OGH 5Ob554/84

OGH5Ob554/848.1.1985

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Griehsler, Dr. Jensik, Dr. Zehetner und Dr. Klinger als Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 21. Juli 1982 verstorbenen Rudolf N*****, infolge Revisionsrekurses der Verlassenschaft nach der am 2. August 1982 verstorbenen Maria F*****, vertreten durch den Verlassenschaftskurator Dr. Jürgen Benko, Notariatskanditat, Wallensteinplatz 4, 1200 Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 18. Jänner 1984, GZ 43 R 29/84‑48, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 14. November 1983, GZ 6 A 563/82‑44, abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1985:0050OB00554.840.0108.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

In Abänderung der angefochtenen Entscheidung wird der Beschluss des Erstgerichts aufgehoben.

Begründung

Rudolf N***** verstarb am 21. 7. 1982. Mit dem Testament vom 23. 1. 1962 hat er seine Lebensgefährtin Maria F***** zur Alleinerbin bestimmt. Diese verstarb am 2. 8. 1982, ohne über ihr Erbrecht zum Nachlass Rudolf N*****s verfügt zu haben. Im Abhandlungsverfahren über ihren Nachlass wurden keine erbberechtigten Personen festgestellt; voraussichtlich wird ihr Nachlass dem Staat als erbloses Gut anheimfallen. Der zum Verlassenschaftskurator bestellte Notariatskanditat Dr. Jürgen Benko hat mit abhandlungsbehördlicher Ermächtigung namens des Transmittentennachlasses zum Nachlass des Rudolf N***** die Erbserklärung mit Vorbehalt der Rechtswohltat des Inventars abgegeben. Das Abhandlungsgericht hat diese Erbserklärung angenommen und ausgesprochen, dass das Erbrecht aufgrund des Testaments (Rudolf N*****s) vom 23. 1. 1962 „derzeit nicht als ausgewiesen anerkannt“ werde. Zur Begründung dieser Entscheidung führte es im Wesentlichen an, dass es die Erbserklärung des Transmittentennachlasses durch den Verlassenschaftskurator für zulässig erachte, weil damit lediglich allfällige Erbrechtsansprüche von noch unbekannten anderen Erben gewahrt werden; eine Zurückweisung der Erbserklärung komme nicht in Betracht, weil nicht ausgeschlossen werden könne, dass noch Erbberechtigte nach der Transmittentin Maria F***** bekannt werden und ihre Ansprüche geltend machen. Die Finanzprokuratur habe bisher nur ihre Absicht bekundet, die reine erblose Masse für den Staat als heimfällig in Anspruch zu nehmen, es werde aber die Frage einer allfälligen Transmission an den Staat erst im Zusammenhang mit der Anerkennung des Erbrechtsausweises zu entscheiden sein, wenn in einer rechtskräftigen Entscheidung der Nachlass der Transmittentin Maria F***** heimfällig erklärt und dem Staat übergeben wurde; bis dahin sei es jedoch nicht ausgeschlossen, dass der Nachlass der Transmittentin einem anderen Erbansprecher eingeantwortet wird, für den eine Transmission im Sinne des § 537 ABGB aus der Verlassenschaft nach Rudolf N***** zweifelsfrei möglich wäre, während jene an den Staat von der herrschenden Judikatur jedenfalls nicht anerkannt werde und umstritten sei.

Das von Rosa J***** und Ursula H*****, den aufgrund des Gesetzes erbserklärten Verwandten des Erblassers Rudolf N*****, angerufene Rekursgericht wies in Abänderung des Beschlusses des Abhandlungsgerichts die vom Nachlasskurator Dr. Jürgen Benko namens des Transmittentennachlasses aufgrund des Testaments des Erblassers Rudolf N***** vom 23. 1. 1962 zum gesamten Nachlass abgegebene Erbserklärung zurück. Es begründete seine Entscheidung folgendermaßen:

Das Verbot des § 129 AußStrG für den Verlassenschaftskurator, Erbserklärungen abzugeben, könne nur so verstanden werden, dass ihm die Erbserklärung namens der Verlassenschaft zu einem anderen Nachlass untersagt sei, denn eine solche zum eigenen Nachlass ‑ wie Kralik in Ehrenzweig , Erbrecht 3 , 58 FN 3 meint ‑ sei widersinnig. Verfügungen über das Erbrecht seien wegen des mit persönlichen Aspekten behafteten Erbschaftsantritts dem Erben selbst vorbehalten: dies sei der Grundgedanke der bezeichneten Verbotsnorm. Es führe aber auch § 809 ABGB zu demselben Ergebnis: danach gehe die Verfügungsmacht über das Erbrecht dann, wenn der Erbe stirbt, ehe er über sein Erbrecht verfügt habe, im Zuge der Transmission (im engeren Sinn) auf seinen Erben und nicht auf die Verlassenschaft oder gar auf den heimfallsberechtigten Staat über. Demnach sei der Transmittentennachlass nicht zur Abgabe einer Erbserklärung zum Nachlass des Erblassers berechtigt.

Diesen Beschluss bekämpft der durch den Verlassenschaftskurator vertretene Transmittentennachlass mit Revisionsrekurs. Er begehrt die Wiederherstellung der Entscheidung des Abhandlungsgerichts.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist berechtigt.

