European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:009OBA00155.17K.0227.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung:
Der Kläger war vom 15. 3. 1976 bis 20. 6. 1991 bei der R***** P***** GesmbH beschäftigt. Das Dienstverhältnis endete durch berechtigten Austritt des Klägers infolge Konkurses des Dienstgebers. Der Kläger erhielt vom Insolvenz‑Ausfallgeld‑Fonds eine Abfertigung in Höhe von sechs Monatsentgelten. Am 26. 6. 1991 trat er wieder in ein Dienstverhältnis mit dieser Gesellschaft ein. Vom 28. 7. bis 12. 8. 1991 (Betriebsurlaub) war er bei der Gebietskrankenkasse abgemeldet. Mit Vertrag vom 15. 2. 2006 erfolgte ein Betriebsübergang auf die Beklagte. Am 30. 6. 2016 endete schließlich das zweite Dienstverhältnis des Klägers infolge Pensionierung. Die Beklagte zahlte dem Kläger eine Abfertigung von sechs Monatsentgelten aus.
Die Vorinstanzen teilten die Ansicht des Klägers, dass ihm anlässlich der Beendigung des zweiten Dienstverhältnisses eine gesetzliche Abfertigung von zwölf Monatsentgelten zustehe, wovon fünf der restlichen sechs Monatsentgelte bereits fällig und von der Beklagten zu zahlen seien. Nach der Rechtsprechung hätten die im Jahr 1991 abgefertigten Zeiten außer Betracht zu bleiben.
Die Beklagte steht dagegen zusammengefasst auf dem Standpunkt, dass die Abfertigung des Klägers auf Basis der Gesamtdienstzeit (seit 1976) unter betragsmäßiger Anrechnung der Zwischenabfertigung zu ermitteln sei, woraus sich eine Abfertigung von zwölf Monatsentgelten abzüglich der ihm bereits im Jahr 1991 geleisteten sechs Monatsentgelte ergebe. Diese Differenz habe sie dem Kläger ohnehin gezahlt.
Rechtliche Beurteilung
In ihrer außerordentlichen Revision zeigt die Beklagte keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf:
1. Dass die Abmeldung des Klägers von der Gebietskrankenkasse in der Zeit vom 28. 7. bis 12. 8. 1991 das zweite Dienstverhältnis in abfertigungsrechtlicher Hinsicht nicht unterbrochen hat, ist hier schon aufgrund der Kürze dieses Zeitraums und der sachlichen Zusammengehörigkeit der davor und danach liegenden Zeiten nicht weiter zweifelhaft (vgl RIS‑Justiz RS0028387, zB 8 ObA 202/97g [16‑tägige Unterbrechung]). Das zweite Dienstverhältnis wies damit eine mehr als 25‑jährige Dauer auf.
2. Bereits abgefertigte Zeiten sind für Entstehen und Höhe eines weiteren Abfertigungsanspruchs nicht zu berücksichtigen, soweit sie für die gezahlte Abfertigung rechtlich notwendig waren (RIS‑Justiz RS0028571; Holzer in Marhold/Burgstaller/Preyer , AngG § 23 Rz 17 mwN). Die Rechtsprechung hat dies bereits in den Entscheidungen 9 ObS 8/91 und 9 ObS 9/91 – in bewusster Abkehr von 9 ObA 98/87 (= RIS‑Justiz RS0050467; RS0050469) und in Kenntnis anderslautender Literaturstimmen – aus einer analogen Anwendung der entsprechenden Übergangs- und Schlussbestimmung des Art VII Abs 3 ArbAbfG abgeleitet, weil kein sachlicher Grund dafür bestehe, diese gesetzliche Regelung nicht auch auf andere ähnliche Fälle anzuwenden. Anders als die Beklagte meint, verliert die Bestimmung des Art VII Abs 3 ArbAbfG deshalb noch nicht ihre Eigenschaft als Schluss- und Übergangsbestimmung. An dieser Rechtsprechung wurde seither festgehalten (zuletzt 9 ObA 17/12h). Wurde – wie im Zusammenhang mit der Umstellung einer Voll- auf eine Teilzeitbeschäftigung ausgesprochen – ein neuer Dienstvertrag geschlossen, kann daher auch dann, wenn der Abfertigungsanspruch bereits zwölf Monatsentgelte erreicht hat und ausbezahlt wurde, für das neue Arbeitsverhältnis ein weiterer gesicherter Abfertigungsanspruch entstehen. Es sind nur jene Zeiten für die Berechnung des neuen Abfertigungsanspruchs auszuscheiden, die für den damaligen Abfertigungsanspruch notwendig waren (s RIS‑Justiz RS0076826 [T9] = 8 ObS 24/04v; [T11] = 8 ObS 15/11f).
3. Die Beklagte sieht in dieser Berechnung einen „Widerspruch zur Maximalgrenze“ von 12 Monatsentgelten gemäß § 23 AngG. Dies trifft schon deshalb nicht zu, weil die Regelung – anders als Art VII Abs 3 ArbAbfG – keine Aussage über die Bedeutung einer „Zwischenabfertigung“ trifft.
Soweit die Beklagte für die von ihr bevorzugte Methode, die Endabfertigung auf Basis der Gesamtzeiten unter Anrechnung der Zwischenabfertigung zu berechnen, auf die Entscheidung 9 ObA 83/07g verweist, wird auf die Ausführungen des Berufungsgerichts zur fehlenden Vergleichbarkeit der Sachverhalte verwiesen. In dieser Entscheidung ging es um die rechtliche Beurteilung einer Betriebsvereinbarung, die für die Reduzierung der Arbeitszeit älterer Mitarbeiter – formal über zwei getrennte Dienstverhältnisse – eine vorzeitige steueroptimierte „Zwischenabfertigung“ vorsah, während hier der Kläger das erste Dienstverhältnis durch insolvenzbedingten vorzeitigen Austritt tatsächlich beendet hatte.
4. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Beklagten daher zurückzuweisen.
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