OGH 25Ds2/17m

OGH25Ds2/17m23.5.2017

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 23. Mai 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Anwaltsrichter Dr. Niederleitner und Mag. Dorn sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Adamowitsch als Schriftführerin in der Disziplinarsache gegen *****, Rechtsanwalt in *****, wegen der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes über die Berufung des Kammeranwalts wegen Schuld und Strafe gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Kärntner Rechtsanwaltskammer vom 25. November 2016, AZ D 12/11, D 5/12, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Ulrich, des Kammeranwalts Dr. Tschurtschenthaler und des Verteidigers Dr. Köck zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0250DS00002.17M.0523.000

 

Spruch:

 

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde Rechtsanwalt ***** der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt schuldig erkannt und hiefür zu einer Geldbuße von 4.000 Euro verurteilt.

Danach hat er (zu ergänzen: in K*****)

1./ der C***** GmbH Entgelte für Mandatszuführungen bezahlt, insbesondere einen Betrag von 240.000 Euro (inklusive 20 % USt) gemäß einer Rechnung der genannten Gesellschaft vom 6. Oktober 2008 als „Auftragsakquisitionsprämie in Sachen M***** GesmbH – U***** GmbH; Übernahme der Geschäftsanteile“ sowie Vereinbarungen über weitere Akquisitionsprämien oder sonstige Entgelte für Mandatszuführungen von bis zu 30 % des Nettohonorars zuzüglich Umsatzsteuer getroffen; sowie

2./ am 20. Dezember 2006 mit der C***** GmbH eine Vereinbarung über die dauerhafte Zuführung von Mandaten gegen eine Akquisitionsprämie oder ein sonstiges Entgelt von bis zu 30 % des Nettohonorars zuzüglich Umsatzsteuer getroffen.

Hingegen wurde der Beschuldigte – soweit für die Erledigung der Berufung von Relevanz – von den weiters wider ihn erhobenen Vorwürfen freigesprochen, er habe

6./ die verbotenen Zahlungen für Mandatszuführungen und Bestechungszahlungen als Betriebsausgabe abgesetzt, um so seine Steuerbemessungsgrundlagen für gewinnabhängige Abgaben, insbesondere die Grundlage zur Bemessung der Einkommenssteuer zu schmälern und so Abgaben hinterzogen.

Rechtliche Beurteilung

Nur gegen den Freispruch zu 6./ richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO gestützte Berufung des Kammeranwalts wegen Schuld, der auch den Strafausspruch zum Nachteil des Beschuldigten bekämpft.

Mit der Behauptung, dass „es ein Disziplinarvergehen ist, standesrechtlich verbotene Zahlungen auch noch als Betriebsausgaben abzusetzen, um so die Einkommenssteuerlast zu verringern und die verbotenen Zahlungen im Umfang der verringerten Einkommenssteuerlast auf die Allgemeinheit zu überwälzen“, strebt die Rechtsrüge erkennbar einen Schuldspruch sowohl wegen des Disziplinarvergehens der Berufspflichtenverletzung (§ 1 Abs 1 erster Fall DSt) als auch wegen jenes der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes (§ 1 Abs 1 zweiter Fall DSt) an.

Zu ersterem übersieht sie, dass bei der Besorgung eigener Angelegenheiten eine Verletzung der Berufspflichten eines Rechtsanwalts, der grundsätzlich fremde Angelegenheiten zu besorgen hat, begrifflich nicht in Betracht kommt. In seinen eigenen Abgabensachen kann ein Rechtsanwalt eine Berufspflichtenverletzung daher nicht begehen (RIS‑Justiz RS0054900, RS0054951, RS0118449; Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO9 § 1 DSt Rz 9).

Zu letzterem orientiert sich die Berufung nicht an der – auch für Anwaltsdisziplinarsachen geltenden (vgl 23 Os 1/14s) – ständigen Rechtsprechung, der zufolge die Anfechtung eines Freispruchs auch ein prozessförmiges Aufzeigen der Relevanz eines behaupteten Fehlers für das Ergebnis erfordert. Demnach ist hinsichtlich jener Tatbestandsmerkmale, zu denen das Urteil keine Konstatierungen enthält, unter Berufung auf derartige Feststellungen indizierende und in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse ein Feststellungsmangel (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) geltend zu machen (RIS‑Justiz RS0118580); fehlen die dafür nötigen Indizien, bedarf es der Geltendmachung darauf bezogener Anträge aus § 281 Abs 1 Z 4 StPO, wurden die fehlenden Tatbestandsmerkmale verneint, ist insoweit ein Begründungsmangel (§ 281 Abs 1 Z 5 StPO) geltend zu machen, wobei im Verfahren nach dem DSt (ebenso wie im Einzelrichter- und bezirksgerichtlichen Verfahren) solche Negativfeststellungen – nicht aber das Fehlen von Feststellungen – zusätzlich mit Beweiswürdigungskritik im Rahmen der Schuldberufung (§ 464 Z 2 erster Fall StPO) bekämpft werden können (RIS‑Justiz RS0127315, RS0130018; vgl Ratz, WK‑StPO § 288 Rz 1 iVm § 494 Rz 8).

