OGH 5Ob77/17k

OGH5Ob77/17k27.6.2017

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache des Antragstellers Balint H*, vertreten durch Mag. Bettina Regenfelder, Mietervereinigung Österreichs, Reichsratsstraße 15, 1010 Wien, gegen die Antragsgegner 1. Beno K*, 2. Fryda K*, beide vertreten durch Dr. Erich Kafka, Dr. Manfred Palkovits, Rechtsanwälte in Wien, wegen §§ 16, 37 Abs 1 Z 8 MRG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsgegner gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 15. Februar 2017, GZ 38 R 258/16x‑43, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom 5. Juli 2016, GZ 35 Msch 3/15i‑31, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E118744

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

 

Begründung:

Das Erstgericht stellte das gesetzlich zulässige Zinsausmaß für die Wohnung Top 15 im Haus der Antragsgegner * W* für den Zeitraum vom 1. 2. 2006 bis 31. 1. 2009 mit 384,08 EUR monatlich, vom 1. 2. 2009 bis 31. 1. 2012 mit 400,95 EUR monatlich und vom 1. 2. 2012 bis 31. 1. 2014 mit 413,10 EUR monatlich fest, sprach aus, dass die Antragsgegner dieses durch die Vorschreibung eines Hauptmietzinses von monatlich netto 580 EUR seit 1. 1. 2006 in Höhe des jeweiligen Differenzbetrags überschritten hätten und verpflichtete sie zur Rückzahlung von insgesamt 17.504,52 EUR zuzüglich USt sowie gestaffelter Zinsen seit 2. 2. 2006 an den Antragsteller.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsgegner nicht Folge, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 10.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Den von den Antragsgegnern erhobenen Normenprüfungsantrag in Bezug auf §§ 2, 3, 5 RichtWG und § 16 Abs 7 MRG wies der VfGH zu G 673/2015 mit Erkenntnis vom 12. 10. 2016 teilweise ab, teilweise zurück.

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsgegner zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.

Rechtliche Beurteilung

1.1. Der Grundsatz, dass bei Bekämpfung der rechtlichen Beurteilung die Gesetzmäßigkeit einer Entscheidung nach allen Richtungen zu prüfen ist, gilt dann nicht mehr, wenn ein Tatbestand von mehreren selbständigen rechtserzeugenden Tatsachen abgeleitet wird und sich die Rechtsausführungen nur auf eine dieser Tatsachen, nicht aber auch auf die anderen beziehen (RIS‑Justiz RS0043338). Hat die Rechtsrüge in zweiter Instanz demnach nur einen bestimmten Aspekt aufgegriffen, wurde das Ersturteil aber nicht aus dem nun in der Revision relevierten Grund bekämpft, kann die rechtliche Beurteilung im Revisionsverfahren nicht mehr bekämpft werden (RIS‑Justiz RS0043338 [T11]). Der Rechtsmittelwerber muss Rechtsgründe, denen in sich geschlossene, also selbständige rechtserzeugende, rechtshemmende oder rechtsvernichtende Tatsachen zugrundeliegen, behandeln, damit sie nicht aus dem Nachprüfungsrahmen herausfallen (RIS‑Justiz RS0043338 [T17]). All dies gilt auch im außerstreitigen Verfahren nach § 37 MRG (RIS‑Justiz RS0043338 [T19, T28]).

1.2. In ihrem Rekurs gegen den erstinstanzlichen Sachbeschluss führten die Antragsgegner ihre Rechtsrüge – die im Wesentlichen mit der Verfassungswidrigkeit der zugrundeliegenden Gesetze argumentierte – nur zum pauschalen Befristungsabschlag nach § 16 Abs 7 MRG, zur Ermittlung des Richtwerts nach § 3 RichtWG und in Bezug auf den Lagezuschlag überhaupt aus. Einwände gegen den Rückzahlungstitel nach § 37 Abs 4 MRG erhoben die Antragsgegner im Rekurs hingegen mit keinem Wort. Ob überhaupt und in welcher Höhe ein Rückzahlungstitel (gegebenenfalls mit welchem Zinsenzuspruch) geschaffen werden soll, ist eine rechtlich selbständige Frage, die das Rekursgericht nach der zitierten ständigen Rechtsprechung ohne entsprechende Ausführungen im Rechtsmittel nicht von Amts wegen zu behandeln hatte. Auf die erstmals im Revisionsrekurs erhobene Einwendung, im Hinblick auf die (im Übrigen völlig unpräzisiert) eingewendete Gegenforderung habe sich ein Rückzahlungsanspruch im Verfahren erster Instanz nicht ausreichend ergeben (vgl RIS‑Justiz RS0070654) bzw die gesetzlichen Zinsen aus dem Rückzahlungsbetrag seien teilweise verjährt (vgl RIS‑Justiz RS0122424), ist schon deshalb nicht näher einzugehen, weil die Rechtsrüge des Rekurses insoweit keine Ausführungen enthalten hatte.

