OGH 7Ob59/18d

OGH7Ob59/18d20.4.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und durch die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** T*****, vertreten durch Vogl Rechtsanwalt GmbH in Feldkirch, gegen die beklagte Partei A*****, vertreten durch Mag. Martin Paar, Mag. Hermann Zwanzger, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Berufungsgericht vom 9. Jänner 2018, GZ 3 R 312/17f‑19, womit das Urteil des Bezirksgerichts Bludenz vom 30. Oktober 2017, GZ 3 C 455/17g‑15, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0070OB00059.18D.0420.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 626,52 EUR (darin enthalten 104,42 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Der Oberste Gerichtshof ist bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO). Die Revision ist nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer erheblichen, in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausgehenden Rechtsfrage des materiellen oder des Verfahrensrechts abhängt. Dies ist hier nicht der Fall. Die Entscheidung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

2. Dem zwischen den Streitteilen bestehenden Rechtsschutzversicherungsvertrag liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB) 2003 zugrunde. Diese lauten auszugsweise:

Art 9

Wann und wie hat der Versicherer zum Deckungsanspruch des Versicherungsnehmers Stellung zu nehmen?

Was hat bei Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer über die Art der Vorgangsweise oder die Erfolgsaussichten zu geschehen? (Schiedsgutachte rverfahren).

[…]

2. Davon unabhängig hat der Versicherer das Recht, jederzeit Erhebungen über den mutmaßlichen Erfolg der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung anzustellen. Kommt eine Nachprüfung des Sachverhalts unter Berücksichtigung der Rechts‑ und Beweislage zum Ergebnis,

[...]

2.3 das s erfahrungsgemäß keine Aussicht auf Erfolg besteht, hat er das Recht, die Kostenübernahme zur Gänze abzulehnen.“

3. Im hier vorliegenden Deckungsprozess argumentiert die Beklagte, dass die Einbringung einer außerordentlichen Revision des Klägers im Haftpflichtprozess als so zweifelhaft anzusehen sei, dass keine oder eine nicht hinreichende Aussicht auf Erfolg bestehe.

3.1 Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass die Beurteilung der Erfolgsaussichten von den Umständen des Einzelfalls abhängt (vgl 7 Ob 234/15k). Dabei ist in der Rechtsschutzversicherung kein strenger Maßstab anzulegen (RIS‑Justiz RS0081929). Bei der Erfolgsaussichtsprüfung nach den ARB können die zur Prozesskostenhilfe entwickelten Grundsätze übernommen werden. Die vorzunehmende Beurteilung, ob „keine oder nicht hinreichende Aussicht auf Erfolg“ besteht, hat sich am Begriff „nicht als offenbar aussichtslos“ des die Bewilligung der Verfahrenshilfe regelnden § 63 ZPO zu orientieren. „Offenbar aussichtslos“ ist eine Prozessführung, wenn sie schon ohne nähere Prüfung der Angriffs‑ oder Verteidigungsmittel als erfolglos erkannt werden kann (insbesondere bei Unschlüssigkeit, aber auch bei unbehebbarem Beweisnotstand, RIS‑Justiz RS0116448, RS0117144). Eine nicht ganz entfernte Möglichkeit des Erfolgs genügt (RIS‑Justiz RS0117144).

3.2 Das Berufungsgericht im Haftpflichtprozess lastete den dort beklagten Betreibern nur die besonders hohe allgemeine Betriebsgefahr einer U‑Bahn an und stellte diese dem weit überwiegenden Verschulden des Klägers (4:1) gegenüber. Der Kläger hält demin seiner dagegen erhobenen außerordentlichen Revision entgegen, dass die Sichtbehinderung des U‑Bahn‑Fahrers aufgrund fehlerhafter Beschaffenheit des U‑Bahnsteigs nicht nur eine außergewöhnliche Betriebsgefahr, sondern auch Verschulden der dortigen Beklagten begründe, wodurch er – auch unter Hinweis, dass das Berufungsgericht von früheren Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs abgewichen sei, indem es die Säulen bei der Verschuldensteilung nicht ausreichend berücksichtigt habe – eine für ihn günstigere Schadensteilung erreichen möchte.

3.3 Richtig ist zwar, dass die Verschuldensteilung in der Regel von den Umständen des Einzelfalls abhängt und im Allgemeinen keine erhebliche Rechtsfrage begründet. Wenn aber die Vorinstanzen bereits vor dem Hintergrund der oberstgerichtlichen Rechtsprechung, dass dies allein eine Revision nicht aussichtslos mache, da auch grobe Fehlbeurteilungen im Einzelfall zu korrigieren wären (vgl RIS‑Justiz RS0042405; RS0044088), die Revisionsausführungen des Klägers im Haftpflichtprozess nicht als gänzlich aussichtslos beurteilten, ist dies jedenfalls vertretbar.

4. Die Revision war daher zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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