European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0100OB00015.17D.0718.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagten Parteien sind schuldig, der klagenden Partei die mit 415 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 69,17 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Der Vater und Rechtsvorgänger der Beklagten errichtete im Jahr 1978 in K***** auf seiner Liegenschaft ein Wohnhaus. Zur Finanzierung des Baus wollte der Vater der Beklagten die Wohnung im ersten Stock eigentlich vermieten. Der Kläger, ein deutscher Staatsbürger, war an einem Kauf interessiert. Nach mehreren Gesprächen einigten sich der Vater der Beklagten und der Kläger schließlich, dass der Kläger die Wohnung „um 120.000 DM oder 125.000 DM“ (Feststellung aus dem Vorverfahren 4 C 326/11b des Bezirksgerichts K*****, wiedergegeben in der Vorentscheidung des Obersten Gerichtshofs 4 Ob 220/14b) kauft. Bei Abschluss des Vertrags war den Parteien bewusst, dass eine ordentliche Durchführung der Eigentumsübertragung nicht möglich sein wird, weil es aufgrund der damaligen Bestimmungen des Tiroler Grundverkehrsgesetzes (T‑GVG) für deutsche Staatsangehörige praktisch unmöglich war, Eigentum an Grund und Boden in Tirol zu erwerben. Sie verzichteten deshalb auf die Errichtung eines schriftlichen Kaufvertrags und die Anzeige des Geschäfts bei der Grundverkehrsbehörde. Beiden Parteien war die mündlich getroffene und mit Handschlag bekräftigte Vereinbarung genug. Der Vater der Beklagten hat auch nach dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union 1995 und nach entsprechenden Änderungen des T‑GVG nie mehr daran gedacht, einen schriftlichen Kaufvertrag errichten und diesen grundbücherlich durchführen zu lassen.
Der Kläger leistete die vereinbarte Zahlung und nutzte die Wohnung in der Folgezeit zu Ferienzwecken bis zur Räumung und Übergabe am 10. 12. 2014 an die Beklagten für sich und seine Familienangehörigen als Freizeitwohnsitz.
In den letzten Jahren versuchte die Familie des Vaters der Beklagten, die Wohnung zurückzubekommen, es wurde aber keine Lösung erzielt. Mit Klage vom 23. 8. 2011 begehrte der Vater der Beklagten im oben erwähnten Vorverfahren als damaliger Liegenschaftseigentümer vom Kläger unter anderem die Räumung der von ihm benutzten Ferienwohnung.
Während des Vorverfahrens schlossen die Beklagten mit ihrem Vater am 5. 1. 2012 einen Übergabsvertrag, aufgrund dessen sie je zur Hälfte als (neue) Eigentümer der Liegenschaft in das Grundbuch eingetragen wurden. Der Übergabsvertrag lautet auszugsweise:
„ I. Eigentumsverhältnisse:
… Einvernehmlich festgestellt wird, dass die im ersten Stock des gegenständlichen Wohnhauses befindliche Wohnung bereits vor längerer Zeit an den deutschen Staatsbürger [Kläger] , vermietet worden ist und diesbezüglich mangels Mietzinszahlung ein Räumungsverfahren beim Bezirksgericht K***** anhängig ist. … “
Für die Wohnung bzw Liegenschaft bestand und besteht keine Widmung als Freizeitwohnsitz. Am 16. 5. 2013 zeigte der Kläger den mündlichen Kaufvertrag aus dem Jahr 1978 der Grundverkehrsbehörde an. Am 12. 6. 2013 bestätigte die Bezirkshauptmannschaft K***** als Grundverkehrsbehörde, dass gemäß § 25a Abs 2 T‑GVG bezüglich des Rechtsgeschäfts zwischen dem Vater der Beklagten und dem Kläger („ Mündlicher Kaufvertrag vom Jahr 1978, Wohnung im Ausmaß von 76 m² im 1. Stock des [Wohnhauses der Beklagten]“) die Anzeige dieses Rechtserwerbs nach § 23 T‑GVG erfolgt ist.
Das Erstgericht gab im Vorverfahren dem Räumungsbegehren mit Urteil vom 17. 4. 2014 statt. Das Berufungsgericht gab der vom Kläger gegen dieses Urteil erhobenen Berufung nicht Folge und ließ die Revision nicht zu.
