OGH 15Os141/16y

OGH15Os141/16y5.4.2017

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. April 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Adamowitsch als Schriftführerin in der Strafsache gegen Csongor K***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 erster Fall, Abs 4 Z 2 und Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Rade J***** sowie die Berufungen der Angeklagten Zarko D***** und Borko Kn***** sowie der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Geschworenengericht vom 9. September 2016, GZ 37 Hv 53/16z‑489, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0150OS00141.16Y.0405.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten Rade J***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde – soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant – Rade J***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 12 dritter Fall StGB, § 28a Abs 1 erster Fall, Abs 4 Z 2 und Z 3 SMG (B./III./), des Verbrechens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 12 dritter Fall StGB, § 28 Abs 1 zweiter Satz, Abs 2 und Abs 3 SMG (D./II./), des Vergehens der Entziehung von Energie nach § 132 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB (E./), des Vergehens der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs 1 Z 7 StGB (F./), sowie des Vergehens der kriminellen Vereinigung nach § 278 Abs 1 erster Fall StGB (G./) schuldig erkannt.

Danach hat er

B./III./ und D./II./ dadurch, dass er die Räumlichkeiten für die Plantagen vorbereitete und insbesondere Vorrichtungen für die Montage von Lampen und Belüftungssystemen montierte sowie Arbeiten zu elektrischen Anlagen übernahm, zu den strafbaren Handlungen des Nenad Dr***** und der weiteren im Urteil genannten Mittätern beigetragen, die

A./ im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mitglieder einer Verbindung einer größeren Zahl von Menschen zur Begehung solcher Straftaten vorschriftswidrig Suchtgift in einer das 25-fache der Grenzmenge übersteigenden Menge erzeugt haben, indem sie in Indoorplantagen Cannabispflanzen anpflanzten, aufzogen sowie die Blätter, Blüten und Fruchtstände der Pflanzen ernteten und zum Trocknen auflegten, und zwar

a./ zwischen April 2014 und 4. November 2015 in Z***** 430 Gramm reines THC und 5.600 Gramm reines THCA;

b./ zwischen Mai und 4. November 2015 in F***** 35 Gramm reines THC und 450 Gramm reines THCA;

c./ zwischen Mai und 4. November 2015 in U***** 6,97 Gramm reines THC und 90,83 Gramm reines THCA;

d./ zwischen Februar und 4. November 2015 in H*****

„11./“ 316 Gramm reines THC und 4.160 Gramm reines THCA;

„12./“ 79 Gramm reines THC und 1.040 Gramm reines THCA;

e./ zwischen April und 4. November 2015 in S***** 250 Gramm reines THC und 3.300 Gramm reines THCA;

f./ zwischen März 2014 und 4. November 2015 in M*****

1./ 560 Gramm reines THC und 7.320 Gramm reines THCA;

2./ 140 Gramm reines THC und 1.080 Gramm reines THCA;

C./ im bewussten und gewollten Zusammenwirken und als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung Cannabispflanzen zum Zweck der Gewinnung einer die Grenzmenge übersteigenden Menge Suchtgift mit dem Vorsatz angebaut haben, dass es in Verkehr gesetzt werde, wobei sie die Straftat in Bezug auf Suchtgift in einer das 15-fache der Grenzmenge übersteigenden Menge begangen haben, indem sie in Indoorplantagen Cannabispflanzen anpflanzten, aufzogen und kultivierten, und zwar

a./ zwischen April 2014 und 4. November 2015 in Z***** 449 Cannabispflanzen mit insgesamt 40.086,7 Gramm Cannabiskraut, beinhaltend 430 Gramm reines THC und 5.600 Gramm reines THCA;

b./ zwischen Mai und 4. November 2015 in F***** 146 Cannabispflanzen mit insgesamt 10.353,6 Gramm Cannabiskraut, beinhaltend 131 Gramm reines THC und 1.720 Gramm reines THCA;

c./ zwischen Mai und 4. November 2015 in U***** 852 Cannabispflanzen mit insgesamt 90.627,9 Gramm Cannabiskraut, beinhaltend 1.218 Gramm reines THC und 15.970 Gramm reines THCA;

d./ zwischen Februar und 4. November 2015 in H***** 490 Cannabispflanzen „mit nicht festzustellender, jedoch 300 Gramm reines Suchtgift übersteigender Menge“;

e./ zwischen April und 4. November 2015 in S***** 321 Cannabispflanzen mit insgesamt 21.246,6 Gramm Cannabiskraut, beinhaltend 250 Gramm reines THC und 3.300 Gramm reines THCA;

