OGH 1Ob189/17a

OGH1Ob189/17a15.11.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L* GmbH *, vertreten durch Dr. Ludwig Beurle und andere Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei S* GmbH, *, vertreten durch Dr. Franz Xaver Berndorfer, Rechtsanwalt in Linz, wegen Aufkündigung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 18. Juli 2017, GZ 14 R 91/17a‑35, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Linz vom 16. März 2017, GZ 8 C 1336/15g‑29, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E120209

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Nach ständiger Rechtsprechung unterliegt ein Bestandvertrag über ein Grundstück, auf dem sich ein mit Zustimmung des Grundeigentümers vom Mieter errichtetes Superädifikat befindet, das nach dem Willen der vertragsschließenden Parteien der dauernden Wohnraumversorgung oder der geschäftlichen Betätigung des Mieters dienen soll, grundsätzlich den Bestimmungen des MRG (RIS‑Justiz RS0069261 [T1]). Werden Grundflächen zur Errichtung von Superädifikaten für geschäftliche Zwecke vermietet, sind die Bestimmungen des MRG über den Kündigungsschutz dann analog anzuwenden, wenn der Verwendung der vom Mieter auf den Grundflächen errichteten Geschäftsgebäude für den Gebrauch des gesamten Bestandobjekts selbständige Bedeutung zukommt und diese daher im Verhältnis zur Funktion der unbebauten Grundflächen nicht gänzlich in den Hintergrund tritt (RIS‑Justiz RS0066883 [T2]). Für eine analoge Anwendung der Kündigungsbestimmungen des MRG auf ein Superädifikat (§ 435 ABGB), das seinem Charakter nach nicht auf Dauer errichtet wird, reicht die den Vertragszweck bildende Parteienabsicht einer (relativ) dauernden Nutzung zu Geschäftszwecken aus (RIS‑Justiz RS0069454).

2. Die Ansicht des Berufungsgerichts, dass § 1 Abs 2 Z 5 MRG, der Mietverträge über sogenannte „Ein‑ und Zweiobjekthäuser“ zur Gänze vom Anwendungsbereich des MRG ausnimmt, auf den hier zu beurteilenden, im Juli 2005 geschlossenen Vertrag (analog) anzuwenden ist, wird von der Beklagten nicht in Zweifel gezogen.

3. Generell entspricht es der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass für die Frage, ob der Ausnahmetatbestand (§ 1 Abs 2 Z 5 MRG) erfüllt ist, auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags abzustellen ist (RIS‑Justiz RS0079363 [T1, T3]; vgl RS0112564), und dass für die Beurteilung, ob zwei oder mehr selbständige Wohnungen oder Geschäftsräumlichkeiten im Objekt vorhanden sind, auf die Verkehrsauffassung abzustellen ist (RIS‑Justiz RS0079853 [T4]). Dass „nicht mehr als zwei selbständige Wohnungen oder Geschäftsräumlichkeiten“ vorhanden sein dürfen, bedeutet nicht etwa (nur), dass drei Wohnungen (oder Geschäftsräumlichkeiten) schädlich sind. Vielmehr dürfen neben den zwei selbständigen Wohnungen (oder Geschäftsräumlichkeiten) keinerlei einer Vermietung zugängliche – oder sogar tatsächlich vermietete – Räume im Haus vorhanden sein (RIS‑Justiz RS0069389; 1 Ob 73/17t mwN). Eine Ausnahme von dieser Regel ist allerdings für Räume zu machen, die – obwohl sie abgesondert vermietbar wären – üblicherweise zu einem Einfamilienhaus oder Zweifamilienhaus (oder auch zu einer Geschäftsräumlichkeit) gehören oder Bestandteil eines Wohnungsverbands sind. Zu beurteilen ist dabei der tatsächliche Zustand im Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses (RIS‑Justiz RS0112564).

4. Die Vorinstanzen argumentierten ohne aufzugreifende Fehlbeurteilung, dass mangels Existenz des Superädifikats im Zeitpunkt der Vermietung zur Beurteilung des Bestehens selbständig vermietbarer Einheiten die Vertragslage zwischen den Parteien maßgeblich sei. Nach dem Mietvertrag darf der Mietgegenstand nur zur Errichtung eines Gebäudes für die Lagerung und den Verkauf von Schifffahrtsausrüstungen und damit zusammenhängenden Gegenständen sowie zur Errichtung und Benützung einer Betriebswohnung verwendet werden. Die Klägerin hat keine Zustimmung zur Errichtung von mehr als zwei selbständig vermietbaren Objekten erteilt. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, auch die Einschränkung der Untervermietung auf Unternehmen, an denen die Bestandnehmerin die prozentuelle Mehrheit habe, dies bei Beibehaltung des eingeschränkten Nutzungszwecks des Bestandobjekts, in Zusammenschau mit den vorvertraglichen Gesprächen und dem zwischen den Parteien „vereinbarten Zweck“, wonach ausschließlich die Beklagte „ein“ Geschäft betreiben und die Wohnung nur vom Geschäftsführer der Beklagten bewohnt werden solle, lasse keinen anderen Schluss zu, als dass nach der Verkehrsauffassung nicht mehr als zwei selbständige Einheiten errichtet werden sollten, ist nicht korrekturbedürftig. Der von der Beklagten tatsächlich errichtete Gebäudekomplex besteht aus einem Büro, einer Betriebswohnung und einer Halle mit zwei angeschlossenen Ausstellungsräumen und ist auf einen gewerblichen Nutzer ausgelegt. Abgesehen davon, dass eine nachträgliche abweichende Gestaltung des Superädifikats nicht rückwirkend zur Anwendbarkeit des MRG führen könnte, ist hier nicht maßgeblich, dass ohne Berücksichtigung der wirtschaftlichen Konzeption einer einheitlichen Geschäftsräumlichkeit und der konkreten Flächenwidmung – rein bautechnisch gesehen –drei oder vier selbständig vermietbare Raumeinheiten vorliegen. Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass diese selbständig vermietbaren Geschäftsräumlichkeiten hier eine wirtschaftliche Einheit bildeten, ist nicht zu beanstanden.

5. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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