OGH 14Os9/18g

OGH14Os9/18g6.3.2018

Der Oberste Gerichtshof hat am 6. März 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Albu als Schriftführer in der Strafsache gegen Branislav D***** wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 28. November 2017, GZ 114 Hv 30/17t‑79, und weiters über die Beschwerden des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen den gemeinsam mit dem Urteil gefassten Beschluss auf Absehen vom Widerruf einer bedingten Entlassung und Verlängerung der Probezeit nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0140OS00009.18G.0306.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerden werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Branislav D***** je eines Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (I) und des Diebstahls nach § 127 Abs 1 StGB (II) sowie des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (III) schuldig erkannt.

Danach hat er in W*****

(I) am 24. Februar 2017 Katharina S***** mit Gewalt zur Duldung der Wegnahme ihres Mobiltelefons genötigt, indem er ihr einen Stoß versetzte und ihr das Gerät entriss;

(II) am 22. Februar 2017 der Trafikantin Marietta Sc***** mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz ein Los „Casino“ im Wert von 7 Euro weggenommen, indem er über das Verkaufspult griff und das Los aus einem Behälter zog;

(III) am 24. Februar 2017 der Trafikantin Nadine W***** mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz 1.065 Euro mit Gewalt weggenommen, indem er sie verbal und mit Körperkraft zwang, sich niederzuknien, ihren Kopf nach unten drückte und das Geld aus der Kassenlade an sich nahm.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 9 lit a und b und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

Inhaltlich des – nominell auf Z 5 erster, zweiter und dritter Fall gestützten – Vorbringens zum Schuldspruch I vermisst die Beschwerde zunächst – hinreichend deutliche – Feststellungen zur Intensität der eingesetzten Gewalt und „zur Willensbeugung des Tatopfers“ (der Sache nach Z 5 erster Fall und Z 9 lit a; vgl dazu Ratz, WK-StPO § 281 Rz 570 f).

Mit dem bloßen Hinweis auf die diesbezügliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs leitet sie aber nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab, inwiefern im konkreten Fall der – unmissverständlich – konstatierte Stoß (ein „richtiger Rempler“; US 8) gegen das Opfer in Verbindung mit dem Entreißen des Telefons (US 5) nicht dem Gewaltbegriff des § 105 Abs 1 StGB

entsprechen

, der Krafteinsatz also die hiefür maßgebliche Erheblichkeitsschwelle

nicht erreichen sollte (vgl RIS‑Justiz

RS0093620, RS0093617). Ebensowenig gibt sie bekannt, aus welchem Grund die dargestellte, nach den weiteren (gleichfalls klaren) Feststellungen mit auf Nötigung zur Duldung der Sachwegnahme gerichtetem Vorsatz gesetzte (US 6) Tathandlung nicht zur Überwindung eines – schon mit Blick auf den Umstand, dass Katharina S***** gerade ein Telefonat führte (erneut US 5) – zu erwartenden Widerstands des Opfers geeignet oder dazu bestimmt gewesen sein sollte, dieses zu einem seiner Intention widersprechenden Willensakt (eben zur Duldung der Sachwegnahme) zu zwingen (vgl erneut RIS-Justiz RS0093620;

13 Os 22/16h).

Solcherart vermag sie einerseits Undeutlichkeit nach Z 5 erster Fall nicht aufzuzeigen und verfehlt andererseits die prozessordnungskonforme Ausführung der Rechtsrüge (

RIS-Justiz RS0116565,

RS0116962, RS0099810).

Bei ihrem – mit Blick auf die Voraussetzungen des § 105 Abs 2 StGB erhobenen – weiteren Einwand von Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) geht die Mängelrüge prozessordnungswidrig nicht von der Gesamtheit der Entscheidungsgründe aus (RIS-Justiz RS0119370). Das Erstgericht hat die relevierte (ursprüngliche) Behauptung des Beschwerdeführers, nach der er das weggenommene Mobiltelefon für sein eigenes hielt, nämlich sehr wohl in seine Überlegungen einbezogen, ist dieser aber – deutlich genug – mit Blick auf seine zuletzt geständige Verantwortung zur Nötigung nicht gefolgt (US 8) und hat folgerichtig das Vorliegen von Bereicherungsvorsatz nicht auf Basis dieser Einlassung, sondern aufgrund des Nachtatverhaltens des Angeklagten verneint (US 9).