Aufgrund dieser Entscheidung beantragten die Beklagten als Rechtsnachfolger ihres Vaters am 5. 11. 2014 die zwangsweise gerichtliche Räumung der Wohnung. Im Exekutionsantrag führten die Beklagten an:
„ Der aus dem Exekutionstitel berechtigte [Vater der Beklagten] , hat mit Übergabsvertrag vom 5. 1. 2012 die vertragsgegenständliche Liegenschaft, in welcher sich die zu räumende Wohnung befindet, an seine Söhne [die Beklagten] , je zur Hälfte übergeben. Der Räumungsanspruch ist mit dem Eigentum auf die Übernehmer übergegangen. Zum Nachweis genügt eine GB‑Abschrift (jetzt § 55a EO). In Pkt VI des Übergabsvertrages haben die Übernehmer überdies ausdrücklich erklärt, sämtliche Rechte und Pflichten aus dem Vertragsverhältnis zur hier verpflichteten Partei zu übernehmen. “
Am 7. 11. 2014 erhob der Kläger gegen das der Exekution zu Grunde liegende Urteil das Rechtsmittel der außerordentlichen Revision an den Obersten Gerichtshof. Sein gleichzeitig gestellter Antrag auf Aufschub der Exekution bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Obersten Gerichtshofs über die außerordentliche Revision wurde abgewiesen.
Am 10. 12. 2014 übergab der Kläger infolge der unmittelbar bevorstehenden zwangsweisen Räumung am 17. 12. 2014 die Wohnung an die beiden nunmehrigen Beklagten.
Am 15. 12. 2014 beantragten die Beklagten die Einstellung der Exekution. Den Beklagten war bewusst, dass die Räumung durch den Kläger nur infolge des eingeleiteten Exekutionsverfahrens erfolgt war.
Mit Urteil vom 16. 6. 2015, 4 Ob 220/14b, gab der Oberste Gerichtshof der außerordentlichen Revision des (nunmehrigen) Klägers im Vorverfahren Folge und wies die Räumungsklage ab, weil – wie sich aus einer ergänzenden Vertragsauslegung ergebe – der zwischen dem Vater der Beklagten und dem Kläger geschlossene Kaufvertrag nach wie vor in Schwebe war.
Die Beklagten sind nicht bereit, dem Kläger die im 1. Stock des Wohnhauses gelegene Wohnung wieder zur Verfügung zu stellen.
Der Kläger begehrt, die Beklagten schuldig zu erkennen, die im 1. Stock ihres Hauses gelegene Wohnung „von sämtlichen nicht der klagenden Partei gehörigen Fahrnissen zu räumen und der klagenden Partei bei sonstigem Zwang geräumt zu übergeben“. Der Kläger stützt seinen Räumungsanspruch auf § 1435 ABGB, weil er aufgrund eines Urteils, das noch mit außerordentlicher Revision bekämpfbar war, geleistet habe; die Wohnung habe er nur zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung an die Beklagten zurückgestellt. Daneben stützt der Kläger seinen Anspruch auf Übergabe der Wohnung auf den von ihm mit dem Vater der Beklagten abgeschlossenen Kaufvertrag über die Wohnung. Zur Übergabe der Wohnung seien die Beklagten aufgrund des Übergabsvertrags vom 5. 1. 2012 verpflichtet. Schließlich stützt der Kläger seinen Anspruch auch auf Ersitzung.
Die Beklagten wandten dagegen ein, dass jeglicher Räumungsanspruch das Eigentum des Klägers voraussetze, an dem es hier fehle. Der Kläger sei daher nicht aktiv legitimiert. Selbst nach seinen Angaben sei er lediglich berechtigt, den Anspruch auf Übergabe der Wohnung geltend zu machen. Das Räumungsbegehren könne auch nicht auf § 1435 ABGB gestützt werden, weil die Rückstellung der Wohnung an die Beklagten (Besitzübertragung) keine vermögenswerte Leistung darstelle. Eine Vermögensverschiebung habe daher nicht stattgefunden. Die Vereinbarung der Beklagten im Übergabsvertrag mit ihrem Vater stelle lediglich eine Erfüllungsübernahme im Sinn des § 1404 ABGB dar; daraus entstünden dem Kläger keine Ansprüche. Dem Kläger fehle für die Ersitzung die Redlichkeit, weil ihm bei Abschluss des Kaufvertrags bewusst gewesen sei, dass dieser grundverkehrsbehördlich nicht genehmigungsfähig gewesen sei.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Der Kläger habe nicht durch Ersitzung Eigentum erworben. Er sei weder bücherlicher noch außerbücherlicher Eigentümer der im 1. Stock des Hauses der Beklagten gelegenen Wohnung.
