European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0020OB00148.17D.0425.000
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
Gegenstand des Revsisionsrekursverfahrens ist die Festsetzung des Übernahmspreises für einen geschlossenen Hof in Tirol, bei dem der Ertragswert des nicht mehr bzw nur mehr in sehr untergeordnetem Maße (30 Hühner) betriebenen Hofes, der auch über keine Hofstelle mehr verfügt, eklatant unter dem Verkehrswert liegt.
Die Vorinstanzen setzten den Übernahmspreis nach § 21 TirHöfeG übereinstimmend mit einem sich dem Verkehrswert annähernden Betrag fest. Die Ausübung der Landwirtschaft auf dem Hof würde zahlreiche kostenintensive Investitionen erfordern und selbst dann kaum über eine „Liebhaberei“ hinausgehen. Weder existiere derzeit ein landwirtschaftlicher Betrieb noch eigne sich der Hof für einen solchen, der eine fünfköpfige Familie ernähren könnte. Nach der anwendbaren „Mischmethode“ zwischen Ertrags- und Verkehrswert sei letzterem prozentuell umso höheres Gewicht beizumessen, je kleiner der Betrieb im Verhältnis zum Normalbetrieb sei.
Die Revisionsrekurswerberin strebt eine Reduktion des Übernahmspreises an und verweist auf jene Judikatur, nach der nicht nur der Verkehrswert als relevant erachtet, sondern ein arithmetisches Mittel zwischen Ertrags- und Verkehrswert gebildet wurde. Dem entspreche die deutliche Annäherung an den Verkehrswert im vorliegenden Fall nicht.
Damit zeigt der Revisionsrekurs keine erhebliche Rechtsfrage von der in § 62 Abs 1 AußStrG genannten Qualität auf:
Rechtliche Beurteilung
1. Nach § 21 TirHöfeG ist der Wert des geschlossenen Hofes nach billigem Ermessen so festzusetzen, dass der Übernehmer wohl bestehen kann. Er ist demnach in die Lage zu versetzen, seinen Abfindungsverpflichtungen ohne Gefahr für die Lebensfähigkeit des Hofes nachzukommen; insbesondere soll er nicht genötigt sein, lebenswichtige Teile der Wirtschaft zu verkaufen (RIS‑Justiz RS0063871).
Nach der genannten Bestimmung ist weiters der Ertragswert des Hofes angemessen zu berücksichtigen. Dieser ist allerdings nicht einzige Richtschnur, sollen doch die Miterben (bzw Pflichtteilsberechtigten) nicht leer ausgehen (RIS‑Justiz RS0063847; RS0063876). Bei der Wertermittlung darf daher der Verkehrswert jedenfalls dann nicht unberücksichtigt bleiben, wenn Ertragswert und Verkehrswert weit auseinanderklaffen (RIS‑Justiz RS0063847 [T4]; zuletzt 2 Ob 151/16v).
2. Das Partikularrecht für geschlossene Höfe in Tirol geht – anders als das Anerbengesetz oder das Kärntner Erbhöfegesetz – für die Qualifikation als Erbhof von einer rein formalen Betrachtungsweise aus (2 Ob 220/16s; 6 Ob 181/00m). Nach § 1 TirHöfeG sind nämlich Bestand und Umfang des Erbhofes nur durch die grundbücherliche Eintragung bestimmt, wenn der Hof in die Abteilung I des Hauptbuchs des Grundbuchs eingetragen ist (RIS‑Justiz RS0063713; RS0063726). In diesem Fall finden die besonderen Erbteilungsvorschriften selbst dann Anwendung, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen für die Eintragung des geschlossenen Hofes nicht mehr gegeben wären (RIS‑Justiz RS0063719; 2 Ob 220/16s; 2 Ob 129/16h; 6 Ob 108/97v).
Geschützt werden soll der bäuerliche Mittelbetrieb, dessen Durchschnittsertrag für den Erhalt einer bäuerlichen Familie ausreicht. Darunter versteht das Tiroler Höferecht eine Familie von mindestens fünf Köpfen, ohne das Vierfache eines solchen Ertrags zu überschreiten (vgl § 3 Abs 1 und § 5 Abs 1 TirHöfeG; 2 Ob 129/16h mwN). Bei kleineren als solchen Normbetrieben soll der Übernehmer zwar nach der Judikatur auch noch begünstigt werden, dem Ertragswert kommt aber nicht mehr die entscheidende Rolle zu. In diesen Fällen ist dem Verkehrswert ein prozentuell höheres Gewicht beizumessen, je kleiner der Betrieb im Verhältnis zum Normbetrieb ist (2 Ob 129/16h; 6 Ob 156/13d; 6 Ob 292/03i SZ 2004/16).
3. Die Anwendung des Sondererbrechts ist hier nur darauf zurückzuführen, dass die nach der wahren Sachlage gebotene Eliminierung der Grundstücke aus der bücherlichen Höfeabteilung durch die Höfebehörde mangels Antragstellung der Eigentümer unterblieb (§ 7 TirHöfeG), also ein nur formalrechtlich bestehender geschlossener, tatsächlich aber nicht existierender Hof abzufinden ist. Die Nichtbeachtung der höferechtlichen Bestimmungen kommt damit zwar nicht in Frage, bei der Festsetzung des Übernahmspreises ist aber – wie bereits die Vorinstanzen betont haben – der Umstand von erheblicher Bedeutung, dass der Gesetzeszweck, nämlich die Erhaltung eines lebensfähigen bäuerlichen Betriebs, keinesfalls erreicht werden kann (6 Ob 156/13d; 6 Ob 121/10b). Wenn dies aber von vorneherein nicht möglich ist, käme die von der Anerbin angestrebte Verringerung des Übernahmspreises ausschließlich einer sachlich nicht gerechtfertigten Enteignung der weichenden Miterben gleich (vgl 6 Ob 181/00m) und würde einen weiteren Anreiz für die Anerbin und Eigentümerin schaffen, auch in Zukunft nicht durch geeignete Antragstellung iSd § 7 TirHöfeG für die Aufhebung der hier materiell nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Höfeeigenschaft durch die Höfebehörde zu sorgen.
Wenn die Vorinstanzen unter Berücksichtigung all dieser Umstände im hier zu beurteilenden Einzellfall (RIS‑Justiz RS0050409 [T1]; 6 Ob 109/11i) den Übernahmspreis nahe dem Verkehrswert des Hofes festsetzten, liegt darin keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung.
4. Einer weiteren Begründung bedarf diese Entscheidung nicht (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).
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