European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0040OB00068.18F.0529.000
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.197,80 EUR (darin enthalten 366,30 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Der Kläger ist ein nach § 14 Abs 1 UWG klagebefugter Verein. Die Beklagte ist Medieninhaberin und Herausgeberin einer österreichischen Tageszeitung sowie mehrerer Magazine.
Anfang des Jahres 2016 versandte die Beklagte an Abonnenten ihrer Tageszeitung ein Schreiben, wonach der einmonatige Gratistest zweier Magazine mit 5. März ende und der Abonnent die Magazine abbestellen könne, wenn er das einmalige Sonderangebot zu einem Aufpreis von 4 EUR pro Monat nicht in Anspruch nehmen möchte.
Der Kläger begehrte – gestützt auf § 1a UWG – zusammengefasst, der Beklagten zu verbieten, ihre Abonnenten zur Ablehnung nicht bestellter Magazine aufzufordern, widrigenfalls diese Magazine hinkünftig zu bezahlen seien; zudem stellte er ein Veröffentlichungsbegehren. Beim inkriminierten Verhalten der Beklagten handle es sich um eine aggressive Geschäftspraktik.
Die Beklagte entgegnete, dass sich die Verbotsnorm von UWG Anh Z 29 (iVm § 1a UWG) nur an Gewerbetreibende nach der österreichischen Gewerbeordnung wende. Die Herausgabe, das Herstellen und das Verbreiten periodischer Druckwerke sowie deren Kleinverkauf durch den Medieninhaber sei von der Gewerbeordnung aber ausgenommen. Außerdem habe sie mit dem inkriminierten Schreiben lediglich angekündigt, die bisherigen Gratiszusendungen einzustellen, außer der Kunde wünsche die weitere Lieferung für ein höheres Entgelt. Mit der Produktlieferung sei keine Zahlungsaufforderung unmittelbar verbunden gewesen.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Als „Gewerbetreibender“ im Sinn von UWG Anh Z 29 sei jede geschäftlich tätige Person anzusehen. Der Verbotstatbestand (unberechtigte Zahlungsaufforderung bei nicht bestellten Waren oder Dienstleistungen) sei immer dann erfüllt, wenn der Warenlieferung eine Zahlungsaufforderung beigegeben werde; Gleichzeitigkeit sei nicht gefordert.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Die von der Beklagten angestrebte Beschränkung der Anwendbarkeit von UWG Anh Z 29 auf Gewerbetreibende nach österreichischem Gewerberecht widerspreche der RL‑UGP. Mit dem inkriminierten Schreiben habe die Beklagte auch nicht lediglich eine Änderung der Vertragsbedingungen angekündigt, sondern den Abschluss eines Abonnementvertrags über zwei weitere Druckwerke mitgeteilt, sofern der Kunde nicht widerspreche. Dadurch sei für den Verbraucher eine vergleichbare Zwangslage wie im Fall einer aktuellen Zahlungsaufforderung verbunden mit einer vorhergehenden oder aktuellen Zusendung unbestellter Waren geschaffen worden. Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zu beantworten gewesen sei.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten, die auf eine Abweisung des Klagebegehrens abzielt.
Mit seiner – durch den Obersten Gerichtshof freigestellten – Revisionsbeantwortung beantragt der Kläger, die Revision zurückzuweisen, in eventu, dieser den Erfolg zu versagen.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision zulässig, weil die Auslegung der Verbotsnorm von UWG Anh Z 29 in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht geklärt ist. Die Revision ist aber nicht berechtigt.
1. Stellt sich die Frage nach einer unlauteren und daher unzulässigen Geschäftspraktik, so ist im Allgemeinen zunächst zu prüfen, ob die Geschäftspraktik aggressiv (§ 1a UWG) oder irreführend (§ 2 UWG) ist (RIS‑Justiz RS0123062; 4 Ob 42/08t). Dazu kommt es zunächst auf die Tatbestände der „schwarzen Liste“ unzulässiger Geschäftspraktiken im Anhang zum UWG an; diese Liste hat abschließenden Charakter (4 Ob 149/13k). Nach den unionsrechtlichen Vorgaben gelten die im Anhang zum UWG genannten Geschäftspraktiken jedenfalls als unlauter, ohne dass eine weitere Beurteilung nach den allgemeinen Verbotsnormen erforderlich wäre (4 Ob 183/13k).
