European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E118949
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben.
Dem Erstgericht wird aufgetragen, über das Begehren der Antragstellerin auf Anmerkung der Rangordnung für die beabsichtigte Veräußerung bewilligend zu entscheiden und die einzige Ausfertigung dieses Beschlusses versehen mit der Bestätigung der vollzogenen Anmerkung an Dr. Harald Claudius Handl, öffentlicher Notar in Feldbach, auszufolgen.
Begründung:
Die Antragstellerin, die Stadtgemeinde F*, begehrte die Bewilligung der Anmerkung der Rangordnung für die beabsichtigte Veräußerung ob EZ * GB *. Im Grundbuch ist die „Stadtgemeinde F*“ auch als Eigentümerin dieser Liegenschaft einverleibt.
Das Erstgericht wies den Antrag ab. Dem nicht vorgelegten, aber aus Amtswissen bekannten LGBl 145/2013 sei zu entnehmen, dass mit Wirksamkeit vom 1. 1. 2015 gemäß § 6 Abs 2, § 8 Abs 1 Steiermärkische Gemeindeordnung 1967 die Genehmigung auf Vereinigung der Stadtgemeinde F* mit den Gemeinden A*, G*, G*, L*, M* und R* zur neuen Stadtgemeinde F* erteilt worden sei. Infolge der freiwilligen Fusionierung der genannten Gemeinden sei somit aus der Stadtgemeinde F* („alt“) eine neue Gebietskörperschaft mit dem Namen Stadtgemeinde F* („neu“) entstanden. Für die Einverleibung des Eigentumsrechts gemäß § 136 GBG sei die Vorlage der Titelurkunden (Gemeinderatsbeschlüsse samt LGBl) und der Unbedenklichkeitsbescheinigungen erforderlich. Erst nach erfolgter Berichtigung des Eigentumsstands im Grundbuch könne die Antragstellerin Rechte und Belastungen auf der Liegenschaft begründen und erst ab diesem Zeitpunkt wäre sie legitimiert, den vorliegenden Antrag zu stellen. Aufgrund der aus LGBl 145/2013 sowie § 8 Abs 1 und 3 Steiermärkische Gemeindeordnung 1967 resultierenden Rechtswirkungen sei zwar davon auszugehen, dass ein außerbücherlicher Rechtsübergang der Vermögenswerte der „alten“ Gemeinden auf die „neue“ Stadtgemeinde F* bereits stattgefunden habe. Dieser Rechtsübergang zähle jedoch nicht zu den in der Judikatur festgestellten Ausnahmen einer Antragslegitimation des außerbücherlichen Eigentümers.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragstellerin –im Ergebnis –nicht Folge. Bei einer (freiwilligen oder unfreiwilligen) Vereinigung von Gemeinden nach den §§ 6, 8 und 11 der Steiermärkischen Gemeindeordnung 1967, LGBl 1967/115 in der Fassung der Novellen LGBl 2012/125 und LGBl 2013/87, trete kraft Gesetzes eine Gesamtrechtsnachfolge ein. Diese Gesamtrechtsnachfolge würde die neu entstandene Gemeinde unter den sonstigen Voraussetzungen zu einem Antrag nach § 53 Abs 1 GBG berechtigen. Für die Erledigung des vorliegenden Antrags sei daher – entgegen der Ansicht des Erstgerichts – eine vorgängige Berichtigung (gemäß § 136 GBG) durch Einverleibung des Eigentumsrechts der Stadtgemeinde F* „neu“ nicht erforderlich. Daraus sei aber für den Standpunkt der Rekurswerberin nichts zu gewinnen. Sie hätte nämlich den Antrag auf Bewilligung der Anmerkung der Rangordnung für die beabsichtigte Veräußerung unter Berufung auf die Gesamtrechtsnachfolge und die Vorlage der Kundmachung im Landesgesetzblatt zu stellen gehabt. Bloßes „Amtswissen“ des Gerichts könne die Vorlage der Kundmachung im LGBl nicht ersetzen.
Das Rekursgericht erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig, weil der Oberste Gerichtshof mit der Antragslegitimation gemäß § 53 Abs 1 GBG einer durch die Gemeindereform mit Wirkung ab 1. 1. 2015 aufgrund der Gesamtrechtsnachfolge gemäß § 8 der Steiermärkischen Gemeindeordnung 1967 entstandenen Gemeinde noch nicht befasst gewesen sei.
Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der ordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss abzuändern und die Anmerkung der Rangordnung für die beabsichtigte Veräußerung zu bewilligen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Antragstellerin ist zulässig und berechtigt.
1.1. Nach § 8 Abs 1 Steiermärkische Gemeindeordnung 1967 [GemO], LGBl 1967/115 in der hier maßgeblichen Fassung der Novellen LGBl 2012/125 und LGBl 2013/87, können sich zwei oder mehrere angrenzende Gemeinden aufgrund übereinstimmender Gemeinderatsbeschlüsse mit Genehmigung der Landesregierung zu einer neuen Gemeinde vereinigen. Die von der Landesregierung genehmigte Vereinigung ist im Landesgesetzblatt zu verlautbaren (§ 8 Abs 2 stmk GemO). Zur Vereinigung von zwei oder mehreren angrenzenden Gemeinden gegen den Willen einer beteiligten Gemeinde ist ein Gesetz erforderlich (§ 8 Abs 3 stmk GemO).
1.2. Die Vereinigung hat nach der ausdrücklichen Anordnung des § 8 Abs 4 stmk GemO den vollständigen Übergang der Rechte und Pflichten der betroffenen Gemeinden auf die neue Gemeinde zur Folge. Nach dem insoweit klaren Wortlaut des Gesetzes kann im Zuge der Vereinigung der Gemeinden – unabhängig von der Frage der Bezeichnung der neuen Gemeinde, die mit jener einer der vereinigten Gemeinden übereinstimmen kann – nicht eine der beteiligten Gemeinden bestehen bleiben und die übrigen in sich aufnehmen. Vielmehr gehen sämtliche vereinigten Gemeinden in einer erst durch die Vereinigung neu entstehenden Gemeinde auf. § 8 Abs 4 stmk GemO ordnet dabei eine (ex lege eintretende) Gesamtrechtsnachfolge durch die durch die Gemeindevereinigung entstandene neue Gemeinde an (vgl Jantschgi/Jantschgi, Steiermärkische GemO § 8 Rz 12 f; Wlattnig/Kindermann/Hörmann, Steiermärkische Gemeindestrukturreform 2015, 225 f). Im Zuge dessen gehen insbesondere auch die im Eigentum der vereinigten Gemeinden stehenden Liegenschaften ohne Eintragung im Grundbuch in das Eigentum der durch die Vereinigung gebildeten neuen Gemeinde über (Jantschgi/Jantschgi, Steiermärkische GemO § 8 Rz 22; Wlattnig/Kindermann/Hörmann, Steiermärkische Gemeindestrukturreform 2015, 235 f; vgl auch 5 Ob 343/71 [zur Vereinigung nach § 8 Abs 4 nö GemO], 5 Ob 108/94 = RIS‑Justiz RS0059225 [zur Trennung nach § 11 Abs 6 der bgld GemO]).
1.3. Aufgrund der vom Erstgericht „aus Amtswissen“ berücksichtigten, mit LGBl 145/2013 kundgemachten Genehmigung der Vereinigung der Stadtgemeinde F* mit weiteren Gemeinden gemäß § 6 Abs 2, § 8 Abs 1 stmk GemO bildet die Antragstellerin daher seit deren Wirksamkeit vom 1. 1. 2015 – ungeachtet der gleichlautenden Bezeichnung – ein neues Rechtssubjekt. Als solches ist sie zugleich Gesamtrechtsnachfolgerin der bisherigen Gemeinde gleichen Namens und daher außerbücherliche Eigentümerin der bis dahin in deren Eigentum stehenden Liegenschaften.
2.1. § 53 Abs 1 GBG eröffnet dem Eigentümer der Liegenschaft die Möglichkeit einer Anmerkung der Rangordnung für die beabsichtigte Veräußerung oder Verpfändung. Antragsberechtigt ist grundsätzlich derjenige, dessen Eigentum im Grundbuch einverleibt oder vorgemerkt ist (RIS‑Justiz RS0115745 [T2]).
