European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:009OBA00099.17Z.1128.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung:
Die Streitteile hatten mit Lehrvertrag vom 26. 9. 2012 eine Lehrzeit der Klägerin von 1. 9. 2012 bis 31. 8. 2015 vereinbart und zugleich zur Erfüllung der Weiterverwendungspflicht „für die Dauer der gesetzlichen bzw kollektivvertraglich vorgeschriebenen Behaltezeit ein befristetes Dienstverhältnis abgeschlossen. Dieses befristete Dienstverhältnis beginnt am Tag nach dem Ende der Lehrzeit und endet mit jenem Tag, an dem die Behaltezeit des Berufsausbildungsgesetzes bzw des Kollektivvertrags, unter Berücksichtigung des § 10a Abs 1 Mutterschutzgesetzes bzw des § 6 Abs 1 Z 2 und Abs 3 Arbeitsplatzsicherungsgesetz, endet“.
Die Klägerin brachte am 19. 7. 2014 ein Kind zur Welt. Die Beklagte genehmigte mit Schreiben vom 29. 10. 2014 die von der Klägerin beantragte Karenz bis 19. 5. 2016. Die Klägerin legte während der Karenz am 29. 6. 2015 die Lehrabschlussprüfung erfolgreich ab.
Die Klägerin begehrt von der Beklagten 7.330,77 EUR brutto sA an Kündigungsentschädigung samt Sonderzahlungen und Urlaubsersatzleistung für den Zeitraum 20. 5. 2016 bis 30. 9. 2016 sowie Schadenersatz (2.000 EUR netto sA wegen erlittener Beeinträchtigung). Die Weiterverwendungszeit diene der Verfeinerung und der Vervollkommnung der Kenntnisse und Fertigkeiten des Erlernten, somit der praktischen Verwendung im Lehrberuf. Aufgrund der Karenz sei ihr diese Möglichkeit genommen worden. Dies stelle einen Verstoß gegen § 18 BAG und gegen das Gleichbehandlungsgesetz dar.
Rechtliche Beurteilung
Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. In ihrer dagegen gerichteten außerordentlichen Revision zeigt die Klägerin keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf:
1. Dass ihr Lehrverhältnis aufgrund der erfolgreichen Ablegung der Lehrabschlussprüfung am 29. 6. 2015 gemäß § 14 Abs 2 lit e BAG mit 5. 7. 2015 ex lege endete, bestreitet die Klägerin nicht. An das Ende des Lehrverhältnisses knüpft ihr Recht an, im Rahmen eines vom Dienstgeber abzuschließenden Arbeitsvertrags für die Dauer der Behaltezeit weiterbeschäftigt zu werden (§ 18 Abs 1 BAG; zur diesbezüglichen Kontrahierungspflicht des Lehrberechtigten s nur RIS‑Justiz RS0052702 [insbes T4, T6]). Diese Vereinbarung haben die Parteien bereits im Zeitpunkt des Abschlusses des Lehrvertrags getroffen, wobei als Beginn des befristeten Dienstverhältnisses der Tag nach dem Ende der Lehrzeit vorgesehen wurde.
2. Es trifft zu, dass der Zweck der Behaltefrist darin liegt, dem ausgelernten Lehrling den Einstieg in das Arbeitsleben zu erleichtern, ihn erste praktische Erfahrungen als Arbeitnehmer im erlernten Beruf sammeln zu lassen und ihm eine Vervollkommnung seiner in der Lehrzeit erworbenen Kenntnisse und Erfahrungen sowie erforderlichenfalls das Aufsuchen eines Arbeitsplatzes innerhalb einer Zeit zu ermöglichen (RIS-Justiz RS0051281; RS0052872 [T2]; Aust in Aust/Gittenberger/Knallnig-Prainsack/Strohmayer, Berufsausbildungsgesetz2 [2017] § 18 Rz 5; Preiss/Spitzl in ZellKomm2 § 18 BAG Rz 2). Für den Standpunkt der Klägerin, dass die Behaltefrist erst zu dem Zeitpunkt zu laufen beginne, zu dem sie ihre Arbeit nach dem Ende der Karenz wieder aufgenommen habe, ist jedoch keine gesetzliche Grundlage ersichtlich.
