OGH 9Ob2/18m

OGH9Ob2/18m21.3.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner, Mag. Korn und Dr. Stefula in der Rechtssache der klagenden Partei R* GmbH, *, vertreten durch Dr. Georg Uher, Rechtsanwalt in Mistelbach, gegen die beklagten Parteien 1. U* V* und 2. R* V*, beide vertreten durch Dr. Herwig Ernst, Rechtsanwalt in Korneuburg, wegen 13.500 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Berufungsgericht vom 1. Juni 2017, GZ 21 R 117/17d‑21, mit dem der Berufung der beklagten Parteien gegen das Urteil des Bezirksgerichts Korneuburg vom 15. Februar 2017, GZ 19 C 358/16k‑15, Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E121291

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Berufungsurteil wird dahin abgeändert, dass das Ersturteil wiederhergestellt wird.

Die beklagten Parteien sind weiters schuldig, der klagenden Partei die mit 1.554,18 EUR (darin 259,03 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit 2.693,54 EUR (darin 186,58 EUR USt und 1.574,10 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Die Beklagten betrauten die Klägerin im Mai 2016 mit der Vermittlung des Verkaufs ihrer Liegenschaft (samt Haus). Eine Verkäuferprovision sollte von ihnen aber nicht gezahlt werden. Über Vermittlung der als Maklerin tätigen Klägerin kam es zwischen den Beklagten und einer Dritten im Juni 2016 zum Abschluss eines mündlichen Kaufvertrags über die den Beklagten gehörige Liegenschaft zum Kaufpreis von 370.000 EUR. Die Klägerin vereinbarte mit der Käuferin der Liegenschaft die Zahlung einer Provision von 3 % des Kaufpreises zuzüglich USt. Zur Durchführung des Kaufvertrags kam es in der Folge jedoch nicht, weil die Beklagten wenige Tage nach dem Kaufvertragsabschluss erklärten, die Liegenschaft an einen anderen Käufer veräußert zu haben. Zur Zuhaltung gegenüber der Klägerin waren die Beklagten nicht bereit, obwohl diese bereit gewesen wäre; einen Preis von 375.000 EUR zu zahlen.

Die Klägerin begehrt mit der vorliegenden Klage von den Beklagten aus dem Titel des Schadenersatzes die ihr entgangene Käuferprovision. Die Beklagten hätten die Ausführung des bereits erfolgreich vermittelten Geschäfts grundlos vereitelt.

Die Beklagten bestritten das Klagebegehren und wandten ein, der Klägerin gar keinen Vermittlungsauftrag erteilt zu haben. Auch hätten sie mit der ursprünglichen Interessentin (der Dritten) keinen fixen Kaufvertrag abgeschlossen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die Beklagten seien zum Schadenersatz an die Klägerin verpflichtet, weil sie (rechts‑)grundlos von dem bereits zwischen ihnen und der Dritten abgeschlossenen Kaufvertrag Abstand genommen hätten.

Das Berufungsgericht änderte über Berufung der Beklagten das Ersturteil ab und wies das Klagebegehren ab. Zwischen den Pflichten der Beklagten aus dem mit der Dritten abgeschlossenen Kaufvertrag und dem Maklervertrag bestehe kein Rechtswidrigkeitszusammenhang. Der Geschäftsherr werde schadenersatzpflichtig, wenn er in der alleinigen Absicht gehandelt habe, den Vermittler um seine Provision zu bringen bzw wenn sein Verhalten aus besonderen Gründen geradezu wider Treu und Glauben gegen Vertragspflichten verstoßen habe. Ein solches Verhalten liege aber jedenfalls dann nicht vor, wenn der Geschäftsherr den Abschluss des vermittelten Geschäfts deshalb ablehne, weil er vom späteren Interessenten einen höheren Kaufpreis erhalten habe.

Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht nachträglich zugelassen, weil zur Frage der Schadenersatzpflicht des Geschäftsherrn bei grundloser Vereitelung der Durchführung eines bereits abgeschlossenen Kaufvertrags und der zwischen Geschäftsherrn und Makler getroffenen Vereinbarung, wonach bei Vermittlung eines Käufers keine Verkäuferprovision zu zahlen sei, in Verbindung mit den Grundsätzen von Treu und Glauben keine (aktuelle) höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.

