European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0090OB00035.17P.0628.000
Spruch:
Die Revisionen werden zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 939,24 EUR (davon 156,54 EUR USt) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 781,92 EUR (davon 130,32 EUR USt) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Der Kläger hat mit der Beklagten einen CHF‑Fremdwährungskreditvertrag geschlossen. Zur Verzinsung wurde unter anderem vereinbart:
„Wir verrechnen Ihnen einen fixen Zinssatz pro Zinsperiode.
Erste Zinsenperiode
Die erste Zinsenperiode beginnt mit dem Tag der Kreditinanspruchnahme und endet einen Tag vor dem 01. 01. 2006. Der Zinssatz für die erste Zinsenperiode beträgt 1,87500 % p. a.
Weitere Zinsenperioden
Für die weiteren Zinsenperioden erfolgt die Zinsenanpassung jeweils am 1. 1., 1. 4., 1. 7. und 1. 10. eines jeden Jahres. Für diese Zinsenperioden beträgt die Verzinsung jeweils 1,1250 % p. a. (Marge) über den Indikator (3-Monats-LIBOR). Der so ermittelte Zinssatz wird auf volle 1/8 Prozent kaufmännisch gerundet.“
Der Kläger begehrt die Zahlung von 1.642,47 EUR sA sowie die Feststellung, dass sich der aus dem Kreditvertrag zur Verrechnung gelangende Sollzinssatz aus der Summe des 3-Monats-LIBOR (Referenzzinssatz) und der Marge in Höhe von Euro 1,125 % unabhängig davon errechne, ob der Referenzzinssatz negativ oder positiv sei, in eventu die Feststellung, dass sich der zur Verrechnung gelangte Sollzinssatz aus der Summe des 3-Montas-CHF-LIBOR und der Marge von 1,125 % unabhängig davon errechne, ob der Referenzzinssatz negativ oder positiv sei, solange dies insgesamt, betrachtet über die gesamte Vertragsdauer des Kreditverhältnisses, zu keiner Zinszahlungspflicht der Beklagten an den Kläger führe, in eventu, dass sich der Referenzzinssatz in der genannten Weise errechne, aber nicht negativ werden könne.
Er brachte vor, der Referenzzinssatz sei im ersten Quartal 2015 erstmals negativ gewesen. Aufgrund der vertraglichen Regelung habe er davon ausgehen dürfen, dass im Falle des Negativwerdens des Referenzzinssatzes der Sollzinssatz auch unter 1,125 % oder auch unter „Null“ fallen könne. Die Beklagte habe diese Zinssenkung jedoch nicht zur Gänze an ihn weitergegeben, sondern dazu die Ansicht vertreten, dass, solange der Referenzzinssatz negativ sei, ihr jedenfalls der vereinbarte Aufschlag als Mindestzinssatz zustehe. Da er Verbraucher sei, sei die Zinsklausel auch im Lichte des § 6 Abs 1 Z 5 KSchG auszulegen. Der Klagsbetrag sei die Differenz zwischen den verrechneten und bezahlten zu den tatsächlich zustehenden Zinsen.
Die Beklagte bestritt und brachte vor, der Kredit sei ein Dauerschuldverhältnis, die Zinsen seien das Entgelt für die Zurverfügungstellung des Kapitals während einer bestimmten Periode. Aufgrund der Zinsvereinbarung stehe ihr ein Entgelt zu, das zumindest 1,1250 % der Kreditsumme p.a. ausmachte. Aus dem Fehlen einer Obergrenze bei der Zinsgleitklausel folge nicht, dass der Zinssatz auch negativ werden könne, da nur das vom Kreditnehmer zu leistende Entgelt variabel ausgestaltet, nicht aber das Äquivalenzverhältnis in sein Gegenteil verkehrt werden solle. Allenfalls liege eine planwidrige Vertragslücke vor, die im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung dahin zu schließen sei, dass der Indikator nicht unter Null sinken könne und der Kunde zumindest die vereinbarte Marge zu zahlen habe.
