OGH 8ObS24/04v

OGH8ObS24/04v28.4.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Walter Zeiler und ADir. RR. Winfried Kmenta als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Irene G*****, vertreten durch Dr. Maximilian Hofmaninger, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, wider die beklagte Partei IAF-Service GmbH, *****, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen EUR 13.372,-- netto Insolvenzausfallgeld (Revisionsinteresse EUR 9.919,- -), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23. November 2004, GZ 11 Rs 104/04z-14, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Wels als Arbeits- und Sozialgericht vom 21. Juli 2004, GZ 18 Cgs 353/03b-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 665,66 (darin enthalten EUR 110,94 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Nach dem hier noch maßgeblichen Sachverhaltsfeststellungen war die Klägerin bereits ab 1. 9. 1964 bei einer Baugesellschaft tätig, über die schließlich mit Beschluss vom 16. 12. 2002 das Konkursverfahren eröffnet wurde.

Das Dienstverhältnis der Klägerin wurde wegen wirtschaftlich bedingter Organisationsmaßnahmen und weil es andere Mitarbeiter härter getroffen hätte, nur als Teilzeitbeschäftigte weiter zu arbeiten, von ihrer Dienstgeberin zum 30. 6. 1996 aufgekündigt und ihr damals bereits ein Abfertigungsbetrag von 12 Monatsentgelten, das waren EUR 49.533,03 ausbezahlt. In diesem Zusammenhang wurde zwischen der Klägerin und ihrer Arbeitgeberin vereinbart, dass ein neuer Dienstvertrag mit einer Teilzeitbeschäftigung, die vorweg mit 27,5 Stunden vereinbart wurde, abgeschlossen wird. In diesem Dienstvertrag wurde auch festgehalten, dass sich die Abfertigung nach dem gesetzlichen Anspruch der Dienstzugehörigkeit richtet. Später wurde die vereinbarte Arbeitszeit dann auf 31,5 Stunden erhöht. Das Dienstverhältnis wurde jedenfalls unmittelbar nach der Beendigung des ersten Dienstverhältnisses zum 30. 6. 1996 mit 1. 7. 1996 begonnen.

Im Jahr 2002 kam es dann am 23. 8. 2002 zu einer Altersteilzeitvereinbarung mit einer Reduktion der Normalarbeitszeit von bisher 31,5 Stunden auf 18 Stunden, wobei auch ausdrücklich festgehalten wurde, dass die Abfertigung im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses während der reduzierten Normalarbeitszeit auf Basis der vor der Herabsetzung geltenden Arbeitszeit berechnet wird.

Nach der Konkurseröffnung am 16. 12. 2002 erklärte die Klägerin schließlich am 17. 1. 2003 ihren vorzeitigen Austritt gemäß § 25 KO.

Strittig ist im Revisionsverfahren zwischen den Parteien ausschließlich die Frage, ob die Klägerin auf Grund des neuen Dienstverhältnisses ab 1996 erneut einen durch das IESG gesicherten Abfertigungsanspruch erwerben konnte.

Die Klägerin begehrte Insolvenzausfallgeld für die ihr der Höhe nach unstrittig zustehende Abfertigung in Höhe von drei Monatsentgelten für das neue Dienstverhältnis ab 1. 7. 1996 im Ausmaß von EUR 9.917,-- netto. Sie stützte sich dabei zusammengefasst darauf, dass es den Vertragsparteien im Rahmen der Privatautonomie freistehe, ein Dienstverhältnis aufzulösen und ein neues wieder zu begründen. Dass kein einheitliches Dienstverhältnis vorliege, zeige schon die Tatsache, dass mit der Beendigung des ersten Dienstverhältnisses die Abfertigung ausbezahlt wurde.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete zusammengefasst ein, dass nach dem IESG nur die gesetzliche Abfertigung, aber nicht eine freiwillig gewährte Abfertigung gesichert sei. Zwar sei in § 3 Abs 3 IESG vorgesehen, dass eine einzelvertragliche Anrechnung von Vordienstzeiten für die Abfertigung zulässig ist, weshalb es den Parteien in gewissem Umfange freistehe, die Grundlage für das Entstehen des Abfertigungsanspruches zu bestimmen; dies könne aber nicht dazu führen, dass einem Missbrauch Tür und Tor geöffnet werde.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren hinsichtlich der Abfertigung statt. Es folgerte rechtlich im Wesentlichen, dass die Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses vorliege und dieses neue Dienstverhältnis auch einen neuen Abfertigungsanspruch auslösen könne. Dies hätten die Arbeitsvertragsparteien auch ausdrücklich vereinbart.

