OGH 20Os17/15y

OGH20Os17/15y23.2.2016

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 23. Februar 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden, den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Fellinger als weiteren Richter und die Rechtsanwälte Dr. Grassner und Dr. Haslinger als Anwaltsrichter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Margreiter, LL.B., als Schriftführerin in der Disziplinarsache gegen Mag. *****, Rechtsanwalt in *****, wegen der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes über die Berufungen des Disziplinarbeschuldigten sowie des Kammeranwalts gegen das Erkenntnis des Disziplinarrates der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer vom 30. März 2015, GZ D 11/14 (DV 38/14), D 15/14 (DV 39/14), TZ 28, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Leitner, des Kammeranwalts der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer Mag. Lughofer, LL.M., und des Disziplinarbeschuldigten zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0200OS00017.15Y.0223.000

 

Spruch:

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Dem Disziplinarbeschuldigten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Erkenntnis, das auch einen unbekämpft gebliebenen Freispruch enthält, wurde Rechtsanwalt Mag. ***** der Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes wegen Verstößen gegen die Bestimmungen des §§ 9 Abs 1, 10 Abs 2, 12 Abs 1 RAO und § 17 RL‑BA [1977] (D 11/14, DV 38/14) sowie des § 9 RAO (D 15/14, DV 39/14) schuldig erkannt und nach § 16 Abs 1 Z 2 DSt zu einer Geldbuße von 2.500 Euro verurteilt, sowie zum Ersatz der Verfahrenskosten verpflichtet.

Danach hat er

a) einen von der Gegenseite auf sein Kanzleikonto bezahlten Schadenersatzbetrag von September 2012 bis März 2014 nicht fristgerecht an seinen Klienten (Thomas G*****) weitergeleitet (D 11/14, DV 38/14);

b) in der zu a) angeführten Rechtssache nach dem durch seinen Klienten erfolgten Vollmachtswechsel an Rechtsanwalt Dr. B***** in ***** ab 1. November 2013 auf kollegiale Anfragen nicht geantwortet und die Ausfolgung von Unterlagen mit dem Hinweis verweigert, dass dieselben bis zur Abrechnung zurückgehalten werden (D 11/14, DV 38/14);

c) von Sommer bis Ende 2013 der von ihm vertretenen Eva M***** nicht ordnungsgemäß über das laufende Mandat gegen die Republik Österreich berichtet (D 15/14, DV 39/14).

Dagegen richten sich die Berufungen des Disziplinarbeschuldigten wegen der Aussprüche über Schuld und Strafe und jene des Kammeranwalts wegen Strafe.

Rechtliche Beurteilung

Der Disziplinarbeschuldigte, der nach dem konstatierten Sachverhalt sowohl in ***** als auch in ***** eine Rechtsanwaltskanzlei betreibt, stützt seine Berufung zu den Schuldsprüchen a) und b) im Kern auf seine bereits im Verfahren erster Instanz erhobene Behauptung, er sei in dieser Angelegenheit stets nur als deutscher Rechtsanwalt tätig gewesen, weshalb er damit nicht dem österreichischen Disziplinarstatut unterliege. Seine Ausführungen, mit denen er neuerlich auf die von Thomas G***** unterzeichnete und bereits im Verfahren vor dem Disziplinarrat berücksichtigte Vollmacht sowie auf die von seiner Seite über seine deutsche Kanzlei abgewickelte Korrespondenz verweist und zu den konstatierten mehrfachen Beratungsgesprächen mit G***** ausschließlich in seiner Kanzlei in ***** bloß eigenständige Erläuterungen vorbringt, vermögen keine Bedenken gegen die Beweiswürdigung des Disziplinarrats zu wecken. Dieser hat aus den ausschließlich in Österreich erfolgten Kontakten des Disziplinarbeschuldigten (der in seiner Berufung im Übrigen auch aufzeigt, mit seinem Firmenbriefkopf als „deutscher und österreichischer Rechtsanwalt“ bzw „österreichischer und deutscher Rechtsanwalt“ aufzutreten) mit seinem Mandanten widerspruchsfrei abgeleitet, dass der Disziplinarbeschuldigte in der gegenständlichen Angelegenheit (zumindest auch) als österreichischer Rechtsanwalt tätig wurde.

Ins Leere geht damit der vom Rechtsmittelwerber gegen den Schuldspruch zu b) vorgebrachte Einwand, er wäre als deutscher Rechtsanwalt dazu berechtigt gewesen, die Akten der Aufforderung von Rechtsanwalt Dr. B***** zuwider bis zur Abrechnung und Begleichung seines Honorars zu verweigern. Dazu ist auch die dem konstatierten Sachverhalt zuwider stehende Behauptung des Disziplinarbeschuldigten, wonach es unrichtig sei, dass Schreiben von Rechtsanwalt Dr. B***** durch ihn nicht beantwortet worden wären, nicht geeignet, Zweifel an der Beweiswürdigung des Disziplinarrats zu begründen.

