European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E120057
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
Das Teilurteil des Berufungsgerichts wird im Umfang des Zuspruchs von 8.816,53 EUR sA mit der Maßgabe bestätigt, dass es insoweit lautet:
„Die beklagte Partei ist im Rahmen des Hauptbegehrens schuldig, der klagenden Partei 8.011,53 EUR (Verteidigerkosten) sowie 805 EUR (Haftentschädigung) samt 4 % Zinsen pa seit 15. Jänner 2014 binnen 14 Tagen zu zahlen.“
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt dem Erstgericht vorbehalten.
Im Umfang des Hauptbegehrens über 345 EUR sA an Haftentschädigung werden die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben. Die Rechtssache wird insoweit zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die darauf entfallenden Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war verdächtig, zwei rumänische Staatsbürger beauftragt zu haben, zwei Personen zu töten und eine Person durch Brechen ihrer Beine am Körper zu verletzen. Die zuständige Staatsanwaltschaft ordnete seine Festnahme wegen Flucht-, Verdunkelungs- und Tatbegehungsgefahr an und gründete den Tatverdacht auf die Aussage des angeblich mit den Verbrechen beauftragten Zeugen, dessen Angaben zu den potentiellen Opfern verifiziert werden konnten. Der Kläger wurde am 18. 4. 2013 aufgrund eines europäischen Haftbefehls in Rumänien verhaftet und nach Österreich ausgeliefert. Die am 2. 5. 2013 über ihn verhängte Untersuchungshaft wurde nach weiteren Erhebungen und kontradiktorischer Einvernahme der Belastungszeugen in der Haftverhandlung vom 10. 5. 2013 mangels Dringlichkeit des Tatverdachts aufgehoben und das gegen ihn wegen des Verdachts der versuchten Bestimmung zum Mord sowie zu einer absichtlichen schweren Körperverletzung nach den §§ 15 Abs 1, 12 zweiter Fall, 75, 87 Abs 1 StGB geführte Strafverfahren am 24. 7. 2013 gemäß § 190 Z 2 StPO eingestellt, weil kein tatsächlicher Grund zur Verfolgung bestand.
Der Kläger begehrte nach den Bestimmungen des strafrechtlichen Entschädigungsgesetzes 2005 (StEG 2005) einen Teilbetrag von 127.745,51 EUR sA als Ersatz für den durch den zum Zweck der Strafrechtspflege erlittenen Entzug seiner persönlichen Freiheit insgesamt eingetretenen Schaden. Sein überdies gestelltes, aber mittlerweile rechtskräftig abgewiesenes Feststellungsbegehren (die Beklagte hafte ihm für sämtliche zukünftigen Folgen aus seiner Haft vom 18. 4. 2013 bis zum 10. 5. 2013 sowie aus der Veröffentlichung eines bestimmten Artikels ist nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens.
Den von ihm als Teilbetrag in Höhe von 127.745,51 EUR sA geltend gemachten Zahlungsanspruch stützte er auf eine Gesamtforderung von mehr als einer Million EUR, zusammengesetzt aus nachstehenden Teilforderungen: 1.150 EUR an Haftentschädigung (für die erlittene Beeinträchtigung nach § 5 Abs 2 StEG 2005), 15.000 EUR an Schmerzengeld für krankheitswertige psychische Beschwerden, 12.800 EUR Behandlungskosten, 22.351,91 EUR Verteidigungskosten und Verdienstentgang aus mehreren Aufträgen, nämlich 76.443,60 EUR („C* GmbH“), 32.752,03 EUR („O* GmbH & Co KG“), 1.063.440 EUR („Z* SRL“ und „D* SRL“) sowie 176.400 EUR („S* SRL“). Dazu konkretisierte er, er begehre den Ersatz der ihm zugefügten Schäden „entsprechend der vorgegebenen Reihung bis zum Erreichen des Klagsbetrages“, seine Ansprüche seien „in der angeführten Reihenfolge bis zum Erreichen des Klagsbetrages zu prüfen“. Er behauptete, diese Nachteile aufgrund einer rechtswidrig über ihn verhängten Haft erlitten zu haben. Bei ordnungsgemäßen Ermittlungen und richtiger Würdigung der angeblich vorliegenden Beweise hätte es gar nicht zu seiner Verhaftung kommen dürfen. Er sei in Rumänien unter massiver medialer Berichterstattung durch ein Sondereinsatzkommando festgenommen und am 30. 4. 2013 nach wiederholten Misshandlungen und menschenunwürdigen Haftbedingungen nach Österreich überstellt worden. Durch die Festnahme und die Haft in Rumänien habe er ein psychisches Trauma mit Krankheitswert erlitten und sei deswegen in psychotherapeutischer Behandlung.