Das Berufungsgericht gab der gegen den klagsstattgebenden Teil des Urteiles erhobenen Berufung der Beklagten nicht Folge. Es ging im Wesentlichen davon aus, dass zwar nur gesetzliche, nicht aber freiwillige über das gesetzliche Ausmaß hinausgehende Ansprüche auf Abfertigung nach dem IESG gesichert seien, dass es entsprechend der Judikatur des Obersten Gerichtshofes den Parteien des Arbeitsvertrages aber in gewissem Umfange freistehe, die Grundlage für das Entstehen des gesetzlichen Abfertigungsanspruches zu bestimmen. Entscheidend sei nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, dass diese Bestimmung von den tatsächlich geleisteten Arbeitszeiten und Entgelten auszugehen hat und sich insgesamt im Rahmen der gesetzlichen Regelungen bewegen muss. Auch nach § 3 Abs 3 IESG seien die durch eine Anrechnung von Vordienstzeiten entstehenden Ansprüche insoweit gesichert, als es sich um tatsächlich geleistete Beschäftigungszeiten handle. Diese Grenzen seien hier durch die Parteien des Arbeitsvertrages eingehalten worden, weshalb der Anspruch auf Insolvenzausfallgeld zu Recht bejaht worden sei.

Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht als nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil erhobene außerordentliche Revision der Beklagten ist zulässig, aber nicht berechtigt. Eine nähere Auseinandersetzung mit der von der Beklagten relevierten Frage, inwieweit durch die Gestaltungen der Arbeitsvertragsparteien auch ein höherer als der gesetzliche Abfertigungsanspruch von 12 Monatsentgelten erworben und gesichert sein kann, ist unter dem Aspekt des § 3 Abs 1 dritter Satz IESG nicht erfolgt.

Die Beklagte stützt sich im Wesentlichen darauf, dass nach dieser Bestimmung alle Zeiten, die der Angestellte in unmittelbar vorangegangenen Dienstverhältnissen zurückgelegt hat, für die Abfertigung zu berücksichtigen sind. Zufolge der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 23. 10. 1984 zu 4 Ob 123/83 = Arb 10.383 seien alle erworbenen Anwartschaften zusammenzurechnen, sodass maximal ein Abfertigungsanspruch auf 12 Monatsentgelte entstehen könne. Da nur der gesetzliche Abfertigungsanspruch gesichert sei, könne maximal ein Abfertigungsanspruch von 12 Monatsentgelten abgedeckt sein.

Es entspricht der ständigen Judikatur des Obersten Gerichtshofes, dass schon auf Grund der Bestimmung des § 1 Abs 4a IESG eine Sicherung von Abfertigungsansprüchen durch das IESG nur im Ausmaß der gesetzlichen Abfertigung, nicht aber für etwa freiwillig vereinbarte über dieses Ausmaß hinausgehende Ansprüche besteht (vgl so wie ständige Judikatur RIS-Justiz RS0076826 mwN zuletzt etwa 8 ObS 15/03v). Der Oberste Gerichtshof hat aber gleichfalls bereits wiederholt klargestellt, dass es den Arbeitsvertragsparteien in gewissem Umfange freisteht, die Grundlagen für die Entstehung des gesetzlichen Abfertigungsanspruches zu bestimmen, wenn sie von den tatsächlich geleisteten Zeiten und Entgelten ausgehen und sich insgesamt im Rahmen der gesetzlichen Regelungen bewegen (vgl dazu OGH 25. 1. 2001, 8 ObS 13/01x, ähnlich OGH 30. 10. 2003, 8 ObS 14/03x und OGH 13. 11. 2003, 8 ObS 15/03v, die sich allesamt mit der Frage der Umstellung einer Vollzeitbeschäftigung auf eine Teilzeitbeschäftigung unter dem Aspekt der Höhe des der Abfertigung zugrunde zu legenden Entgeltes befassten).

