OGH 17Os9/17b

OGH17Os9/17b12.6.2017

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Juni 2017 durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden, die Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek und Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Adamowitsch als Schriftführerin in der Strafsache gegen Alexander B***** wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 26. Jänner 2017, GZ 22 Hv 74/16f‑42, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0170OS00009.17B.0612.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Alexander B***** (im zweiten Rechtsgang [vgl zum ersten 17 Os 22/16p]) des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB (zu A und B) schuldig erkannt.

Danach hat er in Innsbruck von 28. November 2011 bis 18. September 2014 als Polizeibeamter mit dem Vorsatz, dadurch (namentlich genannte) Personen an deren Grundrecht auf Datenschutz zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbraucht, indem er ohne dienstliche Veranlassung personenbezogene, im angefochtenen Urteil einzeln angeführte Abfragen im PAD (Protokollier‑, Anzeigen- und Datensystem), nämlich 70 Namensabfragen (A) und mehr als 60 Einsichtnahmen in die im PAD gespeicherten Aktenvorgänge hinsichtlich namentlich genannter Personen (B), durchführte.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 9 lit a StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht berechtigt.

Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wurde der Antrag auf „Einholung einer Liste jener Akten, welche vom Zeugen R*****“ im Zusammenhang mit dem Vorwurf von Namensabfragen (vgl Punkt I/A der Anklageschrift ON 8 in ON 39; Punkt A/f des Schuldspruchs) „eingesehen und geprüft worden sind, dies zum Beweis dafür, dass der Angeklagte“ bei diesen Abfragen „ein dienstliches Interesse hatte“ (ON 41 S 89), zu Recht abgewiesen. Angesichts der im für die Beurteilung maßgeblichen Antragszeitpunkt vorliegenden (gegenteiligen) Verfahrensergebnisse hätte der Beschwerdeführer eingehend darlegen müssen, weshalb die begehrte Beweisaufnahme das behauptete Ergebnis hätte erwarten lassen (RIS‑Justiz RS0099453 [T17]). Der Zeuge Karl R***** hatte zuvor in der Hauptverhandlung erklärt, er habe (im Rahmen der strafrechtlichen Ermittlungen) sämtliche Abfragen des Beschwerdeführers im PAD überprüft und jene Fälle herausgefiltert, bei welchen – wegen des Fehlens bestimmter Kriterien (Eigenschaft des Beschwerdeführers als Sachbearbeiter oder Naheverhältnis des Aktes zu seiner Dienststelle) – keine dienstliche Veranlassung für die Abfragen erkennbar gewesen sei. Weiters betonte der Zeuge (nach anfänglicher Unsicherheit) mehrfach, er habe (vom PAD protokolliert) alle von den inkriminierten Abfragen betroffene Akten eingesehen (ON 41 S 63, 69, 72, 78 und 82). Dass davon ausgehend bloße Kenntnisnahme der Aktenzugriffe durch den genannten Zeugen einen Nachweis dienstlicher Veranlassung des Beschwerdeführers für dessen Abfragen erbracht hätte, war für den Schöffensenat keineswegs erkennbar, weshalb der Antrag auf in der Hauptverhandlung unzulässige Erkundungsbeweisführung gerichtet war ( Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 330). Dies umso mehr als auch der Beschwerdeführer – zu den einzelnen Vorgängen befragt – ein dienstliches Interesse nicht darzulegen vermochte (ON 41 S 14 ff). In der Rechtsmittelschrift vorgetragene Argumente zur Antragsfundierung unterliegen dem Neuerungsverbot und finden daher keine Berücksichtigung (RIS‑Justiz RS0099618).