Der hier fragliche Verbotstatbestand nach UWG Anh Z 29 lautet:
[Aggressive Geschäftspraktiken] „Die Aufforderung des Verbrauchers zur sofortigen oder späteren Zahlung oder zur Rücksendung oder Verwahrung von Produkten, die der Gewerbetreibende ohne Veranlassung des Verbrauchers geliefert hat (unbestellte Waren und Dienstleistungen).“
2.1 Die Beklagte steht zunächst auf dem Standpunkt, der Gesetzgeber schränke UWG Anh Z 29 auf Gewerbetreibende nach der Gewerbeordnung ein; die Tätigkeit einer Medieninhaberin sei aus der Gewerbeordnung ausgenommen.
2.2 Richtig ist, dass UWG Anh Z 29 auf die (Handlungs‑)Aufforderung durch einen „Gewerbetreibenden“ abstellt. Dieser Begriff stammt aus Nr 29 des Anhangs I zur RL-UGP, die weitestgehend wörtlich in den UWG‑Anhang übernommen wurde. Nach den unionsrechtlichen Vorgaben ist das UWG richtlinienkonform auszulegen (RIS‑Justiz RS0075866; 4 Ob 183/13k).
Der Begriff „Gewerbetreibender“ ist in Art 2 lit b RL‑UGP definiert. Dabei handelt es sich um jede natürliche oder juristische Person, die im Geschäftsverkehr im Rahmen ihrer gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit handelt, und jede Person, die im Namen oder Auftrag des Gewerbetreibenden handelt. Daraus folgt, dass dieser Begriff jede geschäftlich tätige Person, das heißt jeden Unternehmer im Sinn des KSchG und UGB umfasst und darunter nicht nur Gewerbetreibende im Sinn der österreichischen Gewerbeordnung fallen (vgl dazu auch RV 144 BlgNR 23. GP 2).
3.1 Zum Inhalt der Verbotsnorm von UWG Anh Z 29 vertritt die Beklagte die Auffassung, dass sie nur eine Vertragsänderung zu einem bestehenden Abonnementvertrag angekündigt und die Zahlungsaufforderung nicht unmittelbar mit der unerbetenen Zusendung der Magazine verbunden habe.
3.2 UWG Anh Z 29 verbietet eine (unberechtigte) Zahlungsaufforderung (oder eine Rücksendungs‑ bzw Verwahrungsaufforderung) an den Verbraucher im Zusammenhang mit der Zusendung nicht bestellter Waren oder der Erbringung nicht bestellter Dienstleistungen. Einer Zahlungsaufforderung ist eine Handlungsaufforderung gleichzuhalten, mit der vom Verbraucher ein Widerspruch verlangt wird, um die vom Unternehmer behauptete Zahlungspflicht abzuwenden. Verpönt ist in diesen Fällen die Belästigung des Verbrauchers durch das Aufdrängen eines Produkts, zumal eine solche Geschäftspraktik mit einer Beeinträchtigung der Verhaltens- und Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers verbunden ist (vgl 4 Ob 27/13v).
3.3 Für die Beurteilung ist allein entscheidend, ob die angeführten Tatbestandsmerkmale erfüllt sind. Der Unternehmer darf nicht die Möglichkeit haben, durch die konkrete Ausgestaltung der Geschäftspraktik die Verbotsnorm zu umgehen. Aus diesem Grund ist in UWG Anh Z 29 ausdrücklich festgehalten, dass sich die Zahlungsaufforderung auf die sofortige oder spätere Zahlung beziehen kann. Zudem kann dem Ziel der Verbotsnorm von UWG Anh Z 29 nur die Auslegung gerecht werden, dass sie nicht die gleichzeitige Zusendung der Ware und der Zahlungsaufforderung voraussetzt.