Die Beklagte beantragte Klagsabweisung und wendete zusammengefasst ein, zum Zeitpunkt der Anordnung der Festnahme und der Erlassung des Europäischen Haftbefehls sei ua wegen der detaillierten und widerspruchsfreien Schilderung eines Zeugen ein dringender Tatverdacht vorgelegen. Erst nach Durchführung der kontradiktorischen Einvernahmen habe sich ergeben, dass dessen Aussagen und die des anderen Hauptbelastungszeugen mehrfach widersprüchlich seien. Die Ansprüche des Klägers seien bereits dem Grunde nach gemäß § 3 Abs 2 StEG 2005 unberechtigt. Zu den nun im Revisionsverfahren strittigen Positionen, nämlich den Verteidigerkosten und der Entschädigung nach § 5 Abs 2 StEG 2005, legte sie dar, es seien nach dem StEG 2005 nur die notwendigen sogenannten „haftbedingten“ Mehrkosten der Verteidigung zu ersetzen. Alle übrigen Kosten könnten nur bei Vorliegen eines kausalen rechtswidrigen und schuldhaften Verhaltens gefordert werden. Der Höhe nach bemängelte sie den verzeichneten Streitgenossenzuschlag, zu lang verzeichnete Dauer und einen zu hohen Ansatz bei einzelnen Positionen. Gründe, weshalb dem Kläger an Haftentschädigung mehr als der Mindestbetrag von 20 EUR pro Tag des Freiheitsentzugs zustehen sollte, hätte er nicht unter Beweis gestellt und ergäben sich solche auch nicht aus dem Strafakt.
Das Erstgericht traf umfassend Feststellungen zum Ablauf des von der Meldung des rumänischen Zeugen ausgelösten Ermittlungsverfahrens, wonach – stark zusammengefasst und soweit für dieses Revisionsverfahren von Bedeutung – zunächst eine schlüssige und in sich konsistente Aussage des Zeugen vorgelegen sei, die einer Plausibilitätsüberprüfung der Angaben zu Tatorten und zur Person des Opfers (etwa auch durch Vorlage von Fotos) als auch zum dargestellten Tatmotiv standgehalten habe, im weiteren Verlauf der Ermittlungen aber den Tatverdacht entkräftende Umstände hervorgetreten seien, so ua, dass die ehemalige Lebensgefährtin angegeben habe, dass die Schrift auf dem vom Belastungszeugen übergebenen Zettel mit der Anschrift des potenziellen Mordopfers nicht vom Kläger gestammt habe und sich die Belastungszeugen zudem in den kontradiktorischen Einvernahmen in Widersprüche verwickelt hätten, woraufhin die Untersuchungshaft aufgehoben und der Kläger enthaftet worden sei. Das Erstgericht schlussfolgerte daraus, dass aufgrund des gravierenden Anfangsverdachts und der vorliegenden Haftgründe nicht von gesetzwidriger sondern nur von nachträglich ungerechtfertigter Haft auszugehen sei, und sprach an Haftentschädigung 50 EUR pro Tag (1.150 EUR) sowie Verteidigerkosten in Höhe von 1.023,84 EUR für den Enthaftungsantrag vom 8. 5. 2013 und die Verrichtung der Haftverhandlung am 10. 5. 2013 zu. Im Umfang von 125.271,37 EUR wies es das (Haupt- und die Eventual-)Zahlungsmehrbegehren sowie das Feststellungs‑begehren ab, weil es die weiteren Ansprüche schon dem Grunde nach verneinte. Den Anteil der Verteidigerkosten, der für die Vertretung des Klägers im Strafverfahren aufgelaufen sei und nicht unmittelbar der Abwendung der Haft gedient habe, sah es nicht als ersatzfähig an. Die Festsetzung der Haftentschädigung mit dem in § 5 Abs 2 StEG 2005 vorgesehenen Höchstbetrag von 50 EUR pro Tag in Haft begründete es damit, dass der Kläger unbescholten und die gegen ihn erhobenen Vorwürfe massiv und existenzbedrohend gewesen seien.
Nur der Berufung des Klägers, nicht aber jener der Beklagten, gab das Berufungsgericht teilweise Folge. Es hob das Ersturteil im Umfang von 118.283,68 EUR sA auf und verwies die Rechtssache insoweit zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurück. Mit dem angefochtenen Teilurteil sprach es dem Kläger 9.161,53 EUR sA zu und bestätigte (insoweit unbekämpft) die Abweisung eines Zinsenmehrbegehrens und des Feststellungsbegehrens. Es pflichtete dem Erstgericht darin bei, dass die massiven und existenzbedrohenden Vorwürfe sowie die gravierende Änderung der Lebensumstände durch den Entzug der Freiheit, insbesondere durch Festnahme im Ausland samt anschließender Auslieferungshaft und der Überstellung nach Österreich die Ausschöpfung der in § 5 Abs 2 StEG 2005 vorgesehenen Obergrenze von 50 EUR rechtfertige. Auch zu den Verteidigerkosten teilte es grundsätzlich den Standpunkt des Erstgerichts, dass eine Entschädigung nur für jene Kosten zustünde, die für die Widerlegung der Haftvoraussetzungen notwendig und zweckmäßig gewesen seien, während für Kosten, die auch ohne den Freiheitsentzug entstanden wären, kein Ersatz gebühre. Es wies aber darauf hin, dass alle festgestellten Verteidigerleistungen in die Zeit der Auslieferungs‑ und Untersuchungshaft des Klägers gefallen seien und daher naheliegend sei, dass sie mit der Haftfrage zu tun gehabt hätten. Es könne die Kausalität der geltend gemachten Verteidigungskosten nicht streng geprüft werden, weil die Bevollmächtigungsanzeige, der Beweisantrag und die Urkundenvorlage sowie die Teilnahme an kontradiktorischen Einvernahmen eben nicht nur der Haftfrage, sondern auch „grundsätzlichen Fragen der Verteidigungslinie gewidmet“ gewesen seien. Eine ziffernmäßige Differenzierung sei nicht möglich, weshalb ein Vorgehen nach § 273 ZPO angebracht erscheine. Für diese nicht allein der Haftfrage gewidmeten Leistungen setzte das Berufungsgericht den Ersatz mit der Hälfte jener Kosten (10.791,15 EUR) fest. Neben dem Enthaftungsantrag und der Haftverhandlung sei zudem auch der Antrag auf Freilassung vom 29. 4. 2013 ausschließlich der Haftfrage zuzuordnen und nicht von vornherein aussichtslos, sondern zweckmäßig gewesen. Dafür sprach es zusätzlich 513 EUR zu. Daraus ergab sich ein Gesamtbetrag von 8.011,53 EUR an Verteidigerkosten zusätzlich zur Haftentschädigung. Zur Differenz von 300,30 EUR zum eingeklagten Betrag von 127.745,51 EUR stellte es klar, das dieser Anspruch durch die unbeanstandet gebliebene Nichterledigung dieses Teils des Sachantrags durch das Erstgericht aus dem Verfahren ausgeschieden sei (RIS‑Justiz RS0041490). Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei und der Wert des Entscheidungsgegenstands des Teilurteils 5.000 EUR, nicht jedoch 30.000 EUR übersteige.
