OGH 20Ds16/17h

OGH20Ds16/17h10.4.2018

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 10. April 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden, den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras als weiteren Richter und die Rechtsanwälte Dr. Grassner und Dr. Haslinger als Anwaltsrichter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Albu als Schriftführer in der Disziplinarsache gegen *****, Rechtsanwalt in *****, wegen des Disziplinarvergehens der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes über die Berufung des Disziplinarbeschuldigten gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer vom 19. April 2017, GZ D 47/16 (DV 6/17), TZ 22, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin MMag. Jenichl, des Kammeranwalts der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer Mag. Kammler und des Disziplinarbeschuldigten zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0200DS00016.17H.0410.000

 

Spruch:

 

Der Berufung wegen Nichtigkeit und Schuld wird nicht Folge gegeben.

Aus Anlass der Berufung wird das angefochtene Erkenntnis, das im Übrigen unberührt bleibt, in der Subsumtion der Tat als Disziplinarvergehen der Beeinträchtigung von Ehre sowie Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 zweiter Fall DSt und demgemäß im Strafausspruch aufgehoben und der Beschuldigte für das ihm weiterhin zur Last liegende Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung nach § 1 Abs 1 erster Fall DSt zu einer Geldbuße von 2.000 Euro verurteilt.

Mit seiner Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe wird der Beschuldigte auf die Strafneubemessung verwiesen.

Ihm fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde Rechtsanwalt ***** der Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes wegen Verletzung von § 10 RAO, § 1 Abs 2 RL‑BA 2015 sowie von gefestigter Standesauffassung schuldig erkannt und nach § 16 Abs 1 Z 2 DSt zu einer Geldbuße von 4.000 Euro sowie zum Ersatz der Verfahrenskosten verurteilt.

Danach hat er als (ehemaliger) rechtsfreundlicher Vertreter des W***** dem eigenen Mandanten in dem an Rechtsanwalt ***** gerichteten Schreiben vom 2. August 2016 auf S 4, unmittelbar nach dem Ausspruch, das zu Herrn G***** bestehende Mandat mit sofortiger Wirkung aufzukündigen, unterstellt, er führe sich in seiner psychisch krankhaften Art jeweils derart auf, dass er gerne und jederzeit auf diesen Mandanten verzichten könne, seinen Mandanten herabwürdigend behandelt, ins Lächerliche gezogen und verspottet.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die Berufung des Beschuldigten wegen inhaltlich auf § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO gestützter Nichtigkeit sowie wegen des Ausspruchs über Schuld und Strafe. Der Kammeranwalt ist der Berufung in einer Gegenausführung entgegengetreten.

Der Berufung kommt – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – keine Berechtigung zu.

Nach den vom Disziplinarrat getroffenen Feststellungen hat der sowohl als Rechtsanwalt in Österreich mit Kanzleisitz in ***** in die Liste der Oberösterreichischen Rechtsanwälte eingetragene als auch mit Kanzleisitz in ***** als Rechtsanwalt in Deutschland tätige Beschuldigte W***** als Mandanten in einem Verfahren vor dem Landgericht Regensburg vertreten. Bei Aufkündigung dieses Mandats hat er als dessen damit ehemaliger Vertreter im an Rechtsanwalt ***** in B***** gerichteten Schreiben vom 2. August 2016 ausgeführt „Auf einen Mandanten, der sich in seiner psychisch krankhaften Art jeweils derart aufführte, wie dies von Herrn G***** während des gesamten Verfahrens durchgehend erfolgte, kann ich gerne und jederzeit verzichten“ und sich dabei laut Briefkopf unter Angabe seiner Kanzleisitze in Deutschland und Österreich ausdrücklich auch als „deutscher und österreichischer Rechtsanwalt“ bezeichnet (ES 4, 5).

Der dazu vom Beschuldigten mit der Behauptung, gegenständlich aufgrund der von G***** allein an seine Kanzlei in ***** gerichtete Vollmacht nur als deutscher Rechtsanwalt tätig gewesen zu sein, wiederholte Einwand fehlender inländischer Disziplinargerichtsbarkeit, lässt diese Feststellungen prozessordnungswidrig außer Acht und vermag keine Bedenken gegen die diesbezügliche Beweiswürdigung des Disziplinarrats zu wecken.

