European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E121012
Spruch:
Der Revisionsrekurs und die Revisionsrekursbeantwortung werden zurückgewiesen.
Begründung:
Der im Juni 1991 geborene Antragsgegner begann am 1. Oktober 2012 an der Universität Wien das Bachelorstudium Geographie mit zu absolvierenden Prüfungen im Gesamtumfang von 180 ECTS-Punkten bei einer Regelstudiendauer von sechs Semestern. Bis 28. Dezember 2016 (also im 9. Semester) hatte er erst 113 ECTS-Punkte (davon 25 ETCS-Punkte im 8. Semester) erreicht, das sind rund 63 % der für den Abschluss des Studiums erforderlichen Gesamtzahl.
Gegenstand des am 1. Juli 2014 vorerst mit dem Antrag des Vaters auf Herabsetzung ab 1. Jänner 2014 eingeleiteten und am 23. Juni 2016 in einen Enthebungs- und Oppositionsantrag modifizierten Unterhaltsverfahrens ist vor allem die Frage, ob der Antragsgegner mangels ernsthafter und zielstrebiger Verfolgung seines Bachelorstudiums schon seit 1. Jänner 2014 als selbsterhaltungsfähig anzusehen ist. Beide Vorinstanzen bejahten dies. Das Rekursgericht ließ nachträglich den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil eine Klarstellung in Ansehung der vom Antragsgegner in Zweifel gezogenen, stets zu wahrenden Rechtssicherheit angezeigt sei.
Rechtliche Beurteilung
Weder damit noch im Revisionsrekurs des Antragsgegners wird eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG aufgezeigt; dieser ist mit kurzer, auf die Zurückweisungsgründe beschränkter Begründung (§ 71 Abs 3 AußStrG) ungeachtet des nicht bindenden Ausspruchs des Rekursgerichts als nicht zulässig zurückzuweisen. Die Revisionsrekursbeantwortung des Antragstellers ist als verspätet zurückzuweisen.
1. Der (von Anfang an vertretene) Antragsgegner ließ in erster Instanz umfangreiches und detailliertes Vorbringen des Antragstellers unbestritten, dessen Widerlegung ihm leicht möglich gewesen wäre bzw dass es auf einer vom Antragsgegner vorgelegten Urkunde basiert.
1.1. So brachte der Antragsteller mehrfach (ON 31 und 35) vor, dass die durchschnittliche Studiendauer für das vom Antragsgegner betriebene Geographiestudium an der Universität Wien 8,1 Semester betrage und belegte dies mit einer entsprechenden Bestätigung des Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft vom 17. Juni 2016. Dem widersprach der Antragsgegner weder in seiner Äußerung ON 34 noch im weiteren Verfahren, obwohl ihm schon am 22. Jänner 2015 eine vom Erstgericht eingeholte Mitteilung der Universität Wien vom 19. Dezember 2014 zugestellt worden war, in der aus der sich für das betreffende Geographie‑Bachelorstudium die durchschnittliche Studiendauer für 2011 mit 9,7 Semestern, für 2012 mit 9,9 Semestern und für 2013 mit 9,5 Semestern ergab (ON 14).
1.2. Auf der Grundlage der vom Antragsgegner mit der Äußerung ON 34 vorgelegten Bestätigung der Universität Wien vom 20. Dezember 2016 über positiv absolvierte Prüfungen stellte der Antragsteller in seinem Schriftsatz ON 35 die Studientätigkeit des Antragsgegners detailliert gegliedert nach Semestern und darin erreichten ECTS-Punkten wie folgt dar: 1. Semester (WS 2012/2013) 20 Punkte, 2. Semester (SS 2013) 5 Punkte, 3. Semester (WS 2013/2014) 8 Punkte, 4. Semester (SS 2014) 13 Punkte, 5. Semester (WS 2014/2015) 10 Punkte, 6. Semester (SS 2015) 15 Punkte, 7. Semester (WS 2015/2016) 17 Punkte, 8. Semester (SS 2016) 25 Punkte und 9. Semester (WS 2016/2017) 0 Punkte. Dieses dem Inhalt der vom Antragsgegner vorgelegten Urkunde entsprechende Vorbringen ließ dieser nicht nur unbestritten, er übernahm es vielmehr zum 8. Semester (SS 2016) in die Ausführung seines Revisionsrekurses.
