OGH 1Ob85/09w

OGH1Ob85/09w8.9.2009

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Wolfgang W*****, vertreten durch Dr. Helmut Graupner, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17-19, wegen 22.738,18 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse 20.796,26 EUR sA) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 3. März 2009, GZ 5 R 24/09b-26, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 16. Dezember 2008, GZ 39 Cg 31/08w-21, teilweise abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Urteil insgesamt lautet:

„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen 11.409,86 EUR samt 4 % Zinsen seit 6. Juli 2005 zu zahlen.

Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei 11.328,32 EUR samt 4 % Zinsen seit 6. Juli 2005 zu zahlen, wird abgewiesen.

Die Verfahrenskosten sämtlicher Instanzen werden gegenseitig aufgehoben."

Die beklagte Partei ist nach § 70 Satz 2 ZPO verpflichtet, die Pauschalgebühren sämtlicher Instanzen zu 50 % zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger wurde im Jahr 2001 rechtskräftig wegen des Verbrechens der gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Personen unter achtzehn Jahren nach § 209 StGB zu einer (teils bedingten) Freiheitsstrafe verurteilt. Die Untersuchungshaft vom 7. 8. 2001 bis 7. 9. 2001 wurde angerechnet. Am 23. 1. 2002 erhob der Kläger gegen diese Verurteilung eine Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Es handelte sich um einen „follow-up-case", weil bereits andere, gleichgelagerte Beschwerden anhängig waren, in denen der Vertreter des Klägers für die Beschwerdeführer eingeschritten war. Mit Erkenntnis vom 21. 10. 2004 stellte der EGMR unter anderem in der Beschwerdesache des Klägers eine in der Verurteilung wegen § 209 StGB gelegene Verletzung des Art 14 iVm Art 8 EMRK fest, und sprach dem Kläger 20.000 EUR Schmerzengeld sowie 15.478 EUR an Kosten zu. Davon entfielen 12.478 EUR auf innerstaatliche Verteidigungskosten und 3.000 EUR auf Vertretungskosten vor dem EGMR. Die Beklagte ersetzte dem Kläger diese Beträge.

Aufgrund des Erkenntnisses des EGMR beantragte der Kläger die Erneuerung des Strafverfahrens gemäß § 363a StPO. Der Oberste Gerichtshof bejahte in seinem Urteil vom 7. 6. 2005 die Voraussetzungen für die Erneuerung des Strafverfahrens, hob die im Strafverfahren ergangenen Urteile auf und verwies die Sache an das Strafgericht erster Instanz zurück. Begründet wurde dies mit der Aufhebung des § 209 StGB als verfassungswidrig und dem Erkenntnis des EGMR. Das am 14. 8. 2002 in Kraft getretene Strafrechtsänderungsgesetz 2002 beseitigte die Strafbestimmung des § 209 StGB. Nach Zurückziehung des Strafantrags wurde das Strafverfahren am 6. 7. 2005 eingestellt. Die Beklagte ersetzte dem Kläger die Kosten des Erneuerungsverfahrens, des erneuerten Verfahrens und des Aufforderungsverfahrens. Der Kläger und sein Rechtsvertreter hatten die Honorierung nach den Autonomen Honorar-Richtlinien für Rechtsanwälte (AHR) idF 2001 vereinbart.

Der Kläger begehrte (restliche) innerstaatliche Verteidigungskosten von 7.377,23 EUR und Vertretungskosten vor dem EGMR von 15.360,95 EUR. Was ihre Höhe betrifft, ist im Revisionsverfahren insbesondere noch strittig, von welchen innerstaatlichen Verteidigungskosten der geforderte Erfolgszuschlag iSd § 12 AHR zu bemessen ist, welche Bemessungsgrundlage für das Verfahren vor dem EGMR gilt, und ob bei einem „follow-up-case" der von den Vorinstanzen mit 50 % zuerkannte Zuschlag nach § 4 AHR gerechtfertigt ist.

Dem Grund des Anspruchs hielt die Beklagte den Haftungsausschluss des § 3 Abs 1 Z 4 StEG 2005, ein Mitverschulden des Klägers wegen unterlassener Antragstellung nach § 393a StPO und „res iudicata" aufgrund des Kostenzuspruchs durch den EGMR entgegen.