E./ im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit den im Urteil genannten Mitgliedern einer organisierten serbischen Tätergruppe als Mittäter mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz aus einer Anlage, die der Gewinnung, Umformung, Zuführung oder Speicherung von Energie dient, Energie in einem 5.000 Euro, jedoch nicht 300.000 Euro übersteigenden Wert entzogen, indem sie „die Stromzuleitungen im Bereich des Zählerkastens der Liegenschaften derart manipulierten, dass diese keinen Stromfluss mehr anzeigten“, und zwar

a./ zwischen April 2014 und 4. November 2015 in Z***** Strom im Wert von 39.148,09 Euro

b./ zwischen Mai und 4. November 2015 in U***** Strom im Wert von 30.473,10 Euro;

c./ zwischen Februar und 4. November 2015 in H***** Strom im Wert von 41.727,33 Euro;

d./ zwischen April und 4. November 2015 in S***** Strom im Wert von zirka 24.000 Euro;

e./ zwischen März 2014 und 4. November 2015 in M***** Strom im Wert von 52.609,69 Euro;

F./ im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit den im Urteil genannten Mitgliedern einer organisierten serbischen Tätergruppe als Mittäter eine fremde Sache, nämlich das Einfamilienhaus des Christian M***** in *****, beschädigt, indem sie in eine Innenwand zwei Löcher mit zirka 50 cm Durchmesser stemmten, darin mit PU‑Schaum Ab‑ und Zuluftschläuche einbauten, vier Kellerfensterstöcke herausrissen, das Alugerüst der Deckenverkleidung beschädigten, eine Innentüre einschlugen, durch die Bewässerung der Indoorplantage im Keller des Hauses das dort befindliche Mauerwerk duchnässten und die Hauptstromleitung des Hauses beschädigten, wobei sie an der Sache einen Schaden von 41.163,03 Euro herbeiführten;

G./ im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit den weiteren im Urteil genannten Mitgliedern einer organisierten serbischen Tätergruppe als Mittäter „seit Anfang 2014 bis 11. Mai 2015“ in M***** und andernorts eine kriminelle Vereinigung gegründet, indem sie sich zusammenschlossen, um Verbrechen nach dem Suchtmittelgesetz, im konkreten den Anbau und die Erzeugung von einer das 25-fache der Grenzmenge übersteigenden Menge Cannabis, sowie damit im Zusammenhang stehende Vergehen der Entziehung von Energie und Sachbeschädigungen zu begehen.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richten sich die auf § 345 Abs 1 Z 8, 9, 10a und 11 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Rade J*****, der keine Berechtigung zukommt.

Die Instruktionsrüge (Z 8) legt nicht aus dem Gesetz abgeleitet dar, weshalb die den Geschworenen zu erteilende Rechtsbelehrung nach § 321 StPO das „Beweismaß nach der Wahrscheinlichkeitsüberzeugung“ und den Hinweis, dass der „Wahrheitsbeweis nur bei restloser und zweifelsfreier Überzeugung hergestellt werden kann“, enthalten hätte müssen. Im Übrigen hat die Darlegung von Beweisgrundsätzen ohnehin in der Besprechung nach § 323 Abs 2 StPO zu erfolgen (RIS‑Justiz RS0098508; Ratz, WK‑StPO § 345 Rz 53 f; Philipp, WK‑StPO § 321 Rz 15).

Aus welchem Grund aus der Bejahung der den Angeklagten Csongor K***** betreffenden Hauptfrage 5 sowie den Angeklagten Nenad Dr***** betreffenden Hauptfrage 10 (jeweils gerichtet auf das Vergehen der kriminellen Vereinigung nach § 278 Abs 1 StGB) eine in sich widersprechende Antwort der Geschworenen bezüglich entscheidender Tatsachen (Z 9) resultieren soll (RIS‑Justiz RS0100971), die den Beschwerdeführer (Hauptfragen 16 bis 20 sowie Eventualfragen 4 und 5) betreffen, bleibt unklar. Soweit bloß die Antworten der Geschworenen zu den Beschwerdeführer gar nicht betreffenden Fragen kritisiert werden, ist er zur Geltendmachung von Nichtigkeitsgründen zugunsten von Mitangeklagten von vornherein nicht legitimiert (vgl RIS‑Justiz RS0099257 [T4]; Ratz, WK‑StPO § 282 Rz 27).

