European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E120238
Spruch:
1. Aus Anlass des Revisionsrekurses wird der Beschluss des Rekursgerichts insoweit aufgehoben, als dieses über den von der Einschreiterin H* GmbH, FN *, erhobenen Rekurs gegen den Beschluss des Bezirksgerichts St. Johann im Pongau vom 7. Februar 2017, TZ 857/2017, meritorisch entschieden hat.
Der Rekurs wird, soweit er von der Einschreiterin H* GmbH, FN *, erhoben wurde, zurückgewiesen.
2. Dem Revisionsrekurs des Antragstellers wird nicht Folge gegeben.
Begründung:
Der Antragsteller ist Alleineigentümer der Liegenschaft EZ * BG *, bestehend aus den Grundstücken 254, .180 und 251/1. Im Punkt VII.1. des Kaufvertrags vom 28. 12. 2016 räumte der Antragsteller für sich und seine Rechtsnachfolger im Eigentum dieser Liegenschaft der H* GmbH und deren Rechtsnachfolger im Eigentum des GST‑NR 251/2 EZ * KG * das unentgeltliche Recht der Bauheranführung auf Gst 251/2 bis an die Grundgrenze zu den Gst 254, .180 und 251/1 ein. In Punkt VII.2. des Vertrags erklärt der Antragsteller, „demnach unwiderruflich für sich und seine Rechtsnachfolger im Besitz der Gst 254, .180 und 251/1 EZ * in einem künftigen baubehördlichen Verfahren über die Bebauung des Gst 251/2 jegliche wie immer gearteten Einwendungen, Rechtsbehelfe, Rechtsmittel hinsichtlich der Unterschreitung der im Salzburger Bebauungsgrundlagengesetz geregelten Mindestabstände zu unterlassen“. In Punkt VII.3. des Vertrags erteilte der Antragsteller seine ausdrückliche Einwilligung zur Einverleibung der Dienstbarkeit der Unterlassung von Einwendungen gemäß Pkt VII.2. des Vertrags.
Der Antragsteller begehrte, ob der dienenden Liegenschaft EZ * KG * die Einverleibung und ob der herrschenden Liegenschaft EZ * KG * die Ersichtlichmachung sowohl des Rechts des Heranbauens gemäß Punkt VII.1. des Kaufvertrags vom 28. 12. 2016 als auch der Dienstbarkeit der Unterlassung von Einwendungen im baubehördlichen Verfahren gemäß Punkt VII.2. des Kaufvertrags vom 28. 12. 2016.
Das Erstgericht wies diesen Antrag ab. Der Verpflichtung der Duldung des Heranbauens bis zur gemeinsamen Grundgrenze und der Verpflichtung, in einem künftigen baubehördlichen Verfahren jegliche Einwendungen zu unterlassen, fehle es an dem für eine Grunddienstbarkeit wesentlichen Tatbestandsmerkmal der Eigentumsbeschränkung am dienenden Gut.
Die Abweisung des Antrags auf Einverleibung des Rechts des Heranbauens blieb unbekämpft. Gegen die Abweisung des Antrags auf Einverleibung der Dienstbarkeit der Unterlassung von Einwendungen im baubehördlichen Verfahren erhoben hingegen sowohl der Antragsteller als auch die Einschreiterin Rekurs.
Das Rekursgericht gab diesem Rekurs nicht Folge. Durch die einzuverleibende Dienstbarkeit werde nicht die dienende Liegenschaft im Eigentumsrecht an ihrem Grundstück selbst beschränkt. Der jeweilige Eigentümer verpflichte sich lediglich, in einem künftigen baubehördlichen Verfahren über die Bebauung des herrschenden Grundstücks wie auch immer geartete Einwendungen, Rechtsbehelfe und Rechtsmittel hinsichtlich der Unterschreitung der im Salzburger Bebauungsgrundlagengesetz (SbgBGG) geregelten Mindestabstände zu unterlassen. Im Punkt VII.1. des Kaufvertrags werde die höchstgerichtliche Entscheidung 5 Ob 43/12b lediglich in dem Sinne zitiert, dass demnach die freiwillige vertragliche Einschränkung eines allenfalls bestehenden Abwehranspruchs nach §§ 364 ff ABGB den Inhalt einer Dienstbarkeit bilden könnte. Der maßgebliche, klare Urkundeninhalt der in VII.2. tatsächlich vereinbarten Dienstbarkeit würde Abwehransprüche nach §§ 364 ff ABGB aber gar nicht erfassen. Eine freiwillige vertragliche Einschränkung eines solchen Abwehranspruchs sei daher nicht erfolgt. Ob eine Verpflichtung, Einwendungen, Rechtsbehelfe und/oder Rechtsmittel im baubehördlichen Verfahren zu unterlassen, in Form einer Dienstbarkeit zulässig sei, habe das Höchstgericht in 5 Ob 43/12b ausdrücklich offen gelassen. Das Rekursgericht halte dafür, dass mit einem solchen Urkundenwortlaut keine solche Grunddienstbarkeit einverleibt werden könne, weil damit keine Eigentumsbeschränkung am dienenden Gut stattfinde. Hinzu komme, dass Einwendungen, Rechtsbehelfe und Rechtsmittel hinsichtlich der Unterschreitung der im Salzburger Bebauungsgrundlagengesetz geregelten Mindestabstände auch gar nicht denkbar seien, weil der Nachbar grundsätzlich, abgesehen vom Sonderfall nach § 25 Abs 7a Z 2 Sbg BGG, nach der Regelung über die Abstände zum Nachbargrundstück nach §§ 25, 25a Sbg BGG keine Zustimmungsrechte zur Unterschreitung des Abstands habe, sodass umgekehrt auch Einwendungen, Rechtsbehelfe und Rechtsmittel hinsichtlich der Unterschreitung der Mindestabstände, die unterlassen werden könnten, nicht vorstellbar seien.
