OGH 4Ob128/17b

OGH4Ob128/17b24.8.2017

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Schwarzenbacher, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein für Konsumenteninformation, Wien 6, Linke Wienzeile 18, vertreten durch Benedikt Wallner Rechtsanwalt Gesellschaft mbH in Wien, gegen die beklagte Partei C***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Ludwig Beurle und andere Rechtsanwälte in Linz, wegen 5.412,94 EUR und Feststellung, über die außerordentliche Revision sowie den Rekurs der klagenden Partei gegen die Entscheidung des Landesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 28. Februar 2017, GZ 32 R 114/16i‑24, womit das Urteil des Bezirksgerichts Linz vom 7. Juli 2016, GZ 21 C 520/15b‑18, zum Teil bestätigt und zum Teil aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0040OB00128.17B.0824.000

 

Spruch:

1. Die Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

2. Das Begehren der beklagten Partei auf Zuspruch der Kosten ihrer Revisionsbeantwortung wird abgewiesen.

3. Der Rekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 526 Abs 2 ZPO).

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 501,91 EUR (darin 83,65 EUR USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Die Beklagte schloss im Jahr 1995 mit zwei in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, „Club Partner“ genannten natürlichen Personen (in der Folge: „Nutzer“) einen bis 2024 befristeten „Beherbergungsvertrag“, mit dem diese um 29.000 DM (14.827,47 EUR) 220 jährliche „Urlaubspunkte“ erwarben. Mit diesen auf einem „Urlaubspunktekonto“ gutgeschriebenen Urlaubspunkten konnten die Nutzer in Clubhotels der Beklagten Beherbergungsleistungen abrufen.

Die Nutzer kündigten den Vertrag mit Schreiben vom 15. April 2014 auf.

Die Beklagte akzeptierte am 22. Mai 2014 die Kündigung zum 31. Dezember 2013, errechnete einen Rückerstattungsbetrag von 23,80 EUR und gab bekannt, dass die angesparten 423 „Urlaubspunkte“ bis 31. Dezember 2014 zu verbrauchen seien.

Die Nutzer traten dem Kläger am 22. Juni 2015 ihre „sämtlichen zivilrechtlichen sich aus dem Bereicherungsrecht, sowie jedem anderen erdenklichen Rechtsgrund ergebenden Ansprüche […] zum Zweck der Klagsführung [...] zum Inkasso“ ab; der Kläger nahm diese Abtretung an.

Der Kläger begehrte die Rückerstattung von 5.412,94 EUR sA an auf die Restlaufzeit entfallenden frustrierten Kosten und die Feststellung, dass die „Urlaubspunkte“ bis 31. Dezember 2016 verbraucht werden könnten.

Das Erstgericht sprach dem Kläger 3.000 EUR zu und wies ein Mehrbegehren von 2.412,95 EUR sowie das Feststellungsbegehren ab.

Aufgrund von Berufungen beider Parteien hob das Berufungsgericht die Entscheidung über das Leistungsbegehren auf; der Berufung des Klägers gegen die Abweisung des Feststellungsbegehrens gab es nicht Folge. Es ließ den Rekurs gegen den aufhebenden Teil der Entscheidung zu, weil keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage vorliege, ob im Falle einer ordentlichen Kündigung eines Teilzeitnutzungsvertrags nach Ablauf einer bestimmten Vertragsdauer der Teilzeitnutzungsberechtigte (Erwerber) einen Anspruch auf teilweise Rückerstattung des Erwerbspreises habe, und wie eine solche Abfindung zu berechnen sei. Die Revision gegen den bestätigenden Teil seiner Entscheidung ließ das Berufungsgericht nicht zu.

Mit seinem Rekurs beantragt der Kläger, in der Sache in dem Leistungsbegehren zur Gänze klagsstattgebendem Sinne zu entscheiden, hilfsweise dem Erstgericht eine geänderte Rechtsansicht zu überbinden.

Die Beklagte beantragt, den Rekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Mit seiner außerordentlichen Revision beantragt der Kläger, auch dem Feststellungsbegehren stattzugeben; hilfsweise begehrt er die Aufhebung und Zurückverweisung an das Berufungsgericht, allenfalls auch an das Erstgericht.

Die Beklagte verband mit ihrer Rekursbeantwortung eine Revisionsbeantwortung.

Der Rekurs ist ungeachtet des – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Zulassungsausspruchs des Berufungsgerichts ebenso unzulässig wie die Revision.

Die Revisionsbeantwortung ist zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung nicht notwendig.

Rechtliche Beurteilung

Zur Revision:

Das von den Vorinstanzen abgewiesene Feststellungsbegehren ist darauf gerichtet, dass die Urlaubspunkte bis 31. Dezember 2016 eingelöst werden können. Eine tatsächliche Inanspruchnahme der Urlaubspunkte bis zum genannten Termin aufgrund der begehrten Feststellung kommt allerdings infolge Zeitablaufs nicht mehr in Frage; bereits die Berufungsentscheidung erging nach diesem Zeitpunkt.

Das für die Zulässigkeit des Rechtsmittels im Zeitpunkt der Rechtsmittelentscheidung erforderliche Rechtsschutzinteresse fehlt, wenn der Entscheidung nur mehr theoretisch-abstrakte Bedeutung zukäme, da es nicht Aufgabe der Rechtsmittelinstanzen ist, über bloß theoretisch bedeutsame Fragen abzusprechen (RIS‑Justiz RS0002495). Die Beschwer muss zur Zeit der Einlegung des Rechtsmittels gegeben sein und zur Zeit der Entscheidung über das Rechtsmittel noch fortbestehen; andernfalls ist das Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen (RIS‑Justiz RS0041770; RS0006880).

Bereits im Zeitpunkt der Berufungsentscheidung war somit die auch noch im Rechtsmittelverfahren von Amts wegen zu prüfende (RIS‑Justiz RS0039123) Beschwer nicht mehr gegeben (vgl RIS‑Justiz RS0002495 [T8, T12, T19]; RS0041770 [T34]; RS0006880 [T10]). Der Revisionswerber legt auch nicht dar (RIS‑Justiz RS0039239), weshalb insofern das rechtliche Interesse an der begehrten Feststellung nicht nachträglich weggefallen sein sollte (vgl RIS‑Justiz RS0038969 [insb T1]).

Damit stellt sich im Revisionsverfahren keine erhebliche Rechtsfrage mehr. Auf die von der Revision aufgeworfene Frage, ob dem Kläger das Feststellungsinteresse von den Nutzern entgegen der Rechtsansicht der Vorinstanzen wirksam abgetreten werden konnte, ist daher nicht einzugehen. Die Revision ist zurückzuweisen.

Das in der Hauptsache fehlende Anfechtungsinteresse kann nicht durch ein Interesse an der Beseitigung von Kostenentscheidungen der Vorinstanzen ersetzt werden (RIS‑Justiz RS0002396). § 50 Abs 2 ZPO ist nur anwendbar, wenn bei einem Rechtsmittel das Rechtsschutzinteresse nachträglich wegfällt; „nachträglich“ bedeutet in diesem Zusammenhang den Wegfall der Beschwer zwischen Einbringung des Rechtsmittels und der Entscheidung darüber (RIS‑Justiz RS0106007). In Ansehung der Revision selbst kommt daher die Anwendung des § 50 Abs 2 ZPO nicht in Frage, weil die Beschwer bereits bei Erhebung des Rechtsmittels nicht mehr gegeben war (RIS‑Justiz RS0002396 [T23]; vgl RS0106007 [T4]).

Zur Revisionsbeantwortung:

Dem Revisionsgegner steht es nach § 507a Abs 1 ZPO frei, binnen der Notfrist von vier Wochen ab der Zustellung der Revisionsschrift eine Revisionsbeantwortung mittels Schriftsatzes zu überreichen. Bei einer außerordentlichen Revision wie hier beginnt diese Frist mit der Zustellung der Mitteilung des Obersten Gerichtshofs, dass dem Revisionsgegner die Beantwortung der Revision freigestellt werde (§ 507a Abs 2 ZPO). Eine vor der Zustellung dieser Mitteilung erstattete Revisionsbeantwortung gilt im Fall der Verwerfung der Revision nicht als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig (§ 508a Abs 2 ZPO).

Die mit der – zulässigen – Rekursbeantwortung in einem Schriftsatz verbundene Revisionsbeantwortung, für die jedoch gesondert Kosten verzeichnet wurden, war der Beklagten nicht freigestellt; sie ist deshalb nicht zu honorieren (RIS‑Justiz RS0113633).

Zum Rekurs:

Der Oberste Gerichtshof hat jüngst in seiner Entscheidung vom 28. März 2017 zu 8 Ob 97/16x in einer dieselbe Beklagte und dieselbe Vertragslage betreffenden (und auch sonst gleich gelagerten) Rechtssache klargestellt, dass bei vorzeitiger Vertragsauflösung durch ordentliche Kündigung nach Ablauf einer angemessenen Höchstbindungsfrist von 15 Jahren weder die Voraussetzungen für einen vom verschafften Nutzen unabhängigen Rückzahlungsanspruch erfüllt sind, weil keine Zweckvereitelung auf Beklagtenseite vorliegt. Andererseits kann sich die Beklagte nicht nur auf den am abstrakt kalkulierten Nutzen orientierten Kondiktionsanspruch berufen. Eine allgemeine Formel für die Berechnung eines in sinngemäßer Anwendung des § 1304 ABGB aufzuerlegenden Rückzahlungsanspruchs besteht nicht. Es ist hier allerdings zu beachten, dass die Streitteile im Beherbergungsvertrag bereits eine Regelung für die Konsequenzen einer ordentlichen vorzeitigen Vertragsbeendigung getroffen haben, die dort ebenso wie – unstrittig – hier wie folgt lautet:

 

9.4 Rückkauf

Im Bestreben, den Club Partnern einen zusätzlichen Dienst zu erweisen, erklärt sich die C***** AG bereit, im Umfang bis zu zehn Prozent des Neuverkaufs eines Geschäftsjahrs Verträge zurückzukaufen.

Ein Rückkaufsbegehren kann frühestens fünf Jahre nach vollständiger Bezahlung des Preises […] gestellt werden.

Der Rückkauf erfolgt jeweils per Jahresende des Jahres, in dem der Rückkaufantrag gestellt wurde. Übersteigt zu einem Rückkaufstichtag die Summe der Rückkaufsbegehren 10 % des Neuverkaufsvolumens, so erfolgt eine Reihung der Rückkaufanträge nach dem Alter des Vertrages […].

Als Basis für die Berechnung des Rücknahmepreises wird der zum Rückkaufstichtag aktuell gültige Punktepreis herangezogen. Als Rücknahmepreis wird davon ausgehend der Barwert der Vertragsrestlaufzeit abdiskontiert zum Kaufjahr geleistet. Als Diskontsatz gilt die zum Rückkaufstichtag gültige Sekundärmarktrendite, mindestens jedoch 8 % p.a. […].

Besteht zum Rückkaufsstichtag ein Urlaubspunkteguthaben, so verbleibt dieses dem Club Partner und kann innerhalb von 24 Monaten aufgebraucht werden.

 

Zu 8 Ob 97/16x wurde hierzu ausgeführt, dass ein solcher Antrag auf Rückkauf des Vertrags seinem Wesen nach einer ordentlichen Kündigung durch den Kunden entspricht und der einzige Unterschied darin besteht, dass das vertragliche Rückverkaufsrecht nur bedingt, abhängig von der Anzahl der Neuverkäufe, der Anträge und der internen Reihung, ausgeübt werden kann, aber der Kündigung nach Ablauf der Höchstbindungsfrist von Seiten der Beklagten keine Bedingung mehr entgegengehalten werden kann. Der nach Punkt 9.4. des Vertrags berechnete abgezinste Rücknahmepreis repräsentiert jenen abzugeltenden Restnutzen, von dem die Vertragsteile unter Berücksichtigung ihrer beiderseitigen Interessen für den Fall einer vorzeitigen ordentlichen Beendigung des Dauerschuldverhältnisses ausgegangen sind. Dies spricht dafür, ihn auch im Fall der einseitigen Kündigung, die nur einen Sonderfall des Rückkaufs darstellt, heranzuziehen.

Diese Überlegungen treffen auch auf den vorliegenden Fall zu.

Zur Berechnung dieses Rückkaufspreises nach Punkt 9.4. des Beherbergungsvertrags reichen die Feststellungen der Tatsacheninstanzen derzeit aber nicht aus. Das Erstgericht wird im fortgesetzten Verfahren den als Basis dienenden, zum Rückkaufsstichtag (Kündigungsstichtag) gültigen „Punktepreis“ festzustellen haben. Als notorisch kann angesehen werden, dass die Sekundärmarktrenditen sämtlicher in Frage kommender Emittenten in den Jahren 2013 bzw 2014 weit unter dem vereinbarten Mindestzinssatz von 8 % pa lagen. Schließlich wird die von der Beklagten bei den von ihr abgewickelten Rückkäufen regelmäßig herangezogene Abzinsungsformel zu erörtern und festzustellen sein, um den Anspruch des Klägers berechnen zu können.

Damit ist die von Berufungsgericht und Rekurswerber aufgeworfene Rechtsfrage bereits hinreichend geklärt. Die Aufhebung des das Leistungsbegehren betreffenden Teils des erstgerichtlichen Urteils erfolgte im Ergebnis zu Recht; das Erstgericht wird im fortgesetzten Verfahren die oben dargelegten Grundsätze zu beachten haben.

Der Umstand, dass die Entscheidung 8 Ob 97/16x erst nach der angefochtenen Berufungsentscheidung ergangen ist, kann die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht begründen. Das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage ist nämlich für den Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel durch den Obersten Gerichtshof zu beurteilen. Eine im Zeitpunkt der Einbringung des Rechtsmittels tatsächlich aufgeworfene erhebliche Rechtsfrage fällt somit weg, wenn die bedeutsame Rechtsfrage durch eine andere Entscheidung des Obersten Gerichtshofs bereits vorher geklärt wurde (RIS‑Justiz RS0112921 [T5], zuletzt 4 Ob 74/17m).

Das Rechtsmittel ist daher zurückzuweisen.

Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit des Rekurses hingewiesen; sie hat daher die Kosten ihrer Rekursbeantwortung ersetzt zu erhalten (§§ 50, 41 ZPO).

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