Zunächst muss der Ansicht des Rekursgerichts entgegengetreten werden, dass dem Verlassenschaftskurator im Abhandlungsverfahren nach dem Transmittenten die Abgabe einer Erbserklärung namens des Transmittentennachlasses zum Nachlass des Erblassers durch die Anordnung des § 129 AußStrG verboten sei. Diese Bestimmung stellt nur klar, dass der Verlassenschaftskurator nicht zugleich Erbenkurator sein kann, also nicht zu dem von ihm vertretenen Nachlass für mögliche unbekannte Erben Erbserklärungen abgeben darf. Es kann aber kein Zweifel daran bestehen, dass durch diese Anordnung des Gesetzes Recht und Pflicht des Verlassenschaftskurators, für die Verlassenschaft, die er vertritt, als Erbin Erbserklärungen zu einem anderen Nachlass abzugeben, nicht berührt werden (vgl Welser in Rummel , ABGB, Rdz 5 zu § 538; Kralik in Ehrenzweig , Erbrecht 3 , 58; SZ 43/191 Seite 677 dritter Satz). Das Erbrecht nach dem Erblasser steht dem ruhenden Nachlass des Transmittenten zu, der über das Erbrecht durch Ausschlagung oder Erbserklärungen verfügen kann. Die Abgabe der entsprechenden Erklärungen für den ruhenden Tansmittentennachlass kommt dem bestellten Verlassenschaftskurator jedenfalls zu. Dies wurde auch vom Erstgericht richtig erkannt. Dieses hat jedoch ebensowenig wie das Rekursgericht bedacht, dass über die Erbserklärung, die der Verlassenschaftskurator im Transmittentennachlass zum Nachlass des Erblassers abgegeben hat, derzeit noch nicht entschieden werden darf, denn die Annahme oder Zurückweisung dieser Erbserklärung hängt davon ab, ob der Transmittentennachlass, dann muss die Erbserklärung des ruhenden Transmittentennachlasses der Republik Österreich heimfallen wird oder nicht. Kommt es nämlich zum Heimfall des Transmittentennachlasses zurückgewiesen werden, weil im Sinne der seit dem Judikat 138 (GlUNF 80) herrschenden Lehre und Rechtsprechung, die hier neuerlich bekräftig wird, die Republik Österreich, wenn ihr der Transmittentennachlass als erbloses Gut anheimfällt (§ 760 ABGB), das Erbrecht des Transmittenten nach dem Erblasser nicht erwirbt (vgl die bei Kralik aaO 60 in FN 11 angegebene Literatur und Rechtsprechung). Das Heimfallsrecht ist unzweifelhaft kein Erbrecht ( Koziol‑Welser , Grundriss II 6 229 und 300 mwNw; JBl 1967, 261 mwNw), sondern ein Aneignungsrecht spezifischer Art mit der Wirkung einer Gesamtrechtsnachfolge, das in Wahrheit den Zweck hat, dass nachgelassenes Vermögen nicht herrenlos wird. Es kann deshalb nur dort wirksam werden, wo weder der zunächst Eingesetzte noch ein Ersatzerbe zur Erbschaft gelangt, keine Transmission stattfindet, keine Anwachsung möglich ist, aufgrund des Gesetzes niemand berufen wird und keine Legatare als Erben eintreten (§ 726 ABGB; so richtig Koziol‑Welser aaO. 299). Die vom Verlassenschaftskurator in seinem namens des Transmittentennachlasses erhobenen Revisionsrekurs gegen die Richtigkeit des Judikats 138 und der diesem folgenden herrschenden Lehre und Rechtsprechung vorgebrachten Argumente haben keine Überzeugungskraft. Er beruft sich zunächst darauf, dass sowohl im Patentgesetz (§ 33 Abs 1 Satz 2: „ein Heimfallsrecht findet in diesen Rechten nicht statt“) als auch im Urheberrecht (§ 23 Abs 2: „Wird die Verlassenschaft eines Miturhebers von niemanden erworben und auch nicht als erbloses Gut vom Staat übernommen, so geht das Miturheberrecht auf die anderen Miterben über ....“) der Gesetzgeber das Heimfallsrecht in den Begriff „Übergang an den Erben bzw vererblicht“ einbezogen habe und darum kein Anhaltspunkt dafür gegeben sei, dass derselbe Begriff in den §§ 537, 809 ABGB in dem der bisherigen Judikatur zur Transmission zugrundeliegenden und das Heimfallsrecht ausschließenden Sinn verstanden werden sollte. Er übersieht dabei, dass der Gesetzgeber im Patentrecht mit der zitierten Bestimmung anerkannte, dass das freie Nutzungsrecht der Allgemeinheit an einer patentfähigen Erfindung dem Heimfallsrecht vorgeht, und im Urheberrecht die zitierte Sonderrechtsnachfolge zugunsten der Miturheber festlegte, weil er deren Interessen als die stärkeren respektierte. Schließlich geht auch das Argument, dass § 4 der KO dem Masseverwalter das Recht einräumt, anstelle des Gemeinschuldners Erbschaften anzutreten, weshalb dann auch eine im Abhandlungsverfahren nach dem verstorbenen gemeinschuldnerischen Transmittenten (offenbar versehentlich als Transmissar bezeichnet) unter Umständen anfallende „Hyperocha“ „ohne Zweifel“ dem Heimfall unterläge, an der tatsächlichen Rechtslage vorbei, dass die Erbserklärung des Masseverwalters, der in diesem Falle die Interessen der Gläubiger des Gemeinschuldners zu wahren und zu vertreten hat, umfänglich nur auf das dazu notwendige Maß beschränkt ist und darüber hinaus die sonstigen Erben des Erblassers unter Ausschluss des Heimfallsrechts des Staats zum Zuge kommen.

Das Erstgericht wird aus den dargelegten Erwägungen mit der Fortführung des Abhandlungsverfahrens nach dem Erblasser solange innezuhalten haben, bis endgültig geklärt ist, ob Erben des Transmittentennachlasses vorhanden sind oder in Ermangelung solcher der Nachlass der Republik Österreich anheimfällt; erst dann wird es die Erbserklärung des Verlassenschaftskurators im Transmittentennachlass anzunehmen oder zurückzuweisen haben.

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