Rechtliche Beurteilung
Dieser Bewertungsausspruch (nur des Teilurteils) steht der Zulässigkeit der außerordentlichen Revision der Beklagten nicht entgegen. Es war, wie das Berufungsgericht bei seiner Vorlage des Rechtsmittels an den Obersten Gerichtshof auch selbst erkannte, schon nach der klaren Definition des Begriffs „Entscheidungsgegenstand“ in § 502 Abs 2 ZPO der gesamte angefochtene, das heißt auch der von der Aufhebung umfasste Teil des Ersturteils bei der Bewertung des Streitgegenstands des Berufungsverfahrens zu berücksichtigen. Durch den Entzug der persönlichen Freiheit wegen des Vorwurfs einer bestimmten (einheitlichen) Tat (als historischer Sachverhalt) behauptetermaßen entstandene Teilschäden gemäß § 1 Abs 1 StEG 2005 sind nach § 55 Abs 1 JN zusammenzurechnen. Allein schon das im Umfang von 127.445,21 EUR bekämpfte Zahlungsbegehren überstieg (noch ohne Berücksichtigung des Feststellungsbegehrens) den Wert von 30.000 EUR bei weitem.
Die Revision der Beklagten ist zulässig, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu § 3 Abs 1 Z 2 StEG 2005 fehlt und zum Umfang des Ersatzes der Verteidigungskosten nach dem StEG 2005 Klarstellungen angebracht sind; sie ist aber nur teilweise berechtigt.
1. Die Beklagte, die eine Abweisung im Umfang des mit dem Teilurteil erfolgten Zuspruchs anstrebt, wendet sich auch in der Revision gegen den Grund des Anspruchs, und zwar nun deswegen, weil eine Entschädigung des Klägers nach § 3 Abs 1 Z 2 StEG 2005 bei ungerechtfertigter Haft nach § 2 Abs 1 Z 2 StEG 2005 ausgeschlossen sei, wenn die Strafbarkeit der Tat aus Gründen entfallen sei, die erst nach der Festnahme oder Anhaltung eingetreten seien. Es spiele dabei keine Rolle, ob die Strafverfolgung aus materiellen oder aus formellen Gründen ausgeschlossen gewesen sei. Die Haftung entfalle durch nach Festnahme eingetretene materielle Strafaufhebungsgründe ebenso wie durch andere prozessuale Verfolgungshindernisse, wobei sie sich zu letzterem unter Verweis auf Kodek/Leupold (in Höpfel/Ratz, WK2 StEG § 3 Rz 8 mwN) ausdrücklich auf den Rücktritt des Anklägers nach § 190 StPO beruft.
Der Höhe nach beschwert sie sich über den Zuspruch des in § 5 Abs 2 Satz 2 StEG 2005 vorgesehenen Höchstbetrags. Sie trägt dazu vor, dass sich der gegenständliche Fall nicht besonders von anderen Auslieferungsfällen unterschieden habe, der Zuspruch des gesetzlichen Höchstbetrags aber nur dann gerechtfertigt sei, wenn der Kläger während der Haft in erhöhtem Maß allfälligen Repressalien seiner Mitgefangenen ausgesetzt gewesen wäre oder ganz außergewöhnliche Leidenszustände hätte erdulden müssen. Derartige Umstände seien aber nicht hervorgekommen. Bei den Verteidigungskosten stehe das Urteil des Berufungsgerichts im Widerspruch zur herrschenden Rechtsprechung, wonach lediglich die haftbedingten und notwendigen Verteidigungskosten zu ersetzen seien. Ein Ersatz für Kosten, die nur aus Anlass des Strafverfahrens entstanden seien, stünde nicht zu, so zB nicht für die Vollmachtsvorlage. Die zuzuerkennenden Kosten ergäben sich zudem allein auf Grundlage einer Kausalitätsprüfung der in Rede stehenden Haft. Die Bemessung der Kosten durch das Berufungsgericht nach § 273 ZPO verstoße gegen Lehre und Rechtsprechung.