Das Erstgericht verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von 21.137,24 EUR und wies das Mehrbegehren von 1.600,94 EUR (rechtskräftig) ab. Die vom Kläger im Verfahren vor dem EGMR herangezogene Bemessungsgrundlage von 36.340 EUR sei im Vergleich zu den in § 5 AHR vorgesehenen Bemessungsgrundlagen in Bau-, Medien-, Urheberrechts- und Kartellsachen sowie Angelegenheiten des gewerblichen Rechtsschutzes durchaus angemessen. Die Beschwerde und die umfangreichen Stellungnahmen des Klägers zu den Schriftsätzen der Beklagten seien im Sinn des § 8 Abs 1 AHR mit dem doppelten Betrag der TP 3 C RATG zu honorieren. Dazu komme bei der Beschwerde entsprechend § 6 AHR ein 100%iger Einheitssatz. Nach § 4 AHR sei für diese Schriftsätze darüber hinaus ein Zuschlag von 50 % angemessen. Die verzeichneten Kosten von 4.500 EUR (Beschwerde), 5.800 EUR (Äußerung vom 5. 8. 2002) und 2.900 EUR (Stellungnahme vom 4. 10. 2002) seien damit jedenfalls ersatzfähig. Für die mit je 105 EUR verzeichneten Schriftsätze vom 18. 2., 29. 3., 24. 8. und 28. 9. 2002 seien grundsätzlich Kosten nach TP 1 von je 107,85 EUR ersatzfähig. Die Mitteilung vom 26. 6. 2003 sei mit 55 EUR, die Stellungnahmen vom 17. 7. 2003, 12. 9. 2003 und 5. 6. 2004 seien mit je 26,96 EUR zu honorieren. Inklusive USt und den nicht bestrittenen Barauslagen von 252,95 EUR errechne sich ein Ersatzanspruch von 16.760,01 EUR, wovon nach Zahlung von 3.000 EUR 13.760,01 EUR offen seien. Die innerstaatlichen Verteidigungskosten seien unter Berücksichtigung eines 50%igen Erfolgszuschlags (§ 12 AHR) mit 19.855,23 EUR zu bemessen. Abzüglich der bereits ersetzten Kosten errechne sich ein Differenzbetrag von 7.377,23 EUR. Die den Grund betreffenden Einwände der Beklagten hielt das Erstgericht für nicht gerechtfertigt.

Das von der Beklagten angerufene Berufungsgericht reduzierte die innerstaatlichen Verteidigungskosten um den Erfolgszuschlag für die Hauptverhandlung und sprach dem Kläger insgesamt 20.796,26 EUR zu. Es teilte die Auffassung des Erstgerichts zur Bemessungsgrundlage im Verfahren vor dem EGMR und zur Bemessung dieser Kosten der Höhe nach. Ein Vergleich mit den Bemessungsgrundlagen nach § 5 Z 38 AHR (21.800 EUR im Verfahren vor den Unabhängigen Verwaltungssenaten wegen der Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt als dem Verfassungs- oder Verwaltungsgerichtshof im Sinne des § 8 Abs 1 AHR gleichgelagerte Institutionen) sowie nach § 5 Z 15 AHR (36.000 EUR in Angelegenheiten des gewerblichen Rechtsschutzes und des immateriellen Güterrechts) zeige, dass die Bemessungsgrundlage von 36.340 EUR angemessen sei. Es sei immerhin um das Recht des Klägers auf persönliche Freiheit und Unbescholtenheit und nicht bloß um vermögensrechtliche Angelegenheiten gegangen. Der vom Erstgericht zuerkannte Zuschlag von 50 % berücksichtige den geringeren Schwierigkeitsgrad eines „follow-up-case" ausreichend.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen die Klagsstattgebung gerichtete außerordentliche Revision der Beklagten ist zulässig und teilweise berechtigt.

