OGH 13Os125/16f

OGH13Os125/16f5.4.2017

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. April 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Melounek als Schriftführerin in der Strafsache gegen Christoph P***** wegen des Verbrechens der Untreue nach §§ 12 dritter Fall, 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB idF BGBl I 2004/136 und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen des Angeklagten sowie der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 16. August 2016, GZ 12 Hv 1/13x‑656, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0130OS00125.16F.0405.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch jene Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last, die durch seine ganz erfolglos gebliebene Nichtigkeitsbeschwerde verursacht worden sind.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Christoph P***** im zweiten Rechtsgang (vgl 13 Os 143/14z) von dem wider ihn erhobenen Vorwurf gemäß § 259 Z 3 StPO freigsprochen, er habe am 15. Februar 2012 in W***** vor einem nach Art 53 des Bundes-Verfassungsgesetzes in der Fassung von 1929 eingesetzten Ausschuss, nämlich dem Untersuchungsausschuss zur Klärung von Korruptionsvorwürfen, als Auskunftsperson bei seiner förmlichen Vernehmung zur Sache falsch ausgesagt, indem er auf die Frage „Sie haben aber sonstige Wahrnehmungen zu diesen Abwerbeversuchen der Österreichischen Volkspartei [gemeint von Mag. Karin G*****] gemacht“, geantwortet habe: „Es ist natürlich grundsätzlich auch … Das Problem, warum ich es auch nicht genau sagen kann, ist, weil ich nicht mit einem … – Aufgrund der langen Zeit, die lange her ist, mit Genauigkeit sagen kann, wer die Personen waren, über die ich sonstige Wahrnehmungen gemacht hätte“.

Unter einem wurde er für das ihm aufgrund des– seit der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 25. November 2015, AZ 13 Os 143/14z (ON 564), rechtskräftigen – Schuldspruchs mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 14. September 2013, GZ 12 Hv 1/13x‑396, zur Last liegenden Verbrechens der Untreue nach den §§ 12 dritter Fall, 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB idF BGBl I 2004/136 nach dem zweiten Strafsatz des § 153 Abs 2 StGB idF BGBl I 2004/136 unter Anwendung des § 43a Abs 2 StGB idF BGBl I 2010/111 und unter Bedachtnahme nach § 31 Abs 1 StGB auf das Urteil des Landesgerichts Linz vom 5. Oktober 2009, AZ 21 Hv 5/09g, zu einer Zusatzstrafe von acht Monaten Freiheitsstrafe und 240 Tagessätzen zu je 20 Euro Geldstrafe, für den Fall der Uneinbringlichkeit zu 120 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt, wobei die Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Gegen den Strafausspruch richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten. Die Staatsanwaltschaft bekämpft den freisprechenden Teil des Urteils mit einer auf § 281 Abs 1 Z 5 StPO gegründeten Nichtigkeitsbeschwerde.

 

Rechtliche Beurteilung

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten:

Mit Sanktionsrüge (Z 11) macht der Beschwerdeführer geltend, dass infolge Erhöhung der Qualifikationsgrenzen des § 153 StGB auf 5.000 Euro (§ 153 Abs 3 erster Fall StGB) und 300.000 Euro (§ 153 Abs 3 zweiter Fall StGB) mit Inkrafttreten des BGBl I 2015/112 am 1. Jänner 2016 der Sanktionsausspruch nach dem zweiten Strafsatz des § 153 Abs 2 StGB idF BGBl I 2004/136 gegen § 61 StGB verstoße. Begründend führt er aus, der nach der genannten Norm vorzunehmende Günstigkeitsvergleich sei im Fall eines rechtskräftigen Schuldspruchs „allein auf den Strafausspruch zu beschränken“.

Dieses Vorbringen verkennt, dass die Anwendung des nach § 61 StGB richtigen Strafgesetzes

Gegenstand der Subsumtion, also des Ausspruchs nach § 260 Abs 1 Z 2 StPO, nicht aber des Sanktionsausspruchs (§ 260 Abs 1 Z 3 StPO) ist (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 653, § 288 Rz 36; Höpfel in WK2 StGB § 61 Rz 20).

Davon ausgehend leitet der Nichtigkeitswerber nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (RIS-Justiz RS0116565), warum trotz der zugestandenen, bereits im ersten Rechtsgang mit Urteil des Obersten Gerichtshofs vom 25. November 2015, AZ 13 Os 143/14z (ON 564), eingetretenen Rechtskraft des Schuldspruchs eine andere rechtliche Unterstellung der Tat vorzunehmen sei (zum Anfechtungsgegenstand der Z 10 des § 281 Abs 1 StPO vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 644).