2. Der Kläger beantragt in der ihm freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision der Beklagten als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben. Er bringt vor, die Berufung auf § 3 Abs 1 Z 2 StEG verstoße gegen das Neuerungsverbot, es sei aber ohnehin nicht zu einem Entfall der Strafbarkeit aus Gründen gekommen, die erst nach Festnahme und Anhaltung eingetreten seien. Bei den Verteidigerkosten sei das Berufungsgericht nicht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen. Die kontradiktorischen Vernehmungen seien allein der Haft geschuldet gewesen, da es sich um Haftverhandlungen gehandelt habe. Der Höchstbetrag nach § 5 Abs 2 StEG 2005 stehe ihm zu, weil es in Rumänien zu massiven körperlichen und seelischen Misshandlungen gekommen sei und seine wirtschaftliche und soziale Existenz durch die mediale Berichterstattung vollständig ruiniert worden sei. Dazu sei das Beweisanbot seiner Parteieneinvernahme rechtsirrig abgewiesen worden.
3.1. Dazu war Folgendes zu erwägen:
3.2. Zu § 3 Abs 1 Z 2 StEG 2005:
Zwar hat sich die Beklagte erst in der Revision auf den in dieser Bestimmung verankerten Haftungsausschluss berufen, jedoch bedurfte es dazu nicht der Darlegung neuer Tatsachen, weswegen ihre Rechtsausführungen auch nicht gegen das Neuerungsverbot verstoßen.
Eine Haftung des Bundes nach § 3 Abs 1 Z 2 StEG 2005 ist ausgeschlossen, soweit im Fall der ungerechtfertigten Haft die geschädigte Person nur deshalb nicht verfolgt wurde, weil die Ermächtigung zur oder der Antrag auf Strafverfolgung zurückgenommen wurde oder die Strafbarkeit der Tat aus Gründen entfiel, die erst nach der Festnahme oder Anhaltung eintraten.
Folgte man der Argumentation der Beklagten, führte jede Einstellung des Verfahrens zum Entfall der Haftung des Bundes bei ungerechtfertigter Haft. Bei diesem Verständnis wäre aber unverständlich, warum in dieser Bestimmung selbst, also bei der Normierung der Voraussetzungen des Anspruchs auf Ersatz wegen ungerechtfertigter Haft in § 2 Abs 1 Z 2 StEG 2005, neben dem Freispruch auch das einer Festnahme und Haft wegen des Verdachts einer strafbaren Handlung nachfolgende Außer-Verfolgung-Setzen (trotz des Wortlauts unzweifelhaft und von der Beklagten gar nicht bestritten auch durch die Staatsanwaltschaft [siehe dazu Kodek/Leupold aaO § 2 Rz 28 mwN]) genannt ist, wenn es gleichzeitig per se der Grund für den Entfall des Anspruchs sein soll. Ganz eindeutig sind mit dem in § 3 Abs 1 Z 2 StEG 2005 geregelten Ausschlussgrund nicht Sachverhalte angesprochen, bei denen die Ermittlungen ergeben, dass der Täter die Tat gar nicht begangen hat oder der Tatverdacht jedenfalls in einem solchen Ausmaß entkräftet wird, dass die Staatsanwaltschaft eine Verurteilung für so unwahrscheinlich hält, dass es nicht einmal mehr zu einer Anklage kommt und sie das Verfahren deswegen nach § 190 Z 2 StPO einstellt.
Der Ausschlussgrund nach § 3 Abs 1 Z 2 StEG 2005 betrifft vielmehr Sachverhalte, bei denen eine ursprünglich bestehende Strafbarkeit aus (rechtlichen) Gründen, die erst nach Festnahme oder Anhaltung eingetreten sind, entfällt. Darauf weist schon die Formulierung im Gesetz selbst hin, in der darauf abgestellt wird, dass ein Täter allein wegen nachträglich eingetretener Gründe, die den Entfall der Strafbarkeit herbeiführen, nicht verfolgt werden kann („nur deshalb“; vgl auch „lediglich deshalb ausgeschlossen“ in den ErläutRV 618 BlgNR 22. GP 8). Diese Regelung hat folglich Fälle im Auge, in denen ein Täter zwar tatbildmäßig, rechtswidrig und schuldhaft gehandelt hat, aber dennoch freizusprechen oder außer Verfolgung zu setzen ist, in der Regel also bei Vorliegen eines Strafaufhebungsgrundes (vgl dazu auch Lendl in Fuchs/Ratz, WK‑StPO § 393a Rz 21 zur ähnlich formulierten Einschränkung des Kostenersatzes in § 393a Abs 3 Satz 2 StPO mit Verweis auf die ErläutRV 924 BlgNR 18. GP 41 f, wonach damit eine Angleichung mit § 2 Abs 1 lit b letzter Fall StEG 1969 erreicht werden sollte). Heissenberger (Haftentschädigung 164) verweist dazu auf die Materialien, wonach § 3 Abs 1 Z 2 StEG 2005 im Wesentlichen § 2 Abs 1 lit b letzter Halbsatz StEG 1969 entsprechen sollte (ErläutRV 618 BlgNR 22. GP 8). Die Materialien wiederum zu jener Bestimmung beziehen sich auf einen Freispruch aus „rechtlichen Gründen“ (ErläutRV 1197 BlgNR 11. GP 10). Auch wenn Eder-Rieder (StEG 2005, 51 f) und Kodek/Leupold (aaO § 3 Rz 8 mwN) als Anwendungsfälle dieses Haftungsausschlusses nicht nur alle materiellen Strafaufhebungs- und Strafausschließungsgründe, wie etwa Tod, tätige Reue, Rücktritt vom Versuch, Verjährung der Strafbarkeit, etc, sondern ebenso „andere“ prozessuale Verfolgungshindernisse (vgl dazu die ErläutRV aaO) nennen und dabei auch § 190 StPO anführen (allerdings ohne Unterscheidung zwischen dessen Z 1 und 2), ist die Einstellung nach § 190 Z 2 StPO in dem den Anspruch auslösenden Verfahren selbst kein Grund für einen Haftungsausschluss nach § 3 Abs 1 Z 2 StEG 2005. Diese erfolgt nicht deshalb, weil die Strafbarkeit der (als verwirklicht angenommen) Tat aus rechtlichen Gründen später wegfällt, sondern dann, wenn kein tatsächlicher Grund zur weiteren Verfolgung des Beschuldigten besteht, dh wenn auf Basis der (nicht mehr erweiterbaren) Beweisergebnisse des Ermittlungsverfahrens eine Verurteilung nicht wahrscheinlicher ist als ein Freispruch und auch kein diversionelles Vorgehen in Frage kommt. Nach § 190 Z 2 StPO ist das Verfahren also einzustellen, wenn ein Schuldspruch – wegen unklarer Beweislage – nicht naheliegt (Nordmeyer in Fuchs/Ratz aaO § 190 Rz 14). Folgt aber die Einstellung dem Ermittlungsverfahren als Konsequenz der Einschätzung einer „schwachen“ Beweislage, ist damit die Frage der Begehung der Tat selbst und nicht die ihrer Strafbarkeit angesprochen.
