OGH 8Ob4/17x

OGH8Ob4/17x27.1.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner, den Hofrat Dr. Brenn und die Hofrätinnen Mag. Korn und Dr. Weixelbraun‑Mohr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***** GesmbH & Co KG, *****, vertreten durch Dr. Hubert Köllensperger, Rechtsanwalt in Wels, gegen die beklagte Partei F*****, vertreten durch die Herbst Kinsky Rechtsanwälte GmbH in Linz, wegen Feststellung und Unterfertigung einer Zustimmungserklärung (Gesamtstreitwert 70.000 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 10. November 2016, GZ 3 R 122/16f‑30, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0080OB00004.17X.0127.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1.1 Die geltend gemachten Verfahrensmängel liegen – wie der Oberste Gerichtshof geprüft hat – nicht vor. Der Beklagte weist selbst darauf hin, dass ein vom Berufungsgericht verneinter Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens nicht Gegenstand der Revision sein kann (RIS‑Justiz RS0042963).

1.2 Das Berufungsgericht hat näher begründet, warum kein Erörterungsmangel vorliegt. Einer der Haupteinwände des Beklagten bestand gerade darin, dass der Abbauvertrag durch außerordentliche Kündigung berechtigt vorzeitig aufgelöst worden sei. Ihm konnte schon aufgrund des wechselseitigen Vorbringens und der Stoffsammlung nicht die Relevanz des Vorliegens eines wichtigen Auflösungsgrundes verborgen bleiben. Die Beurteilung der Zulässigkeit des „Nachschiebens“ von Auflösungsgründen im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens betrifft die Rechtsfrage. Schon an dieser Stelle wird darauf hingewiesen, dass sich das Berufungsgericht auch mit der vom Beklagten geltend gemachten Änderung der Rechtslage im Zusammenhang mit der erforderlichen Renaturierungsfläche beschäftigt hat.

1.3 Die Verfahrensrüge in Bezug auf das beantragte Sachverständigengutachten aus dem Bereich Projektentwicklung/Bergbauwesen zur Tauglichkeit der von der Klägerin zur Umsetzung des Projekts getroffenen Maßnahmen bezieht sich auf die Auseinandersetzung der Klägerin mit der Nachbarin zur Klärung des Problems mit dem Verkehrskonzept. Abgesehen davon, dass die Verhandlungen mit einem dritten Grundstückseigentümer in Bezug auf ein Zufahrtsrecht kein geeignetes Thema für einen Sachverständigenbeweis darstellt, wäre selbst ein gegebener Verfahrensmangel nicht relevant, weil das Problem mit dem Verkehrskonzept bereits vor der ersten Auflösungserklärung des Beklagten gelöst war. Außerdem war dem Beklagten das Verkehrsproblem spätestens seit 20. Februar 2010 bekannt. Das Berufungsgericht hat darauf hingewiesen, dass die Auflösungsgründe ohne unnötigen Aufschub geltend gemacht werden müssen (vgl RIS‑Justiz RS0014427).

1.4 Auch die vom Beklagten behaupteten sekundären Feststellungsmängel liegen nicht vor.

Das Erstgericht hat die Beilage ./L2 seinem Urteil angeschlossen und diese zu dessen integrierenden Bestandteil erklärt. Schon daraus ergibt sich, dass für die naturschutzrechtliche Bewilligung ein ökologischer Ausgleich in Form einer Renaturierungsfläche im Ausmaß von etwa 1,4 ha erforderlich ist. Darin sieht der Beklagte die von ihm ins Treffen geführten Änderungen der öffentlich‑rechtlichen Anforderungen an ein Abbauprojekt.

Zur Umsetzung des Projekts hat das Erstgericht die Probleme, die der Einbringung der behördlichen Anträge entgegen gestanden sind, sowie die Maßnahmen zur Problembeseitigung in ausreichender Weise festgestellt.

Ausgehend vom Vorbringen der Parteien und den Rechtsmittelschriftsätzen, insbesondere unter Bedachtnahme auf die Berufung des Beklagten, wurde die Sachverhaltsgrundlage zur abschließenden Beurteilung der Rechtssache in ausreichendem Maß ermittelt.