1. § 3 Abs 1 Z 4 StEG 2005 schließt eine Haftung des Bundes für den Ersatzanspruch aus, wenn im Fall der Wiederaufnahme an die Stelle der aufgehobenen Entscheidung nur deshalb eine günstigere trat, weil inzwischen das Gesetz geändert worden ist. Zu der - in den Voraussetzungen inhaltsgleichen - Vorgängerbestimmung des § 3 lit d iVm § 2 Abs 1 lit c StEG 1969 hat der Oberste Gerichtshof in der bereits von den Vorinstanzen zitierten Entscheidung 11 Os 101/03 den Ausschluss der Haftung ausdrücklich abgelehnt, weil die (der Verurteilung zugrundegelegte, mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 2002 aufgehobene) Strafbestimmung des § 209 StGB vom EGMR als konventionsverletzend festgestellt worden sei und ein Freispruch damit die Konsequenz der Rechtsfolgenbeseitigung einer konventionswidrigen Strafnorm sei, nicht aber der Gesetzesänderung durch das Strafrechtsänderungsgesetz 2002. Bei der offensichtlichen Identität zwischen § 3 Abs 1 Z 4 StEG 2005 und der im StEG 1969 enthaltenen Vorgängerbestimmung (Heissenberger, Haftentschädigung [2006], 165) besteht kein Anlass zu einer unterschiedlichen Beurteilung des Ausschlussgrundes nach der neuen Rechtslage. Der Unterschied zur alten Rechtslage nach dem StEG 1969 beschränkt sich nämlich darauf, dass gemäß § 6 Abs 2 StEG 1969 bereits im Erneuerungsverfahren das Vorliegen oder Fehlen der in § 3 StEG 1969 bezeichneten Ausschlussgründe festgestellt werden musste, während § 9 StEG 2005 das Entschädigungsverfahren zur Gänze den Zivilgerichten überträgt (Eder-Rieder, StEG 2005 [2007], 23) Die hier relevante Voraussetzung des Ausschlussgrundes (Beseitigung eines Schuldspruchs nur wegen einer zwischenzeitlichen Gesetzesänderung) ist unverändert geblieben.

2. Im Revisionsverfahren ist nicht mehr strittig, dass dem Kläger Entschädigungsansprüche nach § 2 Abs 1 Z 2 StEG 2005 (ungerechtfertigte Haft) und nach § 2 Abs 1 Z 3 StEG 2005 (Außerverfolgungsetzung nach Erneuerung des Verfahrens) zustehen. Die Beklagte muss ihm alle Kosten ersetzen, die zur Aufhebung der Anhaltung und zur Beseitigung der rechtskräftigen Verurteilung notwendig und zweckentsprechend waren, was auch die Kosten des Verfahrens vor dem EGMR umfasst (1 Ob 27, 28/90 = SZ 63/223; RIS-Justiz RS0087531). Der EGMR entscheidet über den Ersatz der Kosten und Auslagen allein nach billigem Ermessen und berücksichtigt innerstaatliche Gebührensätze nur als Anhaltspunkt bei seiner Entscheidung mit (Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention³ § 15 EMRK Rz 11; Peukert in Frowein/Peukert, EMRK-Kommentar² Art 50 Rz 64). Da der EGMR seiner Entscheidung über die Kosten grundsätzlich kein vom Ermessen unabhängiges Kostenersatzrecht zugrundelegt, steht dem geschädigten Kläger die Differenz zwischen den vom EGMR zuerkannten und den zur notwendigen und zweckentsprechenden Rechtsverfolgung aufgewendeten Kosten zu (1 Ob 27, 28/90; vgl 1 Ob 35/93). Der Einwand der „res iudicata" ist damit nicht gerechtfertigt.