3. Die Weiterverwendungspflicht des § 18 Abs 1 BAG schließt von Gesetzes wegen auch bei einer Beendigung des Lehrverhältnisses durch erfolgreiche Ablegung der Lehrabschlussprüfung an das Ende des Lehrverhältnisses an (vgl Strohmayer in Aust/Gittenberger/Knallnig-Prainsack/Strohmayer , Berufsausbildungsgesetz 2 § 14 BAG Rz 103; Aust in Aust/Gittenberger/Knallnig-Prainsack/Strohmayer , Berufsausbildungsgesetz 2 § 18 Rz 7).
4. Eine Fristenhemmung für die Weiterverwendung von ausgelernten Lehrlingen wurde gesetzlich bei der Leistung des Präsenz-, Ausbildungs- oder Zivildienstes (§ 6 Abs 1 Z 2 APSG) und bei der Bewerbung um die Bestellung zum Mitglied des Jugendvertrauensrates, der Bestellung zum Mitglied des Wahlvorstandes und der Wahl zum Mitglied des Jugendvertrauensrates (§ 130 Abs 2 ArbVG) angeordnet, nicht aber bei Inanspruchnahme einer Karenz iSd §§ 15 ff MSchG oder §§ 2 ff VKG.
5. Ein befristetes Dienstverhältnis endet grundsätzlich mit Ablauf der Zeit, für die es eingegangen wurde, ohne dass es einer Kündigung bedarf (§ 1158 Abs 1 ABGB). Für befristete Dienstverhältnisse – zu denen auch ein mit der Dauer der Weiterverwendungspflicht befristetes Dienstverhältnis zählt – sieht § 10a MSchG nur eine Ablaufhemmung für die Zeit von der Meldung der Schwangerschaft bis zu dem Beginn des Beschäftigungs-verbots nach § 3 Abs 1 oder dem Beginn eines auf Dauer ausgesprochenen Beschäftigungsverbots nach § 3 Abs 3 vor; diese Ablaufhemmung entfällt nur dann, wenn die Befristung aus sachlich gerechtfertigten Gründen erfolgt oder gesetzlich vorgesehen ist ( Langer in Ercher/Stech/Langer , MSchG und VKG, § 10a MSchG Rz 10 ff; Burger-Ehrnhofer in Burger-Ehrnhofer/Schrittwieser/Thomasberger , MSchG und VKG 2 , § 10a MSchG Erl 3; vgl dazu auch Aust in Aust/ Gittenberger/Knallnig-Prainsack/Strohmayer , Berufsaus-bildungsgesetz 2 § 18 Rz 40). Eine der Bestimmung des § 6 Abs 1 Z 2 APSG entsprechende Fortlaufhemmung ( Spitzl/B. Gruber in ZellKomm 2 § 6 APSG Rz 1 ff) kann dem Mutterschutzgesetz dagegen nicht entnommen werden ( Aust in Aust/Gittenberger/Knallnig-Prainsack/Strohmayer , Berufsausbildungsgesetz 2 § 18 Rz 41).
6. Zur sachlichen Rechtfertigung der unterschiedlichen Regelungen wiesen schon die Vorinstanzen darauf hin, dass der von § 6 APSG erfasste Hemmungsgrund (Ablegung des Wehr- bzw Zivildienstes) auf einer gesetzlichen Pflicht beruht, während die Mutter- (oder Väter-)Karenz in Anspruch genommen werden muss. Das entsprechende Verlangen nach § 15 MSchG bzw § 2 VKG ist ein einseitiges Gestaltungsrecht ( Thomasberger in Burger‑Ehrnhofer/Schrittwieser/Thomasberger , MSchG und VKG 2 , § 15 MSchG Erl 4 und § 2 VKG Erl 2). Danach kann aber auch nicht von einer planwidrigen gesetzlichen Lücke (vgl RIS-Justiz RS0008866; RS0008870) ausgegangen werden.
