OGH 5Ob43/12b

OGH5Ob43/12b24.4.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragsteller 1. G*****, geboren am *****, 2. A*****, geboren am *****, 3. A*****, geboren am *****, alle *****, sämtliche vertreten durch Dr. Anton Bonimaier, öffentlicher Notar in Zell am See, wegen Einverleibung einer Dienstbarkeit in der EZ ***** GB *****, über den Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 12. Jänner 2012, AZ 53 R 321/11d, womit über Rekurs der Antragsteller der Beschluss des Bezirksgerichts Saalfelden vom 11. August 2011, TZ 1949/2011, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Antragsteller begehrten ‑ soweit für das Revisionsrekursverfahren noch von Bedeutung ‑ in der EZ ***** GB ***** die Einverleibung der Dienstbarkeit der Duldung des Heranbauens gemäß Vertragspunkt Viertens des Schenkungsvertrags samt Pflichtteilsverzichts vom 6. 7. 2011 auf dem Grundstück 476/1 für das Grundstück 476/3 und in EZ ***** (richtig: EZ *****) GB ***** die entsprechende Ersichtlichmachung des Rechts des Heranbauens.

Punkt Viertens des Vertrags lautet:

„GRENZABSTANDSUNTERSCHREITUNG

Die Geschenkgeberin [Erstantragstellerin] räumt mit Wirkung für sich und ihre Rechtsnachfolger im Eigentum des Grundstücks 476/1 den Geschenknehmern [Zweit‑ und Drittantragsteller] und deren Rechtsnachfolgern im Eigentum des neu vermessenen Grundstücks 476/3 das immerwährende unentgeltliche Recht ein, entlang der gemeinsamen Grenze der Grundstücke 476/1 und 476/3, vorbehaltlich einer behördlichen Genehmigung, bis an die Grenze zum Grundstück 476/1 heranzubauen und bestellt zur Verdinglichung dieses Rechts am Grundstück 476/1 die Dienstbarkeit der Duldung des Heranbauens zugunsten des Grundstücks 476/3. Die Geschenknehmer erklären, die Einräumung dieses Rechts anzunehmen.“

Das Erstgericht wies diesen Teil des Grundbuchsgesuchs der Antragsteller ab. Der Oberste Gerichtshof habe in der Entscheidung 5 Ob 16/07z in einem vergleichbaren Fall ausgesprochen, dass eine Verpflichtung zur Erteilung einer Baunachsicht (wenngleich hier als Dienstbarkeit der Duldung des Heranbauens vereinbart) keine grundbücherlich einzuverleibende Servitut darstelle, sondern inhaltlich eine der Baubehörde zu vermittelnde Zustimmung zur bescheidmäßigen Erteilung einer Abstandsnachsicht. Trotz der Formulierung der Vereinbarung liege ihr Zweck in einer Verbücherung einer „Vorwegzustimmung“ zu einer Bauführung bis an die Grundgrenze. Dies könne nicht in Form einer Dienstbarkeit verbüchert werden. Auch weitere, vertraglich nicht erfasste, mittelbar aus einer ‑ infolge Abstandsunterschreitung möglichen ‑ grenznahen Verbauung resultierende Beeinträchtigungen der Nachbarliegenschaft rechtfertigten die Annahme einer Dienstbarkeit nicht.

Das Rekursgericht gab dem dagegen von den Antragstellern erhobenen Rekurs nicht Folge und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil der Rechtsfrage der Zulässigkeit der Duldung einer bestimmten Art der Bebauung eines Nachbargrundstücks (speziell im Lichte der Entscheidung 4 Ob 107/97g) erhebliche Bedeutung zukomme.

