OGH 14Os12/18y

OGH14Os12/18y6.3.2018

Der Oberste Gerichtshof hat am 6. März 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Albu als Schriftführer in der Strafsache gegen Karl‑Heinz F***** wegen der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Schöffengericht vom 19. Oktober 2017, GZ 13 Hv 66/17v‑47, über dessen Beschwerden gegen den zugleich gefassten Beschluss nach § 494a Abs 1 StPO sowie gegen den Beschluss der Vorsitzenden dieses Gerichts vom 24. November 2017, GZ 13 Hv 66/17v‑52, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0140OS00012.18Y.0306.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde gegen den Beschluss nach § 494a Abs 1 StPO werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Karl‑Heinz F***** zweier Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 1. und 8. April 2017 in S***** (US 5) mit der am 5. Dezember 2003 geborenen A***** K***** dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen unternommen, indem er sie unmittelbar nachdem er sie intensiv an der Brust berührt und geküsst hatte, mit seinem Finger mehrfach vaginal penetrierte.

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Mit Beschluss der Vorsitzenden des Schöffengerichts vom 24. November 2017 (ON 52) wurde ferner die schriftliche Urteilsausfertigung dahingehend berichtigt, dass der in den Feststellungen zur subjektiven Tatseite genannte Name „T***** B*****“ durch „A***** K*****“ ersetzt wurde (vgl US 6), wogegen der Angeklagte Beschwerde erhob.

Rechtliche Beurteilung

Zur Nichtigkeitsbeschwerde:

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch die Abweisung des Antrags auf Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Fachbereich der Psychiatrie zum Beweis, „dass an den Angaben der Zeugin A***** K***** kein wahres Wort dran ist“, dies nicht zuletzt vor dem Hintergrund der „von der Zeugin S***** angeführten psychischen Beeinträchtigungen, wie Kot schmieren“, was den Schluss nahelege, dass sich die Zeugin A***** K***** „eventuell aufgrund von Vorfällen aus der Vergangenheit (...) etwas zusammenreimt“ (ON 44 S 37 f), Verteidigungsrechte nicht verletzt. Denn der Antrag ließ nicht erkennen, weshalb die Zeugin die Zustimmung zu ihrer Begutachtung erteilen werde (vgl ON 44 S 38; RIS‑Justiz RS0108614, RS0118956). Die Kritik, das Schöffengericht hätte prüfen müssen, ob sich die Zeugin einer Untersuchung unterziehen würde, oder ein Aktengutachten einzuholen gehabt, übersieht einerseits, dass eine Verpflichtung des Gerichts zu amtswegiger Ergänzung eines Beweisantrags nicht besteht (RIS‑Justiz RS0108614 [T1, T2]), und legt andererseits – unter dem Aspekt einer Aufklärungsrüge (Z 5a) – nicht dar, wodurch der Beschwerdeführer an entsprechender Antragstellung gehindert war (vgl RIS-Justiz RS0115823). Im Übrigen macht der Antrag mit dem bloßen Verweis auf psychische Beeinträchtigungen „wie Kot schmieren“ nicht klar, warum im konkreten Fall jene besonderen Voraussetzungen vorliegen, die (ausnahmsweise) die Hilfestellung eines Sachverständigen zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit eines Zeugen erfordern (vgl RIS‑Justiz RS0120634, RS0097733). Das zur Fundierung des Antrags nachgetragene Beschwerdevorbringen, nämlich die Behauptung eines Verdachts des sexuellen Missbrauchs der Zeugin vor den tatgegenständlichen Ereignissen, ist aufgrund des

insoweit geltenden Neuerungsverbots unbeachtlich (RIS-Justiz RS0099618, RS0098978).

Die Undeutlichkeit, Unvollständigkeit und Widersprüchlichkeit (vgl zu diesen Begründungsmängeln aber RIS-Justiz RS0099425, RS0118316, RS0099548) reklamierende Mängelrüge (Z 5 erster, zweiter und dritter Fall) spricht mit ihrer Kritik an der durch den Beschluss der Vorsitzenden vom 24. November 2017 berichtigten Urteilspassage keine entscheidende Tatsache an, zumal schon die übrigen Feststellungen zur subjektiven Tatseite (US 6) den Schuldspruch tragen, denen zufolge es der Angeklagte ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand, „mit der am 5. Dezember 2003 geborenen A***** K*****, mithin an einer unmündigen Person, dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen zu unternehmen, indem er sie am 1. und 8. April 2017 (…) mit seinem Finger mehrfach vaginal penetrierte“ (vgl zum Vorsatz Philipp in WK 2 StGB § 206 Rz 20). Weshalb im Übrigen die Übernahme von Passagen aus anderen Urteilsbegründungen und die irrtümliche Nennung eines aktenfremden Namens per se Willkür darstellen soll, erklärt die Beschwerde nicht.

Indem die Mängelrüge die Feststellungen zur objektiven Tatseite (US 5 f) durch Hinweise auf Widersprüche in den Angaben der Zeugin A***** K***** zur zeitlichen Einordnung der Vorfälle sowie zur Funktionstüchtigkeit des Bettes in der Wohnung des Angeklagten in Frage stellt, bekämpft sie die Beweiswürdigung des Schöffengerichts nach Art einer – im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen – Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld.

Durch Kritik an der Beweiswürdigung des Erstgerichts zur Glaubwürdigkeit der Zeugin A***** K***** (US 8 f) leitet die Tatsachenrüge (Z 5a) Bedenken gegen die getroffenen Feststellungen prozessordnungswidrig nicht aus den Akten, sondern nur aus den Erwägungen der Tatrichter und aus eigenen beweiswürdigenden Überlegungen ab (RIS‑Justiz RS0117961).

Gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche steht dem Angeklagten (nur) das Rechtsmittel der Berufung zur Verfügung (§ 283 Abs 1 und Abs 4 StPO), weshalb die Nichtigkeitsbeschwerde mit der Behauptung, der Privatbeteiligtenzuspruch werde bekämpft, weil sich aus den in der Tatsachenrüge angesprochenen Bedenken „insgesamt erhebliche Zweifel ob der Tatbegehung“ ergeben würden und der Angeklagte im Zweifel freigesprochen werden hätte müssen, ins Leere geht.

Soweit die Beschwerde das Urteil nominell auch aus Z 11 bekämpft, dazu aber inhaltlich nicht argumentiert, war auf sie keine

Rücksicht zu nehmen (§ 285 Abs 1 zweiter Satz StPO).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde gegen den gemeinsam mit dem Urteil gefassten Beschluss nach § 494a Abs 1 StPO folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 letzter Satz StPO).

Zur Beschwerde:

Die gegen den Protokollberichtigungsbeschluss vom 24. November 2017 (ON 52) gerichtete Beschwerde ist (ohne inhaltliche Erwiderung) durch die Entscheidung über die Nichtigkeitsbeschwerde erledigt, weil letztere – aus den bereits dargelegten Gründen – auch ohne Zugrundelegung der bekämpften Urteilsberichtigung erfolglos geblieben wäre (RIS‑Justiz RS0126057 [T2]).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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