Spruch:
Dem Revisionsrekurs der Antragsteller wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Die Antragsteller begehrten ob den Liegenschaften EZ 279 ([nunmehr] bestehend aus dem GST-NR 564/21) und der neu eröffneten EZ 332 (bestehend aus dem GST-NR 564/18) je GB ***** (ua) jeweils die wechselseitige Einverleibung der „Dienstbarkeit der Bauabstandsnachsicht" im Sinne und Umfange Punkt X. des Realteilungsvertrages vom 13. 6. 2006 entlang der gemeinsamen Grenze zwischen GST-NR 564/18 und GST-NR 564/21.
Punkt X. des Realteilungsvertrages vom 13. 6. 2006 lautet:
„X.
Bauabstandsnachsicht:
Angelika Maria D*****-T*****, als Eigentümerin des GST 564/21, und Mag. Peter H*****, als Eigentümer des GST 564/18, erteilen einander, im Fall einer Sanierung oder eines Umbaus bzw Abbruchs und anschließenden Neubaus, für den in ihrem jeweiligen Eigentum befindlichen Hausanteil, die gegenseitige Bauabstandsnachsicht bis auf 0 Meter. Bei der Ausübung dieser Berechtigung sind die bisherigen Ausmaße und die Firsthöhe des bereits bestehenden Gebäudes grenzseitig einzuhalten.
Die Rechtseinräumung erfolgt für Erben- und Rechtsnachfolger im Eigentum der beteiligten Grundstücke. Einvernehmlich wird die grundbücherliche Sicherstellung als Dienstbarkeit der Bauabstandsnachsicht vereinbart.
Die Beteiligten nehmen die in diesem Punkt vereinbarten Rechte und Pflichten gegenseitig zur Kenntnis und an."
Das Erstgericht wies den auf Einverleibung der „Dienstbarkeit der Bauabstandsnachsicht" gerichteten Teil des Grundbuchsgesuchs ab. Die Verpflichtung zur Abgabe einer baurechtlichen Zustimmungserklärung könne weder Gegenstand einer Reallast sein noch als Dienstbarkeit einverleibt werden. Die Einräumung einer Bauabstandsnachsicht bedürfe neben der Zustimmung des Nachbarn auch jener der Baubehörde und sei ohne diese sinnlos. Um das Überhandnehmen von Dienstbarkeiten und folglich die Unübersichtlichkeit des Grundbuchs zu vermeiden, sei auch Sinn- und Zweckhaftigkeit des einzuverleibenden Rechts zu prüfen.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsteller nicht Folge. Bei einer Dienstbarkeit sei der Eigentümer idR nicht zu einem aktiven Tun, sondern bloß zu einem Dulden oder Unterlassen verpflichtet. Eine positive Leistung könne nicht Haupt-, sondern nur Nebenpflicht einer Servitut sein. Hier strebten die Antragsteller die Zustimmungserklärung des jeweiligen Nachbarn zur Erteilung einer Bauabstandsnachsicht durch die Behörde an, was nicht Gegenstand einer Dienstbarkeit sein könne.
Die Entscheidung des Rekursgerichts enthält den Ausspruch, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob die Verpflichtung der Zustimmung zur Bauabstandsnachsicht als Dienstbarkeit einverleibt werden könne. Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der ordentliche Revisionsrekurs der Antragsteller wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn der Bewilligung der begehrten Dienstbarkeitseinverleibung. Die Antragsteller machen zusammengefasst geltend, sie hätten sich gegenseitig die Bauabstandsnachsicht eingeräumt, was zur Folge habe, dass im Fall künftiger Verbauung die neuerliche Einräumung der Abstandsnachsicht nicht mehr erforderlich sei. Durch die Bauabstandsnachsicht erklärten die Antragsteller zu dulden, dass der Nachbar die von der Bauordnung vorgegebenen Abstände nicht einzuhalten brauche. Durch die Eintragung im Grundbuch gehe die Zustimmung zu den bereits geplanten Bauarbeiten auf mögliche Rechtsnachfolger über und das herrschende Grundstück könne vorteilhafter genutzt werden. Die Verbücherung sei zulässig, weil die §§ 475 ff ABGB nur eine beispielhafte Aufzählung möglicher Dienstbarkeiten enthalte, an das Utilitätserfordernis kein strenger Maßstab anzulegen sei und auch privatrechtliche Baubeschränkungen verbüchert werden könnten.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig; er ist aber nicht berechtigt.
