European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:009OBA00081.17B.0725.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision der klagenden Parteien wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs können, wenn in der Berufung nur in bestimmten Punkten eine Rechtsrüge ausgeführt wurde, andere Punkte in der Revision nicht mehr geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0043352 [T27, T33]; RS0043338 [T10, T11, T13]). Die allseitige Überprüfung der rechtlichen Beurteilung des Berufungsurteils durch den Obersten Gerichtshof beschränkt sich demnach auf jene Umstände, die Gegenstand des Berufungsverfahrens waren (RIS-Justiz RS0043573 [T36, T41]).
Die Kläger stützten ihre gegen die Beklagte erhobene Feststellungsklage darauf, dass Art 81 des 2. Stabilitätsgesetzes 2012, BGBl 2012/35 idF BGBl 2014/46 (Art 6 des Sonderpensionenbegrenzungsgesetzes – SpBegrG) verfassungswidrig sei. Die darin normierten Verschlechterungen seien auf ihre Dienst- bzw Pensionsverhältnisse daher nicht anzuwenden. Art 81 des 2. Stabilitätsgesetzes 2012 idF BGBl 2014/46 sei nicht nur aus innerstaatlicher, sondern auch aus unionsrechtlicher Sicht verfassungswidrig. Aus innerstaatlicher Sicht fehle die verfassungsrechtliche Ermächtigung im Hinblick auf die Vorschreibung von Pensionssicherungsbeiträgen bis zur Höhe des fiktiven ASVG-Äquivalents. Die Bestimmung verstoße zudem gegen das Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums nach Art 5 StGG und den Gleichheitsgrundsatz nach Art 2 StGG und Art 7 B-VG. Aber auch europäische Grundrechte könnten durch innerstaatliches Verfassungsrecht nicht beschränkt werden. Der Verfassungsgerichtshof sehe daher in der Grundrechtscharta als Teil des primären Unionsrechts einen Prüfungsmaßstab für die Normenkontrolle. Aus unionsrechtlicher Sicht seien die Eingriffe in das Dienstrecht der Beklagten verfassungswidrig, weil Art 81 des 2. Stabilitätsgesetzes 2012 idF BGBl 2014/46 zum einen gegen den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) (Art 131 AEUV und Art 14.1 ESZB/EZB-Satzung, Art 130 AEUV und Art 14.3 ESZB/EZB-Satzung sowie Art 127 Abs 4 und Art 282 Abs 5 AEUV) und zum anderen gegen Art 17 GRC (Eigentumsrecht), Art 20 GRC (Gleichheitsgrundsatz) und Art 21 GRC (Nichtdiskriminierung) verstoße. Ziel der Kläger sei die Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens im Hinblick auf Art 81 des 2. Stabilitätsgesetzes 2012 idF BGBl 2014/46 und Überprüfung der in dieser Regelung vorgesehenen Eingriffe in die Pensionen und Pensionsanwartschaften der Dienstnehmer und ehemaligen Dienstnehmer der Beklagten.
Das Erstgericht wies die Klagebegehren ab. Art 81 des 2. Stabilitätsgesetzes 2012 idF BGBl 2014/46 sei weder verfassungs- noch unionsrechtswidrig. Ein Verstoß gegen die Art 17, 20 und 21 GRC liege hier nicht vor. Die in Art 130 AEUV und in Art 14.3 ESZB/EZB verankerte Weisungsfreiheit und politische Unabhängigkeit der Beklagten seien durch die entlohnungs- und pensionsrechtlichen Regelungen des Art 81 des 2. Stabilitätsgesetzes 2012 idF BGBl 2014/46 nicht beeinträchtigt.
Dagegen erhoben die Kläger Berufung, in der sie wieder mit der Verfassungswidrigkeit des Art 81 des 2. Stabilitätsgesetzes 2012 idF BGBl 2014/46 (aus innerstaatlicher und unionsrechtlicher Sicht) und die ihrer Ansicht nach (teilweise) fehlende verfassungsgesetzliche Ermächtigung für bestimmte einfachgesetzliche Regelungen argumentierten. Auf die eine Unionsrechtswidrigkeit der in Rede stehenden Regelungen verneinende Rechtsansicht des Erstgerichts nahm die Berufung darüber hinaus nur insofern Bezug, als der Anwendungsbereich der GRC bejaht wurde. Konkrete Grundrechtseingriffe wurden jedoch nicht zur Darstellung gebracht.
