OGH 4Ob27/13v

OGH4Ob27/13v23.9.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein für Konsumenteninformation, *****, vertreten durch die Kosesnik-Wehrle & Langer Rechtsanwälte KG in Wien, gegen die beklagte Partei T***** GmbH, *****, vertreten durch die Tonninger Schermaier Maierhofer & Partner Rechtsanwälte GbR in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 30.500 EUR) und Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung (Streitwert 5.500 EUR sA), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 7. November 2012, GZ 2 R 224/12v-23, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 27. Juli 2012, GZ 57 Cg 27/12i‑17, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 1.961,64 EUR (darin enthalten 326,94 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die beklagte Anbieterin von Telefondienstleistungen versandte im Mai 2011 bzw Anfang Juli 2011 an die Mobiltelefonnummern mancher ihrer Kunden Kurznachrichten (SMS) folgenden Inhalts:

"Lieber T***** Kunde! Ab 15. 05. telefonieren sie mit der Option Sonderrufnummern um nur EUR 2,--/Monat (Ohne Bindung) unlimitiert zu Banken, Behörden und Firmen. Gilt für Sonderrufnummern (0720xx, 50xx, 57xx, 59xx, 05xx) österreichweit. Benötigen Sie die Option nicht, antworten Sie mit NEIN bis 14. 05. Ihr T***** Team“

"Seit 1. 7. telefonieren Sie gratis mit der T***** Option Sonderrufnummern unlimitiert zu Banken, Behörden und Firmen. Gilt für Sonderrufnummern (072xx, 50xx, 57xx, 59xx, 05xx) österreichweit. Ab 1. 8. zahlen Sie für diese Option EUR 2,--/Monat. Benötigen Sie diese Option nicht, antworten Sie mit NEIN bis 25. 7. 2011"

Die Versendung derartiger SMS fand in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), die die Beklagte mit diesen Kunden vereinbart hatte, keine Stütze.

Den von der Beklagten beabsichtigten Änderungen ihrer AGB für Neukunden und Vertragsverlängerungen durch der Beklagten eingeräumte Möglichkeit zu Vertragsänderungen mittels Erklärungsfiktion, wenn die Beklagte eine entsprechende Grundlage in ihren AGB und/oder in den jeweiligen Verträgen mit den Kunden vorgesehen habe, hat die Telekom-Kontroll-Kommission bei der Rundfunk und Telekom Regulierungs GmbH mit ‑ nicht rechtskräftigem ‑ Bescheid vom 27. 2. 2012 widersprochen.

Der Kläger begehrte, die Beklagte für schuldig zu erkennen, es im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, ihre Kunden zur ausdrücklichen Ablehnung von von diesen nicht bestellten, entgeltlichen Zusatzleistungen aufzufordern, widrigenfalls diese Zusatzleistungen zu bezahlen seien, insbesondere durch Übermittlung von SMS mit dem genannten Inhalt; in eventu zu unterlassen, in Aussendungen, insbesondere im Text von Kurznachrichten, die sie an ihre Kunden richte, den unrichtigen Eindruck zu erwecken, der Kunde müsste von ihm nicht bestellte Dienstleistungen ‑ etwa mittels SMS ‑ ausdrücklich ablehnen; weiters werde dem Kläger die Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung in einer Samstag-Ausgabe der „Kronen-Zeitung“ erteilt.

Die Beklagte verstoße gegen § 1a Abs 3 iVm Anh Z 29 UWG, in eventu gegen § 1a Abs 1 UWG. Der von der Beklagten während des Prozesses angebotene Unterlassungsvergleich beseitige nicht die Wiederholungsgefahr, weil die darin vorgesehene Vertragsgestaltung ‑ nämlich eine Erklärungsfiktion, welche eine einseitige Vertragsänderung, insbesondere eine Preiserhöhung, vorsehe ‑ unzulässig sei. Eine derartige Erklärungsfiktion falle niemals in den Anwendungsbereich des § 6 Abs 1 Z 2 KSchG. Da Erklärungsfiktionen in aller Regel die Position des Unternehmers verbessern würden, seien sie restriktiv zu handhaben. Insbesondere Anbote zu Vertragsänderungen, die noch dazu mit Preiserhöhungen verbunden seien, könnten nicht Gegenstand einer Erklärungsfiktion sein, weil dies dem Aufdrängen ungewollter Verträge durch den Unternehmer gleich komme. Eine derartige Vereinbarung verstoße gegen § 879 Abs 3 ABGB.