Der in der Berufung weiters vorgebrachte Einwand, wonach ein Zurückbehalten der beim Disziplinarbeschuldigten eingehenden Zahlung zur direkten Abdeckung von diversen Zahlungen an Gutachter, KFZ‑Standgebühren etc. vereinbart worden wäre und wegen nur spärlichem Einlangens einzelner Schadensnachweise verteilt über ein Jahr nur eine jeweils sukzessive Weiterleitung dieser Unterlagen an die gegnerische Versicherung erfolgen konnte, lässt einen Bezug auf die Beweisergebnisse vermissen. Bedenken gegen die zum Ergebnis einer verspäteten Weiterleitung des am Kanzleikonto des Disziplinarbeschuldigten eingehenden Fremdgeldes führende Beweiswürdigung zum Schuldspruch zu a) folgen daraus ebenso wenig wie Zweifel an der dem Schuldspruch zu b) zugrunde liegenden Beweiswürdigung der verweigerten Ausfolgung von Unterlagen unter Hinweis auf deren Zurückbehaltung bis zur Abrechnung. Soweit der Disziplinarbeschuldigte damit die Vornahme seiner Abzüge vom bei ihm einlangenden Fremdgeld zu rechtfertigen versucht, übersieht er, dass ein derartiger Vorwurf keinen Gegenstand des Verfahrens bildet, und er sich damit auf keine entscheidenden Tatsachen beruft. Dies gilt ebenso für den Einwand, wonach die Feststellungen des Disziplinarrats zur unterlassenen Korrespondenz mit seinem Mandanten unrichtig wären.

Auch mit den Ausführungen zum Schuldspruch zu c) dringt die Schuldberufung nicht durch, weil sie dem konstatierten Sachverhalt im Wesentlichen bloß eine eigene Version des Geschehensverlaufs entgegen hält. Festzuhalten bleibt, dass sich daraus jedenfalls ein ‑ wenngleich vom Disziplinarbeschuldigten selbst angebotenes ‑ Mandat zur Prüfung von Ansprüchen (auch) gegen die Republik Österreich ergibt. Somit bestehen umso weniger Bedenken gegen die Beweiswürdigung des Disziplinarrats zu den Angaben der Zeugin Eva M*****, auf die die getroffene Feststellung des Unterbleibens einer Beantwortung deren Anfragen über den Stand der Angelegenheit im Hinblick auf mögliche Amtshaftungsansprüche gegen die Republik Österreich gestützt wurden.

Die vom Disziplinarbeschuldigten in der Berufung erstatteten Beweisanbote lassen ein Vorbringen iSd § 49 DSt vermissen und sind daher unbeachtlich.

Der Berufung wegen Schuld war daher ‑ in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der dazu erstatteten Äußerung des Disziplinarbeschuldigten ‑ der Erfolg zu versagen.

Der Kammeranwalt zeigt in seiner Strafberufung zutreffend auf, dass dem Disziplinarbeschuldigten mit Rücksicht auf die Tathandlungen sowohl der Nichtbeantwortung kollegialer Anfragen als auch der Verweigerung der Ausfolgung von Unterlagen laut Schuldspruch b) insgesamt vier disziplinäre Verfehlungen anzulasten sind, wobei vor allem die nicht erfolgte Weiterleitung von Fremdgeld durch eineinhalb Jahre laut Schuldspruch a) einen massiven Verstoß darstellt. Im Ergebnis versagt die Strafberufung des Kammeranwalts aber, weil der vom Disziplinarrat angeführte Erschwerungsgrund einer mit der versäumten Ausfolgung von Fremdgeld verbundenen unterbliebenen Inanspruchnahme einer Rechtsschutz-versicherung durch den Disziplinarbeschuldigten ohne dahingehende Feststellungen als erschwerender Umstand gewertet wird. Aus der insoweit vorzunehmenden Korrektur der Strafzumessungsgründe sowohl zugunsten als auch zu Lasten des Disziplinarbeschuldigten folgt, dass die verhängte Geldbuße ‑ zu der die Berufung des Disziplinarbeschuldigten keine Ausführungen enthält ‑ insgesamt dem Unrechtsgehalt der Taten und der Schuld des (bislang disziplinär unbescholtenen) Disziplinarbeschuldigten entspricht, weshalb in diesem Punkt beiden Rechtsmitteln nicht Folge gegeben wurde.

Die Kostenentscheidung gründet auf § 54 Abs 5 DSt.

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