2.2. Der Oberste Gerichtshof hat darüber hinaus die Antragslegitimation auch für Fälle „außerbücherlichen“ Eigentums anerkannt. Demnach sind zur Antragstellung nach § 53 GBG auch der eingeantwortete Erbe vor Verbücherung der Abhandlungsergebnisse (RIS-Justiz RS0060724, RS0060716), der Ersteher in der Zwangsversteigerung (RIS‑Justiz RS0008292), der überlebende Partner einer Eigentümerpartnerschaft (RIS-Justiz RS0127078) und der Gesellschafter im Fall der Anwachsung nach § 142 UGB (RIS‑Justiz RS0130031) legitimiert.
2.3. Die die Antragslegitimation dieser außerbücherlichen Eigentümer rechtfertigende Erwägung, dass deren Rechtsposition mit jener des verbücherten Eigentümers vergleichbar ist, gilt auch für die Gesamtrechtsnachfolge infolge Vereinigung von Gemeinden nach § 6 Abs 2, § 8 Abs 1 stmk GemO. Auch die durch eine Gemeindevereinigung nach § 8 Abs 1 stmk GemO entstandene neue Gemeinde ist daher als außerbücherliche Gesamtrechtsnachfolgerin der beteiligten Gemeinden zur Antragstellung nach § 53 Abs 1 GBG legitimiert.
3.1. Nach Ansicht des Rekursgerichts sei das Grundbuchsgesuch (dennoch) mangels Berufung auf die Gesamtrechtsnachfolge und dessen urkundlichen Nachweis durch Vorlage der Kundmachung der Gemeindevereinigung im stmk LGBl (hier: Stmk LGBl 145/2013) abzuweisen. Dieser Abweisungsgrund trägt jedoch nicht.
3.2. Der vom Rekursgericht angesprochene Grundsatz, wonach der Grundbuchsrichter bei seiner Entscheidung grundsätzlich nur die vorgelegten Urkunden, das Grundbuch und die sonstigen Grundbuchsbehelfe, nicht aber andere Amtsakten oder sein Amtswissen heranzuziehen hat (RIS-Justiz RS0040040), wurde in der jüngeren Rechtsprechung bereits wiederholt dahingehend relativiert, dass das Grundbuchsgericht bei seiner Entscheidung neben dem Buchstand, dem Gesuchsantrag und den ihm vorgelegten Urkunden nur (aber doch auch) gerichtsbekannte Tatsachen berücksichtigen kann (RIS-Justiz RS0040040 [T8, T10]).
3.3. Die Vorinstanzen haben hier den Inhalt der Verlautbarung über die Vereinigung der Stadtgemeinde F* mit anderen Gemeinden in stmk LGBl 145/2013 ihren Entscheidungen in diesem Sinn als gerichtsbekannt zugrunde gelegt und daraus ihre Bedenken gegen die (materielle) Verfügungsfähigkeit der Antragstellerin im Sinne des § 94 Abs 1 Z 2 GBG abgeleitet. Wird aber die Tatsache der Vereinigung der Gemeinden nach § 6 Abs 2, § 8 Abs 1 stmk GemO (zu Lasten der Antragstellerin) bei der Beurteilung, ob es sich bei der Antragstellerin um die im Grundbuch einverleibte Eigentümerin handelt, berücksichtigt, hat dies auch (zu Gunsten der Antragstellerin) bei der Beurteilung der sich als Folge der Gemeindevereinigung unmittelbar aus dem Gesetz ergebenden Gesamtrechtsnachfolge zu geschehen.
3.4. Entgegen der Auffassung des Rekursgerichts hat sich die Antragstellerin zwar im Rechtsmittelverfahren in erster Linie auf den Weiterbestand der vor der Gemeindevereinigung bestehenden Stadtgemeinde F* berufen. Sie hat aber sowohl im Revisionsrekurs als auch bereits in ihrem Rekurs auch auf die nach § 8 stmk GemO eintretende Gesamtrechtsnachfolge hingewiesen.
4. Dem Revisionsrekurs der Antragstellerin ist demnach im Grunde Folge zu geben. Wird ein Antrag auf Anmerkung der Rangordnung nach § 53 GBG zu Unrecht abgewiesen, so kann das Rechtsmittelgericht dem Antrag nicht selbst stattgeben, weil nur eine Ausfertigung des Rangordnungsbeschlusses erlassen werden darf (§ 54 GBG). Das Rechtsmittelgericht hat in einem solchen Fall unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses einen Auftrag zur Beschlussfassung im Sinne der Stattgebung des Antrags zu erteilen (RIS-Justiz RS0060845).
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