Der Kläger könne seinen Anspruch jedoch auf § 1435 ABGB und auf den 1978 mündlich abgeschlossenen Kaufvertrag stützen. Das ABGB kenne neben dem sachenrechtlichen Anspruch auf Übergabe auch schuldrechtliche Übergabeansprüche. Unter Bedachtnahme auf die gesamte Klageerzählung sei das Klagebegehren im vorliegenden Fall als Geltendmachung eines schuldrechtlichen Anspruchs auf Übergabe der Wohnung zu werten. Der schuldrechtliche Anspruch auf Übergabe der Wohnung setze notwendigerweise die vorhergehende Räumung des Objekts von den Fahrnissen der Beklagten voraus, weshalb ein dahingehendes Räumungsbegehren zulässig sei. Aus dem Vorverfahren 4 Ob 220/14b ergebe sich, dass der Kaufvertrag aus dem Jahr 1978 mangels abschlägiger Entscheidung der Grundverkehrsbehörde nach wie vor für seine Parteien Bindungswirkung entfalte. Die vertraglichen Verpflichtungen aus dem Kaufvertrag hätten die Beklagten ausdrücklich übernommen.
Der Kläger habe die Wohnung nur infolge des unmittelbar bevorstehenden gerichtlichen Räumungstermins am 17. 12. 2014 an die Beklagten übergeben. Da er mit der von ihm eingebrachten außerordentlichen Revision in weiterer Folge obsiegt habe, könne er, wie sich aus der Entscheidung 1 Ob 663/85 ergebe, einen bereicherungsrechtlichen Rückforderungsanspruch gemäß § 1435 ABGB geltend machen. Die Übergabe der Wohnung an die Beklagten stelle eine vermögenswerte Leistung dar, weil auch der Besitz bzw die Nutzungsmöglichkeit an einer fremden Sache einen bestimmten Vermögenswert repräsentiere, der bereicherungsrechtlich rückforderbar sei.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass die Revision zulässig sei, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage fehle, ob die originär sachenrechtliche Räumungsklage im Hinblick auf den darin mitumfassten Anspruch auf Übergabe auch einer Überprüfung in Bezug auf eine schuldrechtliche Anspruchsgrundlage zu unterziehen sei.
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Kläger beantwortete Revision der Beklagten.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruch unzulässig. Die Zurückweisung der Revision kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).
1. Die Revisionswerber halten auch in der Revision an ihrem Standpunkt fest, dass die sachenrechtliche Räumungsklage nur dem Eigentümer offen stehe. Mangels Eigentümereigenschaft fehle dem Kläger im vorliegenden Fall daher die Aktivlegitimation.
1.1 Dem ist zunächst entgegenzuhalten, dass es entgegen den Ausführungen in der Revision nicht der Rechtsprechung entspricht, dass ausschließlich der intabulierte Eigentümer zur Geltendmachung eines Räumungsanspruchs berechtigt wäre. Der Räumungsanspruch wird nach der Rechtsprechung etwa auch dem außerbücherlichen Erwerber, dem vorher bereits der Besitz übertragen wurde, zugestanden (RIS‑Justiz RS0106071).
1.2 Der Kläger hat sich bereits in der Klage ua auf seinen Herausgabeanspruch aufgrund des Kaufvertrags gestützt. Wie bereits ausgeführt ergibt sich aus der Vorentscheidung 4 Ob 220/14b, dass der Kaufvertrag im hier konkret zu beurteilenden Sachverhalt bis zum Vorliegen einer negativen Entscheidung der Grundverkehrsbehörde bindend bleibt. Zwischen den Parteien ist nicht strittig, dass dem Kläger die Ferienwohnung im 1. Stock des Hauses der Beklagten seit 1978 zur Nutzung zur Verfügung stand. Dass der Kaufvertrag aus anderen Gründen, als dem Vorliegen der bereits im Vorverfahren behandelten grundverkehrs-behördlichen Genehmigung nichtig wäre, haben die Beklagten nicht behauptet.