Das Erstgericht gab dem Zahlungsbegehren und dem zweiten Eventualbegehren statt. Das (Haupt-)Feststellungsbegehren und das erste Eventualbegehren wies es dagegen ab.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers gegen die Abweisung des Hauptfeststellungsbegehrens und des ersten Eventualbegehrens sowie der Berufung der Beklagten gegen den klagsstattgebenden Teil des Urteils nicht Folge. Ausgehend von einer Wortinterpretation sei der Auslegung des Klägers zu folgen, dass ein positiver Aufschlag durch einen negativen Indikator teilweise bis ganz aufgezehrt werden könne. Allein dass dieses Ergebnis nicht bedacht worden sei, mache aufgrund dieser klaren Regelung keine ergänzende Vertragsauslegung erforderlich. Da Zinsen das vom Kreditnehmer zu zahlende Entgelt seien, könne ein Absinken des Referenzzinssatzes jedoch nicht zu einer Zahlungspflicht des Kreditgebers führen.
Den Wert des Entscheidungsgegenstands bewertete das Berufungsgericht mit 5.000 EUR, nicht jedoch 30.000 EUR übersteigend. Die Revision wurde zugelassen, da zu der über den Einzelfall hinausgehenden Frage der Auslegung der Zinsgleitklausel keine höchstgerichtliche Rechtsprechung bestehe.
Gegen den klagsabweisenden Teil dieses Urteils richtet sich die Revision des Klägers, gegen den klagsstattgebenden Teil die Revision der Beklagten jeweils mit einem Abänderungsantrag. In eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Parteien beantragen jeweils das Rechtsmittel des Gegners zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
1. Die Revisionen sind - entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) - im Hinblick auf die mittlerweile zu der vom Berufungsgericht als rechtserheblich bezeichneten Frage vorliegenden Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht zulässig (vgl RIS-Justiz RS0112769).
2. Zu der Frage, ob der Kreditgeber je nach Entwicklung des Referenzzinssatzes letztlich auch zur Zinszahlung an den Kreditnehmer verpflichtet sein kann, hat der Oberste Gerichtshof nunmehr bereits in mehreren Entscheidungen Stellung genommen (10 Ob 13/17k, 4 Ob 60/17b, 1 Ob 4/17w, 8 Ob 107/16t und 8 Ob 101/16k). Diesen Entscheidungen lagen sowohl Verbandsklagen, als auch Klagen einzelner Verbraucher mit einer dem hier vorliegenden Fall vergleichbare Zinsgleitklausel zu Grunde. Das Klagebegehren, das im Ergebnis jeweils darauf abzielte, die dort beklagte Bank zu verpflichten, den Negativzinssatz zur Gänze an die Kunden weiterzugeben, wurde abgewiesen. Typischerweise seien sich die Parteien regelmäßig darüber einig, dass der Kreditnehmer als Gegenleistung für die Zurverfügungstellung der Kreditvaluta Zinszahlungen zu leisten habe. Gemessen am Maßstab eines redlichen Erklärungsempfängers rechne ein Kreditnehmer bei Vertragsabschluss nicht damit, zu irgendeinem Zeitpunkt während der Kreditlaufzeit Zahlungen vom Kreditgeber zu erhalten, sodass der Kreditgeber insgesamt möglicherweise weniger zurückerhält, als er zur Verfügung gestellt hat. Ebensowenig sei der Kreditgeber zu irgendeiner Zeit gewillt, irgendwelche Zahlungen an den Kreditnehmer zu leisten. Es bestehe daher insofern beim Kreditvertrag allgemein ein übereinstimmender Parteiwille über Vertragsgegenstand und Vertragsinhalt, der eine Zahlungsverpflichtung der kreditgebenden Bank an den Kreditnehmer ausschließe. Dieser übereinstimmende Parteiwille gehe als natürlicher Konsens jeglicher Auslegung vor. § 6 Abs 1 Z 5 KSchG stehe dem nicht entgegen, zumal er schon nach seinem Wortlaut nur Entgelt umfasse, das der Verbraucher dem Unternehmer zu zahlen habe, nicht aber Zahlungen des Unternehmers an den Verbraucher. Dass das von den Kreditnehmern zu leistende Entgelt auf Null sinken könne, habe die (dort) Beklagte ohnedies zugestanden (10 Ob 13/17k).