Inhaltlich teilte das Rekursgericht die Rechtsauffassung des Erstgerichts. Die vereinbarte Verpflichtung reduziere sich darauf, gegenüber der Baubehörde eine Zustimmungserklärung iSd § 25 Abs 7 Salzburger Bebauungsgrundlagengesetz (Sbg BGG - LGBl 1968/69 idgF) abzugeben. Die Abgabe einer Zustimmungserklärung im Bauverfahren stelle aber ein aktives Tun dar, welches nicht Hauptleistungspflicht einer Dienstbarkeit sein könne (so schon 7 Ob 125/10y). Daran ändere sich nichts dadurch, dass eine solche Zustimmungserklärung nach der Salzburger Rechtslage nicht unbedingt Voraussetzung für die Unterschreitung der Mindestabstände sei.

In ihrem dagegen erhobenen Revisionsrekurs beantragen die Antragsteller eine Abänderung der Entscheidung der Vorinstanzen im Sinne einer Bewilligung des Gesuchs.

Die Revisionsrekurswerber argumentieren, dass entsprechend der in Salzburg geltenden Rechtslage ‑ anders als im Anlassfall der Entscheidung 5 Ob 16/07z, die die Vorarlberger Bebauungsvorschriften betroffen habe ‑ eine von der Baubehörde gemäß § 25 Abs 8 Sbg BGG erteilte Abstandsnachsicht nicht von der Zustimmung des Nachbarn abhänge. Aus der vereinbarten Dienstbarkeit könne daher nicht abgeleitet werden, dass die Hauptpflicht des Nachbarn in der Erteilung einer Zustimmung, also einem aktiven Tun, liege. Vielmehr bezwecke die Dienstbarkeitsvereinbarung einerseits, dass der Nachbar privatrechtlich verpflichtet werde, Einwendungen/Einsprüche/Rechtsmittel gegen die baubehördliche Genehmigung der Abstandsunterschreitung zu unterlassen; diese Unterlassungspflicht könne gegebenenfalls gegen den zur Duldung verpflichteten Nachbarn gerichtlich durchgesetzt werden. Das erleichtere das Bauverfahren. Im Übrigen seien die Rechtsnachfolger der Vertragsparteien durch die eingetragene Dienstbarkeit gebunden; einer Übertragung oder Übernahme des Vertragsinhalts bedürfe es nicht.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig; er ist jedoch nicht berechtigt.

1. Gemäß § 9 GBG können im Grundbuch nur dingliche Rechte und Lasten, ferner das Wiederkaufs‑ und das Vorkaufsrecht (§§ 1070 und 1073 ABGB) sowie das Bestandrecht (§ 1095 ABGB) eingetragen werden.

2. Die Dienstbarkeit ist das dingliche Recht der beschränkten Nutzung einer fremden Sache (Kiendl‑Wendner in Schwimann³, § 472 ABGB Rz 1; Koziol/Welser I13 419). Nach § 472 ABGB wird durch das Recht der Dienstbarkeit ein Eigentümer verbunden, zum Vorteil eines anderen in Rücksicht seiner Sache etwas zu dulden (bejahende Servitut) oder zu unterlassen (verneinende Servitut). Der Eigentümer der belasteten Sache ist also verpflichtet, etwas zu unterlassen, was er an sich zu tun befugt wäre, oder etwas zu dulden, was er sonst untersagen dürfte (5 Ob 281/00k SZ 73/175 = NZ 2001/514 ‑ GBSlg [Hoyer] = wobl 2002/48;[Bittner]; 5 Ob 16/07z NZ 2007/693 ‑ GBSlg [Hoyer]; 7 Ob 125/10y NZ 2011/84 Memmer in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON 1.00 § 472 Rz 4 ). Im Unterschied zur Reallast ist die Dienstbarkeit idR nicht mit der Verpflichtung des Eigentümers zu einem aktiven Tun verbunden (Kiendl‑Wendner aaO § 472 Rz 9). Die Pflicht zu positiven Leistungen darf nur Mittel zum Zweck, aber nicht Hauptinhalt sein (7 Ob 563/77 SZ 50/61; 2 Ob 2267/96p SZ 69/180; Hofmann in Rummel³ § 472 Rz 4 und § 482 Rz 1).