1.3 Das Klagebegehren ist so zu verstehen, wie es im Zusammenhalt mit der Klagserzählung vom Kläger gemeint ist (RIS‑Justiz RS0037440). Die Auslegung des Klagevorbringens im Zusammenhalt mit der Klageerzählung hat immer nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls zu erfolgen und wirft daher keine erhebliche Rechtsfrage auf (RIS‑Justiz RS0042828 [T25]; RS0037440 [T6]). Wurde dem obligatorisch Berechtigten – hier dem Kläger – das Recht zur Innehabung einer Sache vom Eigentümer entzogen, so kann er die Übergabe des Kaufgegenstands vom Eigentümer verlangen. Der Kläger bezeichnet seine Klage zwar als „Räumungsklage“. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass er dessen ungeachtet tatsächlich die – (nur) von den Objekten der Beklagten geräumte – Übergabe des Objekts an ihn begehrt, ist vor dem Hintergrund seiner gesamten Klageerzählung und dem oben wiedergegebenen Wortlaut des Klagebegehrens im konkreten Fall nicht unvertretbar.
2. Die Revisionswerber halten in der Revision weiters ihre Rechtsansicht aufrecht, dass die Aufgabe des Besitzes keine vermögenswerte Leistung im Sinn des § 1435 ABGB darstelle, sodass es an einer Vermögensverschiebung als Voraussetzung eines bereicherungsrechtlichen Anspruchs fehle.
2.1 Bereits die Vorinstanzen haben zutreffend ausgeführt, dass zu 1 Ob 663/85 in einem gleichgelagerten Fall ein bereicherungsrechtlicher Rückforderungsanspruch anerkannt wurde. Leistet der Verpflichtete aufgrund eines (nur) noch mit außerordentlicher Revision bekämpfbaren Urteils, und erhebt er dieses Rechtsmittel auch, so kann der dem Gläubiger erkennbare Sinn und Zweck der Leistung nur sein, die mögliche Zwangsvollstreckung durch den Gegner zu vermeiden und nur für den Fall zu leisten, dass das Urteil des Berufungsgerichts Bestand hat. In einem solchen Fall ist die Rückforderung des Geleisteten bei Erfolg der außerordentlichen Revision wegen Wegfalls der Leistungsgrundlage zulässig (vgl Wilburg in Klang² VI 463).
2.2 Die Kondiktion ist auf Erstattung des durch die Leistung verschafften Vorteils gerichtet. Der Vorteil kann in verschiedenen Arten entstehen: Auch der Besitz ist, abgesehen von seinem Schutz, eine günstige rechtliche Lage, und es entspricht dem Wesen der Kondiktion, dass der Empfänger verpflichtet ist, nach Möglichkeit den vorigen Stand zugunsten des Leistenden – insbesondere durch Rückgabe der grundlos geleisteten Sache – wiederherzustellen (Wilburg in Klang² VI 472). Hier macht der Kläger ein Forderungsrecht geltend, nämlich das Recht auf Verschaffung der Nutzung an der Wohnung im Haus der Beklagten entsprechend dem Kaufvertrag. Dass der Kläger dadurch kein dingliches Recht erlangen mag, kann – worauf bereits das Erstgericht hinwies – dahingestellt bleiben. Nach der Rechtsprechung bewirken nämlich auch Forderungsrechte– hier das Nutzungsrecht aufgrund eines Kaufvertrags – eine (vermögenswerte) Zuweisung eines Rechtsguts (RIS‑Justiz RS0019984; 6 Ob 138/14h), die bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen bereicherungsrechtlich rückforderbar ist.
2.3 Den Beklagten wurde die Liegenschaft in Kenntnis des Sachverhalts über die Vereinbarung zwischen dem Kläger und ihrem Vater übergeben. Dies ergibt sich nicht nur aus dem Übergabsvertrag selbst, sondern auch daraus, dass sie im – im Zusammenhang mit dem Vorverfahren eingeleiteten – Exekutionsverfahren als Rechtsnachfolger ihres Vaters die Räumung der Wohnung durch den Kläger forderten. Der Kläger übergab die Wohnung unter dem Druck des bevorstehenden Räumungstermins den Beklagten. Diese sind schon daher als Leistungsempfänger zur Rückstellung verpflichtet (RIS‑Justiz RS0020192 [T4]). Einer Auseinandersetzung mit dem auch in der Revision aufrecht erhaltenen Einwand, dass die Beklagten im Rahmen des Übergabsvertrags nur eine Erfüllungsübernahme im Sinn des § 1404 ABGB mit ihrem Vater vereinbart hätten, bedarf es vor diesem Hintergrund nicht.
Mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO war die Revision daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO, der Kläger hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Im Revisionsverfahren gebührt allerdings nur der einfache Einheitssatz.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)