3. Ebensowenig erfolgreich ist der Mitverschuldenseinwand der Beklagten, den sie auf eine unterlassene Antragstellung nach § 393a StPO stützt. Nach Abs 1 leg cit hat der Bund ua im Fall der Einstellung des Strafverfahrens nach dessen Erneuerung einen Pauschalbetrag zu den Verteidigungskosten zu leisten. § 393 Abs 6 StPO lässt Ersatzansprüche nach dem StEG ausdrücklich unberührt. Die Schadensminderungspflicht (§ 4 Abs 1 StEG 2005, § 1304 ABGB) kann nur dann relevant sein, wenn sie sich zu Gunsten des Haftpflichtigen auswirkt, also den Schaden verhindert oder verringert. Genau das kann hier nicht der Fall sein, wie die Vorinstanzen zutreffend gezeigt haben. Die Ersatzpflicht des Bundes hätte die nach § 393a StPO zugesprochenen Kosten und zusätzlich die Kosten der Antragstellung umfasst.

4. Strittig ist, von welchen innerstaatlichen Verteidigungskosten der 50%ige Erfolgszuschlag nach § 12 AHR zu ersetzen ist. Die Revisionswerberin verweist zu diesem Punkt darauf, für jene Kosten, die auch ohne die Anhaltung entstanden oder nicht mit auf (dauernde) Beseitigung der Haft gerichteten Anträgen zusammenhingen, nicht zu haften. Eine gegenteilige Auffassung hat das Berufungsgericht allerdings nicht vertreten. Es hat nur einen Verstoß gegen das Neuerungsverbot angenommen, weil die Beklagte (ausgenommen das Argument zu den Kosten der Hauptverhandlung) in erster Instanz das gegnerische Vorbringen, sämtliche innerstaatliche Verteidigungskosten seien durch die Haft oder durch die Verurteilung verursacht worden, nie konkret bestritten hat. Rechtliche Gesichtspunkte verstoßen zwar nicht gegen das Neuerungsverbot (Kodek in Rechberger, ZPO³ § 482 Rz 9 mit Hinweis auf die in der Revision zitierte Entscheidung JBl 1952, 16), das bisherige tatsächliche Vorbringen muss aber zugrundegelegt werden (Kodek aaO mwN).

Die Beklagte hat tatsächlich in ihrem erstinstanzlichen Vorbringen ganz allgemein ihren Rechtsstandpunkt zum Ersatz ausschließlich der haftbedingten Mehrkosten bzw der zur Beseitigung des verurteilenden Erkenntnisses erforderlichen Kosten dargelegt und dabei ausdrücklich nur die Kosten der Hauptverhandlung genannt (ON 18 S 2). Diesem Argument hat das Berufungsgericht ohnehin Rechnung getragen und den Erfolgszuschlag entsprechend reduziert. Sonstiges konkretes Vorbringen, welche der im detaillierten Kostenverzeichnis des Klägers (Beil ./A) verzeichneten Leistungen entgegen dem Klagsvorbringen nicht der Haft oder Verurteilung zuzuordnen seien, hat die Beklagte nicht erstattet. Eine ungerechtfertigte Annahme von unzulässigen Neuerungen ist damit nicht zu erkennen.