Die Beklagte bestritt ein unlauteres Verhalten. Die begehrte Urteilsveröffentlichung widerspreche dem Talionsprinzip. Während des erstinstanzlichen Verfahrens bot die Beklagte den Abschluss eines Unterlassungsvergleichs an, der dem Hauptbegehren mit der Einschränkung entsprach, dass dem Unterlassungsgebot folgender Beisatz zuzufügen sei:

…, wenn sie in ihren Geschäftsbedingungen nicht eine dem § 6 Abs 1 Z 2 KSchG genügende Grundlage für eine derartige Erklärungsfiktion und/oder in den konkreten Verträgen nicht mit den jeweiligen Kunden eine genügende Grundlage für eine derartige Erklärungsfiktion wirksam vereinbart hat.

Die Beklagte vertritt den Standpunkt, dieses Anbot beseitige die Wiederholungsgefahr, denn Opt‑Out‑Varianten seien nach den strengen Vorgaben des § 6 Abs 1 Z 2 KSchG zulässig, wenn eine entsprechende vertragliche Grundlage dafür bestehe. Ein abstrakter Verzicht auf jegliche Form von Opt-Out-Varianten würde auch einen potenziellen Nachteil gegenüber Mitbewerbern mit sich bringen, welche sich der Opt-Out-Varianten im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften weiterhin bedienen könnten.

Das Erstgericht gab den Hauptbegehren statt; der Beklagten falle die vom Kläger ins Treffen geführte Unlauterkeit zur Last, der von der Beklagten angebotene Unterlassungsvergleich lasse die Wiederholungsgefahr unberührt; die angestrebte Veröffentlichung diene der gebotenen Aufklärung der Öffentlichkeit über die Rechtsverletzung. Die von der Beklagten versendeten SMS seien einer nicht bestellten Dienstleistung gleichzusetzen, wobei das Schweigen der Kunden durch Nichtabsenden eines Abbestellungs‑SMS als Zustimmung gewertet werde. Es liege ein lauterkeitswidriges Verhalten der Beklagten iSd Z 29 des Anhangs zum UWG vor. Das Versenden der beanstandeten SMS verstoße auch gegen § 879 Abs 3 ABGB; eine entsprechende Klausel in den Geschäftsbedingungen der Beklagten oder den konkreten Verträgen würde der Bestimmung des § 6 Abs 1 Z 2 KSchG widersprechen. Der angebotene Unterlassungsvergleich habe daher die Wiederholungsgefahr nicht beseitigt.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei, weil noch keine höchstgerichtliche Judikatur zu der bedeutsamen Rechtsfrage existiere, ob eine von § 1a Abs 1 UWG umfasste aggressive Geschäftspraktik wirksam vereinbart werden könne und deshalb nicht (mehr) unlauter sei, wenn sie gegenüber einem Vertragspartner gesetzt werde. Die Beklagte habe zwar nicht gegen Anh Z 29 UWG verstoßen, zumal das angepriesene Zusatzpaket im Zeitpunkt der SMS‑Versendung noch nicht zur Verfügung gestellt („geliefert“) worden sei. Allerdings seien die SMS geeignet gewesen, bei den Kunden den ‑ unrichtigen ‑ Eindruck zu erwecken, die in Aussicht gestellte Vertragsergänzung und damit verknüpfte Zahlungsverpflichtung könne nur durch eine rechtzeitige ablehnende Reaktion abgewendet werden und trete daher zB auch in Kraft, wenn das SMS übersehen oder vor Ablauf der gesetzten Frist nicht gelesen werde. Diese SMS seien deshalb nicht nur als „Belästigung“, sondern auch als „Nötigung“ und „unzulässige Beeinflussung“ iSd § 1a Abs 1 UWG einzustufen, die die Entscheidungs‑ und Verhaltensfreiheit der Adressaten wesentlich beeinträchtigen und sie zu Aufwendungen veranlassen könnten, die sie andernfalls nicht getätigt hätten. Es wäre mit den Wertungen des § 1a Abs 1 UWG unvereinbar, könnten die dort untersagten aggressiven Geschäftspraktiken wirksam vertraglich verankert werden. Vielmehr wären derartige von der Beklagten ins Auge gefasste Vertragsbestimmungen, die nicht Hauptleistungen selbst, sondern den Einführungsmodus festlegten, gröblich benachteiligend und nichtig iSd § 879 Abs 3 ABGB. Aus § 6 Abs 1 Z 2 KSchG lasse sich für den gegenteiligen Standpunkt der Beklagten nichts gewinnen, zumal diese Bestimmung nur das Prozedere regle, bei dessen Einhaltung vertragliche Erklärungsfiktionen Wirksamkeit erlangen könnten, aber nicht die Sittenwidrigkeitskontrolle der auf diese Weise getroffenen Vereinbarungen erübrige. Eine Urteilsveröffentlichung mittels SMS oder auf der Website der Beklagten sei nicht ausreichend, da die Empfänger der SMS nicht mehr mit der Beklagten in einem Vertragsverhältnis stehen müssten.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Beklagten mit dem Antrag, die Klage abzuweisen. Sie macht geltend, ihre SMS‑Mitteilungen seien weder als Belästigung, Nötigung oder unzulässige Beeinflussung iSv Art 8 und Art 9 RL-UGP bzw § 1a Abs 1 UWG zu qualifizieren. Sie hätte die beanstandeten SMS nur an bestehende Kunden übermittelt, welche erklärt hätten, dass sie über Angebote, Werbeaktionen und Kooperationen auch per E‑Mail und SMS kontaktiert werden wollten, und die zuvor Sonderrufnummern angerufen hätten. Im Übrigen könne die Möglichkeit der Zusendung von Vertragsangeboten mit Erklärungsfiktion vorweg mit dem Kunden wirksam vereinbart werden.

Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen bzw ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.

1.1. Anh Z 29 UWG (Anh I Nr. 29 RL-UGP) bezeichnet die Aufforderung des Verbrauchers zur sofortigen oder späteren Zahlung oder zur Rücksendung oder Verwahrung von Produkten, die der Gewerbetreibende ohne Veranlassung des Verbrauchers geliefert hat (unbestellte Waren und Dienstleistungen) als aggressive Geschäftspraktik, die gemäß § 1a Abs 3 UWG als jedenfalls aggressiv bzw gemäß Anh I RL‑UGP unter allen Umständen als unlauter gilt.

Die Bestimmung setzt demnach voraus, dass eine nicht bestellte Ware geliefert oder eine nicht bestellte Dienstleistung erbracht wurde (Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG31, Anh zu § 3 III Rz 29.4; derselbe, Unbestellte Waren und Dienstleistungen ‑ neue Normen, neue Fragen, GRUR 2012, 217, spricht sich gegen eine analoge Anwendung der Bestimmung auf die bloße Ankündigung der Erbringung der Leistung aus).

1.2. Die Verbotstatbestände des Anhang zum UWG sind, wenn zwar nicht unbedingt eng, jedenfalls aber nicht extensiv auszulegen, zumal ohnedies § 1a UWG und die große Generalklausel als Auffangtatbestände vorliegen (vgl 4 Ob 95/13v mwN).

Im gegenständlichen Fall diente die Mitteilung einer Änderung der Konditionen für Telefonie zu Sonderrufnummern bei bereits bestehender vertraglicher Beziehung. Der Kunde bezog bereits vor der Übermittlung der Ankündigung die entsprechenden Leistungen; geändert wurde nur die Art der Verrechnung mit einem Fixpreis pro Monat. Es kann daher hier nicht von einer unbestellten Dienstleistung, sondern höchstens von einer unbestellten Vertragsänderung gesprochen werden. Dies erfüllt aber nicht den Tatbestand der Anh Z 29 UWG.

1.3. Die spezielle Regelung der Z 29 Anh zum UWG verdrängt in ihrem Anwendungsbereich nicht das in §§ 1, 1a UWG statuierte generelle Verbot aggressiver Geschäftspraktiken, sondern ergänzt es (vgl BGH in GRUR 2012, 82 zu § 7 I 1 dUWG). Die der Z 29 Anh zum UWG entsprechenden Geschäftspraktiken sind regelmäßig vom Verbot der Belästigung gemäß §§ 1, 1a UWG umfasst (vgl Burgstaller in Wiebe/Kodek, UWG2 § 1a Rz 108).

1.4. Eine Geschäftspraktik gilt nach § 1a Abs 1 UWG als aggressiv, wenn sie geeignet ist, die Entscheidungs‑ oder Verhaltensfreiheit des Marktteilnehmers in Bezug auf das Produkt durch Belästigung, Nötigung oder durch unzulässige Beeinflussung wesentlich zu beeinträchtigen und ihn dazu zu veranlassen, eine geschäftliche Entscheidung zu treffen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.

