OGH 5Ob135/17i

OGH5Ob135/17i26.9.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Daniel B*, vertreten durch Mag. Nikolaus Vasak, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Rebecca B*, vertreten durch Dr. Hans Wagner, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 3. Mai 2017, GZ 39 R 47/17a‑31, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E119472

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:
Rechtliche Beurteilung

1.1. Eine Kündigung wegen unleidlichen Verhaltens nach § 30 Abs 2 Z 3 MRG setzt eine Störung des friedlichen Zusammenlebens voraus, die durch längere Zeit fortgesetzt wird oder sich in häufigen Wiederholungen äußert und überdies nach ihrer Art das bei den besonderen Verhältnissen des einzelnen Falls erfahrungsgemäß geduldete Ausmaß übersteigt. Einmalige Vorfälle bilden den Kündigungsgrund nur, wenn sie schwerwiegend sind, jedoch können mehrere, an sich geringfügige Vorfälle den Kündigungstatbestand bilden (RIS‑Justiz RS0070303).

1.2. Die Verantwortung für das Verhalten der mit ihm in Hausgemeinschaft lebenden Personen soll dem Mieter (nur) dann nicht auferlegt werden, wenn er davon keine Kenntnis hatte und infolge dessen dagegen auch nicht einschreiten konnte. War der Mieter aber in der Lage einzuschreiten, kann er sich nicht auf sein Unvermögen oder etwa darauf berufen, dass er alle ihm zu Gebote stehenden bzw ihm nach der Sachlage zumutbaren Abwehrmittel ausgeschöpft habe (RIS‑Justiz RS0070371). Dass der Mieter keine Kenntnis vom unleidlichen Verhalten seiner Mitbewohner hat, ist Bestandteil der ihm vorbehaltenen Einrede der Unmöglichkeit, Abhilfe zu schaffen (10 Ob 1527/96; vgl auch RIS‑Justiz RS0070374).

1.3. Eine Verhaltensänderung nach Einbringung der Aufkündigung hat nur dann Einfluss auf das Schicksal der Aufkündigung, wenn der Schluss zulässig ist, dass die Wiederholung der bisherigen Unzukömmlichkeit auszuschließen ist (RIS‑Justiz RS0070340).

1.4. Der Frage, ob es sich bei einem konkreten Verhalten um ein unleidliches Verhalten nach § 30 Abs 2 Z 3 MRG handelt, kommt im Regelfall keine grundsätzliche Bedeutung iSd § 502 Abs 4 Z 1 zu (RIS‑Justiz RS0042984), sofern keine auffallende, im Interesse der Rechtssicherheit zu korrigierende Fehlbeurteilung der Zumutbarkeit einer Fortsetzung des Bestandverhältnisses vorliegt (RIS‑Justiz RS0042984 [T6]).

2.1 Von einer derartigen Fehlbeurteilung kann hier nicht die Rede sein, die Entscheidungen der Vorinstanzen bewegen sich im Rahmen der eingangs wiedergegebenen Rechtsprechungsgrundsätze:

2.2. Auf die mangelnde Kenntnis vom Verhalten ihres Mitbewohners hat sich die Beklagte im Verfahren erster Instanz gar nicht berufen. Im Übrigen war sie nach den Feststellungen jedenfalls in Kenntnis des von ihr verfassten Schreibens an den Kläger vom 23. 4. 2015 (./F). Auch das Privatanklageverfahren beim Bezirksgericht Leopoldstadt, das der Lebensgefährte der Beklagten gegen den Kläger angestrengt hatte und mit Freispruch endete, war der Beklagten, die dort als Zeugin geführt und vernommen wurde, bekannt. Das Schreiben ihres Lebensgefährten an den Kläger vom 23. 4. 2015 (./E), das die Vorinstanzen jedenfalls vertretbar als hochgradig beleidigend werteten, wurde am selben Tag verfasst wie die Abmahnung und Unterlassungserklärung ./F, sodass der Schluss der Vorinstanzen, die Beklagte habe es gekannt oder jedenfalls kennen müssen, naheliegt.

2.3. Dass die in juristische Form gekleidete Schadenersatzforderung im Schreiben ./E im Zusammenhalt mit der Unterlassungsaufforderung ./F und der Einbringung der Privatanklage durch den Lebensgefährten der Beklagten von den Vorinstanzen als Drohungen zum Zweck der Einschüchterung oder Belästigung des Klägers und seines Vaters gewertet wurden, zumal sie keine gerechtfertigte Reaktion auf ein der Beklagten oder ihrem Lebensgefährten gegenüber gesetztes unrechtmäßiges Verhalten darstellten, ist selbst unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse und des im Haus üblichen Umgangstons keine krasse Fehlbeurteilung, die einer Korrektur durch das Höchstgericht bedürfte. Immerhin warf der Lebensgefährte der Beklagten dem Kläger – nach dem Gesamtkontext der Feststellungen zu Unrecht – mehrere Straftaten vor, drohte ihm eine Sachwalterbestellung an und versuchte ihn mit der Ankündigung von Verfolgungshandlungen durch die Staatsanwaltschaft und ein „Rausklagen“ einzuschüchtern. Im Schreiben ./F wurde dem Kläger unterstellt, Post der Hausbewohner an sich zu nehmen und eine Unterlassungsklage angedroht.

2.4. Da von dem im Gesetz verwendeten Begriff des „Mitbewohners“ nicht nur der nicht im Haus wohnende Hauseigentümer, sondern auch dessen Verwalter oder Angehörige in Verwaltungsfunktionen erfasst sind (RIS‑Justiz RS0070251), reicht nach der nicht korrekturbedürftigen Auffassung der Vorinstanzen das gegenüber dem Kläger und seinem Vater gesetzte, beleidigende und einschüchternde Verhalten für die Verwirklichung des Kündigungsgrundes aus.

2.5. Auf die Frage einer Verhaltensänderung nach Zustellung der Aufkündigung und eine allenfalls positive Zukunftsprognose, die das Erstgericht verneinte, kam die Beklagte in ihrer Berufung nicht zu sprechen, die Rechtsrüge wurde zu diesem Punkt nicht ausgeführt. In der Revision kann die Beklagte dies nicht mehr nachholen, auf diese rechtlich selbstständige Frage ist nicht mehr einzugehen (vgl RIS‑Justiz RS0043338).

3. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Stichworte