In ihrer dagegen gerichteten Revision beantragt die Klägerin die Abänderung des Berufungsurteils im Sinne einer Wiederherstellung des klagsstattgebenden Ersturteils; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagten beantragten in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision der Klägerin mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfsweise ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist zulässig; sie ist auch berechtigt.

1. Die Beklagten hielten dem Schadenersatzbegehren der Klägerin in erster Instanz entgegen, dass sie weder einen Vermittlungsauftrag erteilt noch einen Kaufvertrag abgeschlossen haben. Beides trifft nach den Verfahrensergebnissen nicht zu.

2. Zutreffend weist die Revisionswerberin darauf hin, dass sie ihren Schadenersatzanspruch nicht darauf gründe, dass die Beklagten den Abschluss eines von ihr vermittelten Geschäfts grundlos abgelehnt hätten, sondern dass die Beklagten die Durchführung des von ihr erfolgreich vermittelten und von den Beklagten mit der Käuferin bereits abgeschlossenen Kaufvertrags grundlos vereitelt hätten.

3. Im Falle eines Maklervertrags entfällt der Anspruch auf die bereits entstandene Provision (§ 7 Abs 1 MaklerG), wenn und soweit feststeht, dass der – bereits rechtswirksam abgeschlossene – Vertrag zwischen dem Dritten und dem Auftraggeber aus nicht vom Auftraggeber zu vertretenden Gründen nicht ausgeführt wird (§ 7 Abs 2 MaklerG). Um sich von seiner Provisionspflicht zu befreien, muss der Auftraggeber jedoch nachweisen, dass die Ausführung des vermittelten Geschäfts ohne sein Verschulden unmöglich oder unzumutbar wurde (RIS‑Justiz RS0062994).

4. Liegt – wie hier – ein unentgeltlicher Vermittlungsauftrag vor und hat der Auftraggeber in der Rolle des Verkäufers grundlos (ohne wichtigen Grund) von der Ausführung des vom Makler erfolgreich vermittelten und mit dem Dritten rechtswirksam abgeschlossenen Vertrags Abstand genommen, dann kann er unter den nachstehenden Voraussetzungen dem Makler für die diesem dadurch entgangene Käuferprovision nach den allgemeinen schadenersatzrechtlichen Voraussetzungen haftpflichtig werden.

4.1. Dass der Klägerin durch den nachträglichen Entfall der durch den Kaufvertragsabschluss entstandenen und mit den Käufern auch vereinbarten Käuferprovision ein Schaden in dieser Höhe entstanden ist, wird von den Beklagten im Revisionsverfahren nicht mehr in Frage gestellt (siehe § 7 Abs 2 Satz 1 MaklerG). Die Beklagten machten auch im gesamten Verfahren nicht geltend, sie hätten aus wichtigem Grund vom bereits mit der Erstkäuferin abgeschlossenen Kaufvertrag Abstand genommen. Vielmehr lag der Grund für den nachträglichen Sinneswandel der Beklagten offensichtlich in der Möglichkeit, bei einem einseitigen Abgehen von einem bereits abgeschlossenen Kaufvertrag von einem anderen Käufer einen noch höheren Kaufpreis für die Liegenschaft zu erzielen.

4.2. Unter dem Titel „Rechte und Pflichten aus dem Maklervertrag – Interessenwahrung und Unterstützung“ bestimmt § 3 Abs 2 MaklerG, dass der Auftraggeber den Makler bei der Ausübung seiner Vermittlungstätigkeit redlich zu unterstützen und eine Weitergabe von mitgeteilten Geschäftsgelegenheiten zu unterlassen hat. Verletzt der Auftraggeber seine Pflichten gegenüber dem Makler, kann von ihm bei Vorliegen auch der übrigen Voraussetzungen nach allgemeinen Grundsätzen Schadenersatz verlangt werden (§ 3 Abs 4 Satz 1 MaklerG; RIS‑Justiz RS0116638).