5. Welche Bemessungsgrundlage im Verfahren vor dem EGMR gilt, regeln weder die AHR noch das RATG. § 8 Abs 1 AHR (jetzt Allgemeine Honorar-Kriterien: AHK) sah in diesem Zusammenhang nur vor, dass für Beschwerden, Gegenschriften und die Verrichtung von mündlichen Verhandlungen der doppelte Betrag der TP 3 C RATG angemessen ist. Nach § 18 AHR kann bei der Berechnung des Honorars auf vergleichbare Honorarregelungen Bedacht genommen werden, wenn die Entlohnung für Leistungen eines Rechtsanwalts in den AHR oder im RATG nicht geregelt ist. § 10 Abs 1 AHR setzt in offiziosen gerichtlichen Strafsachen für nicht in § 9 erwähnte Leistungen des Rechtsanwalts die Bemessungsgrundlage fest, auf deren Basis die Honoraransätze der TP 1 bis 3 und TP 5 bis 9 RATG zu bemessen sind. Diese Bemessungsgrundlage für das gegen den Kläger geführte Strafverfahren beträgt im konkreten Fall nach § 9 Abs 1 Z 3 iVm § 10 Abs 1 AHR 17.440 EUR. Das ist jene Bemessungsgrundlage, welche die Beklagte anstrebt, während die Vorinstanzen die Kosten auf Basis der vom Kläger zu Grunde gelegten 36.340 EUR bemessen haben. Die Argumentation des Berufungsgerichts, das Verfahren und das Recht des Klägers auf persönliche Freiheit und Unbescholtenheit könnten keineswegs weniger wert sein als die in § 5 Z 15 AHR mit 36.000 EUR bewerteten vermögensrechtlichen Angelegenheiten des gewerblichen Rechtsschutzes und immateriellen Güterrechts, ist nicht zwingend. Der drohende oder bereits eingetretene Verlust der Freiheit prägt aus Sicht des Beschuldigten jedes (innerstaatliche) Strafverfahren, dem eine mit Freiheitsstrafe bedrohte strafbare Handlung zugrundeliegt oder in dem eine Haft verhängt wurde. Primäres Ziel des Verfahrens vor dem EGMR war die grundsätzliche Feststellung der Konventionswidrigkeit einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe bzw die der Verhängung einer Haft durch innerstaatliche Strafgerichte. Ein vom EGMR zugebilligter Entschädigungsanspruch ist nur Konsequenz dieser Feststellung. Das Verfahren vor dem EGMR ist zweifellos kein Strafverfahren, der Konnex zu einem vor dem EGMR als konventionswidrig angefochtenen strafgerichtlichen Erkenntnis ist aber wesentlich enger als jener zu den in § 5 AHR aufgezählten zivilrechtlichen Rechtssachen mit Vermögenscharakter oder den in § 5 Z 38 AHR genannten Verfahren vor den unabhängigen Verwaltungssenaten. Ein Eingriff in ein Grundrecht ist zwar schwerwiegend, grundrechtsrelevante Fragen und Probleme treten aber zB auch in Zivil- oder Strafprozessen auf (Feil/Wennig, Anwaltsrecht³, § 8 AHR Rz 1), in denen aufgrund der Bewertungsvorschriften eine bestimmte Bemessungsgrundlage heranzuziehen ist. Der Grundrechtseingriff definiert daher nicht per se die Höhe der Bemessungsgrundlage. Die Bedeutung und der erhöhte Aufwand einer Vertretung vor übernationalen Tribunalen wird durch § 8 Abs 1 AHR bereits angemessen berücksichtigt. Die für das Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und dem Obersten Gerichtshof in Grundrechtsbeschwerden vorgesehenen Regeln über den Kostenersatz bieten keinen Anhaltspunkt für die Frage, welche Bemessungsgrundlage im Verfahren vor dem EGMR gilt. In beiden Verfahren erfolgt der Zuspruch der Verfahrenskosten an den Beschwerdeführer grundsätzlich in Pauschalsätzen, nämlich von 1.800 EUR (Verfassungsgerichtshof: Kodex RATG/GGG vom 1. 7. 2009, 237) bzw 800 EUR (§ 1 Grundrechtsbeschwerdekosten- Verordnung idF BGBl II 2008/321).

6. Nach § 4 AHR ist ein angemessener Zuschlag für Leistungen des Rechtsanwalts, die nach Art oder Umfang den Durchschnitt erheblich übersteigen, zulässig. Diese Voraussetzungen sind hier nicht verwirklicht. Der Klagevertreter war in dem Verfahren vor dem EGMR bereits für andere Beschwerdeführer eingeschritten. Die Beschwerde des Klägers in dem „follow-up-case" betraf dieselbe Problematik, nämlich die Konventionswidrigkeit einer Verurteilung bzw Haft nach dem damals geltenden § 209 StGB. Der Klagevertreter, der nach den Ausführungen in der Revisionsbeantwortung mehrere Beschwerdeführer in derartigen Verfahren vor dem EGMR vertreten hat, war im Gegensatz zu einem erstmals mit der Verfassung einer Beschwerde befassten Rechtsanwalt, nicht gänzlich neu mit dieser komplexen Materie konfrontiert. Eine überdurchschnittliche Leistung, die einen Zuschlag zum doppelten Ansatz nach TP 3 C RATG rechtfertigte, ist daher nicht anzunehmen.

