OGH 6Ob80/17h

OGH6Ob80/17h29.5.2017

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. R***** P*****, vertreten durch Mag. Leopold Zechner, Rechtsanwalt in Bruck an der Mur, gegen die beklagte Partei Dipl.‑Ing. H***** S*****, vertreten durch Höhne, In der Maur & Partner Rechtsanwälte GmbH und Co KG, wegen Unterlassung und Widerruf über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 2. Februar 2017, GZ 58 R 123/16k‑13, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Baden vom 25. Oktober 2016, GZ 8 C 484/16b‑9, bestätigt wurde in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0060OB00080.17H.0529.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 626,52 EUR (darin 104,42 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens zu ersetzen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig:

1. Bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs ist von den Klagsbehauptungen auszugehen. Maßgebend ist die Natur des erhobenen Anspruchs. Es kommt auf den Inhalt und nicht auf den bloßen Wortlaut des Begehrens an (RIS‑Justiz RS0045718). Ohne Einfluss ist es hingegen, was der Beklagte einwendet (RIS‑Justiz RS0045718 [T7]). Entgegen den Behauptungen im Revisionsrekurs ist das Rekursgericht von dieser Rechtsprechung nicht abgewichen.

2.1. Nach herrschender Rechtsprechung begründet in Vereinsstreitigkeiten die Nichteinhaltung des vereinsinternen Instanzenzugs eine temporäre Unzulässigkeit des Rechtswegs und kann daher vom Gericht auch ohne entsprechenden Einwand der Parteien von Amts wegen geprüft und aufgegriffen werden. Die Prüfung der Zulässigkeit des Rechtswegs durch das Gericht erfolgt dabei – wie bei § 41 Abs 2 JN – vorweg aufgrund der Angaben des Klägers in der Klage (RIS‑Justiz RS0124983; RS0119982 [T14]).

2.2. Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass in erster Linie der Kläger gehalten ist, in der Klage konkret darzulegen, warum trotz Vorliegen einer Vereinsstreitigkeit der Rechtsweg offen ist (RIS‑Justiz RS0124983; ausführlich 8 Ob 138/08i; vgl auch 4 Ob 99/11d; 5 Ob 251/15w). Der erkennende Senat hat in der Entscheidung 6 Ob 125/16z ausgesprochen, es sei ohne Einfluss, was der Beklagte einwende.

2.3. Im vorliegenden Fall hat der Kläger selbst in der Klage vorgebracht, dass der Beklagte und er zu den relevanten Zeitpunkten Mitglieder des Vereins waren. Auch den Inhalt des E‑Mails, in dem der Beklagte behauptete, der Kläger habe bestimmte Personen bedroht, hat der Kläger selbst vorgebracht. Dass der Kläger nunmehr den Standpunkt vertritt, dieses Schreiben betreffe nicht die „Vereinssphäre“, sondern die „Stiftungssphäre“, ist rechtlich nicht entscheidend, weil es sich bei der Frage, ob eine Streitigkeit aus einem Vereinsverhältnis iSd § 8 VereinsG vorliegt, um eine rechtliche Beurteilung handelt, die nur das Gericht zu treffen hat (vgl RIS‑Justiz RS0045584 [T27]).

2.4. Zudem bestehen nach dem eigenen Vorbringen des Klägers zwischen Verein und der auch von diesem errichtete Stiftung enge Verflechtungen: So gehören etwa dem Stiftungsbeirat zwingend der Obmann des Vereins sowie seine beiden Stellvertreter an. Wenn bei dieser Sachlage die Vorinstanzen die Wurzel der hier konkret zu beurteilenden Auseinandersetzung im Vereinsverhältnis erblickten, ist darin keine vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung zu erblicken, zumal eine zu enge Auslegung des Begriffs der „Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis“ den von § 8 VereinsG verfolgten Zweck, nämlich die Gerichtsentlastung (vgl RIS‑Justiz RS0130750), unterlaufen würde.

3.1. Nach § 8 Abs 1 VereinsG haben die Statuten vorzusehen, dass „Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis“ vor einer Schlichtungseinrichtung auszutragen sind. Für die Qualifikation eines Falls als „Streitigkeit aus dem Vereinsverhältnis“ ist die Natur des geltend gemachten Anspruchs maßgeblich (RIS‑Justiz RS0045644). Die nach dem Vereinsgesetz 2002 vorzusehenden Schlichtungseinrichtungen soll nicht nur bei bloßen Meinungsverschiedenheiten über vereinsinterne Angelegenheiten oder allenfalls darüber hinaus nur mit Fällen typischer interner Selbstverwaltung befasst werden, sondern der Begriff der „Streitigkeit aus dem Vereinsverhältnis“ ist umfassender zu verstehen (vgl RIS‑Justiz RS0119982). Dieser Begriff ist auf alle privatrechtlichen Streitigkeiten zwischen Vereinsmitgliedern und dem Verein oder Vereinsmitgliedern untereinander auszudehnen, sofern sie mit dem Vereinsverhältnis im Zusammenhang stehen (RIS‑Justiz RS0119982 [T15]; RS0122425 [T2]).

3.2. Die Frage, wie ein bestimmter eingeklagter Anspruch nach den vorstehenden Kriterien beurteilt wird, hängt regelmäßig von dessen konkreter Gestaltung und der Auslegung des Vorbringens im Einzelfall ab, sodass es sich dabei in der Regel um keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO handelt (RIS‑Justiz RS0045644 [T15]). Dass auch Ansprüche nach § 1330 ABGB Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis sein können, hat der erkennende Senat bereits ausgesprochen (6 Ob 194/09m).

4. Damit bringt die Revision aber keine Rechtsfragen der in § 528 Abs 1 ZPO geforderten Bedeutung zur Darstellung, so dass der Revisionsrekurs spruchgemäß zurückzuweisen war.

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