OGH 22Ds6/17b

OGH22Ds6/17b27.6.2017

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 27. Juni 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Anwaltsrichter Dr. Mascher und Dr. Waizer sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Sailer in Gegenwart der Richteramtsanwärterin MMag. Spunda als Schriftführerin in der Disziplinarsache gegen *****, Rechtsanwalt in *****, wegen der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes über die Berufung des Kammeranwalts wegen Strafe gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Tirol vom 8. November 2016, AZ D 15‑66 (1 DV 16‑20), nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Janda und des Kammeranwalts Dr. Schmidinger zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0220DS00006.17B.0627.000

 

Spruch:

 

Aus Anlass der Berufung wird das angefochtene Erkenntnis, das im Übrigen unberührt bleibt, in der Subsumtion der Tat als Disziplinarvergehen der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 zweiter Fall DSt und demgemäß im Strafausspruch aufgehoben und der Beschuldigte für das ihm weiterhin zur Last liegende Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung nach § 1 Abs 1 erster Fall DSt zur Disziplinarstrafe des schriftlichen Verweises verurteilt.

Mit seiner Berufung wird der Kammeranwalt auf die Strafneubemessung verwiesen.

Dem Beschuldigten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde ***** der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes schuldig erkannt, weil er im Verfahren AZ 13 C 665/14x des Bezirksgerichts Innsbruck in der Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung am 15. Oktober 2015 in Vertretung des Beklagten Hans S***** die Verhandlung durch Unterbrechung der klagenden Parteien und der Richterin des Bezirksgerichts erschwerte und dieser gegenüber den Vorwurf „unsauberer“ Protokollierung erhob.

Über ihn wurde die Disziplinarstrafe des schriftlichen Verweises (§ 16 Abs 1 Z 1 DSt) verhängt.

Rechtliche Beurteilung

Gegen den Strafausspruch richtet sich die auf Verhängung einer angemessenen Geldbuße antragende Berufung des Kammeranwalts, aus deren Anlass zugunsten des Beschuldigten eine dem Schuldspruch anhaftende Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 10 StPO von Amts wegen wahrzunehmen ist (§ 54 Abs 3 DSt, § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO iVm § 77 Abs 3 DSt):

Die Unterstellung der Tat (auch) unter § 1 Abs 1 zweiter Fall DSt ist nämlich unzutreffend. Die Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis (vgl Erkenntnisseiten 3 und 5, wonach „auch nach außen hin nur ein beschränkter Kreis an Personen involviert war“) bieten nämlich keine tragfägige Grundlage für die vom Disziplinarrat neben der (zutreffenden) rechtlichen Beurteilung als – ersichtlich gemeint (vgl Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 19) fahrlässige (vgl ES 4 f; RIS‑Justiz RS0056209) – Berufspflichtenverletzung vorgenommene Subsumtion als Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes. Eine solche setzt nämlich – dem Erkenntnis nicht zu entnehmende und nach dem Akteninhalt auch nicht indizierte – Konstatierungen voraus, wonach das (hier nicht in einem besonderen Ausmaß schwerwiegende) Fehlverhalten hinreichende Publizitätswirkung (RIS‑Justiz RS0054876, RS0055086, RS0055093; Feil/Wennig , AnwR 8 § 1 DSt, 859; Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek , RAO 9 § 1 DSt Rz 12 ff) entfaltet hätte. Ehre oder Ansehen des Standes sind sohin nach den getroffenen Feststellungen nicht beeinträchtigt.

Bei der durch die Teilkassation erforderlichen Strafneubemessung für das dem Beschuldigten weiterhin zur Last liegende Disziplinarvergehen der Berufspflichten-verletzung nach § 1 Abs 1 erster Fall DSt waren zwei disziplinarrechtliche Vorstrafen als erschwerend zu werten. Mildernd fällt – wie schon der Disziplinarrat zutreffend ausgeführt hat – der Umstand ins Gewicht, dass der Beschuldigte durch die Vertretung seines Bruders in einer hitzig und emotional geführten Verhandlung überdurchschnittlich persönlich in die Sache involviert war, die Tat nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat und überdies das Verfahren – ohne Verzögerung durch den Beschuldigen – über zwei Jahre bis zur nunmehrigen Erledigung in Anspruch nahm, wobei er sich seit der Tat wohlverhielt.

Ungeachtet der beiden – allerdings nicht allzu gewichtigen – Vorstrafen konnte nach Lage des Einzelfalls mit der gelinden Strafe des schriftlichen Verweises das Auslangen gefunden werden, hatte sich doch der Disziplinarrat in mehreren Verhandlungen einen persönlichen Eindruck vom Beschuldigten verschaffen können, der zu der genannten Sanktion geführt hatte.

Mit seiner Berufung war der Kammeranwalt auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung gründet auf § 54 Abs 5 DSt.

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