2.1 Inhaltlich wendet sich der Beklagte vor allem gegen die Beurteilung des „Pachtvertrags“ als befristetes Dauerschuldverhältnis.

2.2 Allgemein kann nach dem Grundsatz der Privatautonomie von den Parteien eine zeitliche Begrenzung der Laufzeit eines Vertrags vereinbart werden. Die Befristungsvereinbarung muss ausreichend bestimmt und unzweifelhaft erfolgen. Der Zeitpunkt der Beendigung des Vertrags muss von vornherein objektiv feststellbar und darf nicht vollkommen ungewiss sein. Die zeitliche Dauer der Befristung, also der Endtermin, kann auch durch den Eintritt eines bestimmten Ereignisses oder eines besonderen Umstands bestimmt sein, dessen Eintritt zum Zeitpunkt der Vereinbarung feststeht.

2.3 Ob die konkrete Vertragsgestaltung diesen Grundsätzen entspricht, ist durch Vertragsauslegung zu ermitteln. Dabei handelt es sich um eine typische Einzelfallbeurteilung, die in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage begründet.

Nach Punkt 9 des Abbauvertrags ist dessen Beendigung bei objektivem Verständnis an die Rekultivierung der Abbauflächen durch die Klägerin geknüpft. Für die Rekultivierung ist eine Frist von längstens zwei Jahren nach Ende der Abbaudauer vorgesehen. Die Abbaudauer ist mit 20 Jahren bestimmt. Diese Frist wird als „voraussichtliche“ Dauer bezeichnet, wobei sich die tatsächliche Abbaudauer nach dem zu erwirkenden Bewilligungsbescheid richten soll. Nach dem Inhalt des Vertrags wollten die Parteien diesen im Februar 2029 plus zwei Jahre enden lassen. Mit der Bezugnahme auf die Abbaudauer laut Bescheid sollte verhindert werden, dass das Vertragsende exakt an den Termin Februar 2031 gebunden wird. In diesem Fall hätte das Problem bestehen können, dass die Arbeiten aufgrund der länger bewilligten Abbaudauer noch nicht abgeschlossen sind. Durch die Angabe der Abbaudauer von 20 Jahren ist aber ebenso klar, dass die Regelung nur eine geringfügige Überschreitung der 20‑jährigen Abbaudauer ermöglichen sollte.

Demnach wurde das Ende des Abbauvertrags mit 20 Jahren plus zwei Jahre plus eine allfällige geringfügige Überschreitung der 20‑jährigen Abbaudauer laut Bescheid festgelegt. Wird – wie dies der Beklagte in der außerordentlichen Revision in Erwägung zieht – im Bewilligungsbescheid keine Abbaudauer festgelegt, so bleibt es bei der Befristung mit 22 Jahren.

2.4 Der Zeitpunkt des Vertragsendes ist auf die dargestellte Weise bestimmbar und gewiss. Bei der geringfügigen Überschreitung der 20‑jährigen Abbaudauer handelt es sich zwar um ein künftiges Ereignis, das aber an die entsprechende Angabe im Bewilligungsbescheid gebunden und daher ebenfalls ausreichend bestimmbar ist.

Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass es sich bei dem zu beurteilenden Abbauvertrag um ein befristetes Dauerschuldverhältnis handle, steht mit dem dargestellten Ergebnis im Einklang. Eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung liegt nicht vor.