3.3. Zu den Verteidigerkosten:
Der Bund haftet nach § 1 Abs 1 StEG 2005 für den Schaden, den eine Person durch den Entzug der persönlichen Freiheit zum Zwecke der Strafrechtspflege oder durch eine strafgerichtliche Verurteilung erlitten hat. Allgemeinen Grundsätzen zufolge ist ein Kausal- und Adäquanzzusammenhang mit der Haft oder der Verurteilung erforderlich (vgl § 5 Abs 1 StEG 2005), ist es doch der Gesetzeszweck – wie eben in § 1 StEG 2005 festgehalten – eine Entschädigung für die durch die Haft entstandenen Schäden zu gewähren. Kodek/Leupold (aaO § 2 Rz 39) erörtern dazu als ein „Grundsatzproblem“ des StEG 2005, dass dieses, wenn es in § 2 Abs 1 Z 1 und 2 auf die Verhängung einer Haft abstelle, – im Gegensatz zum AHG – keine Grundlage für den vollständigen Ersatz von Verfahrenskosten (als „Rettungsaufwand“; vgl Schragel, AHG3 Rz 194) biete, die– erfolgreich – aufgewendet wurden, um die Verhängung von Haft zu verhindern. (Eine) Voraussetzung für den Ersatzanspruch ist also, dass der Ersatzwerber festgenommen und angehalten wurde. Abgegolten sollen die Schäden werden, die Folge der Haft sind, nicht aber jene, die Folge der Einleitung des Strafverfahrens sind und auch entstanden wären, wenn es zu keiner Verhaftung gekommen wäre (1 Ob 236/15k; ebenso zur früheren Rechtslage 1 Ob 40/79 = SZ 52/187; RIS-Justiz RS0049842; 1 Ob 184/63 = RZ 1964, 80 = JBl 1964, 370; Eder-Rieder aaO 63; Heissenberger aaO 136; Kodek/Leupold aaO § 5 Rz 7; Bohé, Nebenstrafrecht 292).
Die Beklagte meint, das Berufungsgericht habe mit seinem Zuspruch gegen die ständige Rechtsprechung verstoßen, wonach nur die sogenannten „haftbedingten“, notwendigen und zweckmäßigen Verteidigungskosten zu ersetzen seien. Es sei am Kläger gelegen, zu behaupten und zu beweisen, dass die einzelnen Vertretungshandlungen seines Verteidigers durch die Haft verursacht worden seien.
Ihr ist zuzugestehen, dass sowohl in der Rechtsprechung (1 Ob 138/04g; 1 Ob 85/09w; 1 Ob 174/10k; 1 Ob 204/10x) als auch in der Lehre (Heissenberger aaO 136; Kodek/Leupold aaO § 5 Rz 20; Eder‑Rieder aaO 67) vertreten wurde, dass (nur) Kosten für Maßnahmen, die zur Aufhebung (Bekämpfung) der Anhaltung oder zur Beseitigung der rechtskräftigen Verurteilung notwendig und zweckentsprechend gewesen seien, ersatzfähig seien. Dazu wurde auf die Materialien zum StEG 2005 verwiesen (ErläutRV 618 BlgNR 22. GP 10), die Verteidigerkosten, „die für zweckentsprechende und notwendige Maßnahmen zur Wiedererlangung der persönlichen Freiheit entstanden sind“, anführen. Dieser Ansatz geht seinerseits wiederum auf die Materialien zum StEG 1969 zurück, welche dazu ausdrücklich erläutern, dass zweckmäßige und notwendige Kosten von Verteidigungsbemühungen zur Aufhebung der Anhaltung oder zur Beseitigung der rechtskräftigen Verurteilung, nicht aber sonstige Verteidigungskosten des Verfahrens, in dem die Anhaltung erfolgt sei oder das der rechtskräftigen Verurteilung vorausgegangen sei, ersetzt werden sollen (ErläutRV 1197 BlgNR 11. GP 8).