Zur vergleichbaren Rechtslage in Deutschland hat der BGH (zu I ZR 134/10) entschieden, dass die Zusendung einer Ware unter Vorspiegelung einer angeblichen (Test‑)Bestellung verbunden mit der Ankündigung, dass eine fortlaufende Lieferung von Waren erfolge, falls der Verbraucher nicht innerhalb einer bestimmten Frist widerspreche, den hier fraglichen Tatbestand erfüllt. Auch dadurch werde eine Zwangslage beim Verbraucher hervorgerufen. Diese Überlegungen sind auf die österreichische Rechtslage übertragbar.
3.4 Im Anlassfall hat die Beklagte zum schon bestehenden Zeitungsabonnement zusätzlich zwei vom betroffenen Verbraucher nicht bestellte Magazine geliefert und damit das bestehende Zeitungsabonnement im Lieferumfang erweitert. Für diese Erweiterung sollte nach der Testphase bei fehlendem Widerspruch des Verbrauchers ein zusätzliches Entgelt gezahlt werden.
Damit handelt es sich bei der inkriminierten Geschäftspraktik um eine nach UWG Anh Z 29 verpönte Handlungsaufforderung im Zusammenhang mit tatsächlich erfolgten, unbestellten Warenlieferungen. Der Beklagten ist daher eine unter allen Umständen unlautere Geschäftspraktik vorzuwerfen.
4.1 Auf die Entscheidung 4 Ob 27/13v kann sich die Beklagte nicht stützen. Die maßgebende Begründung dieser Entscheidung bestand darin, dass der Kunde schon vor Übermittlung des fraglichen Angebots die entsprechenden, also identen Leistungen bezog und mit der angebotenen „Option“ nur die Art der Verrechnung mit einem Fixpreis pro Monat geändert werden sollte, weshalb nicht eine unbestellte zusätzliche Ware oder Dienstleistung, sondern nur eine „unbestellte Vertragsänderung“ – mit einem Gebührenzuschlag für das bisherige Produkt – vorlag.
4.2 Auch mit dem Hinweis auf eine bloße „Ankündigung“ ist für die Beklagte nichts gewonnen. Abgesehen davon, dass sie mit der Lieferung der zusätzlichen, vom bisherigen Abonnement nicht umfassten Magazine bereits begonnen hatte, wird auch die von zusätzlichen Warenlieferungen begleitete Ankündigung einer fortlaufenden Lieferung von Waren – bei behaupteter Entgeltpflicht für den Fall des Unterlassens eines Widerspruchs – von dem im Rede stehenden Verbotstatbestand erfasst.
Die Tatbestandsmerkmale nach UWG Anh Z 29 können – je nach Ausgestaltung der in Frage stehenden Geschäftspraktik – auch im Rahmen einer Geschäftsbeziehung erfüllt sein. Die Rechtsprechung, wonach mit dem Zusenden nicht bestellter Bücher durch einen Fachbuchverlag samt Erlagschein an mit dem Vertriebssystem vertraute Kunden kein Verstoß gegen § 1 UWG verwirklicht werde (4 Ob 98/94 = ÖBl 1995, 64), betrifft die alte Rechtslage und ist durch die Regelung von UWG Anh Z 29 überholt ( Duursma/Duursma-Kepplinger in Gumpoldsberger/Baumann , UWG‑Ergänzungsband, Z 29 des Anhangs Rz 119).
5. Auf das Argument der Beklagten, dass auch keine sonst aggressive Geschäftspraktik im Sinn des § 1a UWG vorliege, weil sie die Grenzen des sozial adäquaten Umgangs nicht überschritten habe, ist nicht mehr einzugehen (vgl RIS‑Justiz RS0123062).
6. Die Entscheidungen der Vorinstanzen stehen mit den dargelegten Grundsätzen im Einklang. Der Revision der Beklagten war daher der Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Der vom Kläger verzeichnete Zuschlag nach TP 3 Anm 5 RATG gebührt nicht, weil weder die Einholung einer Vorabentscheidung konkret angeregt, sondern nur auf das Auslegungsmonopol des Gerichtshofs der Europäischen Union hingewiesen wird und diese Ausführungen für die Entscheidung auch nicht notwendig und zudem nicht eingehend rechtlich begründet sind.
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