2.5 Entgegen der Ansicht des Beklagten ist das Ereignis, das mit der Vertragsbeendigung im Zusammenhang steht, nicht die Erteilung oder Versagung der Abbaubewilligung, sondern die allfällige geringfügige Überschreitung der 20‑jährigen Abbaudauer laut Bewilligungsbescheid. Dementsprechend begründet das Berufungsgericht sein Auslegungsergebnis nicht damit, dass der Eintritt des Ereignisses die Geschäftsgrundlage darstelle. Vielmehr bezieht es den möglichen Entfall der Geschäftsgrundlage auf die endgültige Versagung der Genehmigung bzw nach der Diktion des Beklagten auf die Nichtdurchführbarkeit oder mangelnde Bewilligungsfähigkeit des Projekts, wovon nach den Verfahrensergebnissen allerdings nicht ausgegangen werden kann. Diese Beurteilung des Berufungsgerichts ist ebenfalls nicht korrekturbedürftig. Die Genehmigungsfähigkeit des Projekts betrifft den von beiden Parteien bei Vertragsabschluss unterstellten Vertragszweck und damit die Geschäftsgrundlage. Das Argument des Beklagten, wonach sich der Rückgriff auf das Institut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage dann verbiete, wenn eine Vertragsauslegung dahingehend möglich sei, dass der Vertrag befristet „und somit ordentlich kündbar“ sei, ist nicht ganz verständlich. Ein befristeter Vertrag, dazu noch ein befristetes Dauerschuldverhältnis, ist gerade nicht ordentlich kündbar, sondern nur aus wichtigem Grund vorzeitig auflösbar. Auch wenn ein unbefristeter Vertrag gemeint sein sollte, ist das Argument nicht überzeugend. Mit der Ultima-Ratio-Funktion der Geschäftsgrundlage (vgl dazu (2 Ob 173/12y) wird nur ausgedrückt, wann sich der auflösungswillige Vertragspartner überhaupt auf deren Wegfall berufen kann. Dies bedeutet aber nicht, dass diesem in jedem Fall eine Gelegenheit zur sofortigen Abstandnahme vom Vertrag zur Verfügung stehen müsste.

2.6 Auch von einer Verzögerung der Einholung der Abbaubewilligung durch die Klägerin kann nicht ausgegangen werden. Für einen solchen Fall ist im Abbauvertrag eine gesonderte Kündigungsmöglichkeit vorgesehen. Damit steht wieder der vom Beklagten ins Treffen geführte Rechtsgrundsatz im Einklang, wonach auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage nur in Ermangelung anderer Möglichkeiten zur Beseitigung der rechtsgeschäftlichen Bindung (als ultima ratio) zurückgegriffen werden kann.

Nach den Feststellungen hätte die Klägerin die notwendigen behördlichen Anträge einbringen können, wenn der Beklagte die dazu erforderliche Zustimmungserklärung (als Grundstückseigentümer) abgegeben hätte. Die Nichteinbringung der Anträge hat daher nicht die Klägerin, sondern der Beklagte zu vertreten.

3.1  Weiters bezieht sich der Beklagte in der außerordentlichen Revision auf die vorgetragenen Gründe für eine außerordentliche Kündigung.

Dauerschuldverhältnisse können durch einseitige Erklärung vorzeitig aufgelöst werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, der die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses für einen der Vertragsteile unzumutbar erscheinen lässt. Dies gilt auch bei vereinbarter Unkündbarkeit und bei befristeten Verträgen (RIS‑Justiz RS0027780; RS0018377; 6 Ob 68/15s). Bei einem befristeten Dauerschuldverhältnis wird von der Rechtsprechung davon ausgegangen, dass die Vertragsparteien bis zum vereinbarten Endtermin durch die Befristung auf ihr ordentliches Kündigungsrecht verzichten, sofern keine gegenteilige Vereinbarung getroffen wird (7 Ob 154/13t). Gründe, mit denen schon bei Abschluss des Dauerschuldverhältnisses gerechnet werden musste, oder Veränderungen, die von den Vertragsparteien offensichtlich in Kauf genommen wurden, können die vorzeitige Auflösung nicht rechtfertigen (3 Ob 274/02v; 2 Ob 173/12y).

3.2 Dem Beklagten ist darin zuzustimmen, dass– mangels gegenteiliger Regelung – wichtige Gründe für die Vertragsauflösung grundsätzlich auch „nachgeschoben“ werden können. Diese Gründe müssen allerdings zum maßgebenden Zeitpunkt der Auflösungserklärung vorgelegen gewesen sein (vgl RIS‑Justiz RS0029131; 9 ObA 43/10d; 8 ObA 96/15y). Außerdem muss aus der Auflösungserklärung deutlich hervorgehen, dass es sich um eine außerordentliche Auflösung des Vertragsverhältnisses handelt (vgl RIS‑Justiz RS0021579). Ebenso ist richtig, dass ein Nachtragen von form- oder fristgebundenen Auflösungsgründen (vgl RIS‑Justiz RS0106300) eine neue Auflösungserklärung darstellt (wovon auch das Berufungsgericht ausgeht) und die Auflösung eines Dauerschuldverhältnisses aus wichtigem Grund auch in der Klage bzw im Zuge des Rechtsstreits erklärt werden kann.