Dem lagen aber – verglichen mit der heutigen Rechtslage – noch andere gesetzliche Rahmenbedingungen zugrunde. Weder bestand nach der StPO 1960 eine Kostenersatzpflicht des Bundes gegenüber dem Freigesprochenen oder sonst außer Verfolgung Gesetzten (so auch ausdrücklich ErläutRV aaO) noch zwang die Untersuchungshaft dem Beschuldigten die Beiziehung eines Verteidigers auf. Erst mit BGBl 1971/273 wurde (damals noch) in der StPO 1960 eine Pflichtverteidigung im Fall der Untersuchungshaft verankert, allerdings nur für den Fall, dass diese schon sechs Monate andauerte. Die Verpflichtung des Bundes, dem freigesprochenen bzw dem nach Durchführung einer Hauptverhandlung außer Verfolgung gesetzten Angeklagten einen Beitrag zu den Kosten seiner Verteidigung zu erstatten, wurde mit BGBl 1983/168 in der (dann schon geltenden) StPO 1975 eingeführt, mit welcher Novelle auch die Frist, ab der eine Pflichtverteidigung während der Untersuchungshaft zwingend ist, auf zwei Monate herabgesetzt wurde. Mittlerweile muss der Beschuldigte gemäß § 61 Abs 1 StPO 1975 in folgenden Fällen durch einen Verteidiger vertreten sein (notwendige Verteidigung):
1. im gesamten Verfahren, wenn und solange er in Untersuchungshaft oder gemäß § 173 Abs 4 StPO 1975 in Strafhaft angehalten wird,
2. im gesamten Verfahren zur Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 StGB (§§ 429 Abs 2, 430 Abs 3, 436, 439 Abs 1 StPO 1975),
3. in der Hauptverhandlung zur Unterbringung in einer der in den §§ 22 und 23 StGB genannten Anstalten (§ 439 Abs 1 StPO 1975),
4. in der Hauptverhandlung vor dem Landesgericht als Geschworenen- oder Schöffengericht,
5. in der Hauptverhandlung vor dem Landesgericht als Einzelrichter, wenn für die Straftat, außer in den Fällen des § 129 Abs 2 Z 1 und § 164 Abs 4 StGB, eine drei Jahre übersteigende Freiheitsstrafe angedroht ist,
5a. in der kontradiktorischen Vernehmung (§ 165 StPO 1975), soweit in der Hauptverhandlung nach den Z 3 bis 5 notwendige Verteidigung bestünde,
6. im Rechtsmittelverfahren aufgrund einer Anmeldung einer Nichtigkeitsbeschwerde oder einer Berufung gegen ein Urteil des Schöffen- oder des Geschworenengerichts,
7. bei der Ausführung eines Antrags auf Erneuerung des Strafverfahrens und beim Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung über einen solchen (§§ 363a Abs 2 und 363c StPO 1975).
Wird über eine Person Untersuchungshaft verhängt, ist sie also wegen der Haft gesetzlich verpflichtet, für deren Dauer im gesamten Verfahren einen Verteidiger beizuziehen. Tut sie dies nicht selbst, wird ihr, soweit sie nicht Anspruch auf einen Verfahrenhilfeverteidiger hat (§ 61 Abs 2 StPO 1975), ein Verteidiger – allerdings auf ihre eigenen Kosten – von Amts wegen beigegeben (Amtsverteidiger; § 61 Abs 3 StPO 1975). Damit ist die Untersuchungshaft kausal für jene Kosten, die aus der vom Gesetz ihretwegen aufgezwungenen Vertretung erwachsen. Wenn die Beiziehung nicht § 61 Abs 1 Z 1 StPO, sondern einer anderen Ursache, etwa einem anderen in § 61 Abs 1 StPO genannten, spezielleren Fall, geschuldet ist, wenn also beispielsweise der Beschuldigte in der kontradiktorischen Vernehmung durch einen Verteidiger vertreten sein muss, weil ihm dies – soweit in der Hauptverhandlung nach den Z 3 bis 5 notwendige Verteidigung bestünde – § 61 Abs 1 Z 5a leg cit vorschreibt und die Vertretungskosten schon aufgrund jener Bestimmung entstehen, fallen solche Kosten unabhängig von der Untersuchungshaft an. Sie entstünden auch dann, wenn sich der Beschuldigte nicht in Untersuchungshaft befände, weswegen für sie kein Ersatz nach § 5 Abs 1 StEG 2005 zusteht (vgl Kodek/Leupold aaO § 2 Rz 32a).
Diese Erwägungen sind folgendermaßen zusammenzufassen:
Ordnet das Gesetz in § 61 Abs 1 Z 1 StPO 1975 die Beiziehung eines Verteidigers während der Dauer der Untersuchungshaft und im gesamten Verfahren an, sind die während dieser Zeit aufgelaufenen zweckmäßigen und notwendigen Verteidigungskosten Folge der Haft und ersatzfähiger Schaden nach dem StEG 2005, soweit sie nicht unabhängig von der Haft auch aus anderen Gründen (etwa durch § 61 Abs 1 Z 4, 5 oder 5a StPO 1975) entstanden wären.