Die Frage, die sich vorliegendenfalls stellt, ist nun, ob - hier im Zusammenhang mit der Umstellung einer Vollzeitbeschäftigung auf eine Teilzeitbeschäftigung - in einem neuen Dienstverhältnis auch dann, wenn - hier im Rahmen der Vollzeitbeschäftigung - der Abfertigungsanspruch bereits 12 Monatsentgelte erreicht hat und ausbezahlt wurde, für das neue Arbeitsverhältnis ein weiterer gesicherter Abfertigungsanspruch entstehen kann.

Grundsätzlich sind nach § 23 Abs 1 AngG (hinsichtlich vorangegangener Arbeitsverhältnisse und Lehrverhältnisse durch Satz 3 ausdrücklich festgelegt) vorangegangene Dienstverhältnisse zum gleichen Arbeitgeber bei der Berechnung der für die Abfertigung zugrundezulegenden Dienstzeit zu berücksichtigen (vgl etwa zu den reinen Angestelltendienstverhältnissen schon Martinek/Schwarz/Schwarz AngG, 444 mwN; allgemein Schwarz-Löschnig Arbeitsrecht10, 578; ebenso Holzer/Reissner/Schwarz, Die Rechte des Arbeitnehmers bei Insolvenz4, 132 f mwN etwa OGH 23. 10. 1984 ZAS 1985, 143). Eine Ausnahme wurde aber schon im Arbeiterabfertigungsgesetz im Zusammenhang mit der Einführung der Abfertigung für Arbeiter in dessen Art VII Abs 3 für den Fall festgelegt, dass für diese Dienstzeiten bereits eine Abfertigung erhalten wurde. Der Oberste Gerichtshof hat nun unter Berücksichtigung der Lehrmeinung von Migsch, Abfertigung für Arbeiter und Angestellte, Rz 174 diese Regelung allgemein für aneinandergereihte Arbeitsverhältnisse zwischen denselben Arbeitsvertragsparteien insoweit herangezogen, als sie sich auf jene Zeit bezieht, die für den damaligen Abfertigungsanspruch auch rechtlich notwendig war; nur diese Zeiten sind für die Berechnung des neuen Abfertigungsausspruches auszuscheiden (vgl OGH 10. 7. 1991, 9 ObS 8/91 = SZ 64/101 = DRdA 1992/15 [zust Grießer] = JBl 1991, 809 [Liebeg] = RdW 1991, 294 [Runggaldier]; ebenso OGH 25. 10. 1991, 9 ObS 9/91 und allgemein RIS-Justiz RS0028571 mwN). Insoweit kommt es nicht dazu, dass bei der Ermittlung der für das Entstehen und die Höhe des Abfertigungsanspruches nach § 23 Abs 1 AngG maßgebenden ununterbrochenen Dauer des Dienstverhältnisses alle unmittelbar aufeinanderfolgenden Arbeitsverhältnisse zum selben Arbeitgeber zusammenzurechnen sind.

Lässt man aber die vorangegangenen, bereits abgefertigten Dienstzeiten außer Betracht, so können sie auch nicht für eine allfällige Begrenzung des Abfertigungsanspruches mit 12 Monatsentgelten herangezogen werden. Dass hier zwei unterschiedliche Arbeitsverhältnisse vorlagen, wird auch von der Beklagten nicht in Frage gestellt. Im Ergebnis wäre auch schwer nachvollziehbar, warum zwar bei einem anderen Dienstgeber selbst die aus dem vorangegangenen Dienstverhältnis noch nicht „konsumierten" Dienstzeiten einer Abfertigungsberechnung angerechnet und zugrundegelegt werden könnten und unter Beachtung von § 3 Abs 3 IESG auch die daraus resultierenden Abfertigungsansprüche gesichert werden, hier aber eine Sicherung der Abfertigungsansprüche beim gleichen Dienstgeber trotz des Abschlusses von unterschiedlichen Dienstverträgen nicht gegeben wäre.

Insgesamt sind die Vorinstanzen daher zutreffend davon ausgegangen, dass auch der Abfertigungsanspruch der Klägerin aus dem neuen Arbeitsverhältnis nach dem IESG gesichert ist.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 ASGG.

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