Im Verfahren 1 Ob 4/17w wurde zusätzlich darauf verwiesen, dass die Parteien ausdrücklich vereinbart hätten, dass der Kläger für die Zurverfügungstellung der Kreditvaluta als Kreditnehmer Entgelt in Form des Sollzinssatzes zu zahlen habe, sodass schon der Wortlaut der Vereinbarung gegen eine „umgekehrte“ Pflicht zur Zinszahlung durch den Kreditgeber spreche. Die Parteien hätten bei Abschluss des Vertrags nicht bedacht, dass der Referenzzinssatz so weit ins Negative „rutschen“ könne, dass sich selbst unter Hinzuzählung eines fixen Aufschlags ein negativer Sollzinssatz ergeben könnte; in Übereinstimmung mit dem Wortlaut des Vertrags sei davon auszugehen, dass jedenfalls kein Konsens darüber vorlag, dass zu irgendeinem Zeitpunkt Zahlungen durch den Kreditgeber an den Kreditnehmer (Kläger) zu erfolgen hätten. Ein übereinstimmender Parteiwille dahingehend, dass die beklagte Bank für die Zurverfügungstellung von Kapital dem Kreditnehmer Zahlungen zu leisten hätte, könne dem Vertrag damit nicht unterstellt werden.
Die Revision des Klägers enthält keine neuen Argumente, um die im vorliegenden Fall gleichgelagerte Rechtsfrage anders zu beurteilen. Zu einem wesentlichen Teil geht sie nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Zum anderen beschränkt sie ihre Vertragsauslegung auf die Zinsklausel allein, ohne den Gesamtkontext und damit auch den Zweck und das Verständnis der Vertragsparteien vom Wesen eines Kreditvertrags miteinzubeziehen. Sie ist daher in der Hauptsache unzulässig.
3. Auch zur Frage, ob der Kreditnehmer allenfalls verpflichtet sei, wenigstens den vereinbarten Fixaufschlag (die Marge) zu zahlen, wurde bereits vom Obersten Gerichtshof Stellung genommen.
In der Entscheidung 4 Ob 60/17b ging der Oberste Gerichtshof davon aus, dass ein negativer Referenzzinssatz – je nach Höhe – den vereinbarten Aufschlag ganz oder teilweise reduziere. Eine ergänzende Auslegung des Vertrags im von der dort Beklagten gewünschten Sinn sei nicht möglich, weil die Parteien eine eindeutige Regelung getroffen hätten. Sie hätten die Chancen und Risiken zukünftiger Schwankungen bewusst durch die Bindung an den jeweiligen Indikator geregelt; der Kreditnehmer sei erkennbar von einer symmetrischen Verteilung der Chancen und Risiken ausgegangen. Eine Auslegung der Vertragsklausel dahin, dass der Indikator einseitig mit Null angesetzt werde, stehe im Widerspruch zu § 6 Abs 1 Z 5 KSchG, weshalb ein solches Ergebnis nicht in Betracht komme. Der entgeltliche Charakter des Kreditvertrags gehe durch eine Reduktion der Zinsen (bis auf Null) nicht verloren, weil der Kreditnehmer zumindest in den ersten Jahren des Vertragsverhältnisses Zinsen sowie andere Gebühren an die Bank habe zahlen müssen.
Dem hat sich der achte Senat mit ausführlicher Begründung und Auseinandersetzung mit der Literatur in 8 Ob 101/16k sowie 8 Ob 107/16t angeschlossen.
Die Revision der Beklagten, die sich im Wesentlichen ebenfalls auf eine ergänzende Vertragsauslegung beruft und auf wirtschaftliche Folgen einer anderen Auslegung verweist, zeigt keine Argumente auf, die Anlass bieten würden, von dieser – nunmehr als gefestigt anzusehenden – Rechtsprechung abzugehen.
Auch die Revision der Beklagten erweist sich daher als unzulässig.
4. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO waren daher beide Revisionen zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).
5. Soweit der Kläger sich gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts im Kostenpunkt wendet, ist diese– mangels Erwähnung in § 519 ZPO – jedenfalls unanfechtbar (RIS-Justiz RS0075172; RS0053407). Das Gericht zweiter Instanz entscheidet daher in allen mit Kostenansprüchen zusammenhängenden Fragen endgültig (RIS-Justiz RS0044233). Die Revision des Klägers ist daher auch in diesem Umfang unzulässig.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Beide Revisionsbeantwortungen haben auf die Unzulässigkeit der Revision der Gegenseite hingewiesen. Allerdings steht im Revisionsverfahren nur der einfache Einheitssatz zu, der für die Revisionsbeantwortung des Klägers ausgehend vom Revisionsstreitwert 50 % beträgt (§ 23 Abs 3 RATG). Die Bemessungsgrundlage für die Kosten der Revisionsbeantwortung der Beklagten richtet sich nach der Revision des Klägers, beträgt daher nur 10.000 EUR.
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