Die Ableitung der Konstatierungen zur subjektiven Tatseite des § 105 Abs 1 StGB aus dem zuletzt abgelegten Geständnis und dem objektiven Täterverhalten (US 8 und 10) entspricht sowohl den Gesetzen logischen Denkens als auch grundlegenden Erfahrungssätzen und begegnet damit dem Beschwerdestandpunkt zuwider unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) keinen Bedenken (RIS-Justiz RS0116882).

Mit urteilsfremden Schlussfolgerungen aus Passagen der Feststellungen des Erstgerichts zur – vom Tatopfer beobachteten – Flucht des Täters unmittelbar nach dem vom Schuldspruch III umfassten Raubüberfall und zur wenige Minuten danach erfolgten Sicherstellung einer (vom Täter zur Tatzeit getragenen) Jacke und einer Haube mit DNA-Spuren des Angeklagten im hintersten (zum angrenzenden Garten führenden) Hausflur des Wohnhauses, in dem auch die Trafik situiert war (US 7), zeigt die Beschwerde einen nominell angesprochenen Begründungsmangel im Sinn der Z 5 zweiter oder dritter Fall nicht auf.

Im Übrigen übergeht sie mit ihrer These, die Auffindung der Bekleidungsstücke setze eine – zeitlich nicht mögliche und „jeglicher Täterlogik widersprechende“ Rückkehr des Angeklagten zum Tatort nach gelungener Flucht voraus, die weiteren Urteilsannahmen, nach denen das Opfer den Täter zwischen Überfall und Flucht nicht lückenlos beobachtete, sondern zunächst auf die Straße flüchtete, während der Täter das Gebäude erst kurz danach verließ (erneut US 7).

Indem die Tatsachenrüge (Z 5a) an das eben erörterte Vorbringen der Mängelrüge anknüpft und dieses um weitere Spekulationen zum nach der „allgemeinen menschlichen Erfahrung“ zu erwartenden Täterverhalten ergänzt, vermag sie keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen zum Schuldspruch III zu wecken (RIS-Justiz RS0099674).

Die Rechtsrüge zum Schuldspruch I behauptet einerseits verfehlte rechtliche Beurteilung des Urteilssachverhalts als Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (Z 9 lit a) und kritisiert andererseits die Nichtannahme des Rechtfertigungsgrundes nach § 105

Abs 2 StGB (Z 9 lit b), baut dabei aber auf den – nach dem Vorgesagten verfehlten – Prämissen des auf Z 5 gestützten Vorbringens auf und verfehlt solcherart insgesamt den in den Sachverhaltsannahmen der Tatrichter gelegenen Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (erneut RIS-Justiz RS0099810).

Zum Schuldspruch II verweist die weitere (auf einen Freispruch mangels erteilter Ermächtigung nach § 141 Abs 2 StGB abzielende) Rechtsrüge (Z 9 lit b, nominell auch Z 5 und 10; vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 635) auf den geringen Beutewert und vermisst Feststellungen zu den privilegierenden Tatbestandsmerkmalen des § 141 Abs 1 StGB. Sie erschöpft sich aber in der Folge einmal mehr in allgemeinen Rechtsausführungen und der bloßen Behauptung, der Angeklagte habe zur Befriedigung eines Gelüstes (des unmittelbar nach der Tat befriedigten „Bedürfnisses, um Geld zu spielen“) und aus Unbesonnenheit gehandelt, zumal er „seit mehr als zehn Jahren kein Delikt gegen fremdes Vermögen verwirklicht hatte“, ohne derartige Konstatierungen indizierende Verfahrensergebnisse zu nennen. Damit wird sie den Anforderungen an die gesetzmäßige Geltendmachung eines Feststellungsmangels nicht gerecht (RIS-Justiz RS0118580; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 600 ff).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerden (in Bezug auf den Angeklagten nach § 498 Abs 3 dritter Satz StPO

impliziert) folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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