7. Zu den einzelnen Kosten vor dem EGMR:

Für die Beschwerde billigt auch die Revision dem Kläger die doppelten Kosten nach TP 3 C RATG zu, das sind bei einer Bemessungsgrundlage von 17.440 EUR 1.112,20 EUR. Der von den Vorinstanzen vertretenen Auffassung zum Ersatz des Einheitssatzes nach § 11 AHR (sinngemäß) hat die Revision keine konkreten Argumente entgegenzusetzen. In ihren Ausführungen zur Entlohnung der Schriftsätze vom 5. 8. und 4. 10. 2002 nur nach TP 3 RATG (einfach) bzw TP 1 RATG setzt sie sich über den festgestellten Inhalt dieser Schriftsätze hinweg. Es handelte sich um eine umfassende Gegenäußerung sowie um die Stellungnahme des Klägers als Reaktion auf eine Stellungnahme der Beklagten (S 11 Ersturteil). Warum diese Schriftsätze nicht nach dem doppelten Ansatz der TP 3 C RATG zu honorieren seien, ist nicht einzusehen. Für die übrigen Schriftsätze hat das Erstgericht ohnehin nur einen Ansatz nach TP 1 RATG von 107,85 EUR als angemessen gewertet und dementsprechend die verzeichneten 105 EUR zugesprochen, ausgenommen die letzten drei Stellungnahmen; diese wurden jeweils mit 26,96 EUR honoriert, was der Kläger nicht bekämpft hat. Das Erstgericht hat (unbekämpft) keinen Einheitssatz zugesprochen. Die Einbringung des - nach Meinung der Revision nicht nachgewiesenen und daher nicht zu honorierenden - Schriftsatzes vom 26. 6. 2003 steht fest. Die Höhe der mit 252,95 EUR verzeichneten und zugesprochenen Barauslagen waren in erster Instanz nicht strittig; die Überlegungen der Revision zum Ersatz nur der Portokosten für das Ausland sind somit unbeachtlich.

Auf Basis einer Bemessungsgrundlage von 17.440 EUR und ohne 50%igen Zuschlag für die Beschwerde und die Äußerungen stehen dem Kläger folgende Kosten zu:

Beschwerde (TP 3 C = 556,10 EUR x 2) inklusive 100 %

Einheitssatz 2.224,40 EUR

Ansuchen 18. 2. 2002 (TP 1) 39,50 EUR

Mitteilung 29. 3. 2002 39,50 EUR

jeweils 50 % Einheitssatz insgesamt 39,50 EUR

Äußerung 5. 8. 2002 1.112,20 EUR

50 % Einheitssatz 556,10 EUR

Mitteilung 24. 8. 2002 39,50 EUR

Mitteilung 28. 9. 2002 39,50 EUR

jeweils 50 % Einheitssatz 39,50 EUR

Stellungnahme 4. 10. 2002 1.112,20 EUR

50 % Einheitssatz 556,10 EUR

Mitteilung 26. 6. 2003 55,00 EUR

Stellungnahme 17. 7. 2003 26,96 EUR

Stellungnahme 12. 9. 2003 26,96 EUR

Stellungnahme 5. 6. 2004 26,96 EUR

Gesamt 5.933,88 EUR

20 % USt 1.186,78 EUR

Barauslagen 252,95 EUR

Gesamt 7.373,61 EUR

abzüglich Kostenzuspruch 3.000 EUR

4.373,61 EUR

Die Kostendifferenz zu Gunsten der Beklagten beträgt 9.386,40 EUR. Der Zuspruch von 20.796,26 EUR reduziert sich auf insgesamt 11.409,86 EUR, das Mehrbegehren von 11.328,32 EUR ist abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 43 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO. Der Kläger hat in allen Instanzen zu rund 50 % obsiegt, was eine Kostenaufhebung rechtfertigt. Da der Kläger Verfahrenshilfe genießt, ist nach § 70 Satz 2 ZPO auszusprechen, dass der Prozessgegner die nach § 43 Abs 1 letzter Satz ZPO im Ausmaß des Obsiegens zu ersetzende Pauschalgebühr zu tragen hat (Bydlinski in Fasching/Konecny² § 70 ZPO Rz 2).

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