1.3. Die Vorinstanzen trafen zu diesen Themen keine Feststellungen (das Rekursgericht gab aber den Inhalt der Mitteilung ON 14 wieder und legte diesen – erkennbar zugunsten des Antragsgegners [arg S 5 der Rekursentscheidung: „Auch unter Bedachtnahme auf ...“] – seinen weiteren Ausführungen zugrunde). Daher sind die durchschnittliche Studiendauer von 8,1 Semestern und die in den einzelnen Semestern erreichten ECTS-Punkte als unstrittige Tatsachen (§ 33 Abs 1 AußStrG; Höllwerth in Gitschthaler/Höllwerth AußStrG § 33 Rz 17 mwN) den folgenden rechtlichen Überlegungen zu unterstellen.
2. Wegen des im Revisionsrekursverfahren herrschenden Neuerungsverbots (§ 66 Abs 2 AußStrG; RIS‑Justiz RS0119918) müssen die erstmals im Revisionsrekurs erhobenen Behauptungen des Antragsgegners zu im 9. und 10. Semester (doch) noch zusätzlich erzielten ECTS-Punkten unbeachtet bleiben. Von der von § 49 AußStrG gebotenen Möglichkeit, Neuerungen im Rekursverfahren unter Umständen vortragen zu können, machte der Antragsgegner keinen Gebrauch.
3. Durch die Aufnahme eines Studiums wird der Eintritt der Selbsterhaltungsfähigkeit des Kindes so lange hinausgeschoben, wie die durchschnittliche Dauer dieses Studiums beträgt. Auch während dieses Zeitraums hat das Kind aber nur Anspruch auf Unterhalt, wenn es das Studium ernsthaft und zielstrebig betreibt (RIS-Justiz RS0083694; RS0110600 [T6]). Diese Frage kann nur nach den Umständen des konkreten Einzelfalls beurteilt werden, sodass– abgesehen von einer hier nicht gegebenen krassen Fehlbeurteilung des Rekursgerichts – einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofs keine Bedeutung zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung zukommt (RIS-Justiz RS0047580 [T3]).
Der Oberste Gerichtshof hat für Bakkalaureatsstudien bereits ausgesprochen, dass bei Fehlen einer Gliederung in Studienabschnitte die erforderliche Kontrolle des periodischen Studienfortgangs durch eigenständige Beurteilung der vom Unterhaltswerber erbrachten Leistungen erfolgen muss (RIS-Justiz RS0120928). Wesentlich ist der ex post betrachtete Studienfortgang unter Berücksichtigung der durchschnittlichen Studiendauer, also weder die kürzest mögliche Studiendauer noch die in den Studienplänen oder „Studienguides“ angeführte (Mindest-)Semesteranzahl (3 Ob 51/14t mwN). Der Anspruch auf Unterhalt erlischt dabei auch dann nicht, wenn die durchschnittliche Studiendauer erreicht wird, jedoch besondere Gründe vorliegen, die ein längeres Studium gerechtfertigt erscheinen lassen (RIS-Justiz RS0047687 [T1]; 9 Ob 34/16i mwN).
Maßgeblicher Zeitpunkt der Beurteilung ist die Beschlussfassung erster Instanz (§ 53 AußStrG; 3 Ob 51/14t mwN; RIS-Justiz RS0006801 [T6]) am 20. April 2017.
3.1. Angesichts der durchschnittlichen Studiendauer des vom Antragsgegner gewählten Bachelorstudiums von 8,1 Semestern fiel das angemessene Studienende in das (beginnende) 9. Semester (WS 2016/2017) und damit auf einen Zeitpunkt vor Beschlussfassung erster Instanz.
Soweit der Antragsgegner im Revisionsrekurs versucht, besondere Gründe für ein darüber hinaus dauerndes Studium geltend zu machen, wird übersehen, dass er sich weder in erster noch in zweiter Instanz darauf berief, vom Antragsteller abgelehnte Kontakte und fehlende Kommunikation mit diesem oder mangelnde Kapazitäten der Prüfer seien die Ursache für seine längere Studiendauer. Der weiters ins Treffen geführte Aufwand für die Vorbereitung auf Prüfungen ist in der durchschnittlichen Studiendauer ohnehin berücksichtigt.
Spätestens mit Ablauf des 9. Semesters (Ende Februar 2017) ist daher vom Erlöschen des Unterhaltsanspruchs des Antragsgegners auszugehen.