Der Berufung ist dazu grundsätzlich zu erwidern, dass der in die Liste der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer eingetragene Beschuldigte gemäß § 20 Abs 1 DSt der Disziplinargewalt dieser Kammer unterliegt, die im Fall eines disziplinären Verhaltens im Zuge dessen Auftretens (auch) als österreichischer Anwalt zuständig ist, ohne dass es auf den Ort der zu beurteilenden Handlung oder Unterlassung oder den Ort des Eintretens eines verpönten Erfolgs ankommt (Lehner in Engelhart et al, RAO9 § 20 DSt, Rz 2; vgl auch 20 Os 17/15y und 20 Os 6/16g).

Ohne Belang für das österreichische Disziplinarverfahren sind das Agieren als deutscher Anwalt vor dem Landgericht Regensburg und rein kanzleiinterne Zuweisungskriterien.

Soweit der Beschuldigte im Weiteren mit Schuldberufung zu seinen laut Spruch inkriminierten Ausführungen eine auf die Herabwürdigung oder Verspottung seines Mandanten abzielende Intention bestreitet und die verwendete Ausdrucksweise als bloßen Hinweis „auf diese aufdringlich uneinsichtige und erklärungsresistente Art des W*****“ verstanden wissen will, übersieht er, dass die Vorsatzform der Absicht (§ 5 Abs 2 StGB) für die Verwirklichung der in Rede stehenden Disziplinarvergehen nicht vorausgesetzt und ihm vom Disziplinarrat auch nicht unterstellt wird. Vielmehr hat der Rechtsanwalt als qualifizierter Jurist sich bei der (insbesondere in schriftlichen Äußerungen regelmäßig bewussten) Wahl seiner Worte stets eines sachlichen und korrekten Tons zu bedienen und ausfällige und beleidigende Äußerungen zu vermeiden (RIS‑Justiz RS0055208; RS0107052).

Zutreffend hat der Disziplinarrat die inkriminierten Ausführungen des Beschuldigten als objektiv geeignet erachtet, seinen ehemaligen Mandanten in der Ehre zu verletzen, herabzuwürdigen und zu verspotten, und dieses Verhalten eines Rechtsanwalts als Verstoß gegen die anwaltliche Treuepflicht gemäß §§ 9 ff RAO und damit als Berufspflichtenverletzung gewertet.

Zum dem Beschuldigten überdies angelasteten Vorwurf der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes überzeugte sich der Oberste Gerichtshof aus Anlass der Berufung jedoch vom Vorliegen einer von Amts wegen wahrzunehmenden materiellen Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO).

Das lediglich an einen anderen Rechtsanwalt gerichtete (über weite Strecken durchaus sachliche Informationen enthaltende) Schreiben ist – ohne einer dem Erkenntnis zu entnehmenden und dem Akteninhalt nach auch nicht indizierten weitergehenden Publizität – nicht von einem derart schwerwiegenden Handlungsunrecht getragen, das ohne der Kenntnis eines größeren Personenkreises (RIS‑Justiz RS0054876; Lehner in Engelhart et al, RAO9 § 1 DSt Rz 12 f, Feil/Wennig, AnwR8 § 1 DSt S 859) die Annahme der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes rechtfertigt. Dieser Schuldspruch war daher ersatzlos aufzuheben.

Bei der durch die Teilkassation erforderlichen Strafneubemessung für das dem Beschuldigten weiterhin zur Last gelegte Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung nach § 1 Abs 1 erster Fall DSt waren keine besonderen Strafzumessungsgründe (§§ 33, 34 StGB) zu berücksichtigen.

Die aus dem Spruch ersichtliche Sanktion erweist sich dem Unrechtsgehalt der Tat und der Schuld des Beschuldigten angemessen, ohne dass sich der Senat veranlasst sah, aufgrund der unbelegt gebliebenen Ausführungen, mit denen die Berufung dem vom Disziplinarrat angenommenen durchschnittlichen Einkommen entgegentritt, eine weitere Korrektur vorzunehmen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 54 Abs 5 DSt iVm § 36 Abs 2 DSt.

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