3. Zwar ist die Aufzählung der Grunddienstbarkeiten in den §§ 475 bis 477 ABGB nicht erschöpfend (5 Ob 125/04z NZ 2005/618 ‑ GBSlg [Hoyer]; RIS-Justiz RS0011558). Wesentlich ist jedoch, dass Grunddienstbarkeiten das Eigentum am dienenden Grundstück beschränken und das am herrschenden Gut bestehende Eigentum erweitern oder fördern. Fehlt auch nur eine dieser beiden Eigenschaften, sind die Voraussetzungen einer Grunddienstbarkeit nicht gegeben (RIS‑Justiz RS0011546; Rassi in Kodek, Grundbuchsrecht § 12 GBG Rz 9).

4. In der Entscheidung 5 Ob 16/07z SZ 2007/66 = NZ 2007/693 ‑ GBSlg (zust Hoyer mit dem Hinweis, dass dies auf eine rechtsgeschäftlich begründete Beschränkung der Verfügungsgewalt des Liegenschaftseigentümers hinausliefe) entschied der Senat, dass die gegenseitige Verpflichtung von Liegenschaftsnachbarn zur wechselseitigen „Erteilung einer Bauabstandsnachsicht“ (gemeint: Zustimmung zur Bauabstandsnachsicht durch die Baubehörde) nicht als Dienstbarkeit verbüchert werden kann, weil sich die vereinbarte „Erteilung einer Bauabstandsnachsicht“ inhaltlich als der Baubehörde zu vermittelnde Zustimmung zur bescheidmäßigen Erteilung einer Abstandsnachsicht darstellt. Die Abgabe einer Zustimmungserklärung im Bauverfahren könne als aktives Tun nicht Hauptleistungspflicht einer Dienstbarkeit sein. Diese Rechtsansicht wurde in der Entscheidung 5 Ob 32/07b wiederholt. Beide Entscheidungen bezogen sich auf Vorschriften des Vorarlberger Baugesetzes (Vbg BauG).

In der Entscheidung 7 Ob 125/10y NZ 2011/84 wurde ebenfalls ausgesprochen, dass eine Verpflichtung zur Erteilung einer Baunachsicht (im Anlassfall zu § 25 Abs 7a und Abs 8 des Sbg BGG) keine grundbücherlich einzuverleibende Servitut, sondern inhaltlich eine der Baubehörde zu vermittelnde Zustimmung zur bescheidmäßigen Erteilung einer Abstandsnachsicht darstelle. Die Abgabe einer Zustimmungserklärung im Bauverfahren könne nicht Hauptleistungspflicht einer Dienstbarkeit sein.

Demgegenüber wurde in der die außerordentliche Revision zurückweisenden Entscheidung 4 Ob 107/97g, welche Entscheidung sich ausschließlich mit der Frage des Erlöschens der Dienstbarkeit durch Vereinigung befasste, auf eine vereinbarte Dienstbarkeit „des Heranbauens bis an die Grenze des dienenden Gutes“ Bezug genommen.

5. Die im Anlassfall zu beurteilende, unter dem Titel „Grenzabstandsunterschreitung“ stehende Vereinbarung räumt das unentgeltliche Recht ein, entlang der gemeinsamen Grenze der Grundstücke 476/1 und 476/3, vorbehaltlich einer behördlichen Genehmigung, bis an die Grenze zum Grundstück 476/1 heranzubauen und bezeichnet die Dienstbarkeit als solche der „Duldung des Heranbauens zugunsten des Grundstücks 476/3“.