Das Rekursgericht erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig, weil das Höchstgericht zu der über den Anlassfall hinaus bedeutsamen Frage der materiellen Zulässigkeit der Vereinbarung einer Verpflichtung zur Unterlassung von Einwendungen, Rechtsbehelfen und Rechtsmittel hinsichtlich der Unterschreitung der im Salzburger Bebauungsgrundlagengesetz geregelten Mindestabstände in Form der Einverleibung einer Grunddienstbarkeit noch nicht Stellung genommen habe.
Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der ordentliche Revisionsrekurs des Antragstellers und der Einschreiterin mit dem Antrag, die Beschlüsse der Vorinstanzen abzuändern und die beantragte Einverleibung und Ersichtlichmachung der Dienstbarkeit der Unterlassung von Einwendungen im baubehördlichen Verfahren gemäß Punkt VII.2. zu bewilligen.
Rechtliche Beurteilung
Aus Anlass des Revisionsrekurses der Einschreiterin ist ein dem Beschluss des Rekursgerichts anhaftender Verstoß gegen die funktionale Zuständigkeit aufzugreifen. Der Revisionsrekurs des Antragstellers ist hingegen zulässig; er ist aber nicht berechtigt.
I. Fehlende Rechtsmittellegitimation der Einschreiterin
1. Im Grundbuchverfahren ist im Regelfall (neben dem mit seinem Rechtsschutzbegehren gescheiterten Antragsteller) derjenige zum Rekurs legitimiert, der geltend machen kann, durch die bekämpfte Entscheidung in seinen bücherlichen Rechten verletzt worden zu sein; sei es, dass diese Rechte belastet, abgetreten, beschränkt oder aufgehoben werden (RIS‑Justiz RS0006710, RS0006677 [T8]).
2. Interessen oder Rechten, die noch nicht Gegenstand einer bücherlichen Eintragung geworden sind, fehlt der Rechtsmittelschutz. Die Verletzung bloß schuldrechtlicher Interessen und Ansprüche verschafft daher keine Rekurslegitimation (RIS‑Justiz RS0006710 [T10, T34]). Bei einem abweisenden Beschluss verneint die Rechtsprechung daher die Rekurslegitimation einer vom Antragsteller verschiedenen Person auch dann, wenn dieser als Vertragspartner an der beantragten Verbücherung eines ihm zugesagten Rechts interessiert ist. Im Grundbuchsverfahren muss sich die Beschwer auf die mögliche Verletzung bücherlicher Rechte beziehen. Auf ein solches Rechtsschutzbedürfnis kann sich der Vertragspartner des Antragstellers, dessen Recht erst verbüchert werden soll, aber nicht berufen (5 Ob 115/91 [Pfandrecht]; 5 Ob 108/95 [Fruchtgenussrecht]; 5 Ob 159/16t [Dienstbarkeit]).