1.5. Die Zusendung von SMS ‑ selbst wenn sie nur an jene Telefoniekunden erfolgte, die zuvor bestimmte „Sondernummern“ gewählt haben und die der Information über Angebote durch SMS vorweg zugestimmt haben ‑ mit der Mitteilung einer (Mehrkosten verursachenden) Vertragsänderung, welche nur durch rechtzeitige Absendung einer Abbestellungs‑Meldung abgewendet werden kann, stellt jedenfalls eine Belästigung dar. Dem Kunden wird nämlich eine Vertragsänderung aufgedrängt, die er sonst ‑ bei Erhalt einer bloßen Information über die Änderungsmöglichkeit ‑ nicht akzeptiert hätte. Der Kunde, der bei entsprechender Information keine Vertragsänderung veranlasst hätte, läuft Gefahr, die Änderung seines Vertrags allein deshalb akzeptieren zu müssen, weil er die Ablehnungsfrist versäumte oder den Aufwand einer fristgerechten Ablehnung ersparen wollte.

1.6. Im Übrigen ist die Vorgangsweise auch deshalb als unzulässige Beeinflussung zu qualifizieren, weil die Ankündigung den Eindruck vermittelt, es handle sich jedenfalls um eine Verbilligung („... telefonieren Sie um nur ...“). Es kommt nicht deutlich genug zum Ausdruck, dass mangels Widerspruchs jedenfalls eine Preiserhöhung ‑ auch für den Fall, dass (künftig) keine Sonderrufnummern gewählt werden - Platz greift. Auch dadurch wird der Kunde veranlasst, den Widerruf zu unterlassen.

1.7. Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass dem Kunden eine Vertragsänderung aufgedrängt wird, die zu einem Gebührenzuschlag für eine nicht bestellte Leistung führt. Diese Belästigung bzw unzulässige Beeinflussung ist als aggressive Geschäftspraktik nach § 1a UWG zu qualifizieren, die auch geeignet ist, die wirtschaftliche Entscheidung des Durchschnittsverbrauchers oder den Wettbewerb zwischen Unternehmen spürbar zu beeinflussen.

2.1. Die Beklagte macht weiters geltend, der von ihr in erster Instanz angebotene Unterlassungsvergleich ‑ mit welchem sie die Unterlassung (nur) für den Fall der fehlenden Grundlage für eine entsprechende Erklärungsfiktion in den Geschäftsbedingungen oder Verträgen anbot ‑ habe zum Wegfall der Wiederholungsgefahr geführt. § 6 KSchG konkretisiere demonstrativ die Generalklausel des § 879 ABGB. Es sei zwar richtig, dass dadurch Klauseln, die sich im Klauselkatalog nicht fänden, nicht im Umkehrschluss erlaubt seien. In § 6 Abs 1 Z 2 KSchG sei jedoch ausdrücklich vorgesehen, unter welchen strengen Kriterien eine konkrete Klausel zulässig sei; weil im Unterlassungsvergleich genau auf diese Vorgaben verwiesen werde, sei es geradezu denkunmöglich, dass eine entsprechende Klausel gemäß § 879 ABGB sittenwidrig sei.

2.2. Dem ist nicht zu folgen:

Gemäß § 6 Abs 1 Z 2 KSchG sind für den Verbraucher Vertragsbestimmungen im Sinn des § 879 ABGB jedenfalls nicht verbindlich, nach denen ein bestimmtes Verhalten des Verbrauchers als Abgabe oder Nichtabgabe einer Erklärung gilt, es sei denn, der Verbraucher wird bei Beginn der hiefür vorgesehenen Frist auf die Bedeutung seines Verhaltens besonders hingewiesen und hat zur Abgabe einer ausdrücklichen Erklärung eine angemessene Frist.

Derartige Klauseln sind daher nur dann wirksam, wenn der Unternehmer dem Verbraucher für die Abgabe seiner Erklärung eine angemessene Frist setzt und ihn bei Beginn dieser Frist auf die Bedeutung seines Verhaltens noch einmal besonders hinweist. Dem Verbraucher soll die Bedeutung seines Verhaltens noch einmal vor Augen geführt werden (Kathrein in KBB3 § 6 KSchG Rz 7).