4.3. Nach ständiger Rechtsprechung lässt der Abschluss eines Vertrags nicht bloß die Hauptpflichten entstehen, die für den betreffenden Vertragstyp charakteristisch sind, sondern erzeugt auch eine Reihe von Nebenpflichten, zu denen auch die Schutz- und Sorgfaltspflichten gehören. Der Schuldner hat sich so sorgfältig zu verhalten, dass die Rechtsgüter des Gläubigers, mit denen er in Berührung kommt, nach Tunlichkeit vor Schaden bewahrt bleiben (RIS‑Justiz RS0017049; RS0013999). Durch den rechtsgeschäftlichen Kontakt und den Vertragsschluss wird nämlich die Einflussmöglichkeit jedes Teils auf die Sphäre des anderen verstärkt. Dieser Erhöhung der Gefährdung entspricht ein erhöhtes Schutzbedürfnis. Für die Berücksichtigung solcher Schutzpflichten spricht auch das allgemeine Interesse an einer möglichst reibungslosen Abwicklung des Vertragsverhältnisses (RIS‑Justiz RS0013970). Auch die Verletzung dieser Nebenpflichten kann zu einer Schadenersatzpflicht führen (vgl RIS‑Justiz RS0017049).

4.4. Im Zusammenhang mit einem unentgeltlichen Vermittlungsauftrag wurde in der Rechtsprechung bereits ausgeführt, dass auch ein derartiger Vertrag nach Treu und Glauben nur dahin ausgelegt werden kann, dass der Vermittler den Abschluss einer Vereinbarung zwischen dem Auftraggeber und einem Interessenten zustande bringen soll, dass aber auch der Auftraggeber alles ihm Mögliche zu unternehmen hat, um die Ausführung des zwischen ihm und dem Interessenten abzuschließenden Vertrags realisierbar zu machen. Diesbezüglich besteht also eine Verpflichtung des Auftraggebers gegenüber dem Vermittler. Gerade dann, wenn der Auftraggeber an den Vermittler keine Provision zahlen soll, ist in der Regel klar, dass bei Abschluss des Geschäfts ein Dritter die Provision an den Vermittler zu zahlen haben wird. Dies wurde auch von den Beklagten nicht in Abrede gestellt. Das vertragswidrige Verhalten des Auftraggebers kann daher einen Schadenersatzanspruch des Vermittlers begründen, wenn diesem die sonst seitens des Dritten zugekommene Provision durch das vertragswidrige Verhalten des Auftraggebers entgangen ist (7 Ob 704/80; vgl zum entgeltlichen Vermittlungsauftrag 6 Ob 138/72; 7 Ob 531/80). In der Entscheidung 5 Ob 634/82 unterblieb der Zuspruch eines vergleichbaren Schadenersatzes an den Vermittler nur deshalb, weil der Auftraggeber nachweisen konnte, dass ihm die Zuhaltung des bereits abgeschlossenen Vertrags aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen nicht zumutbar war.

5. Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass der zwischen den Parteien abgeschlossene unentgeltliche Maklervertrag die Pflicht der Beklagten als Auftraggeber in der Verkäuferrolle beinhaltete, die Interessen der Klägerin zu wahren und alles ihnen Zumutbare zu unterlassen, was zum nachträglichen Entfall des durch den Geschäftsabschluss bereits entstandenen Provisionsanspruchs der Klägerin gegenüber der Käuferin führt. Gerade aufgrund der Unentgeltlichkeit des Maklervertrags für die Beklagten musste ihnen klar sein, dass die Klägerin nur deshalb für die Beklagten tätig wird, weil ihre Tätigkeit im Falle einer erfolgreichen Vermittlung von der Käuferseite entlohnt wird (vgl Fromherz, Kommentar zum MaklerG, Rz 181). Da die Beklagten ihre Schutz- und Sorgfaltspflichten aus dem Maklervertrag schuldhaft verletzten, sind sie der Klägerin zum Schadenersatz für die ihr entgangene – der Höhe nach unstrittige – Käuferprovision verpflichtet. Das vertragswidrige Verhalten der Beklagten wird durch ihr Streben nach einem besseren Kaufpreis nicht entschuldigt.

In Abänderung der Berufungsentscheidung war daher das der Klage stattgebende Urteil des Erstgerichts wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 5041 ZPO. Der ERV‑Erhöhungsbetrag gemäß § 23a RATG für die Berufung und die Revision beträgt nur jeweils 2,10 EUR, weil ein Rechtsmittel kein das Verfahren einleitender Schriftsatz ist (RIS‑Justiz RS0126594).

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