OGH 15Os39/17z

OGH15Os39/17z24.5.2017

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. Mai 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Melounek als Schriftführerin in der Strafsache gegen Kemal K***** wegen des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Geschworenengericht vom 12. Jänner 2017, GZ 609 Hv 3/16k‑73, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0150OS00039.17Z.0524.000

 

Spruch:

 

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus ihrem Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Konfiskationserkenntnis aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Kemal K***** des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 10. April 2016 in W***** Sebiha K***** durch das Versetzen von acht Messerstichen in den Oberkörper zu töten versucht.

Die Geschworenen bejahten die anklagekonform gestellte Hauptfrage und ließen demzufolge die in Richtung Totschlag (§§ 15, 76 StGB) sowie absichtliche schwere Körperverletzung (§ 87 Abs 1 StGB) gestellten Eventualfragen unbeantwortet.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf Z 6 und 10a des § 345 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.

Mit seiner Fragenrüge (Z 6) reklamiert der Rechtsmittelwerber die Stellung einer Zusatzfrage nach strafbefreiendem Rücktritt vom Versuch (§ 16 Abs 1 StGB).

Gesetzeskonforme Ausführung einer Fragenrüge (Z 6) verlangt vom Beschwerdeführer deutliche und bestimmte Bezeichnung nicht nur der vermissten Frage, sondern auch jenes Sachverhalts, auf den die Rechtsbegriffe der §§ 312 ff StPO abstellen, hier also des eine eigentliche Zusatzfrage (§ 313 StPO) indizierenden Tatsachensubstrats (vgl RIS‑Justiz RS0117447).

Die Rüge betont zwar unter isolierter Hervorhebung einzelner Passagen der Aussage des Tatopfers Sebiha K***** und der Zeugin Anna M*****, dass der Angeklagte keine weiteren Ausführungshandlungen gesetzt habe. Damit allein bezeichnet sie allerdings nicht – wie vom Gesetz gefordert – deutlich und bestimmt ein konkretes, die gewünschte Fragestellung indizierendes Tatsachensubstrat (RIS‑Justiz RS0119417). Denn den angeführten Zeugenaussagen ist nicht zu entnehmen, dass der Angeklagte beim Entschluss, der schwer verletzt aus dem Fenster flüchtenden Sebiha K***** nicht zu folgen, von der Annahme geleitet war, dass die Realisierung des ursprünglichen – von ihm im Übrigen geleugneten (ON 72 S 4, 10, 12 f, 17) – Tötungsvorhabens trotz der wiederholten, mit lebensgefährlichen Verletzungen verbundenen, massiven Stichführung gegen die Brust noch weiterer Aggressionsakte bedurft hätte, der Versuch sohin noch nicht beendet gewesen wäre (11 Os 55/96, 11 Os 84/96; Schindler, WK‑StPO § 313 Rz 43; zum fehlgeschlagenen oder misslungenen Versuch vgl Hager/Massauer in WK² §§ 15, 16 Rz 157 ff).

Der vom Beschwerdeführer zur Untermauerung seiner Darlegungen angeführten Entscheidung 14 Os 48/99 des Obersten Gerichtshofs lag keine vergleichbare Sachverhaltskonstellation (dort [bloßes] Pressen eines Taschentuchs auf Mund und Nase, um das Opfer zu ersticken; hier Zufügung evident lebensgefährlicher Verletzungen an Lunge, Leber und Herzbeutel durch Messerstiche) zu Grunde (vgl auch 15 Os 135/00).

Die Tatsachenrüge (Z 10a) spricht mit aus ihrer Sicht gegen die „Verneinung der allgemeinen Begreiflichkeit“ einer heftigen Gemütsbewegung sprechenden Bedenken nicht die Richtigkeit von im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten (entscheidenden) Tatsachen, sondern die Lösung einer – schon vom Schwurgerichtshof bei der Feststellung der an die Geschworenen zu richtenden Fragen zu beantwortenden (vgl Schindler, WK‑StPO § 314 Rz 26; 12 Os 122/86; RIS‑Justiz RS0100604) – Rechtsfrage an (RIS‑Justiz RS0092277; Moos in WK2 StGB § 76 Rz 26) und verfehlt damit den Rahmen des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes (vgl 15 Os 10/17k).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO).

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof allerdings von einem das Konfiskationserkenntnis betreffenden Rechtsfehler (§ 345 Abs 1 Z 13 StPO), der – weil der Angeklagte diesen Ausspruch (auch) mit Berufung nicht bekämpft hat (vgl RIS‑Justiz RS0130617) – von Amts wegen wahrzunehmen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO).

Gemäß § 19a Abs 1 StGB sind (unter anderem) vom Täter zur Begehung einer vorsätzlichen Straftat verwendete Gegenstände zu konfiszieren, wenn sie zur Zeit der Entscheidung erster Instanz in dessen (Allein-)Eigentum stehen. Dazu trifft das Erstgericht, das die Konfiskation (der „Tatwaffe, nämlich das Messer PZ 2 des Standblattes“ [S 0550/16, ON 57]) lediglich auf das Vorliegen „der gesetzlichen Voraussetzungen“ gestützt hat (US 5), keine Feststellungen, weshalb dieser Teil des Sanktionsausspruchs aufzuheben und insoweit Verfahrenserneuerung anzuordnen war. Dabei wird das Erstgericht zu beachten haben, dass das vom Angeklagten in der Hauptverhandlung (ON 72 S 11) als Tatwaffe identifizierte Messer „Spur Nummer 16“ (vgl ON 50 S 26) im erwähnten Standblatt als PZ 1 angeführt wird.

Zunächst wird das Oberlandesgericht über die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft zu entscheiden haben (§§ 285i, 344 StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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