3. Die Einschreiterin sollte die in Rede stehende Dienstbarkeit erst durch die (nicht von ihr selbst) beantragte Eintragung erwerben; deren bis dahin bloß schuldrechtlicher Anspruch rechtfertigt die Zuerkennung der Rekurslegitimation nicht. Das Rekursgericht hat die daraus folgende Unzulässigkeit des Rekurses der Einschreiterin aber nicht aufgegriffen, sondern (auch) über diesen meritorisch entschieden. Der Mangel der funktionellen Zuständigkeit des Rekursgerichts für eine solche Erledigung ist vom Obersten Gerichtshof aus Anlass des gegen eine unzulässige Sachentscheidung erhobenen Revisionsrekurses als Verfahrensmangel, der immer eine erhebliche Rechtsfrage aufwirft, wahrzunehmen; als Folge dessen ist der unzulässige Rekurs gegen den Beschluss erster Instanz zurückzuweisen (RIS‑Justiz RS0115201 [T4, T5], RS0042059 [T9, T10]). Dieser allgemeine Verfahrensgrundsatz gilt insbesondere auch für das Grundbuchsverfahren (RIS‑Justiz RS0042059 [T12]).
II. Revisionsrekurs des Antragstellers
1. Die – gemäß § 9 GBG einverleibungsfähige – Dienstbarkeit ist das dingliche Recht der beschränkten Nutzung einer fremden Sache. Nach § 472 ABGB wird durch das Recht der Dienstbarkeit ein Eigentümer verbunden, zum Vorteil eines anderen „in Rücksicht seiner Sache“ etwas zu dulden (bejahende Servitut) oder zu unterlassen (verneinende Servitut). Der Eigentümer der belasteten Sache ist also verpflichtet, etwas zu unterlassen, was er an sich zu tun befugt wäre, oder etwas zu dulden, was er sonst untersagen dürfte (5 Ob 3/17b, 5 Ob 43/12b mwN). Eine (Grund-)Dienstbarkeit besteht nur dann, wenn sich die Duldung oder Unterlassung, zu der der Eigentümer der belasteten Liegenschaft verpflichtet ist, auf die Nutzung des Grundstücks selbst bezieht (RIS‑Justiz RS0011510 [T2]). Duldung „in Rücksicht seiner Sache“ erfordert also stets eine unmittelbare Beziehung zur Nutzung der belasteten Sache (RIS‑Justiz RS0011510 [T2, T4]).
2. Die Aufzählung der Grunddienstbarkeiten in den §§ 475 bis 477 ABGB ist zwar nicht erschöpfend (RIS‑Justiz RS0011558). Wesentlich ist jedoch, dass Grunddienstbarkeiten das Eigentum am dienenden Grundstück beschränken und das am herrschenden Gut bestehende Eigentum erweitern oder fördern. Fehlt auch nur eine dieser beiden Eigenschaften, sind die Voraussetzungen einer Grunddienstbarkeit nicht gegeben (RIS‑Justiz RS0011546).
3. Nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs stellt sich eine von Liegenschaftsnachbarn vertraglich übernommene Verpflichtung zur wechselseitigen „Erteilung einer Bauabstandsnachsicht“ inhaltlich als eine der Baubehörde zu vermittelnde Zustimmung zur bescheidmäßigen Erteilung einer Abstandsnachsicht dar. Die Abgabe einer Zustimmungserklärung im Bauverfahren stellt aber ein aktives Tun dar, welches nicht Hauptleistungspflicht einer Dienstbarkeit sein kann. Vertraglich nicht erfasste, mittelbar aus einer – infolge Abstandsnachsicht möglichen – grenznahen Verbauung resultierende Beeinträchtigungen der Nachbarliegenschaft vermögen die Annahme einer Dienstbarkeit nicht zu rechtfertigen (RIS‑Justiz RS0122142; vgl auch Rassi in Kodek, Grundbuchsrecht² § 12 Rz 13; aA Bittner in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB³ [Klang] § 472 Rz 4).