Die Bestimmung des § 61 Abs 1 Z 5a StPO zur notwendigen Verteidigung in der kontradiktorischen Vernehmung ist aber erst mit der Novelle BGBl I 2016/26 in die StPO 1975 eingefügt worden und seit 1. 11. 2016 in Kraft. In der Zeit, als sich der Kläger in Untersuchungshaft befand, war § 61 StPO 1975 noch idF BGBl I 2004/19 anzuwenden. Danach war – soweit hier von Belang (zu einer Hauptverhandlung, in der nach Z 4 leg cit Verteidigerpflicht bestanden hätte, war es gar nicht mehr gekommen) – der Kläger nach Z 1 leg cit gezwungen, sich im gesamten Verfahren von einem Verteidiger vertreten zu lassen, weil und solange er in Untersuchungshaft war. Die daraus entstandenen Kosten sind im Umfang notwendiger und zweckmäßiger Verteidigungskosten als Folge der ungerechtfertigten Haft nach dem StEG 2005 zu ersetzen, ohne dass es darauf ankommt, ob alle Verteidigungsmaßnahmen darauf gerichtet waren, die Haft abzuwenden.
Damit bleibt es bei dem vom Berufungsgericht zuerkannten Betrag für die hier während der Zeit der Untersuchungshaft aufgelaufenen Verteidigerkosten im Strafverfahren, die damals auf der Anordnung in § 61 Abs 1 Z 1 StPO beruhten.
3.4. Zur Höhe der Entschädigung nach § 5 Abs 2 StEG 2005:
Nach § 5 Abs 2 StEG 2005 umfasst der Ersatzanspruch wegen des Entzugs der persönlichen Freiheit auch eine angemessene Entschädigung für die durch die Festnahme oder Anhaltung erlittene Beeinträchtigung, und zwar in Höhe von mindestens 20 EUR, höchstens aber 50 EUR pro Tag des Freiheitsentzugs. Damit soll die durch das unmittelbare „Haftübel“ erlittene Beeinträchtigung abgegolten werden (ErläutRV 618 BlgNR 22. GP 10). Bei der Ausmessung des Ersatzes für das „seelische Ungemach“ kommt es vor allem auf die persönlichen Verhältnisse der geschädigten Person und deren Änderung durch die Festnahme oder Anhaltung an, ist doch die Dauer der Haft schon in das Tagessatzsystem eingeflossen (§ 5 Abs 2 Satz 2 u 3 StEG 2005 idF BGBl I 2010/111). Neben dem allgemeinen Entzug der Bewegungsfreiheit und dem aufgezwungenen Aufenthalt in ungewohnter und ungemütlicher Umgebung sind mit einer Haft in der Regel die Beschränkung wichtiger sozialer Kontakte, insbesondere zu Familie und Freunden, der Verzicht auf gewohnte Tätigkeiten und Vorlieben, häufig auch Zukunftsängste in Bezug auf persönliche Beziehungen und den Arbeitsplatz verbunden. Diese Veränderungen können, je nach den persönlichen Verhältnissen des Betroffenen, aber auch abhängig von seiner konkreten Behandlung in der Haft, von unterschiedlicher Intensität sein.
Die Beklagte kann in der Revision zutreffend aufzeigen, dass im vorliegenden Fall Feststellungen, aus denen sich eine so massive Änderung der persönlichen Verhältnisse des Klägers ableiten ließe, dass eine höhere Bemessung der Haftentschädigung als in Durchschnittsfällen mit 35 EUR gerechtfertigt wäre, noch fehlen. Die Vorwürfe, aufgrund deren Untersuchungshaft verhängt wird, sind im Regelfall „massiv“ oder existenzbedrohend. Wenn sich das Berufungsgericht bei der Festsetzung der Haftentschädigung darauf berufen hat, übersieht es, dass es auf die Schwere des vorgeworfenen Delikts bzw der angenommenen strafbaren Handlung nicht unmittelbar ankommt, weil nicht die Folgen des Strafverfahrens an sich, das eben durch einen bestimmten Vorwurf ausgelöst wird, abgegolten werden sollen, sondern (nur) jene der Haft. Auch die vom Erstgericht herangezogene Unbescholtenheit ist für sich allein noch kein Grund, die Haftentschädigung höher zu bewerten als bei einer Person, die etwa das Haftübel bereits in der Vergangenheit kennen gelernt hat (vgl RIS-Justiz RS0124097; s auch 1 Ob 43/89 = SZ 62/176 mwN), lässt sich doch nur aus der Unbescholtenheit noch kein Schluss über das Ausmaß der Veränderung der persönlichen Verhältnisse ziehen.
Der Kläger hat aber unter Anbot seiner Einvernahme vorgebracht, es sei in Rumänien zu wiederholten Misshandlungen bei menschenunwürdigen Haftbedingungen gekommen. Ließen sich seine Behauptungen erweisen, könnte die Festsetzung der Haftentschädigung mit der Höchstgrenze des nicht als sachwidrig angesehen gesetzlichen Rahmens (vgl VfGH G 235/2015) angemessen sein. Im fortgesetzten Verfahren werden daher dazu Feststellungen zu treffen sein.