Aus den genannten verfassungsrechtlichen Bedenken stellten die Kläger gleichzeitig mit ihrer Berufung beim Verfassungsgerichtshof den Antrag auf Normenkontrolle im Hinblick auf § 10 Abs 4, Abs 5 und Abs 7 des Bundesverfassungsgesetzes über die Begrenzung von Bezügen öffentlicher Funktionäre (BezBegrBVG) iVm Art 81 des 2. Stabilitätsgesetzes 2012 idF BGBl 2014/46.
Der Verfassungsgerichtshof teilte in seinem Erkenntnis vom 12. 10. 2016, G 478/2015 ua, die verfassungsrechtlichen Bedenken der Kläger nicht und wies deren Anträge ab.
Nach Fortsetzung des zunächst gemäß § 62a Abs 6 VfGG unterbrochenen Berufungsverfahrens gab das Berufungsgericht der Berufung der Kläger nicht Folge. Da die Berufungswerber nach Auffassung des Berufungsgerichts ausschließlich die Verfassungswidrigkeit des Art 81 des 2. Stabilitätsgesetzes 2012 idF BGBl 2014/46 geltend machten, ohne das rechtmäßige Vorgehen der Beklagten in Frage zu stellen oder weitere Argumente darzulegen, die über ihre vom Verfassungsgerichtshof nicht geteilten Bedenken hinausgingen, könne auf dieses Erkenntnis des Höchstgerichts verwiesen werden. Die ordentliche Revision ließ das Berufungsgericht nicht zu.
Die von den Klägern erst nach der Berufungsentscheidung an das Berufungsgericht gerichtete „Anregung auf Vorlage an den EuGH“ wies das Berufungsgericht zurück, weil schon vor Einbringung dieser Anregung die Berufungsentscheidung gefällt worden war.
Die Kläger begründen nun die Zulässigkeit ihrer außerordentlichen Revision damit, dass zur Frage der Vereinbarkeit von Art 81 des 2. Stabilitätsgesetzes 2012 idF BGBl 2014/46 mit Unionsrecht noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.
Ein Eingehen auf diese Frage ist dem Obersten Gerichtshof jedoch aufgrund der eingangs dargelegten prozessualen Erwägungen verwehrt. Konkrete unionsrechtliche Überlegungen haben die Kläger im Berufungsverfahren ausschließlich zur Begründung ihrer verfassungsrechtlichen Bedenken angestellt. Die erst nach der Berufungsentscheidung an das Berufungsgericht herangetragenen darüber hinaus gehenden unionsrechtlichen Erwägungen wurden vom Berufungsgericht zurückgewiesen. Wenn die Revision darauf pocht, dass die Vereinbarkeit von nationalem Recht mit Unionsrecht als Rechtsfrage von Amts wegen zu prüfen ist, so ist damit für sie im Anlassfall nichts gewonnen. Auf die unionsrechtlichen Überlegungen des Erstgerichts – soweit diese über den verfassungsrechtlichen Kontext hinaus gingen – sind die Kläger in ihrer Berufung nicht näher eingegangen. Das Unionsrecht verpflichtet nicht zur amtswegigen Prüfung einer Verletzung von Unionsrecht, wenn die behördliche Prüfungsbefugnis nach staatlichem Recht auf die von den Parteien geltend gemachten Gründe beschränkt ist und der Verstoß gegen Unionsrecht nicht (rechtzeitig) vorgebracht wurde ( Öhlinger/Potacs , EU-Recht und staatliches Recht 4 65; EuGH 14. 12. 1995 C-312/93 , Peterbroeck , Van Campenhout & Cie SCS , Rn 12; EuGH C‑222/05 bis C-225/05 J. van der Weerd und andere , Rn 28, 41; EuGH 19. 5. 2011, C-452/09 , Iaia , Moggio , Vassalle Rn 16).
Im Übrigen kann ebenfalls auf das vorgenannte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs verwiesen werden. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Zurückweisungsbeschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO). Mangels einer Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Kläger zurückzuweisen.
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