OGH 6Ob137/17s

OGH6Ob137/17s26.9.2017

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der außerstreitigen Rechtssache der Beschwerdeführerin mj M***** G*****, geboren am *****, vertreten durch den Vater Mag. E***** G*****, Rechtsanwalt in Klagenfurt am Wörthersee, gegen den Beschwerdegegner Bund (Republik Österreich), vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17–19, 1011 Wien, über den Rekurs der Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom 5. Mai 2017, GZ 4 Nc 3/16s‑6, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0060OB00137.17S.0926.000

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführerin ist schuldig, dem Beschwerdegegner die mit 522,10 EUR bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung:

Beim Bezirksgericht Klagenfurt ist ein Pflegschaftsverfahren betreffend die beiden minderjährigen Kinder O***** G*****, geboren am *****, und C***** G*****, geboren am *****, anhängig. Die Eltern dieser Kinder, Dr. E***** G*****, und J***** W*****, sind seit September 2010 geschieden, die Obsorge für beide Kinder steht der Mutter alleine zu. Seit 2011 versucht der Vater, gerichtlich geregelte Kontakte mit den Kindern zu erreichen. Das Pflegschaftsgericht ordnete eine Besuchsbegleitung an und verpflichtete die Eltern, daran mitzuwirken. Die Mutter weigerte sich nachhaltig, weshalb mehrfach Ordnungsstrafen über sie verhängt wurden. Der Vertreter der Beschwerdeführerin war ursprünglich der anwaltliche Vertreter der Mutter, mittlerweile hat er sie geheiratet und lebt mit ihr sowie den beiden Kindern und der gemeinsamen 2012 geborenen Tochter M*****, der Beschwerdeführerin, in einem gemeinsamen Haushalt.

In einem Aktenvermerk vom 5. Oktober 2015 hielt der Pflegschaftsrichter ein Telefonat mit der Sozialarbeiterin fest. Darin ist unter anderem die Rede davon, die Sozialarbeiterin habe eine Tagesmutter für die Beschwerdeführerin für angezeigt gehalten, weil der erzieherische Notstand in der Familie offensichtlich sei. Es sei ihr auch noch nicht gelungen, mit den Kindern Kontakt aufzunehmen.

Am 18. Dezember 2015 und nochmals am 8. Jänner 2016 verfügte der Pflegschaftsrichter, dass ua eine Fotokopie dieses Aktenvermerks auch an den Rechtsvertreter des Vaters von O***** und C***** übersandt werde. Dem Rechtsvertreter des Vaters kam dieser Aktenvermerk zu.

Bei der ersten Zustellanordnung ging der Pflegschaftsrichter insbesondere von der Überlegung aus, dass der in den Zustellstücken dokumentierte Akteninhalt auf legitime Weise zustande gekommen sei und beiden Rechtsvertretern bekannt gemacht werden müsse. Überdies habe O*****s und C*****s Vater, dem die Mutter aufgrund ihrer verweigernden Haltung schon jahrelang jeden Kontakt mit seinen Kindern verwehre, keine Möglichkeit, Kenntnis von den Lebens‑ und Betreuungsumständen seiner beiden Kinder zu erfahren und insofern auch ein Recht auf Information.

Die Beschwerdeführerin begehrte die Feststellung gemäß § 85 GOG, sie sei im Grundrecht auf Geheimhaltung schutzwürdiger personenbezogener Daten dadurch verletzt worden, dass der genannte Pflegschaftsrichter als Organ des Bezirksgerichts Klagenfurt am 8. Jänner 2016 den Aktenvermerk vom 5. Oktober 2015, laut dem sich die Beschwerdeführerin in einem erzieherischen Notstand befinde, mit RSb‑Brief der Kanzlei des Rechtsanwalts Dr. F***** H***** übermittelt habe, wobei die Kanzlei Dris. F***** H***** diesen Aktenvermerk am 13. Jänner 2016 erhalten habe.

Das Erstgericht wies den Antrag ab. Es vertrat im Wesentlichen die Ansicht, der Zweck der vom Pflegschaftsrichter an den Rechtsvertreter des J***** W***** veranlassten Zustellung sei wohl ganz deutlich einerseits in der gebotenen und vor allem in § 189 Abs 4 ABGB gedeckten Information des nicht mit der Obsorge betrauten Vaters über die näheren und zwischenzeitlichen (auch familiären) Lebensumstände seiner ihm von der Mutter beharrlich zur Kontaktnahme vorenthaltenen Kinder und andererseits darin gelegen, den Vater in die Lage zu versetzen, von seinen Antragsrechten nach § 181 Abs 2 ABGB und § 107 Abs 3 AußStrG Gebrauch zu machen. Der im Aktenvermerk festgestellte „erzieherische Notstand“ in der Familie habe sich (auch) auf O***** und C***** bezogen. Selbst wenn man die Mitteilung über einen erzieherischen Notstand als Information über die psychische Gesundheit im Sinne des § 4 Z 2 DSG auffasse, würden nach § 9 DSG dabei schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen dann nicht verletzt, wenn, was im Anlassfall zutreffe, sich die Ermächtigung oder Verpflichtung zur Verwendung aus gesetzlichen Vorschriften ergebe, soweit diese der Wahrung eines wichtigen öffentlichen Interesses dienten. Die gesetzlichen Grundlagen für die im Gerichtsverfahren notwendigen Daten wiederum fänden sich in der Regel in den maßgeblichen Verfahrensgesetzen und in den Normen über die Registerführung. Sei die Verwendung von Daten durch eine derartige Rechtsgrundlage geboten bzw. erlaubt und ermöglicht, liege darin keine Verletzung von Datenschutzrechten der Betroffenen. Die Vorgangsweise des Pflegschaftsrichters finde in allen bezughabenden und hiefür in Betracht kommenden materiell‑ und verfahrensrechtlichen Normen (§ 181 und § 189 Abs 1, 3 und 4 ABGB, § 107 Abs 3 und § 141 AußStrG, § 55 Abs 3 Geo) hinlänglich Deckung, weshalb keine unzulässige Datenschutzverletzung in Bezug auf die Beschwerdeführerin vorliege. Der Vater von O***** und C***** bzw dessen Vertreter hätte auch durch die uneingeschränkt zulässige Akteneinsicht Kenntnis vom Aktenvermerk vom 5. Oktober 2015 erhalten können.

Dagegen richtet sich der Rekurs der Beschwerdeführerin mit dem Antrag, die Datenschutzverletzung gegenüber dem Beschwerdegegner festzustellen. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beschwerdegegner beantragt, den Rekurs mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist mangels erheblicher Rechtsfrage im Sinn des § 85 Abs 2 GOG iVm § 62 Abs 1 AußStrG nicht zulässig.

Die Rekurswerberin wird auf die zutreffenden Erwägungen des Erstgerichts verwiesen.

Den Rekursargumenten ist Folgendes zu entgegnen:

Aus der Entscheidung 4 Ob 104/15w (= RIS‑Justiz RS0130523) ist für die Rekurswerberin nichts zu gewinnen. Dort ging es um die Informationsbeschaffung bei Dritten, die hier nicht zu prüfen ist. Entgegen der Ansicht der Rekurswerberin kann das Gericht im Pflegschaftsverfahren nicht nur auf Antrag, sondern auch von Amts wegen tätig werden (vgl § 181 Abs 1 ABGB; Weitzenböck in Schwimann/Kodek, ABGB4 Ia § 181 Rz 49).

Im Übrigen ist grundsätzlich die als solche gerügte Übermittlung eines Aktenvermerks an Parteien dieses Verfahrens zulässig.

Entgegen der Ansicht der Rekurswerberin hat das Erstgericht kein Informationsrecht des Vaters von O***** und C***** hinsichtlich der Antragstellerin, mit der er nicht verwandt ist, „konstruiert“, sondern lebensnah gewürdigt, dass die Rekurswerberin im selben Familienverbund lebt wie O***** und C*****, sodass sich ein „erzieherischer Notstand“ grundsätzlich auf alle Kinder auswirken wird.

Die §§ 84, 85 GOG dienen nicht dazu, in jenen Bereichen, in denen die Verfahrensgesetze die Verwendung von Daten (abschließend) regeln, das gerichtliche (Haupt‑)Verfahren zu beeinflussen, zu korrigieren oder nachträglich zu kontrollieren. Eine den Verfahrensgesetzen entsprechende Verwendung von Daten ist daher auch aus datenschutzrechtlicher Sicht zulässig. Es ist demnach nicht statthaft, während eines Gerichtsverfahrens oder nach dessen rechtskräftiger Erledigung mit einem Antrag nach § 85 GOG gegen die Verwendung von Daten, soweit sie in den Verfahrensgesetzen geregelt ist, vorzugehen (RIS‑Justiz RS0129940 [T4]).

Aus der Rüge der Mangelhaftigkeit des Verfahrens wird die Relevanz der behaupteten Mangelhaftigkeit nicht deutlich. Entgegen der Ansicht der Rekurswerberin kann aus dem Schreiben der Sozialarbeiterin vom 20. Oktober 2016, in dem diese von der Gewährung von Erziehungshilfen nach dem K‑KJHG für O***** und C***** berichtet, keineswegs geschlossen werden, bei den beiden Kindern liege (wegen der Gewährung von Erziehungshilfen) kein erzieherischer Notstand vor.

Die Rüge von Feststellungsmängeln legt deren Relevanz nicht dar. Ob dem Vater der Rekurswerberin der Aktenvermerk vom 5. Oktober 2015 zugestellt wurde, ist für die behauptete Datenschutzverletzung irrelevant. Aus dem Zusammenhang ist klar, dass das Erstgericht entgegen der Darstellung der Rekurswerberin nicht behauptet hat, der Vater von O***** und C***** sei auch der Vater der Rekurswerberin.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 78 Abs 2 AußStrG (vgl 6 Ob 45/15h; 6 Ob 156/16h; 6 Ob 148/16g). Der Beschwerdegegner hat auf die Unzulässigkeit des Rekurses hingewiesen.

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