2.3. § 6 KSchG genießt zwar grundsätzlich Anwendungsvorrang im Verhältnis zu konkurrierenden gesetzlichen Bestimmungen (Schurr in Klang 3, § 6 KSchG Rz 3). Der lediglich exemplarische Charakter der einzelnen Vorschriften des § 6 KSchG erfordert aber nicht selten die Zuhilfenahme der allgemeinen Vorschriften, so insbesondere von § 879 ABGB (aaO, Rz 6).

2.4. Der deutsche Bundesgerichtshof hat bei annähernd vergleichbarer Rechtslage in der Entscheidung III ZR 63/07 die Auffassung vertreten, für weitreichende, die Grundlagen der rechtlichen Beziehungen der Parteien betreffende Änderungen sei eine individualvertragliche Änderung notwendig; eine Zustimmungsfiktion reiche nicht aus; neigten doch Kunden dazu, formularmäßig angebotene Vertragsänderungen nicht näher zu prüfen (vgl auch 6 Ob 85/11k).

2.5. Jüngst hat der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 1 Ob 210/12g in diesem Sinne ausgesprochen, dass eine uneingeschränkte Vertragsanpassung über eine in AGB vereinbarte Zustimmungsfiktion unzulässig sei. Eine derartige Klausel in AGB, wonach die Unterlassung eines ausdrücklichen Widerspruchs gegen die Änderung der Entgelte für die Kontoführung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt als Zustimmung gelten sollte, verstoße gegen § 6 Abs 3 KSchG und § 879 Abs 3 ABGB. Die Entscheidung hatte eine Entgeltänderungsklausel für Girokontoverträge zum Gegenstand. Die Klausel ließ keinerlei Beschränkung erkennen, die den Verbraucher vor dem Eintritt unangemessener Nachteile bei Änderungen des Vertrags mittels Zustimmungsfiktion schützen konnte, und ließ eine Änderung wesentlicher Pflichten der Parteien zu Gunsten der Bank in nahezu jede Richtung und in unbeschränktem Ausmaß zu.

2.6. Der vorliegende Sachverhalt ist mit jenem der eben genannten Entscheidung vergleichbar. Auch hier beruft sich die Beklagte auf eine nicht näher konkretisierte und unbeschränkte Möglichkeit der Vertragsänderung mittels Erklärungsfiktion. Die vage und unbestimmte Aussage, wonach „eine dem § 6 Abs 1 Z 2 KSchG genügende Grundlage für eine derartige Erklärungsfiktion“ geschaffen werden solle, ist intransparent im Sinn von § 6 Abs 3 KSchG.

2.7. Ein Vertrag erfüllt die Anforderungen der Klarheit und Verständlichkeit dann nicht, wenn der Verbraucher nicht in klarer und dem Vertragstyp adäquater Weise über die eigenen Rechte und Pflichten informiert wird (Schurr in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang 3, § 6 Abs 3 KSchG Rz 29 mwN).

Die von der Beklagten beabsichtigte Vertragsklausel könnte keine „genügende Grundlage“ für die von ihr gewollte Erklärungsfiktion schaffen. Es wäre an der Beklagten gelegen, Art und Ausmaß der möglichen Vertragsänderung in ihren AGB zu konkretisieren, um den Konsumenten/Kunden in die Lage zu versetzen, sich ein klares Bild über mögliche Änderungen der Leistungsverrechnung zu machen. Eine derartige Konkretisierung fehlt der Vertragsklausel, die dem von der Beklagten angebotenen Unterlassungsvergleich zu Grunde liegt, zur Gänze. Sie verstieße daher gegen § 6 Abs 3 KSchG und § 879 Abs 3 ABGB.

2.8. Die beanstandete Geschäftspraktik bliebe daher auch im Fall der Aufnahme der von der Beklagten vorgeschlagenen Klausel in ihre Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblätter unzulässig. Der von der Beklagten angebotene Unterlassungsvergleich war daher nicht dazu angetan, die Wiederholungsgefahr zu beseitigen. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch besteht daher ‑ im Einklang mit den Vorinstanzen ‑ zu Recht.

3. Die Urteilsveröffentlichung ist in dem von den Vorinstanzen festgesetzten Umfang angemessen, zumal voraussichtlich nicht alle ehemaligen Kunden der Beklagten, die ein objektives Interesse an der Information über deren bedenkliche Geschäftspraktiken haben, neuerlich ihre Internetseiten aufsuchen (vgl RIS‑Justiz RS0123550).

4. Der Revision der Beklagten ist daher nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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