European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:008OBA00019.18D.0625.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).
Begründung:
Der am ***** 1984 geborene Kläger ist seit 2. 3. 2015 Vertragsbediensteter der Beklagten und arbeitet dabei als Lehrer an einer allgemeinbildenden höheren Schule. Er absolvierte vom 1. 10. 2005 bis 30. 9. 2006 den Zivildienst, der ihm von der Beklagten als Vordienstzeit nicht im absolvierten Ausmaß von zwölf Monaten, der Mindestdauer des Zivildienstes im Zeitpunkt der Absolvierung, sondern nur im Ausmaß von neun Monaten angerechnet wurde. Nicht angerechnet wurde ihm als Vordienstzeit weiters ein absolviertes Unterrichtspraktikum.
Das Klagebegehren ist auf die Zahlung von Entgeltdifferenzen gerichtet, die sich bei Anrechnung des Zivildienstes im Ausmaß weiterer drei Monate und des Unterrichtspraktikums im Ausmaß von sechs Monaten ergeben würden. Darüber hinaus begehrt der Kläger die Feststellung, die Beklagte sei verpflichtet, ihm auch weiterhin Bezüge in jener Höhe zu bezahlen, die sich daraus ergeben, dass der gesamte absolvierte Zivildienst und das Unterrichtspraktikum zu den Vordienstzeiten angerechnet werden. Die Nichtanrechnung der Zeiten widerspreche dem Unionsrecht und dem Verfassungsrecht.
Das Klagebegehren blieb in beiden Vorinstanzen erfolglos. Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche
Revision mangels einer Rechtsfrage von der im § 502 Abs 1 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG geforderten Qualität für nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
Die
außerordentliche
Revision des Klägers ist aus dem vom Berufungsgericht dargelegten Grund nicht zulässig.
1. Nach dem vom Kläger herangezogenen § 26 Abs 2 VBG 1948 idF BGBl I 2016/64 sind als Vordienstzeiten auf das Besoldungsdienstalter die zurückgelegten Zeiten „4. der Leistung […] c) des Zivildienstes nach § 1 Abs 5 Z 1 Zivildienstgesetz 1986 – ZDG, BGBl. Nr. 679/1986“ anzurechnen. § 26 Abs 2 Z 4 letzter Satz VBG 1948 beschränkt diese Anrechnung auf höchstens neun Monate. § 26 Abs 2 Z 4 VBG 1948 idF BGBl I 2016/64 trat mit 12. 2. 2015 in Kraft (§ 100 Abs 75 Z 3 VBG 1948).
2. Der Kläger erachtet die Beschränkung der Anrechnung des abgeleisteten Zivildienstes als Vordienstzeit mit höchstens neun Monaten als Diskriminierung aufgrund des Geschlechts sowie aufgrund des Alters im Sinne des Unionsrechts; ersteres, weil es faktisch kaum Frauen gebe, die freiwillig Grundwehrdienst oder Zivildienst leisteten und sich als Folge dessen bei Frauen die Frage der Nichtanrechnung von Vordienstzeiten gar nicht stelle, letzteres, weil der Zivildienst typischerweise in einem jüngeren Alter abgeleistet werde und mittlerweile der Zivildienst nicht mehr wie zur Zeit der Absolvierung durch den Kläger zwölf Monate, sondern nur mehr neun Monate dauere, weshalb Jüngere von der Beschränkung der Anrechnung auf neun Monate nicht mehr betroffen seien.
2.1. Dem Kläger ist, soweit er sich auf eine Unionsrechtswidrigkeit beruft, zu erwidern, dass der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 11. 3. 2003, C‑186/01, Dory, entschieden hat, dass die Entscheidung eines Mitgliedstaats, seine Verteidigung teilweise – nämlich auf Männer beschränkt – mit einer Wehrpflicht zu sichern, eine Entscheidung hinsichtlich der militärischen Organisation ist, die die Verteidigung des Hoheitsgebiets oder seiner unabdingbaren Interessen zum Ziel hat, auf die das Gemeinschaftsrecht (nunmehr: Unionsrecht) nicht anzuwenden ist (Rz 35, 39), und dass „unvermeidbare Konsequenz“ einer auf Männer beschränkten Wehrpflicht die „Verzögerung in der beruflichen Laufbahn der Einberufenen“ ist, jedoch auch dieser Umstand nicht dazu führt, dass die Entscheidung eines Mitgliedstaats, eine Wehrpflicht nur für Männer einzuführen, in den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts führt, „[d]enn es wäre ein Eingriff in die Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten, wenn nachteilige Auswirkungen auf den Zugang zur Beschäftigung zur Folge hätten, dass der betroffene Mitgliedstaat gezwungen wäre, die im Wehrdienst bestehende Verpflichtung auf Frauen auszudehnen und ihnen somit dieselben Nachteile beim Zugang zur Beschäftigung aufzuerlegen oder die Wehrpflicht abzuschaffen“ (Rz 40 ff).