In den diese Rechtsprechungslinie begründenden Entscheidungen 5 Ob 16/07z und 5 Ob 32/07b lag der tragende Grund für diese Beurteilung darin, dass sich die dort übernommene Verpflichtung der „Erteilung einer Bauabstandsnachsicht“ inhaltlich als Verpflichtung zu einem aktiven Tun darstellte. In der vom Antragsteller und dem Rekursgericht zitierten Entscheidung 5 Ob 43/12b stellte der Oberste Gerichtshof klar, dass diese Erwägung im Fall der dort zu beurteilenden Verpflichtung der „Duldung des Heranbauens“ nicht einschlägig ist, weil eine solche weder auf die Erteilung einer „Bauabstandsnachsicht“ Bezug nimmt noch eine entsprechende Zustimmungserklärung nach den (auch dort) maßgeblichen Salzburger Bebauungsvorschriften Relevanz hätte. Der Verpflichtung der „Duldung des Heranbauens“ fehle es aber an dem für eine Grunddienstbarkeit wesentlichen Tatbestandsmerkmal der Eigentumsbeschränkung am dienenden Gut. Der Eigentümer des dienenden Gutes werde lediglich zur Duldung des Heranbauens bis zu seiner Grundstücksgrenze verpflichtet, nicht aber zu einer Beschränkung des Eigentumsrechts an seinem Grundstück selbst. Anders etwa als im Fall des Verzichts auf eine bestimmte bauliche Ausgestaltung der Liegenschaft sei in diesem Fall nicht zu erkennen, inwiefern die Duldung des Heranbauens bis zur Grundstücksgrenze eine Einschränkung der Nutzung der Liegenschaft der Erstantragstellerin selbst bewirke. Es sei zwar durchaus denkbar, dass aus der grenznahen Verbauung Beeinträchtigungen der Nachbarliegenschaft resultieren könnten. Eine freiwillige vertragliche Einschränkung eines allenfalls bestehenden Abwehranspruchs nach den §§ 364 ff ABGB könnte nach der Rechtsprechung den Inhalt einer Dienstbarkeit bilden. Allerdings sei gerade dieser Fall von der dort zu beurteilenden vertraglichen Vereinbarung unmittelbar nicht erfasst (5 Ob 43/12b immolex 2014/69 [krit Stadlmann]).
4. Die von den Parteien getroffene Vereinbarung des Rechts der „Bauheranführung“ ist nicht mehr Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens. Zu beurteilen ist vielmehr die vom Eigentümer des dienenden Grundstücks flankierend dazu (arg „demnach“) übernommene Verpflichtung, in einem künftigen baubehördlichen Verfahren über die Bebauung eines Nachbargrundstücks jegliche wie immer gearteten Einwendungen, Rechtsbehelfe, Rechtsmittel hinsichtlich der Unterschreitung der im Salzburger Bebauungs-grundlagengesetz geregelten Mindestabstände zu unterlassen. Die Vorinstanzen sind davon ausgegangen, dass (auch) diese Verpflichtung keine (selbständige) Grunddienstbarkeit an einem Grundstück als dienende Sache darstellt, weil es an dem für eine Grunddienstbarkeit wesentlichen Tatbestandsmerkmal der Eigentumsbeschränkung am dienenden Grund mangle. Der erkennende Senat teilt diese Auffassung. Eine (Grund‑)Dienstbarkeit besteht nur dann, wenn sich die Duldung oder Unterlassung, zu der der Eigentümer der belasteten Liegenschaft verpflichtet ist, auf die Nutzung des belasteten Grundstücks selbst bezieht (RIS‑Justiz RS0011510 [T2, T4]). Die vereinbarte Unterlassungsverpflichtung beschränkt – gleich der Verpflichtung zur Duldung des Heranbauens – nicht unmittelbar die Nutzung der belasteten Sache. Entgegen der Auffassung des Rekursgerichts sind im baubehördlichen Verfahren zwar im Hinblick auf subjektiv öffentliche Nachbarrechte (vgl § 25a Abs 4 Sbg BGG; RIS‑Justiz RS0107965 [Tiroler Bauordnung]) Einwendungen, Rechtsbehelfe und Rechtsmittel hinsichtlich der Unterschreitung der Mindestabstände möglich. Aber auch in diesem Zusammenhang gilt, dass vertraglich nicht erfasste, nur mittelbar aus einer – infolge der allfälligen Bewilligung einer grenznahen – Verbauung resultierende Beeinträchtigungen der Nachbarliegenschaft die Annahme einer Dienstbarkeit nicht zu rechtfertigen vermögen (vgl RIS‑Justiz RS0122142). Eine freiwillige vertragliche Einschränkung eines allenfalls bestehenden Abwehranspruchs nach den §§ 364 ff ABGB, die nach der – in den Entscheidungen 5 Ob 83/09f und 5 Ob 43/12b bloß zitierten – Entscheidung 5 Ob 93/70 den Inhalt einer Dienstbarkeit bilden kann (vgl RIS‑Justiz RS0011575), ist (auch) hier von der vertraglichen Vereinbarung unmittelbar nicht erfasst.
5. Der zu verbüchernden Verpflichtung fehlen somit ein wesentliches Tatbestandsmerkmal und eine charakteristische Eigenschaft für eine Grunddienstbarkeit. Die Schaffung vom Gesetz nicht vorgesehener dinglicher Rechte und ihre Einordnung als Dienstbarkeit ist unzulässig. Derartige Rechte sind keine Dienstbarkeiten und aufgrund des geschlossenen Katalogs der dinglichen Rechte nicht verbücherungsfähig (Bittner in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB³ [Klang] § 472 Rz 5). Der Revisionsrekurs ist daher nicht berechtigt.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)