Feststellungen sind nur insoweit mit Mängelrüge anfechtbar, als sie (für die Schuld‑ oder die Subsumtionsfrage) entscheidend sind (RIS‑Justiz RS0117499). An dieser Voraussetzung scheitert die einen Widerspruch reklamierende Mängelrüge (Z 5 dritter Fall, nominell teils auch erster Fall), soweit sie sich auf die– überschießende (vgl dazu auch RIS‑Justiz RS0118585) – Wiedergabe des erstinstanzlichen Urteilstenors aus dem ersten Rechtsgang (US 20 bis 25) sowie auf die Konstatierungen, es habe „eine Anwenderschulung aller Polizeibeamter bezüglich des PAD“ stattgefunden und „das PAD verfügt über keine Möglichkeit bei Abfrage eine Begründung einzugeben“ (US 25), bezieht.

Gleiches gilt für die kritisierte Urteilsannahme, die vom Bundesministerium für Inneres erlassene Datensicherheitsvorschrift sei (allgemein) auf der Polizeiinspektion des Beschwerdeführers und zusätzlich auf dessen Arbeitsplatz aufgelegt und diesem per E‑Mail übermittelt worden (US 26). Die sachverhaltsmäßige Bejahung dieser Umstände führte nämlich erst in Gesamtschau mit anderen (und nicht schon für sich) zur Feststellung wissentlichen Handelns des Beschwerdeführers (US 31) und ist demnach einer Anfechtung mit Mängelrüge entzogen ( Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 410). Im Übrigen stützt sich die kritisierte Annahme – logisch und empirisch einwandfrei – auf die Aussage des Zeugen Anton L***** (US 30 f).

Das Erstgericht stellte fest, der Beschwerdeführer sei mit der „Lebensführung“ seiner ehemaligen Freundin Tamara P***** „nicht einverstanden“ gewesen. Die inkriminierten Abfragen habe er durchgeführt, um zu erfahren, ob gegen Personen aus ihrem Freundeskreis Verfahren wegen gerichtlich strafbarer Handlungen oder Verwaltungsübertretungen geführt würden. Mit diesen Informationen habe er ihr demonstrieren wollen, „dass ihre Freunde einen schlechten Einfluss auf sie ausüben“; er habe damit aber auch Druck auf sie ausgeübt, „die Beziehung mit ihm wieder fortzusetzen“ (US 27 f). Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) leitet die darauf aufbauende Argumentation, „der Tatbestand nach § 302 StGB“ sei nicht erfüllt, wenn die erlangten „Informationen nicht preisgegeben, sondern in Gesprächen mit der betroffenen Person eingesetzt werden“, nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (RIS‑Justiz RS0116565; zum Grundrecht auf Datenschutz als im Sinn des § 302 Abs 1 StGB beachtliches Recht bei missbräuchlichen Datenabfragen vgl im Übrigen RIS‑Justiz RS0114637).

Die Notwendigkeit von Feststellungen zur Frage, „wie lange“ der Beschwerdeführer jeweils „im Akt verweilte“, vermag die weitere Rechtsrüge nicht darzulegen. Mit ihrer Forderung nach einer Konstatierung, „dass ein Irrtum bzw. Tippfehler“ als Ursache der Abfragen „nicht ausgeschlossen werden“ könne, bekämpft sie der Sache nach bloß unzulässig die gegenteiligen Feststellungen, der Beschwerdeführer habe die Abfragen zu bestimmten Namen und zu dadurch ermittelten Aktenzeichen ganz gezielt durchgeführt, um (daten-)geschützte Informationen über die betroffenen Personen zu gewinnen (US 27 und 44).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Bleibt anzumerken, dass der Angeklagte verfehlt (vgl RIS‑Justiz RS0121981) mehrerer Verbrechen des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt wurde. Mangels eines über die unrichtige Subsumtion hinausgehenden konkreten Nachteils (vgl Ratz, WK‑StPO § 290 Rz 22 ff) sah sich der Oberste Gerichtshof nicht zu amtswegigem Vorgehen (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) veranlasst. Angesichts dieser Klarstellung ist das Oberlandesgericht bei der Entscheidung über die Berufung an den insoweit fehlerhaften Schuldspruch nicht gebunden (RIS‑Justiz RS0118870).

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