich möglicherweise ein für ihn günstiger Umstand bei der noch ausstehenden Entscheidung über die dienstrechtlichen Maßnahmen sein könnte, der Kläger durfte die Annahme des Schadensgutmachungsbetrages aber keinesfalls als Verzicht der beklagten Partei auf dienstrechtliche Folgerungen aus dem angezeigten Sachverhalt ansehen.

Nach wie vor erachtet der Kläger den Entlassungsanspruch als verwirkt, weil dem von der beklagten Partei bestellten Abschlußprüfer bei gehöriger Sorgfalt die Unzulänglichkeiten bei der Prämienverrechnung aus den Unterlagen hätte auffallen müssen, der zur Stützung der Entlassung herangezogene Sachverhalt daher für die beklagte Partei selbst bereits seit 1981 erkennbar gewesen sei. Das mit dem Verlust des Vertragsauflösungsanspruches bedrohte Gebot ehestmöglicher Geltendmachung eines Entlassungsgrundes kann dogmatisch als Ausfluß arbeitsrechtlicher Schutzpflichten erkannt werden. Soweit dem Dienstgeber bloß eine fahrlässige Schutzpflichtverletzung zugerechnet werden könnte, fiele diese gegenüber einer vorsätzlichen dienstlichen Untreue des Dienstnehmers nicht entscheidend ins Gewicht. Daß der von der beklagten Partei bestellte Abschlußprüfer die Untreuehandlung des Klägers bei gehöriger Aufmerksamkeit trotz der Verschleierungsversuche hätte erkennen können, vermöchte dem vorsätzlichen Verstoß des Klägers gegen seine Grundpflicht als Geschäftsführer nicht die Eignung als Entlassungsgrund zu benehmen. Aus dieser Erwägung liegt auch kein Feststellungsmangel im Sinne der Revisionsausführungen zur Mangelhaftigkeit des Verfahrens vor.

Letztlich vertritt der Revisionswerber den Standpunkt, der Entlassungsanspruch der beklagten Partei sei infolge Verletzung der sogenannten Aufgriffsobliegenheit untergegangen ("verwirkt"). Ungeachtet des Fehlens einer übereinstimmenden eindeutigen dogmatischen Grundlage ist in Lehre und Rechtsprechung der Grundsatz allgemein anerkannt, daß die Erklärung der vorzeitigen Auflösung eines Dienstverhältnisses bei sonstigem Verlust des Auflösungsanspruches unverzüglich nach erlangter Kenntnis vom Vorliegen des Auflösungsgrundes erfolgen müsse. Mayer-Maly bezeichnet dies als Aufgriffsobliegenheit und die jüngere Rechtsprechung hat sich dem terminologisch angeschlossen (Kuderna Entlassungsrecht 15 f und 28 f; Floretta in Floretta(Spielbüchler/Strasser Arbeitsrecht3 I, 302; Schwarz-Löschnigg Arbeitsrecht2, 352; Mayer-Maly Österreichisches Arbeitsrecht I, 199 f; Schrank Fortbestand, insbesondere 426 und Krejci in Rummel ABGB § 1162 Rz 158; der in GesRZ 1981, 40 bereits als anerkannter Grundsatz bezeichnete Gedanke ist ständige Rechtsprechung: vgl. zuletzt etwa WBl.1987, 281 und RdW 1988, 52). Um die Eignung eines von einem Geschäftsführer zum eigenen Vorteil und zum Nachteil der Gesellschaft angeordneten Verrechnungsvorganges als Entlassungsgrund verläßlich beurteilen zu können, bedarf es der Kenntnis der subjektiven Tatseite, im besonderen Maße bei einem schon länger zurückliegenden Vorfall. Die Einholung einer Stellungnahme des betroffenen Dienstnehmers ist daher im beiderseitigen wohlverstandenen Interesse ebenso angezeigt wie eine Prüfung des Richtigkeitsgehaltes der vom beschuldigten Dienstnehmer vorgebrachten Verantwortung. Diese Verantwortung war in dem zur Entscheidung vorliegenden Fall verdächtig und Gegenstand einer anhängigen strafgerichtlichen Untersuchung, die letztlich auch zu einer rechtskräftigen Verurteilung führte. Solange die beklagte Partei von der vorsätzlichen Begehungsweise des Klägers nicht überzeugt sein mußte, war ihr der die Entlassung rechtfertigende Sachverhalt in seinem wesentlichsten Element, nämlich dem vorsätzlichen Handeln, nicht bekannt. Von einem schuldhaften Zögern der beklagten Partei mit dem Ausspruch der Entlassung und einer darin gelegenen Verletzung schutzwürdiger Interessen des Klägers, dessen Verantwortung erst im Zuge des strafgerichtlichen Verfahrens widerlegt wurde, kann entgegen dem vom Revisionswerber verfochtenen Standpunkt keine Rede sein.

Der rechtlichen Beurteilung der Vorinstanzen haftet kein

Rechtsirrtum an.

Der Revision war ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO. Der Streitwert des Feststellungsbegehrens beträgt entgegen den Angaben auf Seite 1 der Entscheidungen der beiden Vorinstanzen S 500.000 (AS 4). Die Eingabengebühr für die Revisionsbeantwortung beträgt S 8.400 (§ 3 Abs 1 und TP 1 GjGebGes 1962 in der Fassung der Zivilverfahrens-Novelle 1983; AnwBl 1971, Nr.71).

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