European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0020OB00058.17V.0130.000
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Begründung:
Gegenstand des Verfahrens ist die Entscheidung über das Erbrecht zwischen aufgrund des Gesetzes erbantrittserklärten Verwandten des Verstorbenen und der Verlassenschaft nach seiner ohne gesetzliche Erben, ohne Testament und ohne Erbantrittserklärung nachverstorbenen Ehefrau, deren Verlassenschaft nunmehr ihre Erbantrittserklärung auf ein Testament stützt.
Die Vorinstanzen haben übereinstimmend das Erbrecht der gesetzlichen Erben des Verstorbenen festgestellt und rechtlich dargelegt, dass eine Transmission des Erbrechts auf den Staat nach einem erblosen Erben nicht stattfinde.
Die Verlassenschaft nach der Ehefrau macht in ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs als erhebliche Rechtsfragen geltend, ob die Frage der Transmission des Erbrechts auf den Fiskus für die Feststellung des Erbrechts von Relevanz sei, solange das Verlassenschaftsverfahren der erblosen Erbin nicht abgeschlossen und die Finanzprokuratur keine Erklärung über den Erwerb des Nachlasses abgegeben habe, und ob die Transmission eines selbst erbenlosen Transmittenten an den Staat zum Scheitern des Erbrechts führe. Die Verlassenschaft sei eine juristische Person, durch Einantwortung an sie werde der Nachlass des Verstorbenen nicht „herrenlos“. Das Judikat 138 sei in der neueren Literatur, zu der der Oberste Gerichtshof noch nicht Stellung genommen habe, umstritten. Die Entscheidung widerspreche auch dem Prinzip der Haftung für Nachlassverbindlichkeiten.
Rechtliche Beurteilung
1. Der Oberste Gerichtshof hat zu den aufgeworfenen Fragen in 5 Ob 554/84 unter Festhalten an bereits damals längjähriger Rechtsprechung, darunter das Judikat 138, und Lehre ausgesprochen, dass die Republik Österreich nicht das Erbrecht des Transmittenten nach dem Erblasser erwirbt, wenn ihr der Transmittentennachlass als erbloses Gut anheimfällt (vgl auch RIS‑Justiz RS0008088). Der Staat kann ein Recht aus der Transmission einer erblos gewordenen Verlassenschaft nicht geltend machen (RIS‑Justiz RS0008109).
2. An der der Rechtsprechung zugrundeliegenden Rechtsauffassung, dass das Heimfallsrecht kein Erbrecht, sondern ein Aneignungsrecht spezifischer Art mit der Wirkung der Gesamtrechtsnachfolge ist, das in Wahrheit den Zweck hat, dass nachgelassenes Vermögen nicht herrenlos wird, hat der Oberste Gerichtshof bis in die jüngste Zeit festgehalten (RIS‑Justiz RS0008104; RS0006692; 5 Ob 116/12p, 3 Ob 34/03a, 8 Ob 238/00h). Es wird nach wie vor als ultima ratio angesehen, wenn alle anderen Berufungsgründe versagen (6 Ob 178/14s).
3. Diese Rechtsansicht steht in Übereinstimmung mit den weitaus überwiegenden Lehrmeinungen (vgl bereits Pfaff/Hofmann , Commentar zum österreichischen allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuche II/1, 794; Weiß in Klang III² 79; Welser in Rummel/Lukas , ABGB 4 § 537 Rz 9 und § 760 Rz 3; Apathy in KBB 4 § 537 Rz 4 und § 760 Rz 1 f; Scheuba in Kletečka/Schauer , ABGB‑ON 1.02 § 760 Rz 1; Schauer/Motal in Klang ³ § 537 ABGB Rz 22; Eccher in Schwimann/Kodek , ABGB 4 § 760 Rz 2; Werkusch‑Christ in Kletečka/Schauer , ABGB‑ON 1.03 § 537 Rz 6; Fritsch in Ferrari/Likar‑Peer , Erbrecht 49; Sailer in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG § 184 Rz 1 mwN).
Deixler‑Hübner (in Buchegger/Holzhammer , Beiträge zum Zivilprozessrecht III 9), kann dem lediglich für den nicht vorliegenden Fall der Transmission im weiteren Sinn nicht folgen, während Kralik (System des österreichischen allgemeinen Privatrechts, Das Erbrecht, 60), diese Rechtsprechung nur insoweit nicht überzeugend erachtet, als er – zu Unrecht (vgl 7 Ob 756/82) – davon ausgeht, dass sie nur zur Transmission im engeren Sinn und nicht auch zu jener im weiteren Sinn judiziert werde.
4. Der gegenteiligen Ansicht von Swoboda (Transmission bei Heimfall hinfällig? JBl 1990, 298) und Schweda (Zur Transmission an den Fiskus, NZ 2014/12, 37) sind insbesondere Apathy (Heimfall und Transmission, JBl 1990, 399 [400]) und Welser (Gibt es eine Transmission des Erbrechts an den heimfallsberechtigten Fiskus? in FS Würth [2014], 345 [348 ff]), aber auch Schauer/Motal (in Klang 3 § 537 ABGB Rz 24 f; mit Ausführungen zu den auch in der Revision angestellten Überlegungen zum Schutz der Gläubiger des Transmittentennachlasses) mit überzeugenden Argumenten entgegengetreten (vgl auch Welser/Zöchling‑Jud , Bürgerliches Recht II 14 Rz 2225 Fn 4). Der Oberste Gerichtshof sieht sich daher nicht veranlasst, von seiner Rechtsprechung abzugehen. Dazu kommt, dass auch der Gesetzgeber des – im konkreten Fall gemäß § 1503 Abs 7 Z 1 und Z 2 ABGB noch nicht anzuwendenden – ErbRÄG 2015 die ihm bekannte Rechtsprechung mit dem neuen § 750 Abs 1 ABGB keineswegs verändern, sondern die gesetzlichen Grundlagen nur sprachlich anpassen (vgl ErlRV 688 BlgNR 25. GP S 22) und die Befugnisse des Bundes bei erblosen Verlassenschaften klarstellen wollte ( Fucik in Deixler‑Hübner/Schauer , Kommentar zu EU‑Erbrechtsverordnung § 750 ABGB Rz 1 und 5; vgl auch Apathy/Musger in KBB 5 § 750 Rz 1).
5. Dass das Verlassenschaftsverfahren nach der ohne Erbantrittserklärung nachverstorbenen Ehefrau des Erblassers noch nicht beendet ist, steht einer Entscheidung über das Erbrecht im Anlassfall deshalb nicht entgegen, weil in diesem Verfahren am 27. 9. 2011 die öffentliche Bekanntmachung iSd § 158 AußStrG erfolgte, sich innerhalb der Sechsmonatsfrist keine Erben meldeten und daher das Verlassenschaftsgericht die Finanzprokuratur unter Hinweis auf die Erblosigkeit des Nachlasses (vgl § 158 Abs 2 AußStrG) bereits am 29. 7. 2012 aufforderte, Anträge gemäß § 184 AußStrG zu stellen.
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