3.3 Im gegebenen Zusammenhang ist allerdings zu berücksichtigen, dass eine in der Berufung unterlassene Rechtsrüge in der Revision nicht mehr nachgeholt werden kann (vgl 8 Ob 120/06i; 2 Ob 57/11p).

In der Berufung hat der Beklagte den mangelnden Projektfortschritt, das Problem mit dem Verkehrskonzept, eine Änderung der Rechtslage aufgrund der erforderlichen Renaturierungsfläche, eine (behauptete) sittenwidrige Knebelung sowie listige Irreführung als Auflösungsgründe thematisiert. Das Berufungsgericht hat sich mit diesen Gründen auch auseinandergesetzt. Mit der „Änderung der Rechtslage“ hat es sich vordergründig in Ansehung des Instituts des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (vgl 7 Ob 66/14b) beschäftigt. Im gegebenen Zusammenhang hat es auch ausgeführt, dass die Änderung der Gesetzgebung jene Partei treffe, in deren Rechte diese eingreife. Zudem hat es auf den Rechtssatz zu RIS‑Justiz RS0027780 [T11] verwiesen und ausgeführt, dass dieser Rechtssatz, der sich auf die Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses aus wichtigem Grund beziehe, keine Gesetzesänderung betreffe und daher nicht für den Standpunkt des Beklagten spreche. Diese zuletzt angeführten Erwägungen betrifft jedenfalls auch die vorzeitige Auflösung.

3.4 Die Eignung von herangezogenen Auflösungsgründen zur Herbeiführung der Auflösungswirkung bestimmt sich nach dem Maß der Vorhersehbarkeit der gegen die Vertragsbindung geltend gemachten Umstände und ihrer Zugehörigkeit zur Herrschaftssphäre einer der Vertragspartner. Je eher solche Umstände im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses vorhersehbar waren und je mehr sie in die Sphäre des nun auflösungswilligen Vertragspartners fallen, umso größer ist der Stellenwert der Stabilität der Vertragsbindung und umso höhere Anforderungen sind – im Rahmen der Interessenabwägung – an die Gewichtigkeit der behaupteten Auflösungsgründe zu stellen (3 Ob 274/02v).

Mit der Beurteilung, dass die Änderung der Gesetzgebung grundsätzlich jene Partei treffe, in deren Rechte diese eingreife, bringt das Berufungsgericht zum Ausdruck, dass der Auflösungsgrund im Zusammenhang mit der erforderlichen Renaturierungsfläche (nach dem Projektende) der Sphäre des Beklagten als Grundstückseigentümer zuzuordnen ist. Dem tritt der Beklagte nicht entgegen.

Davon abgesehen hat er dazu vorgebracht, dass ihm durch die erforderliche Renaturierungsfläche (ökologische Vorrangfläche) und die gewässerökologische Begleitung 1,4 ha seiner landwirtschaftlichen Fläche entzogen werde. Nach Beilage ./L2, die einen integrierenden Bestandteil des Ersturteils bildet, werden der ökologische Ausgleich und die ökologischen Begleitmaßnahmen von der Klägerin durchgeführt, und zwar – entsprechend Punkt 7 des Abbauvertrags – auf ihre Kosten. Dass der Beklagte die in Rede stehenden Flächen landwirtschaftlich genutzt hat und nach Vertragsende landwirtschaftlich nutzen will, hat er nicht behauptet.

Unter Berücksichtigung seines Vorbringens und der Beurteilung des Berufungsgerichts zur Sphärenzuordnung zeigt der Beklagte damit auch im Zusammenhang mit der von ihm ins Treffen geführten Änderung der Rechtslage keinen ausreichend gewichtigen Grund auf, der eine vorzeitige Auflösung des Abbauvertrags rechtfertigen würde.

4. Insgesamt gelingt es dem Beklagten nicht, mit seinen Ausführungen eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen.

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