2.1. Die Frage, ob und in welcher Höhe Abschläge bzw Zuschläge vom bzw zum Richtwertmietzins gerechtfertigt sind, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (RIS‑Justiz RS0117881 [T1]; RS0116132 [T2]). Da es mit der im § 16 Abs 2 MRG geforderten Orientierung an der allgemeinen Verkehrsauffassung und Erfahrung des täglichen Lebens unvereinbar ist, alle (auch die winzigsten) Ausstattungsdetails gesondert zu bewerten und die so gewonnenen Zuschläge einfach zusammenzuzählen, sondern vielmehr eine Gesamtschau geboten ist, kann die Auflistung und Bewertung einzelner Fakten nur ein Kontrollinstrument sein, während die Justierung im Einzelfall nach richterlichem Ermessen zu erfolgen hat (RIS‑Justiz RS0117881). Die diesbezügliche Ermessensübung durch das Rekursgericht wäre für den Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit nur dann überprüfbar, wenn es zu einer krassen Verkennung der Rechtslage gekommen wäre (vgl 5 Ob 180/00g). Dies ist hier nicht der Fall:

2.2. Die vom Rekursgericht erwähnten Feststellungen zur Begründung des Lagezuschlags traf das Erstgericht sehr wohl – wenn auch teilweise disloziert im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung (Sachbeschluss S 11). Die vom Rekursgericht zutreffend unter Hinweis auf höchstgerichtliche Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0114795) dargestellten Kriterien für die Berechnung des Lagezuschlags nach § 16 Abs 3 MRG zieht der Revisionsrekurs nicht in Zweifel. Warum sie nur deshalb hier nicht zur Anwendung gelangen sollten, weil sich das Bestandobjekt in unmittelbarer Nähe des ersten Bezirks befindet, ist nicht nachvollziehbar. Mit dem bloßen Hinweis auf Marktgegebenheiten und gestiegene Kaufpreise wird eine vom Obersten Gerichtshof wahrzunehmende krasse Fehlbeurteilung des Rekursgerichts nicht aufgezeigt (vgl 5 Ob 180/00g).

2.3. Abgesehen davon, dass die Antragsgegner in ihrem Rekurs keinerlei Einwände gegen den Abschlag von 2,5 % wegen Fehlens eines Kellerabteils erhoben hatten, liegt darin schon deshalb keine unvertretbare Fehlbeurteilung, weil das Kellerabteil nach den Feststellungen der Wohnung zwar zugeordnet, nicht aber mitvermietet war, vom Antragsteller daher nur gegen jederzeitigen Widerruf genutzt werden konnte. Dass es der Antragsteller tatsächlich dann in der Folge nutzte, ist schon deshalb irrelevant, weil im Mietzinsüberprüfungsverfahren auf den im Anmietungszeitpunkt zulässigen Hauptmietzins abzustellen ist, dieser ist auch für die Bewertung von Standardabweichungen als für die Preisbildung relevante Faktoren von Bedeutung (RIS‑Justiz RS0115605 [T1]). Im Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses war für den Antragsteller nicht vorherzusehen, dass er das Kellerabteil faktisch über die gesamte Zeit unbeanstandet nutzen würde können.

2.4. Vergleichbares gilt für die Einwände gegen den 2%igen Abschlag wegen der Gangküche. Die mietrechtliche Normwohnung ist eine Wohnung in einem Althaus (RIS‑Justiz RS0115605), die nach § 2 Abs 1 RichtWG über eine Küche verfügt. Die Auffassung, dabei handle es sich nicht um eine Küche, die bloß auf den Gang entlüftet werde, ist jedenfalls nicht unvertretbar und bedarf keiner Korrektur im Einzelfall (MietSlg 60.274; vgl auch die Auflistung von Schinnagl in Illedits/Reich‑Rohrwig Wohnrecht2 § 16 MRG Rz 18).

3. Insgesamt gelingt es dem Revisionsrekurs somit nicht, eine erhebliche Rechtsfrage darzustellen, er war daher zurückzuweisen, ohne dass dies einer weiteren Begründung bedürfte (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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