5.1 Richtig ist nun, dass nach den hier einschlägigen Salzburger Bauvorschriften ‑ mit Ausnahme von bestimmten Nebenanlagen (vgl § 25 Abs 7a Sbg BGG) - die ausnahmsweise Zulassung der Unterschreitung der in § 25 Abs 3 und 4 Sbg BGG festgesetzten Abstände nur von der Einhaltung der in § 25 Abs 8 Sbg BGG genannten Voraussetzungen, nicht aber von einer Zustimmungserklärung der Nachbarn abhängt. Richtig ist daher auch, dass der tragende Abweisungsgrund der Entscheidung 5 Ob 16/07z, der darin lag, dass sich die dort wechselseitig übernommene Verpflichtung der „Erteilung einer Bauabstandsnachsicht“ inhaltlich als eine der Baubehörde zu vermittelnde Zustimmung zur bescheidmäßigen Erteilung einer Abstandsnachsicht, inhaltlich somit als Verpflichtung zu einem aktiven Tun darstellte, hier nicht einschlägig ist, weil die in der Urkunde übernommene Verpflichtung weder auf die Erteilung einer „Bauabstandsnachsicht“ Bezug nimmt noch eine entsprechende Zustimmungserklärung nach den maßgeblichen Salzburger Bebauungsvorschriften Relevanz hätte.

5.2 Damit ist aber für die Revisionsrekurswerber nichts gewonnen:

Der hier zu beurteilenden Verpflichtung der „Duldung des Heranbauens“ fehlt es nämlich an dem für eine Grunddienstbarkeit wesentlichen Tatbestandsmerkmal der Eigentumsbeschränkung am dienenden Gut. Die Eigentümerin des dienenden Gutes (die Erstantragstellerin) wird lediglich zur Duldung des Heranbauens bis zu ihrer Grundstücksgrenze verpflichtet, nicht aber zu einer Beschränkung des Eigentumsrechts an ihrem Grundstück selbst. Anders etwa als im Fall des Verzichts auf eine bestimmte bauliche Ausgestaltung der Liegenschaft (5 Ob 87/91 = WoBl 1992/95 [Call]) ist hier nicht zu erkennen, inwiefern die Duldung des Heranbauens bis zur Grundstücksgrenze eine Einschränkung der Nutzung der Liegenschaft der Erstantragstellerin selbst bewirkt.

5.3 Nun ist durchaus denkbar, dass aus der grenznahen Verbauung Beeinträchtigungen (zB Licht) der Nachbarliegenschaft resultieren könnten. Eine freiwillige vertragliche Einschränkung eines allenfalls bestehenden Abwehranspruchs nach den §§ 364 ff ABGB (vgl dazu 5 Ob 93/70 SZ 43/117; RIS‑Justiz RS0011575) könnte nach der Rechtsprechung den Inhalt einer Dienstbarkeit bilden. Allerdings ist gerade dieser Fall von der vertraglichen Vereinbarung unmittelbar nicht erfasst.

5.4 Die Revisionsrekurswerber berufen sich auch gar nicht auf eine allfällige freiwillige vertragliche Einschränkung des Abwehranspruchs der Erstantragstellerin nach §§ 364 ff ABGB, sondern darauf, dass die Vereinbarung darauf abziele, dass die Erstantragstellerin verpflichtet werden solle, Einwendungen/Rechtsbehelfe/Rechtsmittel im baubehördlichen Verfahren zu unterlassen (gemeint offenkundig: soweit sich diese Einwendungen/Rechtsbehelfe/Rechtsmittel auf die Unterschreitung der im Sbg BGG geregelten Mindestabstände beziehen). Eine Stattgebung des Grundbuchsgesuchs aus diesem Grund scheidet aber ‑ ohne dass auf die materielle Zulässigkeit eingegangen werden müsste - schon deshalb aus, weil nach dem im Grundbuchsverfahren maßgeblichen Urkundenwortlaut (RIS‑Justiz RS0060573 [T1]) gerade nicht auf eine Unterlassungspflicht der Erstantragstellerin im baubehördlichen Verfahren, sondern auf die Pflicht zur Duldung des Heranbauens Bezug genommen wird.

6. Dem Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen.

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