1.1. Gemäß § 9 GBG können im Grundbuch nur dingliche Rechte und Lasten, ferner das Wiederkaufs- und das Vorkaufsrecht (§§ 1070 und 1073 ABGB) sowie das Bestandrecht (§ 1095 ABGB) eingetragen werden (zu den Typen des Sachenrechts s Spielbüchler in Rummel³, § 308 ABGB Rz 1).
1.2. Die Dienstbarkeit ist das dingliche Recht der beschränkten Nutzung einer fremden Sache (Kiendl-Wendner in Schwimann³, § 472 ABGB Rz 1). Dienstbarkeiten beruhen auf einem privatrechtlichen Titel (Rechtsgeschäft, Richterspruch, Ersitzung; (Kiendl-Wendner in Schwimann³, § 472 ABGB Rz 3). Hofmann (in Rummel3, § 472 Rz 1) zählt daher „bescheidmäßig nicht als Dienstbarkeiten begründete Duldungs- und Unterlassungspflichten, zB aus dem Baurecht" unter Verweis auf VfGH B 194/75, ÖJZ 1978, 411, nicht zu den Servituten.
1.3. Nach § 472 ABGB wird durch das Recht der Dienstbarkeit ein
Eigentümer verbunden, zum Vorteil eines anderen in Rücksicht seiner
Sache etwas zu dulden (bejahende Servituten) oder zu unterlassen
(verneinende Servituten). Der Eigentümer der belasteten Sache ist
also verpflichtet, etwas zu unterlassen, was er an sich zu tun befugt
wäre, oder etwas zu dulden, was er sonst untersagen dürfte (5 Ob
281/00k = SZ 73/175 = MietSlg 52.037 = immolex 2001/59 = NZ 2001/514,
479, Hoyer = NZ 2002/48, 118 = wobl 2002/48, 187, Bittner = EvBl
2001/77, 348; Klang in Klang², 549). Im Unterschied zur Reallast ist
die Dienstbarkeit idR nicht mit der Verpflichtung des Eigentümers zu
einem aktiven Tun verbunden (Kiendl-Wendner in Schwimann³, § 472 ABGB
Rz 9). Die Pflicht zu positiven Leistungen darf nur Mittel zum Zweck,
aber nicht Hauptinhalt sein (7 Ob 563/77 = SZ 50/61; 2 Ob 2267/96p =
SZ 09/180 = ecolex 1997, 81; Hofmann in Rummel3, § 472 Rz 4 und § 482
Rz 1).
2.1. Im vorliegenden Fall besteht die von den Antragstellern in dem mit „Bauabstandsnachsicht" beschriebenen Punkt X. des Realteilungsvertrages vom 13. 6. 2006 vereinbarte Hauptleistungspflicht darin, dass diese als Eigentümer der Nachbargrundstücke „einander, im Fall einer Sanierung oder eines Umbaus bzw Abbruchs und anschließenden Neubaus, für den in ihrem jeweiligen Eigentum befindlichen Hausanteil, die gegenseitige Bauabstandsnachsicht bis auf 0 Meter (erteilen)".
2.2. Die vertragliche Vereinbarung der Antragsteller laut Punkt X. des Realteilungsvertrages vom 13. 6. 2006 steht in Zusammenhang mit den Vorschriften des Vbg BauG über Abstandsflächen und Mindestabstände. § 5 Abs 1 Vbg BauG sieht vor, dass oberirdische Gebäude so anzuordnen sind, dass vor jeder Außenwand eine Abstandsfläche liegt, deren Anforderungen in dieser Bestimmung näher geregelt wird. In § 6 Vbg BauG sind bestimmte Mindestabstände festgelegt, die oberirdische Gebäude von der Nachbargrenze entfernt sein müssen. Nach § 7 Abs 1 Vbg BauG kann die Behörde Ausnahmen von den Vorschriften der §§ 5, 6 Vbg BauG zulassen („Abstandsnachsicht"), wenn die Interessen der Sicherheit, der Gesundheit sowie des Schutzes des Orts- und Landschaftsbildes nicht beeinträchtigt werden und überdies der betroffene Nachbar zustimmt (§ 7 Abs 1 lit a Vbg BauG) oder andere in § 7 Abs 1 lit b bis f Vbg BauG genannte Voraussetzungen vorliegen. Nach § 26 Abs 1 lit b Vbg BauG hat der Nachbar im Verfahren über den Bauantrag das Recht, durch Einwendungen die Einhaltung der §§ 5 bis 7 Vbg BauG, soweit sie dem Schutz des Nachbarn dienen, geltend zu machen. Die Einhaltung der Abstandsvorschriften ist insoweit als subjektiv-öffentliches Nachbarrecht gewährleistet (vgl dazu auch Hauer5, Der Nachbar im Baurecht, 238 ff; allg zum Rechtsschutz der Nachbarn im Baurecht s Wagner, Deregulierung im Baurecht und ziviler Rechtsschutz [Teil I und II], bbl 1999, 131 und 171).