Der Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs 1 Z 10a StPO greift erst dann, wenn Beweismittel, die in der Hauptverhandlung vorgekommen sind oder vorkommen hätten können, nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen konstatierten entscheidenden Tatsachen aufkommen lassen, mit anderen Worten gemessen an Erfahrungs‑ und Vernunftsätzen eine unrichtige Lösung der Schuldfrage qualifiziert nahelegen. Eine über diese Prüfung hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen – wie sie die Berufung wegen Schuld im Einzelrichterverfahren einräumt – wird dadurch nicht ermöglicht (RIS‑Justiz RS0119583).

Solche erheblichen Bedenken werden mit den Hinweisen auf einzelne Passagen der Aussagen mehrerer Mitangeklagter, die zu ihren Wahrnehmungen über den Beschwerdeführer befragt wurden, nicht geweckt. Dass aus den vorgeführten Beweisen andere, für den Angeklagten günstigere Schlussfolgerungen hätten gezogen werden können, wie dies die Beschwerde darzulegen versucht, stellt den bezeichneten Nichtigkeitsgrund nicht her (RIS‑Justiz RS0099674).

Dasselbe gilt für das den Wahrspruch der Geschworenen zu den Hauptfragen 18 und 19 betreffende Vorbringen, das auf Passagen der (leugnenden) Verantwortung des Angeklagten J***** und eine Aussage des Angeklagten Du***** verweist und behauptet, es sei „in keiner Weise ein Vergehen auf Entziehung von Energie (§ 132 StGB) bzw Sachbeschädigung (§ 125 StGB) erkennbar“ und der Angeklagte habe „keine Kenntnisse im Bereich von Maurerarbeiten und die Einrichtung von Elektroinstallationen“ gehabt.

Soweit die Beschwerde sich gegen die dem Wahrspruch zugrunde gelegten Annahmen zur subjektiven Tatseite richtet und lediglich eigene Beweiserwägungen anstellt, ist sie nicht prozessordnungskonform ausgeführt (RIS‑Justiz RS0117961).

Zu Kritik an der Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen bezüglich der nicht den Beschwerdeführer betreffenden Hauptfragen 5, 9, 10, 14 und 24 besteht keine Befugnis.

Indem die Rechtsrüge (Z 11 lit a) die zu Z 9 getätigten Ausführungen wiederholt, wird der in Anspruch genommene materielle Nichtigkeitsgrund nicht prozessförmig zur Darstellung gebracht (RIS‑Justiz RS0101148, RS0116569).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1, § 344 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§§ 285i, 344 StPO).

Bleibt anzumerken, dass beim Angeklagten Dragan G***** zu C./d./ zu Unrecht die Qualifikation nach § 28 Abs 2 SMG angenommen wurde, weil die im Wahrspruch der Geschworenen genannte „300 Gramm reines Suchtgift [gemeint: reines THC oder reines THCA] übersteigende Menge“ die Annahme einer das 15‑fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge Suchtgift nicht trägt.

Da die verfehlte Subsumtion (Z 12) auf den Strafrahmen keinen Einfluss hatte und bei der Strafbemessung das „Zusammentreffen von Verbrechen und Vergehen“ (US 62) zu Recht in Anschlag gebracht wurde (vgl § 33 Abs 1 Z 1 StGB und RIS‑Justiz RS0116878 [T2]), war über die unrichtige Lösung der Rechtsfrage hinaus eine konkrete Benachteiligung des Angeklagten nicht gegeben ( Ratz , WK‑StPO § 

290 Rz 22 ff), weshalb sich der Oberste Gerichtshof zu amtswegigem Vorgehen (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) nicht veranlasst sah. Hinsichtlich des aufgezeigten Rechtsfehlers besteht keine (dem Angeklagten zum Nachteil gereichende) Bindung des Berufungsgerichts an den Ausspruch des Erstgerichts über das anzuwendende Strafgesetz nach § 295 Abs 1 erster Satz StPO (RIS‑Justiz RS0118870; Ratz , WK‑StPO § 290 Rz 27/1).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte