European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0120OS00056.17B.0817.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen und über die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Dem Angeklagten Aziz M***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen – auch rechtskräftige Freisprüche des Angeklagten Aziz M***** und Schuldsprüche des Angeklagten Zakaria A***** enthaltenden – Urteil wurde Aziz M***** des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (I./) sowie der Vergehen des tätlichen Angriffs auf einen Beamten nach § 270 Abs 1 StGB (II./1./a./), des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15 Abs 1, 269 Abs 1 erster Fall StGB (II./1./b./), des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 15 Abs 1, 127, 129 Abs 1 Z 1 StGB (II./2./) und der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (II./3./) schuldig erkannt.
Danach hat Aziz M***** in I*****
I./ am 12. März 2016 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Zakaria A***** dem Ayaanle O***** dadurch, dass ihm Zakaria A***** einen Schlag gegen die Stirn versetzte, wodurch Ayaanle O***** zu Boden fiel und daraufhin von Zakaria A***** und Aziz M***** am Boden liegend getreten wurde, also mit Gewalt gegen eine Person, fremde bewegliche Sachen, nämlich eine Geldtasche samt einem Geldbetrag von 20 Euro, mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen;
II./1./ am 9. April 2016
a./ dadurch, dass er dem Polizeibeamten Matthias W***** während einer Amtshandlung, nämlich der Aufhebung seiner Festnahme sowie der Entlassung aus der Verwaltungshaft, einen Faustschlag gegen das linke Ohr versetzte, einen Beamten tätlich angegriffen;
b./ dadurch, dass er gegen die Polizeibeamten Matthias W*****, Hubert G***** und Sarah S*****, die im Begriff standen, ihn festzunehmen, gezielte Schläge mit den Armen gegen den Körper des Matthias W***** sowie mehrere gezielte Fußtritte in Richtung von Matthias W*****, Hubert G***** und Sarah S***** setzte, Beamte mit Gewalt an einer Amtshandlung zu hindern versucht;
2./ am 5. April 2016 Verfügungsberechtigten des R***** fremde bewegliche Sachen durch Einbruch mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wegzunehmen versucht, indem er die Fensterscheibe zum Büro der Notschlafstelle einschlug, durch diese in das Gebäude einstieg und dort nach Wertgegenständen suchte;
3./ am 21. Juli 2016 Sonja N***** durch die Äußerung „Ich werde der Mafia in Italien sagen, sie sollen dich umbringen“ gefährlich mit der Zufügung zumindest einer Körperverletzung bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, Z 5, Z 5a und Z 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Aziz M*****, der keine Berechtigung zukommt.
Der prozessordnungswidrig ohne exakte Fundstellenbezeichnung (RIS-Justiz RS0124172; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 302) zum Schuldspruch I./ ausgeführten Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch Abweisung (ON 86 AS 21) des (neuerlich [siehe bereits ON 69 AS 49 unten]) in der Hauptverhandlung vom 15. Dezember 2016 ohne Bekanntgabe einer aktuellen ladungsfähigen Anschrift gestellten Antrags (vgl dazu Schmoller, WK-StPO § 55 Rz 61), „Ayaanle O***** als Tatzeugen zum Vorwurf [I./] laut Anklageschrift ON 3“ zu vernehmen (ON 86 AS 21), Verteidigungsrechte nicht verletzt.
Weshalb der Zeuge unter Berücksichtigung, dass dessen Meldeanschrift eine reine „Briefkastenadresse“ bildet und er trotz Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung bislang von der Polizei nicht angehalten werden konnte (ON 86 AS 23 iVm ON 79, US 22 f), mangels Kenntnis seines aktuellen Aufenthaltsorts tatsächlich erreichbar wäre, ist nicht zu erkennen. Kann aber solcherart die Ladung des begehrten Zeugen trotz Ausforschungsbemühungen seitens des Gerichts füglich nicht bewerkstelligt werden, ist der begehrte Beweis unmöglich (§ 55 Abs 2 StPO); die aus diesem Grund erfolgte Abweisung des Beweisantrags und die Verlesung der Angaben des Zeugen begegnen daher keinen Bedenken (RIS‑Justiz RS0108361; Schmoller, WK-StPO § 55 StPO Rz 82, Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 339; Kirchbacher, WK-StPO § 252 Rz 59 und 61).
Im Übrigen wurde im Anschluss an die Abweisung des Beweisantrags „mit ausdrücklicher Zustimmung“ aller Beteiligten der „gesamte Akteninhalt“, somit auch die Angaben des begehrten Zeugen vor der Polizei einverständlich (vgl Kirchbacher, WK‑StPO § 252 Rz 132) gemäß § 252 Abs 2a StPO dargetan (ON 86 AS 23) und solcherart zulässig anlässlich der Beweiswürdigung (zum Nachteil des Rechtsmittelwerbers) berücksichtigt (US 16).
Das zur weiteren Antragsfundierung im Rechtsmittel Vorgebrachte ist prozessual verspätet (RIS‑Justiz RS0099618; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 325).
Auch die Abweisung (ON 86 AS 17) des pauschal auf Beischaffung der Aufzeichnungen der Videoüberwachungen vom Hauptbahnhof von 22:00 Uhr bis 00:00 Uhr am 11. März 2016 gerichteten, das bereits seinerzeit ohne nähere Konkretisierung gestellte Begehren (ON 69 S 26) wortident wiederholenden Antrags des Angeklagten Zakaria A*****, dem sich der Rechtsmittelwerber in der Hauptverhandlung ohne eigene Ausführungen angeschlossen hat (ON 86 AS 17), ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Zwar wurde die begehrte Videoaufzeichnung hinsichtlich des genannten Zeitraums am 4. Mai 2016 dem Landesgericht Innsbruck ausgefolgt (ON 78), doch ist nicht ersichtlich, weshalb dieser unter Berücksichtigung des Umstands, dass sich das angelastete Raubgeschehen am 12. März 2016 gegen 00:35 Uhr ereignet haben soll (US 2 und 8 f), erhebliche Bedeutung hinsichtlich entscheidender Tatsachen zukäme.
Da die Richtigkeit der Begründung für eine abweisliche Entscheidung dann nicht unter Nichtigkeitssanktion steht, wenn nur dem Antrag auf den Zeitpunkt der Antragstellung bezogen im Ergebnis keine Berechtigung zukommt, ist aus der unzutreffend auf mangelnde Erreichbarkeit des begehrten Beweismittels abstellenden Begründung (ON 86 AS 17) für den Beschwerdeführer hingegen nichts zu gewinnen (RIS-Justiz RS0121628; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 318).
Das auch zu diesem Begehren erstmals in der Nichtigkeitsbeschwerde zur Antragsfundierung erstattete Vorbringen ist verspätet.
Die zum Schuldspruch I./ erhobene Tatsachenrüge (Z 5a) vermag keine erheblichen Bedenken
gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen
zu wecken.
Sie unterlässt es – wie es für eine prozessförmige Darstellung der Rüge erforderlich wäre – die ins Treffen geführten Beweismittel in Hinsicht auf ihre Eignung, erhebliche Bedenken hervorzurufen, an der Gesamtheit der beweiswürdigenden Erwägungen des Schöffengerichts zu messen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 487), indem sie die Überlegungen der Tatrichter zu den belastenden Angaben des Tatopfers Ayaanle O*****, aber auch zu den (den Depositionen der beiden Angeklagten, wonach diese um den Tatzeitpunkt alleine unterwegs gewesen wären, entgegenstehenden) Aussagen der Polizeibeamten Michael E***** und Martin D***** und weiters die tatrichterlichen Überlegungen zur – mangels vergleichbaren Tathergangs – wenig glaubhaften Täterschaft des Zuhair Z***** (US 15 bis 17) negiert. Demgegenüber versucht sie, mit isoliertem Verweis auf die leugnenden Angaben der Angeklagten, mit auf ein behauptetes Hausverbot für Ayaanle O***** und darauf gestützten spekulativen Überlegungen zu dessen aggressiver bzw konfliktgeneigter Persönlichkeitsstruktur sowie unter Hinweis auf die nicht erfolgte Sicherstellung der Raubbeute nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Schuldberufung die konstatierten Tathandlungen in Zweifel zu ziehen.
Entgegen der zu den Schuldsprüchen II./1./a./ und b./ ausgeführten Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) haben die – zur gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) verhaltenen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 428) – Tatrichter die Angaben des Beschwerdeführers, wonach er sich infolge Alkoholkonsums und Einnahme von Tabletten an den Vorfall im Polizeianhaltezentrum nicht erinnern könne (ON 69 AS 13), sehr wohl erwogen (US 18), dabei jedoch, ersichtlich unter Berücksichtigung der zielgerichtet gegen die Polizeibeamten ausgeführten Attacken (US 10 f), Zurechnungsunfähigkeit verneint (US 24 f) und Tatbegehung im Zustand voller Berauschung (§ 287 StGB) nicht angenommen.
Der weiteren aus Z 5a (dSn Z 5 zweiter Fall) gegen Schuldspruch II./2./ erhobenen Kritik zuwider hat sich das Erstgericht sowohl mit dem Umstand, dass keine Gegenstände gestohlen wurden, schon durch die Einstufung des Tatverhaltens als Versuch als auch mit der leugnenden Verantwortung des Angeklagten, bloß einen Schlafplatz gesucht zu haben, auseinandergesetzt, letztere jedoch logisch und empirisch einwandfrei verworfen (US 19 f).
Soweit die gegen Schuldspruch II./3./ gerichtete Rechtsrüge (Z 9 lit a) mit eigenständigen spekulativen Überlegungen die der von den Tatrichtern bejahten Rechtsfrage (RIS-Justiz RS0092160; Jerabek/Ropper in WK2 StGB § 74 Rz 34) der objektiven Eignung der inkriminierten Äußerung des Aziz M*****, das Tatopfer Sonja N***** in Furcht und Unruhe zu versetzen und konkret in ihr die tiefgreifende und ernsthafte Besorgnis zumindest vor einem Angriff auf die körperliche Integrität und einer Verletzung am Körper zu erwecken, zu Grunde liegenden Urteilsannahmen (US 12), damit aber auch die darauf gerichtete Absicht des Beschwerdeführers bestreitet und sie bloß als eine „infolge allgemeiner Unmutsäußerung getroffene Aussage“ darstellt, verfehlt sie den vom Gesetz geforderten, im Urteilssachverhalt gelegenen
Bezugspunkt materiell-rechtlicher Nichtigkeit (RIS-Justiz RS0099810).
Weiters leitet sie nicht methodengerecht aus einem Vergleich mit dem Gesetz ab (RIS-Justiz RS0116565), weshalb einerseits die Äußerung „Wenn Sie mich abschieben, werde ich der Mafia in Italien sagen, sie sollen dich umbringen“, auch wenn sie in Anwesenheit von Polizeibeamten gemacht wurde (vgl US 11, 21) und nach dem insoweit den Urteilssachverhalt spekulativ ergänzenden Rechtsmittelvorbringen gegenüber einer öfters mit „unzufriedenen, teilweise wohlmöglich aggressiven Personen“ befassten Bediensteten des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl erfolgte, nicht die bekämpfte, oben dargestellte objektive Eignung haben sollte und § 107 Abs 1 StGB die tatsächliche Versetzung des Tatopfers in Furcht und Unruhe sowie weiters zur Voraussetzung haben sollte, dass der Drohende überhaupt im Stande ist, die Drohung wahrzumachen (vgl RIS-Justiz RS0092413, RS0092102, RS0092392, RS0093082 [T3]; Jerabek/Ropper in WK2 StGB § 74 Rz 23, 33; Kienapfel/Schroll, StudB I4 § 107 Rz 4 und 9; Schwaighofer in WK2 StGB § 107 Rz 9).
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Aziz M***** war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen und über die Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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