2.3. Aus den dargestellten Bestimmungen des Vbg BauG folgt zunächst, dass sich die Antragsteller - entgegen dem durch die Formulierung des Punkt X. des Realteilungsvertrages vom 13. 6. 2006 erweckten Eindruck - nicht selbst eine Bauabstandsnachsicht erteilen können. Die Abstandsnachsicht stellt vielmehr eine Entscheidung der Baubehörde dar, für welche die erklärte Zustimmung des jeweiligen Antragstellers als Nachbar einen wesentlichen Aspekt darstellen wird. Wenn nämlich die Interessen der Sicherheit, der Gesundheit sowie des Schutzes des Orts- und Landschaftsbildes nicht beeinträchtigt werden und überdies der betroffene Nachbar zustimmt, dann kann die Baubehörde eine Bauabstandsnachsicht erteilen. Inhaltlich betrachtet besteht demnach die von den Antragstellern in Punkt X. des Realteilungsvertrages vom 13. 6. 2006 übernommene Verpflichtung in Wahrheit darin, der Baubehörde gegenüber im Sinn des § 7 Abs 1 lit a Vbg BauG die Zustimmung zur Erteilung einer Bauabstandsnachsicht zu erklären. Die vertragliche Leistungspflicht besteht damit hier gerade nicht in der für eine Dienstbarkeit typischen Pflicht, als Eigentümer etwas in Rücksicht auf die eigene Sache zu dulden oder zu unterlassen. Vielmehr schulden die Antragsteller - als Hauptleistungspflicht - die Abgabe einer dann der Baubehörde vorzulegenden Zustimmungserklärung und damit ein aktives Tun, welches typischerweise nicht Gegenstand einer Dienstbarkeit ist.
2.4. Es mag nun durchaus zutreffen, dass das subjektiv-öffentliche Nachbarrecht auf Einhaltung eines bestimmten Mindestabstands zwischen Grundgrenze und Nachbargebäude mittelbar auch ausreichende Belichtung und Belüftung der eigenen Liegenschaft gewährleisten soll sowie Aspekten des Lärmschutzes dienen mag (vgl dazu auch Hauer, Der Nachbar im Baurecht5, 256). Die aus einer Zustimmung zur Bauabstandsnachsicht und der folgenden grenznahen Verbauung mittelbar resultierende Beeinträchtung der Nachbarliegenschaft und deren Duldung sind aber jedenfalls nicht fassbarer Inhalt des Punktes X. des Realteilungsvertrages vom 13. 6. 2006.
3. Zusammengefasst ergibt sich Folgendes:
Die von Liegenschaftsnachbarn vertraglich übernommene Verpflichtung zur wechselseitigen „Erteilung einer Bauabstandsnachsicht" stellt sich inhaltlich als der Baubehörde zu vermittelnde Zustimmung zur bescheidmäßigen Erteilung einer Abstandsnachsicht dar. Die Abgabe einer Zustimmungserklärung im Bauverfahren stellt aber ein aktives Tun dar, welches nicht Hauptleistungspflicht einer Dienstbarkeit sein kann. Die vertraglich nicht erfassten, mittelbar aus einer - infolge Abstandsnachsicht möglichen - grenznahen Verbauung resultierenden Beeinträchtigungen der Nachbarliegenschaft vermögen ebenfalls die Annahme einer Dienstbarkeit nicht zu rechtfertigen. Der Revisionsrekurs der Antragsteller muss somit erfolglos bleiben.
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