3.5. Das Teilurteil des Berufungsgerichts ist demnach im Umfang von 8.816,53 EUR sA (805 EUR Haftentschädigung [23 Tage mal 35 EUR] und 8.011,53 EUR Verteidigerkosten) zu bestätigen, allerdings mit der Maßgabe, dass im Spruch des Urteils zum Ausdruck kommt, dass und in welchem Umfang mit dieser Entscheidung über das Hauptbegehren des Klägers abgesprochen wird:
Bei objektiver Klagenhäufung muss sich nämlich mit der erforderlichen Sicherheit beurteilen lassen, worüber mit dem Urteil abgesprochen wurde (vgl RIS‑Justiz RS0030516; RS0031014). Nur wenn eine entsprechende Aufgliederung erfolgt, kann in einem Folgeprozess die der Zulässigkeit einer weiteren Sachentscheidung allenfalls entgegenstehende materielle Rechtskraft der früheren Entscheidung beurteilt werden (RIS‑Justiz RS0031014 [T15, T17]; vgl insbesondere 8 Ob 6/10f). Weder ist eine alternative Klagenhäufung, bei der dem Gericht die Auswahl überlassen werden soll, welchem Begehren es stattgibt, zulässig (8 Ob 135/03s mwN = RIS-Justiz RS0031014 [T19]; RS0119632), noch kann eine teilweise Aberkennung eines Anspruchs durch einen Mehrzuspruch bei einem anderen Anspruch ausgeglichen werden (RIS-Justiz RS0030516).
Im vorliegenden Fall begehrt der Kläger von seinem behauptetermaßen in Höhe von mehr als eine Million EUR eingetretenen Gesamtschaden, der aus mehreren einzelnen Ansprüchen bestehe (nach Ausscheiden des Anspruchs von 300,30 EUR sA), eine Teilforderung in Höhe von 127.445,21 EUR. Weil bei Teileinklagung die Streitanhängigkeit nur bezüglich des eingeklagten Teils eintritt und sich auch nur darauf die Rechtskraftwirkung eines Urteils erstreckt (RIS‑Justiz RS0039155), muss der Kläger (den vorgenannten Grundsätzen folgend) angeben, aus welchen konkreten Ansprüchen sich der von ihm eingeklagte Teilbetrag zusammensetzt und die geltend gemachten Teilforderungen individualisieren. Dazu gehören nach dem zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff neben dem Sachantrag, also dem Begehren der Zahlung eines bestimmten Betrags, auch die dazu in der Begründung der Klage vorgetragenen Tatsachen (RIS‑Justiz RS0037522; RS0039255).
Diesem Erfordernis hat der Kläger entsprochen, wenn er seine Ansprüche (Haftentschädigung, Verteidigerkosten, Schmerzengeld, Therapiekosten, Verdienstentgang aus unterschiedlichen Aufträgen) auflistet und darlegt, er begehre Ersatz für die ihm zugefügten Schäden „entsprechend der vorgegebenen Reihung bis zum Erreichen des Klagsbetrages“, seine Ansprüche seien also „in der angeführten Reihenfolge bis zum Erreichen des Klagsbetrages zu prüfen“. In Wahrheit macht er damit, soweit die einzelnen Ansprüche (bei Summierung in der von ihm vorgenommenen Reihung) das Zahlungsbegehren von (nun) 127.445,21 EUR übersteigen, Eventualzahlungsbegehren im Verhältnis zu seinem Hauptzahlungsbegehren geltend (siehe dazu 8 Ob 135/03s; 8 Ob 121/04h; 4 Ob 240/07h; 3 Ob 14/15b ua). Nach der Reihung des Klägers sind daher seine Ansprüche von 1.150 EUR Haftentschädigung, 15.000 EUR Schmerzengeld für krankheitswertige psychische Beschwerden, 12.800 EUR Behandlungskosten im Zusammenhang mit seinem durch die Verhaftung erlittenen Trauma, 22.351,91 EUR Verteidigungskosten und 76.443,60 EUR Verdienstentgang zum Auftrag „C* GmbH“ Teil des Hauptbegehrens.
Da ein Eventualbegehren ein Begehren ist, dessen Verhandlung und Entscheidung von der Bedingung abhängt, dass dem Hauptbegehren nicht stattgegeben wird (RIS-Justiz RS0037585; RS0074353; vgl aber 7 Ob 46/15p zum Vorgehen bei Unzuständigkeit für das Eventual‑[zahlungs-]begehren) und über ein Eventualbegehren also gar nicht zu entscheiden ist, wenn dem Hauptbegehren ohnehin stattgegeben wird (RIS-Justiz RS0037625), ist über die anderen wegen Verdienstentgang geltend gemachten Schäden als Eventualbegehren erst abzusprechen, wenn und soweit die Bedingung, dass in diesem Umfang das Hauptbegehren abgewiesen wurde, eingetreten ist.
Macht der Kläger Haupt- und (mehrere) Eventualbegehren, die alle nur auf Zahlung des der Höhe nach selben Betrags gerichtet sind, geltend, ist es zur Klarstellung und auch, um ihm die Gelegenheit zu geben, eine seiner Ansicht nach allenfalls gegebene Unrichtigkeit der Abweisung (eines Teils) seines Hauptbegehrens bekämpfen zu können, zweckdienlich, schon im Spruch des Urteils anzugeben, in welchem Umfang über welche (Teil-)Forderung des Haupt- oder Eventualbegehrens abgesprochen wird.
3.6. Soweit beim Zuspruch für die Haftentschädigung von den Vorinstanzen der Betrag von 805 EUR überschritten wurde (345 EUR) ist wegen der notwendigen Verfahrensergänzung mit einer Aufhebung und Zurückverweisung des Verfahrens in die erste Instanz vorzugehen.
3.7. Die Kostenentscheidung zum Teilurteil gründet sich auf § 52 Abs 3 ZPO. Das Berufungsgericht hat die Kostenentscheidung vorbehalten.
Der zum aufhebenden Teil der Entscheidung ausgesprochene Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
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