7. Auch die Regelung des § 13 Abs 3 BAG stützt den Standpunkt der Klägerin nicht: Nach dieser Bestimmung ist, wenn der Lehrling in einem zusammenhängenden Zeitraum von über vier Monaten aus in seiner Person gelegenen Gründen verhindert ist, den Lehrberuf zu erlernen, die vier Monate übersteigende Zeit nicht auf die für den Lehrberuf festgesetzte Lehrzeit anzurechnen. Liegt ein solcher persönlicher Hinderungsgrund – zu der auch eine Karenz wegen Mutterschaft zählt – vor, ist der Lehrberechtigte verpflichtet, eine „Nachlehre“ (Ergänzungslehrvertrag) für die Fehlzeit zu vereinbaren (Preiss/Spitzl in ZellKomm2 § 13 BAG Rz 14a, 15; Knallnig-Prainsack in Aust/Gittenberger/Knallnig-Prainsack/ Strohmayer, Berufsausbildungsgesetz2 § 13 Rz 57 ff). Die Bestimmung bezieht sich schon nach ihrer Überschrift ausdrücklich auf die Dauer des Lehrverhältnisses, damit aber gerade nicht auf ein erst daran anschließendes, auf die Dauer der Weiterbeschäftigungspflicht befristetes Dienstverhältnis. Anderes wird auch in der Literatur nicht vertreten (s Spitzl, Nachlehre wegen nicht auf die Lehrzeit anrechenbarer Zeiten, ecolex 2009, 700 ff [703]; Aust in Aust/Gittenberger/ Knallnig-Prainsack/Strohmayer, Berufsausbildungsgesetz2 § 18 BAG Rz 17).
8. Die Klägerin meint, dass ihre Strebsamkeit bestraft würde, weil sie dann, wenn sie die Lehrabschlussprüfung nicht abgelegt hätte, einen Anspruch auf Abschluss eines Ergänzungslehrvertrags gehabt hätte. Der Ergänzungslehrvertrag zielt aber nur darauf ab, die Erreichung des Lernziels (Lehrabschluss) auch dann sicherzustellen, wenn es sich durch einen persönlichen Hinderungsgrund verzögert. Diese Sicherstellung war bei der Klägerin nicht erforderlich, weil sie den Lehrabschluss erreichte.
9. Ein Vergleich mit der Rechtslage bei der Weiterverwendung in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis ist hier nicht anzustellen, weil dort von vornherein eine Hemmung des Fortlaufs oder Ablaufs der Behaltezeit nicht in Frage kommt.
10. Sowohl das Erstgericht als auch das Berufungsgericht verwiesen zu den gleichbehandlungsrechtlichen Erwägungen der Klägerin darauf, dass diese in erster Instanz (trotz qualifizierter Vertretung) nicht ausreichend substanziiert worden seien. Ein näheres Eingehen des Berufungsgerichts auf die erst in der Berufung angestellten konkreteren Ausführungen der Klägerin zu § 3 GlBG unterblieb daher. Die Frage, inwieweit das Vorbringen einer Partei ausreichend substanziiert wurde, kann naturgemäß nur nach dem konkreten Vorbringen im Einzelfall beurteilt werden, dessen Auslegung regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage darstellt (RIS‑Justiz RS0042828 ua). Ein Problem der Auslegung des Prozessvorbringens kann daher nur dann eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO begründen, wenn dem Berufungsgericht eine unvertretbare Beurteilung unterlaufen ist. Davon kann hier aber nicht gesprochen werden. In der außerordentlichen Revision wird auch weder eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens geltend gemacht noch eine damit zusammenhängende erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt.
11. Zusammenfassend besteht für den Standpunkt der Klägerin keine gesetzliche Grundlage, sodass ihre außerordentliche Revision mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen ist.
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