Die Anrechnung von Zeiten des Zivildienstes gleicht – was unionsrechtlich unbedenklich ist (vgl EuGH 7. 12. 2000, C‑79/99, Schnorbus [Rz 47]; Kucsko-Stadlmayer/Kuras in Mayer/Stöger, EUV/AEUV Art 157 AEUV Rz 155; Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 3 Rz 53) – die „Verzögerung in der beruflichen Laufbahn der Einberufenen“ zumindest zum Teil aus (vgl auch ErwGr 21 und 22 der Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. 7. 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen). Wenn nach dem Europäischen Gerichtshof selbst die Verzögerung in der beruflichen Laufbahn der Einberufenen im gesamten Ausmaß des abgeleisteten Wehr- oder Zivildienstes als „unvermeidbare Konsequenz“ der Entscheidung eines Mitgliedstaats, einen solchen Dienst einzuführen, unionsrechtlich im Lichte des Gebots der Gleichbehandlung von Frauen und Männern nicht zu beanstanden ist, so ist dies umso weniger eine Bestimmung, die die Verzögerung durch Anrechnung als Vordienstzeit zum Teil, wenngleich nicht im vollen Ausmaß, wieder ausgleicht.
Soweit der Kläger das unionsrechtliche Verbot der Altersdiskriminierung ins Treffen führt, ist er darauf zu verweisen, dass es sich bei der Festlegung der Dauer von Wehrdienst (Präsenzdienst) sowie Wehrersatzdienst (Zivildienst) durch den nationalen Gesetzgeber ebenso um eine „Entscheidung hinsichtlich der militärischen Organisation“ handelt“ (vgl Rz 35, 39 der E des EuGH in der Rs Dory). Auch hier wäre es ein Eingriff in die Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten, wenn nachteilige Auswirkungen auf den Zugang zur Beschäftigung zur Folge hätten, dass der betroffene Mitgliedstaat allenfalls sogar gezwungen wäre, die Wehrpflicht abzuschaffen (vgl Rz 41 der E des EuGH in der Rs Dory). Wie bereits vom Verwaltungsgerichtshof zu vergleichbaren Fällen von später in ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis zum Bund übernommenen Präsenz- und Zivildienern auf Grundlage der § 26 Abs 2 Z 4 VBG 1948 im Wesentlichen entsprechenden Bestimmung des § 12 Abs 2 Z 4 GehG (idF BGBl I 2016/64) festgehalten, sind die den Kläger im Zusammenhang mit seiner Verpflichtung zur Leistung von Zivildienst im Gesamtausmaß von zwölf Monaten gegenüber Frauen oder Männer jüngerer Geburtsjahrgänge treffenden Nachteile ausschließlich Folgen der unionsrechtlich zulässigen Entscheidung des österreichischen Wehrgesetzgebers, einen verpflichtenden Präsenzdienst bzw Zivildienst als Wehrersatzdienst lediglich für Männer vorzusehen, bzw dessen Dauer verkürzt zu haben. Aus der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. 11. 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf kann keine Verpflichtung abgeleitet werden, diese Nachteile einer unionsrechtlich zulässigen wehrpolitischen Entscheidung im Bereich des Beamtendienstrechts oder Vertragsbedienstetenrechts durch Einräumung besoldungsrechtlicher Vorteile abzumildern oder zu kompensieren (VwGH Ra 2017/12/0042 [in Punkt 30 f]; 2017/12/0071; 2017/12/0060).
2.2. Soweit der Kläger von einer Verfassungswidrigkeit der Beschränkung der Anrechnung von Zivildienstzeiten mit höchstens neun Monaten wegen Verletzung des verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatzes ausgeht, ist er darauf zu verweisen, dass sein diesbezüglicher, aus Anlass des klagsabweisenden Ersturteils erhobener Parteiantrag auf Normenkontrolle vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 24. 11. 2017, G 262/2017‑6, mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg zurückgewiesen wurde (ON 15). Dabei hegte der Verfassungsgerichtshof im Hinblick auf die in § 26 Abs 2 Z 4 VBG 1948 getroffene Festlegung einer einheitlichen gesetzlichen Höchstgrenze für die Anrechnung von Zeiten, in denen der Zivildienst abgeleistet wurde, keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Dass allein Männer einer Wehrpflicht bzw einem Wehrersatzdienst (Zivildienst) unterliegen, ist in der österreichischen Verfassung grundgelegt (Art 9a Abs 3 und 4 B‑VG). Die sich daraus ergebenden zeitlichen Nachteile für Männer bei der Berufslaufbahn sind, soweit sie nicht ohnehin vom Gesetz– wie durch die Bestimmung des § 26 Abs 2 Z 4 VBG 1948 wieder aufgehoben werden, verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl auch VfGH E 623/2017 = RZ 2017/11).
3. Hinsichtlich der Nichtanrechnung des Unterrichtspraktikums hat das Berufungsgericht die Rechtsrüge des Klägers gegen das Ersturteil (auch) als nicht gesetzmäßig ausgeführt beanstandet.
Wird die Entscheidung der zweiten Instanz auch auf eine selbständig tragfähige
Hilfsbegründung gestützt, muss auch diese im außerordentlichen Rechtsmittel bekämpft werden, um eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zur Darstellung zu bringen (RIS‑Justiz
Die außerordentliche Revision bekämpft jedoch nicht die Ansicht des Berufungsgerichts, die Rechtsrüge wäre im genannten Umfang nicht gesetzeskonform ausgeführt.
Insgesamt vermag die außerordentliche Revision keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO darzustellen.
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