Der Telos dieser Rechtsprechung liegt darin, dass das Rechtsmittelgericht – anders als bei der Anfechtung eines Schuldspruchs – mit Blick auf den „favor defensionis“ des Rechtsmittelverfahrens (vgl dazu Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 585 ff, 607, § 290 Rz 1 ff) nicht gezwungen sein soll, zur Frage der Relevanz des behaupteten (Verfahrens- oder Urteils‑)Fehlers für die Schuldfrage dem Angeklagten nachteilige Umstände von Amts wegen zu erheben. Demnach besteht eine Vorbringensobliegenheit des den Freispruch Anfechtenden in Betreff vom angezogenen Nichtigkeitsgrund nicht berührter entscheidender Tatsachen, die ihrerseits nach Maßgabe von Nichtigkeitsgründen (oder – in den eben bezeichneten Fällen – einer Schuldberufung) anzusprechen sind, soweit sie nicht im Sinn des angestrebten Schuldspruchs im Urteil festgestellt wurden. Dies gilt nicht nur, wenn im Urteil (hier: Erkenntnis des Disziplinarrats) einzelne positive Feststellungen getroffen wurden, während andere zur Tatbestandsverwirklichung erforderliche fehlen, sondern umso mehr auch dann (arg a minori ad maius; vgl Markel, WK‑StPO § 1 Rz 39), wenn gar keine Feststellungen getroffen wurden.

Vorliegend hat der Disziplinarrat im gegebenen Zusammenhang lediglich festgestellt, dass „Zahlungen für Mandatszuführungen ... als Betriebsausgaben angesetzt worden sind“ und „über die Abzugsfähigkeit der Zahlungen ... ein Finanzstrafverfahren anhängig“ ist (ES 8). Konstatierungen zur dadurch bewirkten Publizität traf es hingegen nicht.

Das Disziplinarvergehen der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes erfordert nach der Rechtsprechung entweder, dass das inkriminierte Verhalten des Rechtsanwalts einem größeren Personenkreis zur Kenntnis gelangt oder aber so schwerwiegend ist, dass selbst mit einer auf wenige Personen beschränkten Kenntnis die Gefahr der Beeinträchtigung verbunden ist (RIS‑Justiz RS0054876, RS0054927, Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO9 § 1 DSt Rz 12 f).

Die Berufung rügt weder das Fehlen von Feststellungen zur Publizität des inkriminierten Verhaltens des Beschuldigten noch legt sie argumentativ dar, warum dieses als so schwerwiegend anzusehen sei, dass der Tatbestand ausnahmsweise auch bei einer auf wenige Personen beschränkten Kenntnis erfüllt sei (vgl RIS‑Justiz RS0116565). Die Nachholung dieses prozessual erforderlichen Vorbringens in der Äußerung zur Stellungnahme der Generalprokuratur ist verspätet (RIS‑Justiz RS0097061).

Der Berufung wegen Schuld war daher nicht Folge zu geben.

Auch der Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe kommt keine Berechtigung zu. Der Disziplinarrat hat die Strafzumessungsgründe richtig dargestellt und gewichtet, weshalb die von ihm für angemessen angesehene Sanktion von 6.000 Euro – auch mit Blick auf das lange Zurückliegen der Taten – nicht korrekturbedürftig ist. Der Berufung zuwider dauerte das Disziplinarverfahren auch ungeachtet der vom Beschuldigten zu verantwortenden Verfahrensverzögerungen unverhältnismäßig lang (vgl § 34 Abs 2 StGB), sodass die angesichts dessen vorgenommene Reduktion der Geldbuße auf 4.000 Euro ebenfalls nicht zu beanstanden ist.

Ein Kostenersatzausspruch iSd § 54 Abs 5 DSt hatte zu entfallen (§ 390a Abs 1 erster Satz StPO iVm § 77 Abs 3 DSt).

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