OGH 2Ob162/17p

OGH2Ob162/17p14.12.2017

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Hon.‑Prof. Dr. Lovrek als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé und den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem ***** 2014 verstorbenen J***** S*****, zuletzt *****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Pflichtteilsberechtigten 1. M***** S*****, 2. E***** S*****, 3. C***** S*****, alle vertreten durch Dr. Michael Battlogg, Rechtsanwalt in Schruns, gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgericht vom 22. Juni 2017, GZ 1 R 130/17a‑158, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0020OB00162.17P.1214.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Auf den Todesfall Beschenkte sind nach ständiger Rechtsprechung zum hier noch anwendbaren § 956 ABGB idF vor dem ErbRÄG 2015 Vermächtnisnehmern gleichzuhalten (4 Ob 246/99a SZ 72/143 mwN; RIS-Justiz RS0112437; RS0012517). Daraus folgt, dass die an einem Vermächtnis anknüpfenden höfe- und anerbenrechtlichen Vorschriften (hier § 9 AnerbenG) nach der Rechtslage vor dem ErbRÄG 2015 auch dann anwendbar sind, wenn der Erblasser den Erbhof – wie hier – einem Erben auf den Todesfall geschenkt hat (6 Ob 37/02p; Schramm in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG II § 9 AnerbenG Rz 3; vgl auch Eccher in Schwimann/Kodek 4 § 9 AnerbenG Rz 1). Soweit aus der einen Übergabevertrag auf den Todesfall betreffenden Entscheidung 5 Ob 537/95 Gegenteiliges abgeleitet werden könnte, wäre sie mit der Rechtsprechung zu § 956 ABGB idF vor dem ErbRÄG 2015 nicht vereinbar und zudem durch die – vom damaligen Fachsenat für das Anerben- und Höferecht getroffene – Entscheidung 6 Ob 37/02p überholt. Ob sich die Rechtslage durch § 603 ABGB idF des ErbRÄG 2015 geändert hat, ist hier nicht zu prüfen.

2. Die Unanwendbarkeit des Anerbenrechts aufgrund von § 8 Abs 6 AnerbenG setzt voraus, dass der Erblasser die diesbezügliche Anordnung – allenfalls auch bloß stillschweigend durch eine vom Gesetz abweichende Reglung  – in einer letztwilligen Verfügung getroffen hat (6 Ob 224/09y = RIS-Justiz RS0125519; Eccher in Schwimann/Kodek 4 § 8 AnerbenG Rz 1; Kralik, Erbrecht [1983] 376). Solches haben die Rechtsmittelwerber nicht behauptet. Der von ihnen genannte „Widerruf“ jenes Testaments, in dem der Erblasser den Beschenkten auch als Erben eingesetzt hatte, war mangels Einhaltung der Testamentsform unwirksam.

3. Richtig ist, dass das Erstgericht keine konkreten Feststellungen zum Ertrag des Hofes getroffen hat. Allerdings steht fest, dass der Hof im Rheintal liegt und eine Fläche von etwa 15 ha (mit den in dieser Lage üblichen Zupachtungen 27 ha) aufweist. Auf dieser Grundlage ist die Auffassung der Vorinstanzen, dass die lagebedingt einfach zu bewirtschaftenden Flächen zur Erhaltung von zwei erwachsenen Personen ausreichen (§ 1 Abs 1 AnerbenG), nicht zu beanstanden.

4. Der Anerbe hat auf einem zum Hof gehörenden Grundstück aufgrund eines Baurechtsvertrags eine „Wohnbox“ errichtet. Entgegen der Auffassung des Revisionsrekurses führt dies nicht dazu, dass dieses Grundstück aus dem Erbhof „auszuscheiden“ wäre. Denn aus der von den Vorinstanzen festgestellten Baubewilligung ergibt sich, dass die „Wohnbox“ dazu diente, dem Anerben die Pflege seiner Mutter zu ermöglichen, und dass sie nun nicht mehr als Wohngebäude, sondern ausschließlich zu landwirtschaftlichen Zwecken genutzt werden darf. Damit besteht kein Zweifel an der Zugehörigkeit auch dieses Grundstücks zum Hof.

5. Über den Übernahmspreis, der auch der Berechnung der Pflichtteilsansprüche zugrunde zu legen ist (§ 17 AnerbenG), wird mangels Einigung der Beteiligten mit einem weiteren Beschluss zu entscheiden sein (1 Ob 94/67 SZ 40/98; RIS-Justiz RS0036902).

Stichworte