3.2. Für die Zeit davor ab dem 1. Jänner 2014, ab der der Antragsteller die Unterhaltsenthebung geltend macht, ist Folgendes zu bedenken:
Sind bei einer durchschnittlichen Studiendauer von 8,1 Semestern 180 ECTS-Punkte zu erreichen, erfordert das ein durchschnittliches Erzielen von 22,2 ECTS-Punkten pro Semester. Einschließlich seines 3. Semesters (in das der 1. Jänner 2014 fällt) erarbeitete sich der Antragsgegner in der Folge 8, 13, 10, 15, 17, 25 und 0 ECTS-Punkte pro Semester, studierte also (wie schon in seinen ersten beiden Semestern mit 20 und 5 ECTS-Punkten) zum überwiegenden Teil mit stark unterdurchschnittlichem Erfolg. Die einzige Ausnahme im 8. Semester (mit 25 ECTS-Punkten) lässt schon deshalb keine Trendumkehr erkennen, weil für das folgende 9. Semester vom Erreichen gar keiner ECTS-Punkte auszugehen ist; daran würden auch die vom Antragsgegner im Revisionsrekurs für diesen Zeitraum behaupteten 9 ECTS‑Punkte nichts ändern. Als Ergebnis einer (auch vom Antragsgegner geforderten) Gesamtbetrachtung sind daher in keiner Phase des hier zu beurteilenden Zeitraums weit überdurchschnittliche Studienleistungen – wie sie der Revisionsrekurs reklamiert – zu erkennen.
Die logische Folge der fast durchgehend stark unterdurchschnittlichen Studienleistung ist, dass der Antragsgegner bei Ende der angemessenen Studiendauer erst über insgesamt 113 ECTS-Punkte verfügte, also bloß 63 % der für den Abschluss des Studiums innerhalb der (ohnehin bloß) durchschnittlichen Dauer erforderlichen Leistungen erbracht hat. Die damit im Einklang stehende Rechtsansicht des Rekursgerichts, der Antragsgegner habe sein Studium nicht ernsthaft und zielstrebig betrieben, stellt daher keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung dar (vgl 6 Ob 118/14t).
4. Gemäß § 68 Abs 1 AußStrG beträgt die Frist für die Revisionsrekursbeantwortung vierzehn Tage. Die Frist beginnt nach § 68 Abs 3 Z 2 AußStrG bei einer Zulassungsvorstellung, mit der ein ordentlicher Revisionsrekurs verbunden ist, mit der Zustellung der Mitteilung des Rekursgerichts, dass den anderen aktenkundigen Parteien die Beantwortung des Revisionsrekurses freigestellt werde. Diese Mitteilung ist dem Vertreter des Vaters am 12. Oktober 2017 zugestellt worden. Dieser hat die Revisionsrekursbeantwortung zwar am 26. Oktober 2017 im ERV eingebracht, jedoch an das Erstgericht adressiert, obwohl sie gemäß § 68 Abs 4 Z 1 AußStrG beim Rekursgericht einzubringen gewesen wäre. Dort langte sie – nach Weiterleitung durch das Erstgericht – erst am 30. Oktober 2017 ein. Die Anwendung des § 89 GOG hat zur Voraussetzung, dass die Anschrift der Postsendung an jenes Gericht lautet, bei dem die Eingabe gesetzmäßig zu überreichen ist, andernfalls entscheidend nur der Tag ihres Einlangens beim zuständigen Gericht (RIS-Justiz RS0041608 [T22], RS0041653 [T8]). Die in den Gesetzesmaterialien zu § 89d GOG vorgesehene Funktion der Bundesrechenzentrum GmbH als „vorgelagerte Einlaufstelle des Gerichts“ ändert nichts daran, dass ein im Wege des ERV übermitteltes Schriftstück – unter Nichteinrechnung des Postlaufs – nur dann als rechtzeitig eingebracht angesehen werden kann, wenn es durch Angabe des jeweils zutreffenden „Dienststellenkürzels“ an das richtige Gericht adressiert war. Wurde hingegen die Dienststellenkennzeichnung des Adressatgerichts anlässlich der Eingabe des Rechtsmittels unrichtig angegeben und langte der Schriftsatz deshalb beim falschen Gericht ein, das ihn (mit Zeitverzögerung) an das zuständige Gericht übermitteln musste, so ist die Eingabe nur dann als rechtzeitig anzusehen, wenn sie noch innerhalb der Rechtsmittelfrist beim zuständigen Gericht einlangt (RIS‑Justiz RS0124533; jüngst 5 Ob 128/17k). Da dies hier nicht der Fall war, ist die somit verspätete Revisionsrekursbeantwortung zurückzuweisen.
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