Im Übrigen bleibt mangels einer besonderen Übergangsbestimmung (vgl hier Art 12 BGBl I 2015/112) allein der noch vor Inkrafttreten einer Gesetzesänderung rechtmäßig zu Stande gekommene Schuldspruch maßgebliche Grundlage für den Strafausspruch. Eine Mischung von Schuldspruch nach altem und Strafausspruch nach neuem Recht ist unzulässig (vgl 11 Os 95/02 [verstärkter Senat]; RIS-Justiz RS0117810, zuletzt 11 Os 157/15w). Zu einer anderen Sicht gibt auch Art 7 Abs 1 MRK keinen Anlass, weil das aus diesem in der jüngeren Rechtsprechung des EGMR (17. 9. 2009 [GK], 10249/03, Scoppola; zur Entwicklung der diesbezüglichen Rechtsprechung Grabenwarter/Pabel EMRK5 § 24 Rz 145) abgeleitete Gebot der Rückwirkung – nach der Tatbegehung in Kraft getretener – milderer Strafgesetze den prozessualen Bezugspunkt des in diesem Sinn vorzunehmenden Günstigkeitsvergleichs nicht festlegt (vgl 13 Os 127/15y).

Ebenso wenig kann aus Art 49 Abs 1 GRC abgeleitet werden, dass bei einer Straffestsetzung im zweiten Rechtsgang die bereits nach dem ersten Rechtsgang eingetretene Rechtskraft eines Schuldspruchs, der (allein) Grundlage für den Strafausspruch ist, unter dem Aspekt des Rückwirkungsgebots eines milderen Strafgesetzes zu relativieren wäre.

 

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:

Die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) wendet sich gegen die Feststellung, wonach der Angeklagte nicht falsch aussagen wollte (US 8).

Der Beschwerdeauffassung zuwider bestand in Ansehung der in den Entscheidungsgründen ausdrücklich berücksichtigten, vom Angeklagten im Zug eines am 15. Februar 2012 mit Bernhard Hr***** geführten Telefonats getätigten Äußerung, „es so hingetrickst“ zu haben, dass er „da natürlich nirgends lügen“ musste (US 11 f), keine Verpflichtung zur näheren Erörterung des „Bedeutungsinhalt(s) ... dieser Tricks“. Haben doch die Tatrichter klar zum Ausdruck gebracht, dass sie die bekämpfte Negativfeststellung (ua) aus eben dieser Äußerung erschlossen. In der Sache bekämpft die Staatsanwaltschaft mit ihrer Kritik bloß die tatrichterliche Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Schuldberufung.

Gleiches gilt, soweit die Anklagebehörde die gesonderte Erörterung der im Urteil in ihrem Gesamtkontext wiedergegebenen, vor dem Ausschuss getätigten Angaben des Angeklagten vermisst, „eben keine genauen, wirklich noch hundertprozentigen wissentlichen Wahrnehmungen“ zu haben „und daher keine ungeordneten Aussagen zu diesem Thema abgeben“ zu wollen (US 7). Denn es ist kein Begründungsmangel im Sinn der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO, wenn das Gericht nicht den vollständigen Inhalt der Aussage im Einzelnen erörtert und darauf untersucht, inwieweit sie für oder gegen diese oder jene Darstellung spricht (RIS-Justiz RS0098377 [insbes T24]).

Weiters behauptet die Beschwerdeführerin Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) in Ansehung der Konstatierung, wonach Christoph P***** zudem davon ausging, aufgrund eines ihm zukommenden Entschlagungsrechtes bei der Beantwortung der Fragen des Abgeordneten Dr. Peter Pi***** keine Namen nennen zu müssen (US 8). Damit richtet sie sich jedoch – ausgehend von der erfolglos bekämpften Feststellung, wonach der Angeklagte nicht falsch aussagen wollte (US 8) – nicht gegen eine entscheidende Tatsache. Gleiches gilt in Bezug auf den Einwand fehlender Begründung (Z 5 vierter Fall) der auf die festgestellte Annahme eines Entschlagungsgrundes bezogenen (Negativ‑)Feststellung, wonach die vom Abgeordneten Dr. Peter Pi***** gestellten Fragen nicht das Thema des Untersuchungsausschusses betroffen hätten (US 8).

 

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO (vgl Lendl in WK‑StPO § 390a Rz 8; RIS‑Justiz RS0108345 [T2]).

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